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D 8512
52. Jahrgang
Nr. 23
Montag, 13. Juni 2016
NACHRICHTEN
POLITIK
Mann in Warschau
Michael Link, Direktor des
OSZE-Büros für Demokratische
Institutionen und Menschenrechte, im Interview.
Seite 4
STREITKRÄFTE
TRAINING MISSION
SOMALIA
Brückenschlag
Deutsche und britische Pioniere
haben für die Übung Anakonda
eine 300 Meter lange Brücke über
die Weichsel errichtet. Seite 8
SOZIALES/PERSONAL
Fit im Dienst
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) soll die Leistungsfähigkeit steigern. Seite 3/11
VIDEO DER WOCHE:
Die NATO-Großübung Saber
Strike 2016 hat begonnen.
US-amerikanische und deutsche
Soldaten verlegen innerhalb von
zwei Wochen über 2400 Kilometer von Deutschland bis nach Estland. Auf der ersten Etappe bereiteten deutsche Pioniere den Weg
über den Fluß Naab bei Weiden
in der Oberpfalz – zu sehen im
Beitrag „Bundeswehr-Marsch
nach Estland – Saber Strike
2016“.
BW CLASSIX: Das Video „Classix – Hilfe bei einer Schlagaderverletzung“ aus dem Jahr 1985
ist ein Rückblick auf die Selbstund Kameradenhilfe bei der
Versorgung von Verletzungen
an der Schlagader.
(eb)
Yusuf Samatar ist erst seit Kurzem
Soldat. Deutsche Kameraden bilden ihn in
den Grundlagen des Pionierwesens aus.
Seite 5
Diese und weitere
Videobeiträge unter
www.youtube.com/
bundeswehr.
[email protected]
Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt
Der
Gefreite
Samatar
2
aktuell
INTERN
13. Juni 2016
Foto: picture alliance/dpa/Sven Hoppe
BILD DER WOCHE
Zerstörung in Simbach: Ein Hochwasser – ausgelöst durch heftige Regenfälle – hat zahlreiche Straßenzüge in der Stadt am Inn schwer beschädigt. In der Region kamen
mindestens sechs Menschen durch die Katastrophe ums Leben. Der Wasserstand überschritt alle bisher beobachteten Werte.
Die Hilfe der Bundeswehr: Seite 8
IMPRESSUM
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ZITAT
EDITORIAL
„Weil Menschen, die alles verloren haben,
keine Nerven haben für zu viel Bürokratie.“
Etwas mehr als zwei Jahre ist es
her, dass die Verteidigungsministerin einen Kulturwandel in der
Bundeswehr einleitete. Ursula
von der Leyen präsentierte die
Agenda Attraktivität. Das klare
Ziel: Die Bundeswehr muss ein
moderner und attraktiver Arbeitgeber werden, um im Kampf um
die besten Köpfe zu bestehen.
Dazu gehören: familienfreundliche Arbeitszeiten, weniger Versetzungen, kostenlose Telefonie
und freies Internet für die
Soldaten im Einsatz, moderne
Möbel in den Stuben.
Die einschneidendste Veränderung aber war die Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie und die damit einhergehende
41-Stunden-Woche für Soldaten.
Ein Schritt, der ein konsequentes
Umdenken in vielen Bereichen
erfordert, aber auf dem Weg zu
einem „normalen“ Arbeitgeber
notwendig ist. Maßgeblich dabei
ist: Alle Veränderungen können
nur nachhaltig greifen, wenn sie
von den Soldaten und ihren Vorgesetzten im Alltag angenommen und damit zur Normalität
werden.
Ein Angebot der Agenda
Attraktivität ist auch das Betriebliche ­Gesundheitsmanagement
(BGM). Die Mitarbeiter der
Bundeswehr sollen körperlich
Landrat Michael Fahmüller (CSU) in der vergangenen Woche im
bayerischen Simbach über seine Zusage, unbürokratische Hilfe
nach der Unwetterkatastrophe zu leisten.
KALENDERBLATT
Vor 80 Jahren: Am 19. Juni 1936 ist die Sensation perfekt. Der Boxer
Max Schmeling schlägt den bis dahin unbesiegten US-Amerikaner
Joe Louis in der zwölften Runde k.o. und wird Box-Weltmeister im
Schwergewicht.
Vor 90 Jahren: Am 13. Juni 1926 wird auf dem Berliner Friedhof
Friedrichsfelde das Denkmal zu Ehren der Opfer der Novemberrevolution im Jahr 1918 enthüllt. Es erinnert an die ermordeten
Revolutionsführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Das
Monument trägt die Inschrift „Ich war – ich bin – ich werde sein“.
Vor 115 Jahren: Am 17. Juni 1901 erklärt die in Berlin tagende
„Konferenz zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung“
Konrad Dudens Orthografieregeln als verbindlich. Bereits 1872 war
der erste „Duden“ veröffentlicht worden.
Vor 130 Jahren: Am 13. Juni 1886 ertrinkt der 41-jährige König
Ludwig II. von Bayern unter ungeklärten Umständen im Starnberger
See. Der König gilt zu Lebzeiten als menschenscheu, lässt während
seiner Herrschaft prachtvolle Schlösser wie Neuschwanstein erbauen. Kurz vor seinem Tod wurde er unter Hinweis auf „geistige Umnachtung“ entmündigt und abgesetzt.
Vor 205 Jahren: Am 18. Juni 1811 wird in der Berliner Hasenheide
der erste Turnplatz Deutschlands errichtet. Gründer ist der damals
33-jährige Friedrich Ludwig Jahn.
(eb)
fit sein. Das Verpflegungsamt
in Oldenburg ist ein Beispiel
dafür, was BGM bewirken
kann. Dort wurde das Betriebliche Gesundheitsmanagement
in einer Pilotphase erprobt
(Seite 11). Die Mitarbeiter sind
nicht nur leistungsfähiger, auch
Gemeischaft und Zusammenhalt wachsen. Und: Gemeinsamer Sport ist teambildend –
auch in den zivilen Bereichen
der Bundeswehr ist das wichtig.
Die Folge sind motivierte und
zufriedene Mitarbeiter, die sich
mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. Letztendlich sind sie die
wichtigsten Botschafter für jedes
Unternehmen bei der Suche nach
neuem Personal.
Christiane Tiemann
Ressortleiterin
Personal und Soziales
13. Juni 2016
MINISTERIUM / HINTERGRUND
Vernetzt ans Ziel
„Wir arbeiten prima zusam­
men“, sagte Müller. Von der
Leyen hob die „konsequente
Zusammenarbeit“ auf strategi­
scher Ebene im Prozess zum
neuen Weißbuch 2016 hervor
und unterstrich die Fortschritte
bei der Entwicklungszusammen­
arbeit. „Wir denken vernetzt
und ganzheitlich.“ Die Minis­
terin berichtete von einer „engen
und produktiven Zusammenar­
beit zwischen BMZ und der
Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) auf der
einen Seite und Verteidigungs­
ministerium und Bundeswehr
auf der anderen Seite“.
vom Quartett für den nationalen Dialog in
Tunesien, Ouided Bouchamaoui, hat bei der
Konferenz „Entwicklung, Sicherheit und Frieden“ den Druck durch die Krise in Libyen auf ihr
Land beklagt. Allein seit Februar seien 1,5 Millionen
libysche Flüchtlinge ins Land gekommen, sagte sie in
Berlin. Hier gelte es, dringend Abhilfe zu schaffen. Das könne
nur vernetzt gelingen. Bouchamaoui: „Wir sind alle verantwortlich für den Frieden.“ Sie wies auf die tickende Zeitbombe einer
„lost generation“ – einer „verlorenen Generation“ von Jugendlichen hin. Sie bräuchten dringend Arbeit. Der regionale Nothilfe-Koordinator für Syrien und die Nachbarländer des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), Muhannad
Hadi, berichtete, ein Professor verdiene 20 Dollar pro Tag, ein
„IS“-Kämpfer ein Vielfaches. „Es gibt keine lokalen Konflikte mehr.
Was in Syrien passiert, geht die ganze Welt an“, erklärte Hadi.
Die Direktorin des „Africa Peace and Security Programme”,
Michelle Ndiaye, betonte: „Wir sind an einem Punkt angelangt, an
dem die Krisen in Afrika angegangen werden müssen.“ Wer mit
diesem Vorhaben erfolgreich sein wolle, der müsse die Region
besser verstehen, gab Dan Smith, Direktor des „Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) zu bedenken.“
(jf)
anne
rt
Berlin. Die Friedensnobelpreisträgerin 2015
So etwa in Mali. Dort sei sie
bei ihrem Besuch in Gao vom
Bürgermeister in ihrer Funktion
als Verteidigungsministerin völ­
lig selbstverständlich auf
Entwicklungsprojekte
oder wirtschaftliche
Investitionen ange­
sprochen wor­
den. Militärischer
Schutz, Wieder­
aufbau, Entwick­
lung und Inves­
titionen würden
zusammen gesehen.
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/B
RK
D
Aus
dem Nordirak
:
Foto
berichtete die Ministe­
rin, werde ihr von kurdischen
Gesprächspartnern nicht nur ver­
sichert, wie notwendig deutsche
Waffenlieferungen im Kampf
gegen die Terrormiliz „Islami­
scher Staat“ seien – sondern
auch die Hilfe für die rund zwei
Millionen Flüchtlinge, die in der
Autonomieregion lebten. Von
der Leyen: „Sowohl in Mali
als auch im Nordirak handelt
Deutschland vernetzt.“
Es gehe nun darum, so von der
Leyen, den vernetzten Ansatz
weiter zu entwickeln und dabei
auch die Strategiefähigkeit ins­
gesamt zu verbessern.
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B
Vernetzter Ansatz:
Das sagen Experten
Deutschland
handelt vernetzt
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/D
i
Vernetzter Ansatz: Der Anspruch ist, dass zivile und militärische
Akteure Hand in Hand arbeiten.
Ausgehend von den Erfah­
rungen in Afghanistan hätten
beide, BMVg und BMZ, gelernt,
welch große Bedeutung vernetz­
tes Handeln habe.
Das Konzept der vernetz­
ten Sicherheit umschreibt den
Anspruch, die Arbeit militäri­
scher und entwicklungspoliti­
scher und anderer Akteure zu
bündeln. Stabilisierungs­ und
Friedensmissionen sollen abge­
stimmt verlaufen.
de
sw
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Foto: UNHCR/Achilleas Zavallis
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke
Foto: Bundeswehr/Jana Neumann
Von Jörg Fleischer
Zeichen gegenseitiger
Wertschätzung
Gesund am Arbeitsplatz
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) soll Leistungsfähigkeit steigern.
Berlin. Der Abschlussbericht
zum Erprobungsverfahren des
Betrieblichen Gesundheits­
managements (BGM) ist in der
vergangenen Woche im Berliner
Bendlerblock vorgestellt worden.
Das Ende der Erprobungsphase
bildete aber gleichzeitig auch der
Startschuss zur Ausfächerung in
der Bundeswehr.
Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen betonte,
das Thema werde gut angenom­
men und halte Führungskräfte
an, mit gutem Beispiel voran­
zugehen. Die Ministerin sagte:
„Zeit für BGM ist keine verlo­
rene Zeit, ganz im Gegenteil. Sie
schafft Ressourcen und Resilienz,
steigert unsere Motivation und
unsere Leistungsfähigkeit.“
Die Ministerin stellte aber auch
klar: „BGM ist immer nur so gut,
wie es akzeptiert und vorgelebt
wird.“
Soldaten wie auch Zivilbeschäf­
tigte verbringen einen Großteil ihrer
Zeit am Arbeitsplatz. Betriebli­
ches Gesundheitsmanagement
(BGM) soll ihr Arbeitsumfeld
jetzt so gestalten, dass es zu einer
gesundheitsbewussten
­
Lebensweise
motiviert. Dafür lief 2015 die Erpro­
bungsphase an elf Dienststellen.
3
Bundestag beschließt
Beteiligungsgesetz
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betont die enge Zusammenarbeit mit dem BMZ.
Berlin. Verteidigungsministerin
­
Ursula von der Leyen hat bei
der Konferenz „Entwicklung,
Sicherheit und Frieden“ in Ber­
lin für eine bessere Vernetzung
der Lagezentren und Informati­
onsstellen der Bundesregierung
geworben.
Bei der Veranstaltung im Bun­
desministerium für wirtschaftli­
che Zusammenarabeit und Ent­
wicklung (BMZ) betonte die
Ministerin die enge Zusammen­
arbeit zwischen Verteidigungs­
ministerium (BMVg) und dem
BMZ. „Wer so gut harmoniert
und so viele gute Ideen gemein­
sam entwickelt, der sollte gleich
weiter machen“, sagte von der
Leyen an die Adresse ihres
Kollegen Gerd Müller, Minister
für wirtschaftliche Zusammen­
arbeit und Entwicklung. Müller
hatte als Antwort auf seinen
Besuch im vergangenen Jahr
im Verteidigungsministerium
ins BMZ eingeladen.
aktuell
Der Abschlussbericht sieht das
Projekt auf einem guten Weg. Der
Leiter des Forschungskonsorti­
ums, Andreas Schlattmann, zog
eine positive Zwischenbilanz. Er
erklärte, das BGM werde durch
drei Säulen getragen: Führung
und Organisation, Arbeits­ und
Gesundheitsschutz sowie betrieb­
liche Gesundheitsförderung.
Der Fokus der Erprobungs­
phase, die von Wissenschaft­
lern unterschiedlicher Dis­
ziplinen begleitet wurde,
lag laut Schlattmann auf der
­betrieblichen Gesundheitsför­
derung mit den Bereichen Bewe­
gung, Ernährung, Stressbewäl­
tigung und Suchtprävention.
Acht von zehn Maßnahmen fie­
len dabei auf das Thema Bewe­
gung. Sie erreichten 19 Prozent
der Beschäftigten.
Für die Zukunft wünscht
sich Schlattmann: „Wenn wir
das Betriebliche Gesundheits­
management nach und nach aus­
fächern, dann gilt: BGM muss für
alle sein, BGM muss nachweis­
lich wirksam sein. Und BGM
muss sichtbar sein.“
(eb)
Mehr Informationen zum Thema
auf Seite 11.
Berlin. Der Deutsche Bundestag
hat am vergangenen Donnerstag
das „Gesetz zur Änderung solda­
tenbeteiligungs­ und personalver­
tretungsrechtlicher Vorschriften“
beschlossen. Damit wird unter
anderem das Soldatenbeteili­
gungsgesetz neu gefasst. Es heißt
künftig „Soldatinnen­ und Sol­
datenbeteiligungsgesetz.“ Darin
wird die Position der Vertrauens­
personen durch folgende Maß­
nahmen deutlich gestärkt: Ver­
längerung ihrer Amtszeit von
zwei auf vier Jahre, Verbesse­
rung ihrer Ausstattung („Per­
sonalratsstandard“), Recht auf
Durchführung von Versamm­
lungen der Wählergruppe, Auf­
wandsentschädigung für freige­
stellte Vertrauenspersonen und
Schaffung zusätzlicher Weiterbil­
dungsmöglichkeiten. Weiter wer­
den in Anlehnung an das Bundes­
personalvertretungsgesetz den
Vertrauenspersonen neue Auf­
gaben zugewiesen. So sollen sie
etwa Maßnahmen beantragen, die
der Dienststelle und ihren Solda­
ten dienen, und darüber wachen,
dass die zugunsten der Soldaten
geltenden Gesetze, Verordnun­
gen und Vorschriften durchge­
führt werden.
(bö)
Wehrbeauftragter
dankt Soldaten
Berlin. Der Wehrbeauftragte
des Deutschen Bundestages,
Hans­Peter Bartels, hat seinen
ersten Jahresempfang im Amt
zum Anlass genommen, der
Bundeswehr zu danken. Bartels
sagte vor rund 520 Gästen in der
Vertretung des Landes Nord­
rhein­Westfalen beim Bund in
Berlin: „Die Bundeswehr ist da,
wo sie gebraucht wird – tausend
Dank.“
Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen gratulierte
dem Wehrbeauftragten zum ers­
ten Jahr im Amt und dankte ihm
für seine Initiativen und nachhal­
tigen Forderungen. „Sie stellen
die richtigen und wichtigen Fra­
gen und vertreten die Belange
der Streitkräfte auch außerhalb
der Bundeswehr in einer breiten
Öffentlichkeit mit der notwendi­
gen Beharrlichkeit.“
Bartels hatte zuvor in seiner
Rede betont, dass die Solda­
ten der Bundeswehr neben den
diversen Einsätzen, in denen sie
gebunden seien, darüber hinaus
die Flüchtlingshilfe zu bewälti­
gen hätten. Zum Zeichen seiner
hohen Anerkennung dafür hatte
der Wehrbeauftragte stellvertre­
tend 15 Soldaten, die sich ganz
besonders für die Flüchtlingshilfe
engagiert hatten, zu seinem Emp­
fang in die NRW­Landesvertre­
tung in die Hauptstadt eingela­
den.
(jf)
Sirte. In Libyen rücken die
Regierungstruppen weiter auf die
„IS“-Hochburg Sirte vor. In der
vergangenen Woche eroberten
die Kämpfer der neuen Einheitsregierung 20 Kilometer
vor der Küstenstadt zwei Kasernen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zurück, wie die
Einheitsregierung mitteilte. Bei
den Kämpfen, die von Luftangriffen unterstützt wurden, gab
es den Angaben zufolge mindestens sechs Tote und 15 Verletzte.
Die von den Vereinten Nationen
unterstützte Regierung der nationalen Einheit ist seit Ende März
im Amt. Sirte liegt 450 Kilometer östlich von Tripolis. Der „IS“
hatte die Heimatstadt des getöteten früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi vor einem Jahr
erobert und dort Ausbildungslager eingerichtet.
(mid/hcy)
Paris setzt in Syrien
Spezialkräfte ein
Paris. Frankreich hat den Einsatz
eigener Spezialkräfte in Syrien
bestätigt. Französische Elitesoldaten würden die Kämpfer der
Demokratischen Syrischen Kräfte
(SDF), eines Zusammenschlusses
gemäßigter kurdischer und arabischer Rebellen, bei der Offensive auf die nordsyrische Stadt
Minbedsch beraten. Das teilte
das französische Verteidigungsministerium mit. Bislang hatte
Frankreich im Kampf gegen die
Terrormiliz „Islamischer Staat“
(IS) nur den Einsatz von Spezialeinheiten im Irak bestätigt. Dort
sind rund 150 französische Elitesoldaten im Einsatz. In Syrien
hatte Frankreich den Kampf gegen
den „IS“ nach den grausamen
Terroranschlägen von Paris am
13. November des vergangenen
Jahres aufgenommen. (fs/hcy)
Nach Anschlag setzt
Israel auf Vergeltung
Tel Aviv. Nach dem tödlichen
Anschlag in Tel Aviv in der vergangenen Woche hat Israel mit
ersten ­Vergeltungsmaßnahmen
begonnen. Im besetzten Westjordanland wurden hunderte
zusätzliche Soldaten stationiert,
wie die Armee mitteilte. Außerdem wurden Einreisegenehmigungen für zehntausende
Palästinenser zurückgenommen,
­
die im Fastenmonat Ramadan
Verwandte in Israel besuchen
wollten. Bei dem Anschlag waren
am vergangenen Mittwoch vier
Israelis getötet worden. Zwei
palästinensische Attentäter hatten in Tel Aviv im Ausgehviertel
Sarona um sich geschossen. Viele
Israelis hatten dort ihren Sommerabend verbracht.
(mid/ju)
13. Juni 2016
D
er NATO-Gipfel in Warschau rückt näher. Wie
sieht man in Polens
Hauptstadt dem sicherheitspolitischen Spitzentreffen der
Staats- und Regierungschefs im
Juli entgegen? Die Redaktion der
Bundeswehr hat mit dem Direktor
des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) in Warschau,
Michael Link, gesprochen. Er
war zur Amtszeit von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) Staatsminister im
Auswärtigen Amt.
Als Direktor des OSZE-Büros
für Demokratische Institutionen
und Menschenrechte haben Sie
den Sitz Ihrer Dienststelle in
Warschau. Wie sieht man dort
dem bevorstehenden NATOGipfel entgegen?
Der NATO-Gipfel wird hierzulande als das wichtigste politische Ereignis des Jahres in der
Region wahrgenommen. Es werden große Hoffnungen an eine
höhere NATO-Truppenpräsenz
in der Region geknüpft. Nicht
zuletzt ist zu erwarten, dass das
Verhältnis des Verteidigungsbündnisses zu seinen östlichen
Nachbarn im Mittelpunkt der
Debatten stehen wird – diesem
Thema wird in der polnischen
Bevölkerung eine herausragende
Rolle beigemessen.
Deutschland hat den
OSZE-Vorsitz in diesem Jahr
inne – welchen Beitrag leisten
Sie dazu?
ODIHR ist die größte
Institution in der sogenannten
menschlichen Dimension des
OSZE-Sicherheitsbegriffs.
­
Als
solche unterstützen wir die 57
Teilnehmerstaaten der OSZE in
zahlreichen Bereichen bei der
Umsetzung ihrer menschenrechtlichen ­Verpflichtungen.
Ob Wahlbeobachtung, Förderung der Rechtsstaatlichkeit
durch Prozessbeobachtung,
­
Beratung bei Gesetzgebungsprozessen oder Schulungen von
Sicherheitspersonal im Umgang
mit Intoleranz und Diskriminierung – im Mittelpunkt unserer
Arbeit steht immer das Individuum und dessen Grundrechte.
Die Gründer der OSZE haben
schon früh erkannt, dass es dauerhafte Sicherheit nur unter Wahrung der Menschenrechte geben
kann. Diesen Grundsätzen ist
auch der deutsche Vorsitz verpflichtet und wir unterstützen ihn
aktiv bei der Umsetzung.
Sie sind viel in Osteuropa unterwegs. Welche Einstellungen
der Menschen registrieren Sie
dort gegenüber der NATO und
den Plänen der Allianz, ihr
Engagement in dieser Region
auszuweiten?
Grundsätzlich habe ich den
Eindruck, dass die Bevölkerung
­­
Foto: Bundeswehr/Marco Dorow; Logo: NATO
Regierungstruppen
rücken gegen „IS“ vor
POLITIK / HINTERGRUND
Sicherheit
durch Rechte
ODHIR-Direktor Michael Link im Interview.
Foto: OSCE/Micky Kröll
aktuell
Foto: picture alliance/dpa/Mikhail Sokolov
4
NATO-Engagement in Osteuropa: Laut ODHIR-Direktor Michael Link
(u. r.) steht die Bevölkerung in den betroffenen Ländern hinter den
Plänen. Hintergrund: Die Bedrohung durch Russland (u.l.).
ODIHR – für die Wahrung der Menschenrechte
Warschau. Das Büro für Demokratische Institutionen und
Menschenrechte (Office for Democratic Institutions and Human
Rights, ODIHR) gilt international als eine der wichtigsten regionalen
Menschrechtsinstitutionen. Das ODIHR hat seinen Sitz im
polnischen Warschau und ist die Menschenrechtsinstitution der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Das Büro ist in Europa, im Kaukasus, in Zentralasien und in
Nordamerika tätig. Die Institution fördert demokratische Wahlen,
Respekt für Menschenrechte, Toleranz und Nichtdiskriminierung,
sowie Rechtstaatlichkeit. Direktor des Büros ist seit Juli 2014
Michael Georg Link, zuvor Staatsminister im Auswärtigen Amt.
Die OSZE ist die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation,
eine zwischenstaatliche Organisation, die sich für Stabilität,
Prosperität und Demokratie engagiert. Sie hat 57 Mitgliedstaaten.
Die OSZE umfasst eine Region, die sich von Vancouver im Westen
bis nach Wladiwostok im Osten erstreckt.
Menschenrechte und Demokratie sind Grundpfeiler des
umfassenden Sicherheitskonzeptes der OSZE. Diesem liegt das
Bekenntnis aller OSZE-Mitglieder zu Grunde, dass dauerhafte
Sicherheit nicht ohne Achtung der Menschenrechte und funktionierende demokratische Institutionen erreicht werden kann.
Die Bundesregierung hat 2016 den OSZE-Vorsitz inne. Deutschland trägt damit die Verantwortung, die Organisation im Jahr
2016 sicher durch die unruhigen politischen Großwetterlagen und
Krisen zu führen. Das bedeutet unter anderem konkret: Fortgesetztes Krisen- und Konfliktmanagement in der Ukraine sowie bei
den weiteren ungelösten Konflikten im OSZE-Raum. Amtierender
Vorsitzender ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
(eb)
Welche konkrete Funktion
hat das OSZE- Engagement
innerhalb des vernetzten
­Ansatzes?
Die Schlussakte von Helsinki, mit der 1975 der umfassende Sicherheitsbegriff der
OSZE begründet wurde, war
nicht nur das Gründungsdokument der Konferenz über
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Sie
war auch die Verschriftlichung
fortschrittlichen politischen
Denkens und damals ihrer Zeit
weit voraus. Indem sie einen
unmittelbaren Zusammenhang
zwischen den drei Dimensionen
militärische und wirtschaftliche
Sicherheit sowie Menschenrechte und individuelle Freiheiten
herstellt, nahm sie den vernetzten
Ansatz vorweg. Dadurch können
wir als OSZE uns dimensionenübergreifenden
­
Herausforderungen im Sicherheitsbereich
besonders gut stellen – dies gilt
gleichermaßen für grenzüberschreitende Bedrohungen wie
Terrorismus oder Menschenhandel, aber auch für komplexe
Probleme wie eingefrorene Konflikte oder politische Transformationsphasen. Als Büro für
demokratische Institutionen und
Menschrechte kommen wir
immer dann ins Spiel, wenn
Grundfreiheiten und Menschenrechte betroffen sind.
Glauben Sie, dass noch in diesem
Jahr die EU-Sanktionen gegen
Russland gelockert oder sogar
aufgehoben werden können?
Die Lockerung oder Aufhebung
von Sanktionen ist eine Angelegenheit der Europäischen Union
sowie einzelner Staaten, bei der
OSZE stehen Dialog und Vertrauensbildung im Vordergrund. Grundsätzlich scheint es
mir jedoch geboten, vor einer
Lockerung von Maßnahmen zu
analysieren, inwieweit sich die
ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte entwickelt haben.
Wie steht die polnische
Bevölkerung zu dem durch die
Vereinigten Staaten forcierten
Projekt einer Raketen-Abwehr?
Die Bemühungen der
polnischen Regierung, die
­
Stationierung
einer ­Komponente
des geplanten Raketenabwehrsystems im eigenen Lande zu
erwirken, werden von einem
breiten politischen Konsens
getragen.
Die Fragen stellte Jörg Fleischer.
13. Juni 2016
EINSATZ / BUNDESWEHR
aktuell
5
Mit Fingerspitzengefühl
Ein deutscher Oberleutnant bildet somalische Soldaten aus – auch den 62-jährigen Yusuf Samatar.
Von Peter Mielewczyk
Fotos Jane Schmidt
Mogadischu. Sie wollen nicht
entdeckt werden, es muss schnell
gehen. Mit Spaten und Spitzha­
cke graben sie ein Loch mitten
auf der Straße. Neben ihnen liegt
ein Plastikkanister, ein langes
schwarzes Kabel hängt heraus,
es führt zur „pressure plate“ –
zur Auslösevorrichtung. Nach
wenigen Minuten ist die Arbeit
getan, nur bei genauem Hinsehen
ist zu erkennen, wo der Spreng­
satz, das „Improvised Explosive
Device“ (IED) versteckt liegt.
Oberleutnant David Brenner*
und sein italienischer Kamerad
sind zufrieden. Ihre Ausbildungs­
gruppe im „General Dhagabadan
Training Center“, kurz GDTC,
wartet schon. Seit zwei Monaten
ist der Oberleutnant bei der Euro­
pean Training Mission Somalia
(EUTM SOM) als Trainer
eingesetzt und bildet Soldaten der
somalischen Armee in den Grund­
lagen des Pionierwesens aus.
Die Betonung liegt auf Grund­
lagen. Ein Vorwissen ist bei den
Soldaten so gut wie nicht vor­
handen. Vier Monate sind für
das Training vorgesehen, mit
den einfachsten der Armee zur
Verfügung stehenden Mitteln.
Wo lauern tödliche Sprengsätze
und wie spürt man sie auf? Das
ist das Thema für die nächsten
drei Stunden, dafür haben
Brenner und sein Kamerad den
Ausbildungsparcours entlang der
Straße aufgebaut.
Die Ausbildung
beginnt
Explosion. Der
Gefreite Samatar
lässt sich davon nicht
beeindrucken, er will
seine Sucher unter Kontrolle
haben, schließt immer wieder auf,
schaut und redet auf sie ein, will
alles richtig machen. Plötzlich
stoppt einer der Sucher, in einer
Entfernung von zwei Metern hat
er etwas Verdächtiges gefunden.
Ein kleiner Kasten, mit Klebe­
band ist ein Handy daran befes­
tigt. Brenner lässt die Gruppe
sammeln. Die erste Spreng­
falle ist gefunden. Der italie­
nische Kamerad, der ausgebil­
deter Kampfmittelräumer ist,
übernimmt. Gedanklich arbeitet
er mit den Soldaten eine Check­
liste ab, erklärt die Funktions­
weise des gefundenen IED.
Nicht immer einer
Meinung
Meter für Meter geht es weiter.
Immer die Straße entlang, kein
Schatten, die Sonne brennt von
oben. Yusuf Samatar läuft jetzt
links vorn, ist nun als Sucher
eingesetzt. Minute für Minute
vergehen, die Soldaten werden
ungeduldig. Sollten sie etwas
übersehen haben? Brenner und
sein italienischer Kamerad bli­
cken teilnahmslos – nicht ohne
Hintergedanken. Sie haben
ihr Lernziel jetzt fast erreicht:
Ungeduld macht unvorsichtig.
Samatar hebt den Arm, er
hat etwas gefunden. In einem
Graben neben der Straße liegt eine
Styroporverpackung. Der italieni­
sche Soldat blickt ungläubig, wie­
der wird die Gruppe gesammelt
und das Objekt wird betrachtet.
Ist es eine Sprengfalle oder Müll?
Die Ausbilder gehen gemeinsam
Punkt für Punkt der Checkliste
durch, keine Anhaltspunkte. Der
Gefreite bleibt dabei, er meint
etwas gefunden zu haben und
fängt an, mit der Metallstange
in der Verpackung zu stochern.
Der Kampfmittelräumer unter­
bricht die Ausbildung,
mahnt zur Vor­
sicht. „So nicht!
Wenn Du Dir
nicht sicher
bist, ändere
Deine Perspektive
zum Objekt, aber nicht
anfassen“, erklärt der Italiener.
Von allen Seiten wird das Objekt
angesehen. Yusuf Samatar ist
weiterhin überzeugt, auf eine
Sprengfalle gestoßen zu sein.
Seine einleuchtende Begrün­
dung nach 25 Jahren Bürger­
krieg in Somalia: Genau so ein
Ding sei schon einmal explodiert.
Jahre seien seitdem vergangenen,
aber er erinnert sich noch gut,
dass er damals ganz in der Nähe
war. Jetzt ist sensibles Vorgehen
gefragt, und schließlich wird eine
salomonische Aussage getroffen.
In diesem Fall habe man es nicht
mit einer Sprengfalle zu tun, so
die beiden Ausbilder. Die vehe­
menten Einwände des Gefreiten
und seine Hinweise auf Erfah­
rungen aus der Vergangenheit
werden dennoch gelobt, „lieber
einmal zu viel, als einmal zu
wenig“. Der Soldat ist einverstan­
den. Seine Aufregung lässt nach.
Erfolgserlebnis im
Roadsweep
Minuten vergehen und im
„Roadsweep“ tasten sich die Sol­
daten die Straße voran. Gleich ist
der vergrabene Kanister erreicht.
Wieder hebt Samatar seine Hand,
er wirkt ein wenig unsicher.
Gemeinsam mit den Ausbildern
analysieren die Soldaten die ver­
dächtige Stelle. Aufgebrochene
Erde am Weg, eine Markierung
am Straßenrand. Ein Soldat ent­
deckt das dünne schwarze Kabel
im Sand. Zur Demonstration
wird die „pressure plate“ freige­
legt, die Gruppe war nur wenige
Schritte davon entfernt. Sama­
tar soll am Kabel ziehen. Lang­
sam kommt der große Kanister
zum Vorschein. Der Gefreite hat
ihn gefunden, er hat alles rich­
tig gemacht. Nach drei Stunden
und zwei weiteren sichergestell­
ten IED­Attrappen endet die Aus­
bildung. „Ich halte das Ausbil­
dungsziel heute für erreicht“,
fasst Brenner den Tag vor der
Gruppe zusammen, sein ita­
lienischer Kamerad stimmt ihm
zu. Schon morgen wird es wei­
ter gehen. Mit viel Erfahrung und
Fingerspitzengefühl – auf beiden
Seiten.
*Name zum Schutz des Soldaten
geändert.
Ein Video zum
Thema auf
www.youtube.com/
bundeswehr.
Fotos: Bundeswehr/Jane Schmidt (4)
Die „Roadsweeper“, die Straßen­
kehrer, bestehend aus zwei
„Searchern“ und einem „Guide“
setzen sich in Bewegung, der
restliche Teil der Gruppe folgt.
„Wir müssen in der Ausbildung
einen hohen Praxisanteil haben,
blanke Theorie bringt hier
nichts“, erklärt der Oberleutnant.
Langsam tasten sich die Soldaten
voran, einfache gebogene Metall­
stangen halten sie dabei in den
Händen. Yusuf Samatar* führt die
Gruppe (Bild Mitte). Der 62­jäh­
rige Gefreite ist erst seit wenigen
Monaten bei der Armee, zuvor
war er Handwerker und Straßen­
händler in Mogadischu. Die
Armee ist sein neues zweites
Standbein, verspricht ein geregel­
tes Einkommen und somit auch
ein kleines bisschen Sicherheit.
Am Abend wird er wieder im
Laden seines Bruders aushelfen.
Meter für Meter wird der
Boden untersucht. Immer wie­
der ermahnt der Oberleutnant
die Gruppe, Abstand zu­
einander zu halten,
zu groß ist die
Gefahr einer
Suchen und Finden: Die Ausbilder vergraben einen Kanister – er dient als Attrappe einer versteckten Ladung (l.). Die Lehrgangsteilnehmer besprechen ein verdächtiges
Objekt im Wassergraben (M.) – ein Fehlalarm. Aufgerissene Erde und Markierungen am Straßenrand können auf versteckte Ladungen hinweisen (r.).
POLITIK
aktuell
Von Sylvia Börner
G
roßbritannien stimmt
ab: Am 23. Juni entscheiden seine Bürger
darüber, ob das Vereinigte Königreich Mitglied der
Europäischen Union (EU) bleibt.
Eine einfache Mehrheit genügt.
Wie das Referendum ausgeht, ist
offen. Seit Monaten liegen Befürworter und Gegner des „Brexit“,
wie der britische Austritt knapp
genannt wird, in Umfragen etwa
gleichauf.
„Jeder Staat hat das Recht, im
Einklang mit den eigenen verfassungsrechtlichen ­Bedingungen
aus der Union auszutreten“,
heißt es in Artikel 50 des Vertrags von Lissabon, seit 2009 so
etwas wie die Verfassung der
EU. Im Mai 2015 beschloss
das britische Parlament aus
Unterhaus und Oberhaus – mit
Zustimmung des Königshauses – das Referendum. Eingebracht hatte die Gesetzesvorlage
der EU-kritische Außenminister
Philip Hammond.
Sollten die Befürworter des
Austritts am Ende die Nase
vorn haben, würde es ernst.
Weitere Verhandlungen seien
ausgeschlossen, bekräftigte die
­
Sprecherin
von ­Premierminister
David Cameron: „A vote to
leave is a vote to leave.“ Großbritannien würde zunächst den
Europäischen Rat über die Entscheidung informieren. Anhand
der Leitlinien des Europäischen
Rates würde die Union mit Großbritannien ein Abkommen über
die Einzelheiten des Austritts
verhandeln und festschreiben.
In dieser Vereinbarung würde
auch geregelt, wie die Beziehungen zwischen dem Land und der
Union in Zukunft aussehen sollen.
Der Rat müsste das Abkommen
Gehen
oder bleiben?
mit einer qualifizierten Mehrheit
annehmen, kein Mitglied könnte
ein Veto einlegen. Zu guter Letzt
müsste das Europäische Parlament zustimmen. Auch der Tag
des Inkrafttretens müsste zwischen der EU und Großbritannien vereinbart werden. Andernfalls träte das Abkommen laut
EU-Vertrag zwei Jahre nach der
Erklärung Großbritanniens, aus
der EU austreten zu wollen, in
Kraft. Dann wäre Großbritannien
von den EU-Verträgen entbunden.
Die Folgen
des Brexit
Was auf den Brexit folgte, hinge
von den Verhandlungen über die
zukünftigen Beziehungen ab, wie
die Consulting-Firma Global
Waren, Dienstleistungen, Kapital
und Personen – und zum anderen
um den Welthandel. Die Hälfte
aller Waren, die in der EU gehandelt werden, sind durch EUGesetze geregelt. Für die britischen Waren – immerhin 53,6
Prozent der britischen Exporte
– und für britische Dienstleistungen müssten Zölle und Bestimmungen neu festgesetzt werden.
Hinzu kämen neue Absprachen
für Waren, die bislang durch das
Freihandelsabkommen der EU
mit Norwegen, Liechtenstein,
Island und bilaterale Abkommen
mit der Schweiz abgedeckt sind.
­Wirtschaftsexperten warnen
bereits davor, dass die Unsicherheit während der langen Verhandlungsphase sinkende Investitionen zur Folge haben könnte.
Fidelity ergab. Eine Gefahr:
Gerade kleinere Unternehmen
profitieren vom europäischen
Binnenmarkt, Zölle wären für
sie schwer zu schultern. Einen
Vorteil sehen Unternehmer allerdings: Zeitersparnis durch weniger Bürokratie.
Die Lager sind
gespalten
Auch müsste das Abkommen
klären, unter welchen Bedingungen Briten in der EU leben
und arbeiten dürften – und unter
welchen EU-Bürger in Großbritannien. Aktuell leben rund
zwei Millionen Briten in anderen EU-Staaten und haben unter
anderem Zugang zum Gesundheitssystem.
Brexit-Befürworter vs. Brexit-Gegner – die Profile
GEHEN
BLEIBEN
ALTER:
60+
ALTER:
18-29
WOHNORT:
England - East
Midlands
WOHNORT:
Nordirland
BERUF:
Management und
Selbstständige
BERUF:
Facharbeiter
BILDUNG:
Realschulabschluss
BILDUNG:
Hochschulabschluss
POLITISCHE
AUSRICHTUNG:
wählt UKIP
POLITISCHE
AUSRICHTUNG:
wählt grün
Quelle: YouGov
Counsel im Juni 2015 in einer
detaillierten Analyse zum Ausstieg darlegte. Es geht zum einen
um den EU-Binnenmarkt und die
darin verankerten vier Grundfreiheiten – freier Verkehr von
Zwei Drittel der leitenden Angestellten in britischen und kontinentaleuropäischen Firmen
sehen den Austritt auch deshalb
kritisch, wie eine Umfrage der
Vermögensverwaltungsfirma
Die Lager sind auch hier
gespalten: Während für die
einen die Freizügigkeit für die
eigenen Bürger als zu schützendes Gut im Vordergrund steht,
halten andere, wie der im März
Grafik: Bundeswehr/Daniela Prochaska
aktuell
7
zurückgetretene Arbeitsminister
Iain Duncan Smith, Zuwanderung für problematisch, im Falle
von Flüchtlingen sogar für eine
Bedrohung.
Umstritten ist, ob die EU-Vorschriften im Finanzsektor nach
einem Austritt auf den Finanzplatz City of London zutreffen
würden. Brexit-Befürworter glauben, ohne die Gesetze aus Brüssel könnte London als Global
Player aufblühen. Global Counsel fürchtet hingegen um den Binnenmarktzugang für Finanzdienstleistungen: Wenn Großbritannien
nicht mehr durch die Regeln des
Binnenmarkts geschützt wäre,
könnte die Wahrscheinlichkeit
steigen, dass sein großvolumiges Euro-Firmenkunden-Bankgeschäft in die Eurozone überführt
und unter die Aufsicht der Europäischen Zentralbank gestellt wird.
Die Staaten der Eurozonen denken
hierüber bereits nach. Außerdem
müsste Großbritannien alle der
über 50 bilateralen Abkommen
der EU mit Drittstaaten neu verhandeln – mit einer geschwächten Verhandlungsposition.
Auf dem EU-Gipfel im Februar rang Cameron den anderen
EU-Staaten ein Reformpaket ab,
das den Briten den Verbleib in
der EU schmackhaft machen soll.
So sollen Migranten aus der EU
in Großbritannien in den ersten
vier Jahren nur eingeschränkte
Sozialleistungen erhalten. Wie
hoch das Kindergeld ausfällt, soll
davon abhängen, wo das Kind
lebt. Vereinbart wurden auch
mehr Souveränität für den britischen Finanzsektor, ein stärkeres
Mitspracherecht für nationale
Parlamente und eine Selbstverpflichtung zu weniger EU-Bürokratie. Ob Cameron seine Landsleute damit für einen Verbleib in
der EU gewinnen kann?
EU-Handelsabkommen mit Staaten und Staatengruppen weltweit
Zeitfresser. Die EU hat mit einem Großteil aller Länder weltweit spezielle Handelsabkommen geschlossen.
Großbritannien müsste den Marktzugang für britische Produkte in diese Länder sowie die Importbedingungen
für Produkte aus diesen Ländern nach Großbritannien neu verhandeln.
Am 23. Juni
entscheiden die Briten
über ihre Mitgliedschaft in der
Europäischen Union.
EU-Binnenmarkt und Zollunion
Europäische Freihandelszone
begünstigter Zugang zum EU-Markt
begünstigter Zugang zum EU-Markt wird aktuell verhandelt
oder ist noch nicht umgesetzt
Verhandlungen über ein Investitionsa bkommen
TTIP-Abkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership)
Grafik: Y/C3 Visual Lab
Verhandlungen über einen begünstigten Zugang sind in Planung
Grafik: Y/C3 Visual Lab
6
8
aktuell
BUNDESWEHR
13. Juni 2016
Brückenbau
in 30 Minuten
Treffen: Anakonda und
Dragoon Ride
Das Bataillon ist Leitverband
und führt den multinationalen
Pioniereinsatzverband bei Ana­
konda. Neben den Mindenern
sind auch Angehörige des Panzer­
pionierbataillons 803 aus Havel­
berg, des niederländischen 101
Nur Minuten nach der Fer­
tigstellung des Übergangs wird
er von den Gefechtsfahrzeugen
genutzt, um trocken ans andere
Ufer zu kommen. Doch nicht nur
die Anakonda­Teilnehmer pro­
fitieren von der Arbeit der Pio­
niere. Auf ihrem Marsch vom
bayerischen Vilseck nach Tapa in
Estland stellt die Weichsel auch
für die Soldaten auf dem Dra­
goon Ride ein Hindernis dar. Die
Ende Mai gestarteten 1200 Solda­
ten auf ihren 300 Gefechts­ und
Unterstützungsfahrzeugen durch­
queren auf ihrem Weg drei Län­
der. Rund 900 Kilometer haben
sie bis zum Übergang bereits
hinter sich gebracht. Zwischen
Bydgoszcz und Torun (siehe
Grafik) befindet sich nun die
Bremen sagt Danke
für Flüchtlingshilfe
Hilfseinsatz nach dem Regen
Bremen. Bei einem bundes­
weit bisher einmaligen Festakt
zur Würdigung der Bundeswehr­
Unterstützungskräfte in der
Flüchtlingshilfe hat Carsten
Sieling, Bürgermeister der Freien
Hansestadt Bremen, seinen
besonderen Dank ausgesprochen.
Von den 1200 Soldaten, die wäh­
rend der Flüchtlingshilfe ihren
Dienst in Bremen verrichteten,
waren stellvertretend 300 ins Alte
Rathaus gekommen. Die prakti­
sche Unterstützung vor Ort hätte
für den strukturierten Umgang mit
der damals akuten Notsituation
„ein Quantensprung“ bedeutet,
sagte Sieling. Auch das Zusam­
menleben von Bundeswehr und
Zivilgesellschaft habe sich ver­
ändert. Sieling sprach von einer
„tiefen Verankerung“ der Bun­
deswehr in der Gesellschaft, die
in den vergangenen Monaten
geschaffen worden sei.
(kul)
Mehr zum Festakt auf
www.streitkraeftebasis.de
Schwimmbrücke und der Marsch
kann weitergehen.
Noch bis zum 15. Juni werden
sie unterwegs sein. Während
Anakonda dann nur noch zwei
Tage läuft, beginnt für sie erst die
eigentliche Übung Saber Strike
in Estland, Lettland und Litauen.
Auf der Übung unter amerikani­
scher Führung stehen Gefechts­
schießen und Close­Air­Support
auf dem Plan.
Tapa
10 Pärnu
9 Adaži
8 Panevežys
7 Suwalken
6 Orzysz
5 Torun
4 Bydgoszcz
3 Powidz
Der Beitrag „Bundes­
wehr­Marsch nach
Estland ­ Saber Strike
2 Sagan
1 Zeithain
2016“ unter www.youtube.com/bundeswehr.
„Wir werden hier gebraucht.“ – Panzergrenadiere helfen in Simbach.
Simbach am Inn. Soldaten des
Panzerpionierbataillons 4 aus
Bogen haben tagelang bei den
Aufräumarbeiten und der Wieder­
herstellung der Gas­, Wasser­ und
Stromversorgung im von der
Hochwasserkatastrophe gebeu­
telten Simbach am Inn unterstützt.
Am vergangenen Donnerstag wur­
den sie von der 3. Kompanie des
Panzergrenadierbataillons 112 aus
Regen abgelöst.
Oberstleutnant Lars Thiemann
ist stellvertretender Kommandeur
der Bogener Panzerpioniere. Erst
im Mai wurde seine Heimatstadt
von einem Tornado heimgesucht,
dennoch war er von den Zerstörun­
gen durch Wasser und Schlamm
in Simbach tief betroffen. „Wo
grüne und blühende Gärten sein
sollten, liegt jetzt großflächig brau­
ner Schlamm, aus dem hier und
da mitgeschwemmter Hausrat
und Müll herausragt“, berichtete
Thiemann. Glücklicherweise stün­
Fotos: Bundeswehr/Thomas Grill (2)
Gemeinsam
Brücken schaffen
Eine deutsche Soldatin vor der Flußüberquerung im Lager bei Bydgoszcz (l.). Pioniere koppeln amphibische Fahrzeuge vom Typ M3 zur Schwimmbrücke (M. und r.) – um die Weichsel zu überqueren (o.).
Grafik: Bundeswehr/Eva Pfaender
Bydgoszcz. In Polen hat ver­
gangene Woche die Übung
Anakonda 2016 begonnen.
An der aktuellen Auflage der
alle zwei Jahre stattfindenden
Übungsreihe sind mehr als 25 000
Soldaten aus 24 Nationen betei­
ligt. Übungsschwerpunkt ist die
multinationale Zusammenarbeit
bei der Verteidigung eines Lan­
des gegen reguläre und irregu­
läre Kräfte. Das Manöver über­
schneidet sich mit einer weiteren
Großübung: Saber Strike.
Die Bundeswehr nimmt an bei­
den Übungen teil. Während die
Soldaten von Saber Strike noch
auf dem über 2000 Kilometer lan­
gen Anmarsch ins Baltikum, dem
Dragoon Ride II, sind, wird es für
die Angehörigen des Panzerpio­
nierbataillons 130 aus Minden
bereits ernst.
Geniebataljon, der U.S. 361st
Multi­Role­Bridging­Company
und des britischen 23rd Engineer
Troop dabei. Mit den britischen
Pionieren sollen die Deutschen nun
den längsten Fluß Polens überbrü­
cken, die Weichsel. Insgesamt 30
Amphibienfahrzeuge vom Typ M3
kommen zum Einsatz und nach
nur 30 Minuten steht die über 300
Meter lange Pontonbrücke.
Fotos: Bundeswehr/Torsten Kraatz
Von Anika Wenzel
Fotos: Bundeswehr/Farnk Tuschmo (3)
Deutsche und britische Pioniere errichten eine
300 Meter lange Brücke über die Weichsel.
Gemeinsam in Simbach: Soldaten beim Aufräumen.
den die Häuser noch. Als der Offi­
zier vor einigen Tagen anreiste,
habe er ein Haus gesehen, vor dem
das Wasser Holz aus einem nahen
Sägewerk hoch aufgetürmt hatte.
Thiemann: „Solche Bilder prägen
sich ein.“ Die Zusammenarbeit mit
den zivilen Hilfsorganisationen
wie Feuerwehr und Technischem
Hilfswerk habe gut funktioniert.
„Die Hilfsbereitschaft der regi­
onalen Bevölkerung war ebenso
beeindruckend. Hier eine ältere
Dame mit ihrem Enkelkind, das
mit Spielzeugschaufel und Eimer­
chen Schlamm entfernt. Dort
eine ganze Schulklasse, die mit
anpackt“, sagte Thiemann. Auch
aus nicht betroffenen Gebieten
seien Leute gekommen, um zu
helfen. Von jung bis alt sei alles
auf den Beinen.
Die Simbacher Bevölkerung ist
dankbar für die Hilfe der Solda­
ten. „Viele Menschen haben sich
bei uns persönlich bedankt. In
kurzen Pausen haben sie Kaffee
für unsere Soldaten gebracht.
Ein Metzger spendierte Leber­
kässemmeln“, berichtete der
Oberstleutnant. Für ihn ist deut­
lich: „Wir werden hier gebraucht.
Und wir helfen, wo wir können.“
Den ablösenden Soldaten vom
­Panzergrenadierbataillon 112
wünscht Thiemann viel Erfolg –
und gibt ihnen einen kame­
radschaftlichen Tipp: Der
Nachschub solle ausreichend
Gummistiefel für die Soldaten
bereithalten. „Gummistiefel und
Überschuhe, das braucht man
hier in Simbach.“
(ph)
Der Beitrag „Nach dem
Hochwasser: Soldaten
packen an unter
www.bundeswehr.de.
13. Juni 2016
ZOOM
aktuell
9
Waterloo am Bosporus
1915 treffen alliierte Truppen und Soldaten des Osmanischen Reichs bei Gallipoli aufeinander.
L
SE
AL
BIN
LI
H
Krithia
Trotz des Sieges in den
Schlachten von Gallipoli verliert
das Osmanische Reich den Krieg.
1923, nach jahrelangem Befreiungskampf, entsteht die moderne
Türkei unter der Ägide eines
­Gallipoli-Veteranen: Mustafa
Kemal. Fünfzehn Jahre lang wird
er Präsident der Türkei sein, das
Land prägen wie kein Zweiter.
Man verleiht ihm den Ehrentitel
„Atatürk“ – Vater der Türken.
Für die Gefallenen von Gallipoli wollte Atatürk mehr als das
sein. „Es gibt keinen Unterschied
zwischen den Johnnies und den
Mehmets, dort, wo sie Seite an
Seite in diesem unserem Lande
liegen“, schrieb er 1934. „Nachdem sie ihr Leben auf diesem
Land verließen, wurden auch sie
unsere Söhne.“
Dardanellen
Kap Helles
Kumkale
Grafik: Bundeswehr/Daniela Hebbel
Vom Veteranen zum
„Vater der Türken“
Der Mythos ANZAC
Vor allem den Kriegsberichterstattern ist der Mythos um ANZAC
zu verdanken: Die Soldaten hätten tapfer und aufopferungsvoll in
ihrer ersten großen Schlacht gekämpft, schrieben sie damals. Die
Australier verstünden die Schlacht als Teil der Gründungsgeschichte
ihrer 1907 unabhängig gewordenen Nation, erklären Historiker den
Mythos. ANZAC – schnell wurde der Begriff zum Synonym für den
wagemutigen, kameradschaftlichen Australier. Bäcker verkauften
„ANZAC-Toast“, Veteranen nannten ihre Kinder Anzac. Seit 1916
wird der ANZAC Day, einer der wichtigsten Feiertage Australiens,
Jahr für Jahr am 25. April mit Militärparaden begangen. Tausende
besuchen jährlich Gallipoli und gedenken der Gefallenen.
Australische Truppen im Sturmangriff (l.). Der spätere türkische Staatspräsident Atatürk (M.). Kriegsschiff „Bouvet“ vor der Einfahrt in die Dardanellen (r.).
Foto: picture alliance /CPA Media Co. Ltd
Foto: picture alliance /CPA Media Co. Ltd
März 1915: In den Schützengräben der Westfront ist der
Krieg zum Stillstand gekommen.
Auf den Feldern von Flandern
stecken deutsche, französische
und britische Soldaten in einem
blutigen Patt. Um den Krieg der
Schützengräben zu beenden,
ersinnt der britische Erste Lord
der Admiralität, der spätere britische Premierminister Winston
Churchill, einen Angriffsplan.
Die Westmächte sollen in den
„weichen Unterleib“ der Mittelmächte vorstoßen – an ihrer Südflanke. Das Osmanische Reich,
verbündet mit den Deutschen
und Österreich-Ungarn, blockiert
dort die Nachschublieferungen
an Russland. Mit Schiffsartillerie
wollen sich die Briten den Weg
nach Istanbul freischießen. So
wollen sie ins Schwarze Meer
gelangen – und das Osmanische
Reich in die Knie zwingen.
Auf dem Weg zum Bosporus
müssen sie durch eine Meerenge,
vorbei an der Halbinsel Gallipoli.
Doch über sie wacht die osmani-
LLI
PO
Churchill will den
Stellungskrieg beenden
Allein an einem Tag sterben mehr
Landung der Allierten
als 10 000 türkische Soldaten.
Front-Verlauf
„Wenn ihr keine Munition mehr
habt, habt ihr noch immer eure
Suvla
Bajonette“, befiehlt Kemal. ÖSTERREICH-UNGARN
RUMÄNIEN
Als sich das Debakel
abzeichnet, tritt
SERBIEN
BULGARIEN
MONTENEGRO
Churchill von seinem
Schwarzes Meer
Amt zurück. Neun
ALBANIEN
ITALIEN
Monate nach dem
Sari Bari
ANZAC Ari Burnu
GALLIPOLI
GRIECHENLAND
ersten Angriff
OSMANISCHES
beginnt der Rückzug
REICH
der alliierten Truppen.
Gaba Tepe
Mittelmeer
Am Ende sind meh r
ZYPERN
als 100 000 Soldaten tot,
Hunderttausende verw
­
undet.
Ägäis
Begonnen, um die GrabenKilid Bahr
kämpfe zu beenden, endet die
Plateau
Schlacht von Gallipoli selbst in
Kilid Bahr
blutgetränkten Erdwällen. Das
Canakkale
Gelungenste der Operation sei
der Rückzug gewesen, urteilt der
Achi
britische Historiker Gary ShefBaba
field.
GA
E
in Waterloo-Feiertag in
Frankreich? Panzer führen zu Ehren von Napoleons Desaster über
die Champs-Élysées, Mirage-­
Flugzeuge donnerten über den
Triumphbogen. Schwer vorstellbar? Nicht so in Australien. Seit
100 Jahren gedenkt man dort
der eigenen Soldaten, die bei
der größten militärischen Niederlage der damals noch jungen
Nation ihr Leben ließen – der
Schlacht von Gallipoli im Ersten
Weltkrieg.
sche Fünfte Armee, befehligt von
einem Deutschen, General Liman
von Sanders. Als Kopf einer
deutschen Militärmission war er
1913 entsendet worden, um die
osmanische Armee zu modernisieren. Nun soll er die Alliierten
davon abhalten, ins Herz des Reiches vorzustoßen. Die Gewässer
um die Halbinsel lässt er dafür verminen. Unter von Sanders’ Kommando steht auch ein 34-jähriger
Oberst namens Mustafa Kemal,
der noch prominent werden wird.
18 britische und französische
Kampfschiffe nähern sich am 19.
März 1915 der Halbinsel. Sie feuern aus allen Rohren. Doch bald
läuft das französische Linienschiff „Bouvet“ auf eine Mine
auf. Innerhalb von Minuten sinkt
die „Bouvet“, mehr als 600 Seemänner sterben. Vier weitere
Schiffe werden im Minenfeld
beschädigt oder zerstört. Die
Marine-Operation ist gescheitert.
Einen Monat später greifen
die Alliierten erneut an. Diesmal
sollen Bodentruppen die Halbinsel besetzen. Auch Australien
und Neuseeland leisten ihren Beitrag: mit dem „Australian and
New Zealand Army Corps“, kurz
ANZAC. Im April 1915 landen
an den Steilküsten in der Mitte
der Insel ANZAC-Soldaten, britische Soldaten gehen im Süden
an Land. Auf die Gegenwehr der
Türken sind beide nicht vorbereitet. Zu Hunderten fallen die
Briten im türkischen Maschinengewehrfeuer. Die Australier rennen derweil die Klippen hinauf.
Als sie auf Widerstand stoßen,
verschanzen sie sich in Gräben.
Die türkische Division, befehligt
von Mustafa Kemal, tut es ihnen
gleich. Monatelang bewegt sich
die Front kaum. Das Einzige, was
sich ändert, ist die Zahl der Opfer.
Foto: picture-alliance/dpa
Von Jan Ludwig
10
aktuell
SPORT
danach stundenlang ihre Bahnen durch das Schwimmbecken
und frisst abschließend auf ihrem
Rad nochmals Kilometer – findet die EM-Fünfte Erfüllung.
„Triathlon ist Leiden und keine
Spaßsportart. Aber ich liebe das“,
sagt die diplomierte Sportwissenschaftlerin: „Es gibt für mich
nichts Schöneres, als in meiner
Triathlon-Blase mit Training und
Trainingslager zu sein. Für mich
ist die Herausforderung, herauszufinden, zu welchen Leistungen
der Körper imstande ist, wenn
man arbeitet, sich keine Limits
setzt und es von der Birne her
gebacken bekommt.“
Von Dietmar Kramer
Fotos Roberto Pfeil
Saarbrücken. Immer wieder
staunt Hauptgefreiter Anne Haug
über sich selbst. „Als ich mit dem
Triathlon-Training anfing, waren
Bundesliga-Rennen mein Ziel,
und jetzt? Jetzt bin ich Athletin
der Nationalmannschaft und
stehe vor meinen zweiten Olympischen Spielen. Das ist faszinierend“, beschreibt die 33-Jährige
ihren Werdegang mit glaubhafter Verwunderung und spürbarem Stolz gleichermaßen.
Der Schein einer Bilderbuch-Karriere im Mehrkampf
aus Schwimmen, Radfahren
und Laufen indes täuscht. Vielmehr ist Haug eine Spätzünderin: „Wegen einer Allergie
habe ich erst mit 20 Jahren das
Schwimmen gelernt“, gesteht die
Bayreutherin im Gespräch mit
aktuell am Olympiastützpunkt
Saarbrücken mit herzerfrischendem Lachen: „Ich wollte damals
unbedingt beim Triathlon mitmachen und habe mir deswegen
YouTube-Videos angeschaut, um
zu sehen, wie es geht.“
Ein
neuer
Anlauf
Letztes Training
auf Mallorca
Sie will in Rio ihren „Auftrag
erfüllen“ – Triathletin Anne Haug
nimmt zum zweiten Mal an den
Olympischen Spielen teil.
Fotos: Bundeswehr/Roberto Pfeil (4)
Radfahren und Laufen
sind ihre Stärken
Ihre Entschlossenheit führte zu
passablen Fortschritten. Gleichwohl betreibt Haug nach eigenem
Empfinden auf den 1,5 Kilometer
langen Freiwasser-Strecken nur
„Schadensbegrenzung“. Mehr sei
einem Sportler, der so spät angefangen hat, nicht möglich. „Ich
darf nur nicht zu weit nach vorn
abreißen lassen, dann kann ich
noch aufholen“, sagt Haug.
Durch ihre Stärken auf der
40 Kilometer langen Radstrecke und besonders im abschlie-
ßenden Zehnkilometer-Lauf
ist die zierliche Athletin von
der Sportfördergruppe Mainz
längst zu einer festen Größe in
der Szene avanciert. 2012 war
Haug Vize-Weltmeisterin, ein
Jahr später WM-Dritte. Die hohe
Messlatte stellt keine Belastung
13. Juni 2016
dar: „Unter Druck entstehen Diamanten“, betont Haug. In Rio
de Janeiro möchte sie den elften
Platz bei ihrer olympischen Premiere 2012 in London noch toppen. Bei günstigem Rennverlauf
hält die Oberfränkin, die Ende
April in Kapstadt ihre Qualifika-
tion für Rio endgültig bestätigte,
sogar mehr für möglich: „Gold ist
wohl unerreichbar. Aber ab Platz
zwei oder drei ist alles drin.“
In der monotonen Schinderei
für den Erfolg – tagein, tagaus
bewältigt Haug frühmorgens
15-Kilometer-Läufe, zieht
Sehr bewusst ist Haug, die sich
auf Mallorca den Feinschliff für
Olympia holt, die Bedeutung
ihrer Unterstützung durch die
Bundeswehr: „Ohne die wäre
eine Fokussierung auf Sport
unmöglich. Das ist eine wichtige
Absicherung, um mich auf den
Sport konzentrieren zu können.“
Zeit für inneren Ausgleich hat
sie in ihrem durchgetakteten Tag
wenig: „Ich kann ja kaum noch
aktiver sein, um zu relaxen. Da
entspannen mich eher eintönige
Tätigkeiten wie Stricken, Kreuzworträtsel oder Sudoku.“
Doch kreisen Haugs Gedanken
längst nur um Rio. „Ich möchte
am Start wissen, dass ich keine
Sekunde mehr und nichts besser hätte machen können. Wenn
mir dann ein perfektes Rennen
gelingt, kann ich zufrieden sein.“
Ganz Sportsoldatin schwebt
Anne Haug auch schon eine
Wunschschlagzeile über ihr
Olympia-Rennen vor: „Mission
accomplished – Auftrag erfüllt.“
Schnupperwochenende in Warendorf
Warendorf. Rund 280 Jugendliche haben Anfang Juni an den
Bundeswehr-Olympix teilgenommen. Jedes Team, das an der
Sportschule der Bundeswehr in
Warendorf bei strahlendem Sonnenschein und 28 Grad antrat,
bestand aus fünf Teilnehmern.
Ihnen zur Seite standen Soldaten
als Teamleiter.
Die Sportschule organisierte
innerhalb weniger Wochen einen
anspruchsvollen 6,8 Kilometer
langen Parcours. 19 Stationen
erwarteten die Jugendlichen –
Zusammenhalt und Sportsgeist
mussten an jeder Station unter
Beweis gestellt werden.
Viele Teams, die später starteten oder den Parcours schon
gemeistert hatten, verteilten sich
über das gesamte Gelände, um
die anderen lautstark anzufeuern. Aber nicht nur Stationen
Fotos: Bundeswehr/Stephan Ink (4)
Bundeswehr-Olympix 2016: Teamgeist. Kameradschaft. Zusammenhalt.
Ob hoch in die Seile oder über den Hindernisparcours: Mit Köpfchen und Teamgeist ist auch bei brütender Hitze alles zu schaffen.
wie Sandgruben, Hinderniswälle, instabile Ponton-Brücken
und Heuballenberge forderten die
jungen Besucher heraus. Auch
die Möglichkeit, die Bundeswehr
einmal von Nahem kennenzulernen, wurde ausgiebig genutzt.
Die Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche
waren vertreten, Soldaten standen Rede und Antwort.
Die letzte Station des Parcours:
der sogenannte „Gipfelstürmer“.
Eine mit Gummimatten verkleidete Quarterpipe, die regelmäßig mit Wasser bespritzt wurde.
Wenn die Teams hier ankamen,
hatten sie bereits knapp sieben
Kilometer voller Anstrengung
hinter sich und waren durchnässt.
Alle Teilnehmer wurden mit
tosendem Jubel angefeuert, als
sie sich daran machten, das letzte
Hindernis zu überwinden. Wer
oben ankam, half den nächsten
Teamkameraden beim „Gipfelsturm“, zog sie an Händen und
Füßen herauf.
„Ich finde die Bundeswehr
klasse, genau wegen dieses
Zusammenhalts“, sagte der
16-jährige Pascal. Für ihn steht
fest: Nach der Schule geht es
zur Bundeswehr. Und er hat
auch schon genaue Pläne: „Ich
will entweder Fallschirmjäger
oder Gebirgsjäger werden.“ Die
16-jährige Anna ist mit ihren
Freundinnen nach Warendorf
gereist und gerade durch das
Ziel gekommen. „Am Wochenende shoppen gehen kann man
immer. Aber das hier ist was richtig Besonderes.“
(eb)
13. Juni 2016
SOZIALES / PERSONAL
aktuell
11
Schritt für Schritt richtig fit
Fotos: Bundeswehr/Torstem Kraatz (5)
BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagement: Das Projekt wird flächendeckend in den Dienstalltag integriert.
Von Colla Schmitz
Fotos Torsten Kraatz
Oldenburg. Der Job von
­Kapitänleutnant ­Alexander
Sonneborn vom Sanitätsunterstützungszentrum ist der Sport
der anderen: Der 29-jährige
Sportwissenschaftler gehört zu
den elf von insgesamt 18 BGMKoordinierenden, die das Projekt
von Anfang an begleitet haben.
Neben den gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen des Arbeitsund Gesundheitsschutzes setzt
das „Betriebliche Gesundheitsmanagement“ (BGM) auf Bewegung, Stressbewältigung, Suchtprävention und Ernährung. Das
beinhaltet Vorträge, Seminare
und auch Kochkurse ebenso wie
aktives Training. Und zwar während der Dienst- und Arbeitszeit. Ein weiterer Schwerpunkt
ist das Thema „Führung und
Organisation“ und behandelt die
Vorbildfunktion von Führungskräften in der Umsetzung dieses
ganzheitlichen Ansatzes. „Die
Teilnahme soll keine Zusatzbelastung sein und auch keine
Alternative zum Dienstsport. Sie
ist vielmehr eine Chance, etwas
für sich zu tun“, sagt Sonneborn.
Das Interesse
ist enorm groß
Das hat sich bereits herumgesprochen. „Viele stehen schon in
den Startlöchern. Das Interesse
ist unwahrscheinlich groß“,
berichtet der Marineoffizier.
Wie sehr hat er bereits im vergangenen Jahr gemerkt, als er
das BGM-Pilotprojekt beim Verpflegungsamt der Bundeswehr in
Oldenburg dem Praxistest (Fotos)
unterzogen hat. Das Ergebnis war
beeindruckend. Nicht nur die
Fitness verbesserte sich, sondern
auch die Gesamtstimmung: „Bei
den Teilnehmern des BGM ist
die Zufriedenheit am Arbeitsplatz größer geworden.“
Seit dem 1. Januar wird das Erfolgsmodell nun als Bestandteil
der Agenda Attraktivität in die
Truppe eingeführt. Sonneborn
und sein Team betreuen von
Wilhelmshaven aus inzwischen
22 000 Dienstposten verteilt auf
35 Standorte. Von Helgoland im
Norden bis Diepholz im Süden:
Die Zielgruppen sind Soldaten,
Arbeitnehmer und Beamte.
Kurzum alle Beschäftigten im
Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums.
Bei der Etablierung des Programms baut die Bundeswehr,
wenn möglich, auf bestehenden
Aktivtäten der jeweiligen Dienststellen auf. „Zusätzlich werten
wir die Vorschläge der Mitarbeiter aus. Anschließend erarbeiten wir in enger Absprache
mit dem sogenannten ,Gremium
Gesundheit‘ ein maßgeschneidertes Konzept, das dann von
den BGM-Beauftragten vor Ort
mit Leben gefüllt wird“, erklärt
Sonneborn. Dadurch könnten
zielgruppenspezifische und an
die Belastungen der jeweiligen
Dienststellen angepasste Maßnahmen angeboten werden.
Gesund durch
Verhaltensänderung
Motivierte Mitstreiter, die
für das Projekt brennen, ihm
ein Gesicht und eine Seele
geben, sind wichtig, weiß der
Kapitänleutnant aus Erfah-
rung. Schließlich fokussiert
das „Betriebliche Gesundheitsmanagement“ nicht nur auf die
alleinige Steigerung der körperlichen ­Leistungsfähigkeit.
Primär geht es um die individuelle Gesundheitsförderung
durch Verhaltensänderung. Aber
auch darum, wie dieser Schritt
zu schaffen ist. „Wir bieten deshalb professionelle Unterstützung an. Letztlich eine WinWin-Situation für alle“, bringt
es der BGM-Koordinierende auf
den Punkt. Denn von gesunden
Arbeitnehmern profitiert auch
der Arbeitgeber.
Der Videobeitrag
„Gemeinsam für
Gesundheit“ unter
www.bundeswehr.de
Kamerad und Sportsfreund
Oldenburg. Die guten Geister
hinter den Kulissen. Jene Männer
und Frauen, die Unternehmen,
Institutionen und Projekten
ein Gesicht geben. Hauptmann
Haimo Banse ist so jemand: „Als
ich zur Bundeswehr kam, wollte
ich unbedingt Spieß werden. Die
Mutter der Kompanie sein. Mich
um Menschen kümmern.“ Diese
Philosophie zieht sich bis heute
wie ein roter Faden durch seine
gesamte Laufbahn. Inzwischen
ist der 51-Jährige die Seele des
„Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ (BGM) beim Verpflegungsamt der Bundeswehr in
Oldenburg.
Besonders am Herzen liegt
Banse, die Teilnehmer langfristig bei der Stange zu halten.
Kleine Schritte und Erfolgserlebnisse, so lautet seine Devise.
Foto: Bundeswehr/Torstem Kraatz
Hauptmann Haimo Banse ist mit Leib und Seele BGM-Beauftragter beim Verpflegungsamt der Bundeswehr.
Besonders wichtig sei ihm dies
bei seinen Laufprojekten. „Der
Langsamste ist für mich immer
der Maßstab, wobei es aber auch
wichtig ist, die Schnelleren ebenfalls zu fördern“, betont er. Ein
Ansatz, der funktioniert. Beim
letzten Oldenburger Marathon
war der Hauptmann mit seiner
16-köpfigen Gruppe dabei. „Man
bekommt den Kopf so herrlich
frei, wenn man zwischendurch
Sport treibt“, stellt er immer wieder fest. Die Konzentrationsfähigkeit steigt hinterher wieder
an. Aber das ist nur ein Vorteil.
Der andere liegt im zwischenmenschlichen Bereich.
Banse weiß, wovon er spricht.
Seine Dienststelle nahm 2015 am
BGM-Pilotprojekt teil, das nachhaltig durch das Leitungspersonal
umgesetzt und vorgelebt wurde.
Der Erfolg stellte sich schnell
ein: „Es hat unwahrscheinlich
viel gebracht. Die Mitarbeiter lernten sich näher kennen.
Dadurch haben sich anschließend viele Arbeitsabläufe verbessert.“ Selbst unter Leistungsdruck. „Man muss einfach nur
lernen“, so der Hauptmann „wie
man mit Stress umgeht.“ (cs)
Was ist Ihr höchstes Gut?
Meine Gesundheit.
Mit wem würden Sie gern einen Monat lang tauschen?
Mit niemanden.
Was wäre Ihre berufliche Alternative?
Polizist.
Welches Lied singen oder hören Sie gern?
„Am Fenster“ von City.
Was mögen Sie an sich selbst nicht?
Ungeduld.
Wo möchten Sie am liebsten leben?
Da wo ich jetzt lebe, auf dem Land.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen?
Toleranz, Selbstdisziplin, Güte und Wärme.
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Alles wird gut.
12
aktuell
VERMISCHTES
13. Juni 2016
Nie wieder ein gebrochenes Herz
In ihrem neuen Buch „Goodbye Herzschmerz“ hilft Elena-Katharina Sohn (36) Menschen mit Liebeskummer.
Leiden Männer anders als
Frauen an Liebeskummer?
Jaein. Denn der Schmerz ist der
Gleiche. Die Verarbeitung allerdings ist geschlechtertypisch –
so reden Frauen viel darüber,
mit der besten Freundin, der
Schwester oder der Familie. Sie
ziehen sich mehr zurück, das
heißt sie sitzen eher am Abend
zu Hause auf dem Sofa statt in
einer Cocktailbar. Männer sind
das ganze Gegenteil. Sie reden
nicht und machen das mit sich
aus. Dafür stürzen sie sich in
Aktivitäten, treiben wie wild
Sport, feiern und arbeiten viel.
Oft bin ich die erste Person,
mit der sie über ihren Kummer
­
sprechen.
016
23/2
Gibt es aus medizinischer Sicht
den Begriff gebrochenes Herz?
Diesen Begriff gibt es tatsächlich. Er nennt sich „broken
heart“ und ist eine kardiologische Erkrankung. Die Symptome
sind die gleichen wie bei einem
Herzinfarkt. Allerdings sind
es Stressreaktionen, das heißt,
es ist eine hormonbedingte
Erkrankung. Wer Liebeskummer hat, steht meist unter
starkem Stress.
Gibt es auch positive Dinge an
Liebeskummer?
Ja, die gibt es sehr wohl. Nämlich die Chance der Persönlich-
Was raten Sie einem Soldaten,
der gerade im Einsatz ist und
von seiner Partnerin oder dem
Partner in der Heimat verlassen wird?
Das wichtigste ist reden, reden,
reden. Wenn er sich einem Kameraden anvertrauen kann, wäre
das hilfreich und gut. Oder er
sucht den Kontakt zur Familie
oder guten Freunden daheim.
Erfahrungsgemäß ist die Hemmschwelle bei Männern sehr hoch,
bevor sie sich mit ihrem Liebeskummer an Fremde wenden.
Klienten, glauben Sie noch an
die Liebe?
Ja, das tue ich. Und ich lebe
auch wieder in einer glücklichen
Beziehung (lacht).
Die Fragen stellte Doreen Kinzel.
Letzte Frage: Nach so vielen
traurigen Geschichten ihrer
Liebeskümmerer
keitsentwicklung. Genauso wie
in anderen Lebenskrisen können
wir uns in Zeiten von Liebeskummer selbst besser kennenlernen und persönlich weiterentwickeln, wenn wir die Krise
bewältigt haben.
Die
Goodbye Herzschmerz
to :
Sind manche Menschen
anfälliger für Liebeskummer
als andere?
Ja. Gerade Frauen oder Männer, die nur wenige Glücksquellen in ihrem Leben haben –
wenige Dinge, die sie glücklich
und zufrieden machen wie Hobbies oder eine Arbeit, die sie ausfüllen. Für sie ist die Beziehung
und ein Partner beinahe alles in
ihrem Leben und sie konzentrieren sich ausschließlich darauf.
Eine Trennung ist für sie wie das
buchstäbliche Boden unter den
Füßen verlieren und sie empfinden einen starken und vernichtenden Schmerz.
Liebeskummer ist ein Schmerz, den wohl jeder
kennt und niemand mag. Empfinden ihn Frauen
anders als Männer? Warum leiden manche
von uns ganz schrecklich darunter und andere
weniger? Und gehört Herzschmerz tatsächlich
dazu und ist am Ende gar noch eine Chance?
Diesen Fragen widmet sich die Autorin und
Therapeutin Elena-Katharina Sohn in ihrem
neuen Buch „Goodbye Herzschmerz“, ihre zweite
Publikation, die sich mit dem Thema Liebe und
Kummer beschäftigt. Sohn betreibt seit 2011 in
Berlin mit ihrem Team die Agentur „Die Liebeskümmerer“. Dort hat sie täglich mit Frauen und
Männern zu tun, die an Liebeskummer leiden.
In ihr neues Buch sind die Erfahrungen mit rund
3000 Betroffenen eingeflossen. Mit ihrer direkten
Ansprache vermittelt Sohn dem Leser das Gefühl
von „ich bin da für dich, ich nehme dich ernst und
ich zeige dir den Weg aus der Krise“. Das Ziel:
gestärkt zu sein –
und bereit, wieder glücklich zu werden. Ein Buch, das in der
schmerzvollen Phase Liebeskummer dem Betroffenen wie ein guter Freund zur Seite steht. Epochale neue Erkenntnisse gibt es allerdings keine. Es
ist ein kurzweiliger Ratgeber mit vielen praktischen
Übungen und Weisheiten, wie die von Oscar Wild:
„Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer wundervollen Romanze.“
(dok)
Elena-Katharina Sohn:
Goodbye Herzschmerz –
Eine Anleitung zum
­
Wieder-Glücklichsein.
Ullstein Verlag; 240 Seiten;
ISBN-13: 978-3548376110;
9,99 Euro
SUDOKU
Vi
el G
Senden Sie die vier Lösungszahlen,
lück
die sich aus den farbigen Feldern
!
ergeben, per E-Mail mit dem Betreff
„Sudoku 23/2016” und Ihrer Postanschrift an:
[email protected]
Einsendeschluss:
Sonntag dieser Woche
Zu gewinnen:
APC Mobile Power Bank 10 000 mAh
Dieser externe Zusatzakku für Smartphones und
Tablet-PCs bietet bis zu vier Ladevorgänge für unterwegs.
Lösung 21/2016: 5 1 3 9
Gewonnen hat: Sieglinde Luft
Spielregeln: Füllen Sie das Raster mit den Zahlen von 1 bis 9. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jede Zahl nur einmal vorkommen.
Zudem kommt auch in jedem 3 x 3 Feld jede Zahl nur einmal vor. Doppelungen sind nicht erlaubt.
Aus allen richtigen Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Fo
Berlin. Elena-Kartharina Sohn,
die studierte Politologin, geboren in Essen, lebt seit vielen Jahren in Berlin und arbeitete lange
Zeit als PR-Beraterin in einem
Kommunikationsunternehmen
­
bevor sie 2011 die Agentur „Die
Liebeskümmerer“ gründete.
Dort beraten sie und ihr
Team, bestehend aus Psychologen, ­Psychotherapeuten
und Coaches, Frauen und
Männer mit Liebeskummer.
aktuell hat die Autorin und Herzreparateurin zum Interview
getroffen.