ZIP

1
Johannes Fernberger mit Sohn Ulrich 1532
Eine Medaille als Trauerbekundung
Horst H. Figge
"Die erste deutsche Renaissancemedaille, die das Porträt eines
Kindes zeigt, und die erste, die Vater und Sohn zusammen abbildet",1 hat eine Anzahl von bisher ungelösten Fragen aufgeworfen
(Abb. 1). Die Umschrift der Vorderseite lautet HONESTATIS
ERGO MDXXXII ("Wegen der Ehrbarkeit/Tugend/Würde
1532"). "Unklar ist, worauf sich die Inschrift auf der Vorderseite
'Honestatis ergo' bezieht"2; "dieses spezielle Motto ist etwas überraschend, denn die Humanisten pflegten die virtus über die eher
oberflächliche honestas zu setzen [...] Der Anlass für dieses
Incunabulum in der deutschen Porträtmedaillenherstellung ist unbekannt"3; denn seltsamerweise enthält auch die elf Zeilen lange
Inschrift auf der Rückseite keinen Hinweis darauf. Aus ihr geht
lediglich hervor, dass es sich bei den Abgebildeten um Vater IOAN[nes] FERENBERGER und Sohn VLRICH handelt.
Johann Fernberger "zog 1521 nach Oberösterreich und trat in die
Dienste Ferdinands I. Er wurde zum Ratsherrn und Ersten Sekretär berufen und erhielt 1530 den Titel eines Vicedominus, d. h.
des höchsten Beamten des Königs in Oberösterreich [...] Fernberger gelang es, 1531 den Besitz Egenberg zu erwerben und er fügte
diesen Namen seinem eigenen an. Er starb 1553 in Linz. Der
Sohn Ulrich, sein ältestes Kind, erbte den Titel eines Kammerherrn und starb 1573."4
Zum Doppelbildnis lässt sich nun − trotz aller Bedenken gegenüber der Subjektivität von Eindrücken − sagen, dass es nicht zwei
selbstbewusste, stolze Menschen zeigt, wie man das vom Bild eines Vaters mit seinem kleinen Sohn erwarten könnte. Vielmehr
erscheinen beide ernst, wenn nicht gar tief traurig. Der Anferti1
Hermann Maué 1994, "Nüremberg 1525-1527", in: Stephen K. Scher
(Hg.) The Currency of Fame, S. 258.
2
Grotemeyer 1957: "Da ich het die gestalt". Deutsche Bildnismedaillen des
16. Jahrhunderts., S. 51.
3
H. Maué (wie Anm. 1).
4
H. Maué (wie Anm. 1).
2
gung der Medaille wird also schwerlich ein fröhlicher Anlass zugrunde gelegen haben.
Einer der Gründe für die lakonische Umschrift ist gefunden, wenn
man im Wort HONESTATIS die Buchstaben A und O, also der
christlichen Symbole für Anfang und Ende, vertauscht.5 Aus
HONESTATIS wird dann nämlich HANES TOT IS. Das klingt
wie die Aussage eines Kindes, und damit deutet sich an, dass die
Medaille zum Gedenken an einen verstorbenen Bruder entstanden
ist.
Das folgende Wort ERGO ("deshalb") kann dementsprechend als
die lateinische Erklärung des Vater für die Entstehung der Medaille verstanden werden. Er hat sich mit Sohn Ulrich abbilden
lassen, weil der Erstgeborene und potentielle Erbe der Ämter, Johann Fernberger junior, im Jahr 1532 verstorben war.
Abb. 1: Vorderseite der Medaille auf Johannes Fernberger
und Sohn Ulrich. 39 mm, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg,
Lässt man das H, das links durch den Büstenabschnitt des Jungen
abgetrennt wird, außer Betracht, dann hat man ONESTATIS ERGO, aus dem sich durch bloße Änderung der Worttrenner die
5
Apocalypsis 1,8.
3
kindliche Aussage ONE STAT IS ER GO bilden lässt. Hannes ist
"ohne Staat" gegangen, also ohne Aufsehen zu erregen bzw. ohne
besonderes Ansehen erlangt zu haben. Diese Aussage hat sogar
auf beiden Seiten ein O als Symbol des Endes, und in der Mitte
steht zwischen jeweils sechs Buchstaben das T als Kreuzes- und
Todeszeichen.
Aus ONESTATIS ERGO lässt sich auch EGO RESTO NATIS
("Ich bleibe den Nachkommen") bilden, was wie eine Selbstverpflichtung des nun Ältesten klingt.
Wenn man parallel zum H unterhalb der Büste des Sohns auch
das M unterhalb der Büste des Vaters einbezieht, lässt sich aus
HONESTATIS ERGO M das Anagramm HANS ET EGO MORTIS ("Hans und ich sind des Todes") bilden. Das mag als Aussage
des Vaters gegenüber Ulrich verstanden worden sein, im Sinn
von: Hans ist tot, auch ich werde sterben - das Erbe wirst du dann
antreten.
Über dem Kopf des Mannes und durch seine Kappe unterstrichen
stehen die Buchstaben IS ER, aus denen sich u.a. ERIS ("Du wirst
sein") bilden lässt. Auch das mag als Aussage des Vaters an seinen Sohn verstanden worden sein, der nun als Ältester zum potentiellen Erben geworden war.
Abb. 2a/b: Sinnvolle Teilungen der Umschrift.
Die Umschrift ist so gesetzt worden, dass sie in drei für sich verständliche Teile zerfällt (Abb. 2a). Links von der Senkrechten, die
das Gesicht des Kindes von dem des Vaters trennt, steht HONE-
4
STAT, was für sich genommen "er ehrt" bedeutet, oder dann - A
und O umgestellt - HANES TOT.
Über dem Kopf des Vaters steht IS ERGO, was im Sinn von
"deshalb dieser" verstanden werden kann. Weil Johannes Fernberger junior gestorben war, hat er sich mit Sohn Ulrich abbilden
lassen, der nun an dessen Stelle getreten war. Die Spreizung des
Wortes ERGO ist dabei vorgenommen worden, um genau ein
Drittel des Kreises zu füllen.
Unter dem gleichschenkligen Dreieck steht schließlich MDXXXII
als die Zahl des Jahres, in dem der älteste Sohn wahrscheinlich
gestorben ist.
Anscheinend ist auch der Durchmessers berücksichtigt worden,
der durch den Mund des Vaters geht (Abb. 2b). Die darüber stehenden Buchstaben ESTATIS ERGO können nämlich als
E[x]STAT IS ERGO ("deshalb tritt dieser hervor") gelesen werden.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Umschrift, mit dem
(lateinischen) Rangsystem gerechnet, die Summe 264 = 22x12
ergibt. Ob das irgendeine Rolle gespielt hat und wie es interpretiert worden sein mag, muss dahingestellt bleiben. Bemerkenswert
ist allerdings, dass die Buchstaben oberhalb des genannten
Durchmessers ESTATIS ERGO die Summe 132 = 11x12 ergeben
und die darunter HON MDXXXII ebenfalls = 132 = 11x12.
Auf der Rückseite trägt die Medaille einen elfzeiligen Text, zu
dem an dieser Stelle noch nichts gesagt werden kann.