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MONTAG, 13. JUNI 2016
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Zippert zappt
THEMEN
Jeder gegen jeden,
alle gegen alle
LUTZ WÖCKENER
A
Der Horror von Orlando
AP/PHELAN M. EBENHACK; DPA/ RAINER JENSEN
Der Nachtklub „Pulse“ in Orlando im US-Bundesstaat Florida
ist nach einem verheerenden Amoklauf weiträumig abgesperrt.
Verzweifelte Familienangehörige kommen an der Polizei nicht
vorbei. Sie hoffen, dass ihre Verwandten nicht unter den mindestens 50 Toten und 53 Verletzten sind. Ein einzelner Angreifer
schoss in dem vor allem von Homosexuellen besuchten Klub um
sich. Es ist die schlimmste Bluttat eines Todesschützen in der
Geschichte der USA. Der Täter wurde erschossen. TV-Sendern
zufolge hatte er sich zum Islamischen Staat bekannt. Seite 20
Brutaler EM-Start: England
und Russland droht Ausschluss
Uefa spricht nach Fan-Krawallen in Marseille Verwarnung aus und verstärkt Sicherheitspersonal. Auch
deutsche Hooligans liefern sich vor Auftaktspiel der Nationalmannschaft Schlägereien mit Anhängern
POLITIK
Kanzlerin in China:
Ein Ehrendoktortitel
und der Wunsch
nach Freiräumen
Seite 6
POLITIK
Wie Imame ihre
Koranschüler
ausbeuten
Seite 8
WIRTSCHAFT
Warum der Job
jeden achten Postboten krank macht
Seite 9
Nr. 136
KOMMENTAR
S
PD-Chef Gabriel hat
nach mehrstündigem
Nachdenken, unterbrochen von nur einer kurzen Kaffeepause, die Leitlinien für den
Wahlkampf 2017 formuliert und
ins Deutsche übersetzen lassen.
Hauptanliegen der SPD ist demnach die musikalische Früh- und
Späterziehung der Deutschen.
Gabriel fordert einen „Dreiklang
sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Modernisierung
und Stärkung unserer Demokratie“. Das dürfte eine sehr ambitionierte Komposition werden,
die man sicherlich nicht bei
Dieter Bohlen bestellen kann.
Aber es kann nicht schaden,
wenn das deutsche Volk mal
wieder Quintenzirkel, Mundorgel und Stimmgabel zur Hand
nimmt, um für diesen Dreiklang
zu üben. Am Ende werden riesige Chöre im ganzen Land den
Dreiklang zum Besten geben,
und Gabriel dirigiert das Ganze.
Das ist endlich mal ein Programm, das die Massen begeistern und die Wahlkabinen
füllen wird. Die SPD kann sich
berechtigte Hoffnungen auf die
absolute Mehrheit machen,
denn der Vorsitzende hat das
absolute Gehör für die Stimmung im Volke. Bald auch in
Ihrem Fernseher: „The Socialdemocratic Voice of Germany“
oder „Sing, mein Sozi, sing!“.
B
V
or dem EM-Start wurde fast
nur über die Terrorgefahr gesprochen, doch nun überschatten brutale Gewaltausbrüche von Hooligans am
Rande der Partie England gegen Russland
in Marseille das Turnier. Die Europäische
Fußball-Union (Uefa) verwarnte England
und Russland offiziell und drohte mit dem
Ausschluss von der EM, sollte es zu erneuten Ausschreitungen kommen.
Als Konsequenz aus den Ereignissen
verstärkte die Uefa zudem die Sicherheitsmaßnahmen und erhöhte das Sicherheitspersonal. Das gilt besonders für die noch
anstehenden Hochrisikospiele, darunter
auch Deutschland gegen Polen am Donnerstag im Pariser Stade de France.
Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) haben die
deutschen Behörden den französischen Sicherheitskräften die Namen und Daten
von rund 2500 polizeibekannten und gewalttätigen deutschen Hooligans übermittelt. „Frankreich wird Grenzkontrollen
durchführen und kann dann mit diesen Erkenntnissen arbeiten“, sagte de Maizière
der „Bild am Sonntag“.
Allerdings ist es im Vorfeld des Auftaktspiels der Nationalmannschaft gegen die
Ukraine am Sonntag zu Ausschreitungen
im Stadtzentrum von Lille gekommen.
Mehr als 50 deutsche Hooligans griffen da-
bei am späten Nachmittag in der Nähe des
Bahnhofs ukrainische Fans an. Das bestätigte Volker Goll, stellvertretender Leiter
der
Koordinationsstelle
Fanprojekte
(KOS). „Die französische Polizei hat sehr
spät eingegriffen“, sagte Goll. Die KOS begleitet die deutschen Fans in Frankreich.
Nach Augenzeugenberichten flogen vor
den Straßencafés Flaschen und Stühle.
Nach Informationen sollen sich rund 150
polizeibekannte Gewalttäter aus Deutschland in Lille aufhalten.
Jürgen Lankes, der Leiter der Zentralen
Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in
Ein Signal gegen
Rechtspopulisten
Die Hoffnung, dass eine friedliche
Fußball-EM zur Stärkung der europäischen Idee beitragen könnte,
hat auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Im
„Welt“-Interview rät sie, die EM zu
nutzen, um deutlich zu machen,
warum „die Rechtspopulisten und
Vorvorgestrigen in ganz Europa
auf der falschen Seite“ stünden.
Roth: „Diese Europameisterschaft
ist hochpolitisch.“
Seite 4
Duisburg, sagte der „Welt“, dass sich gewalttätige Ausschreitungen von Fußballfans durch Meldeauflagen oder Reiseverbote „immer nur einschränken, aber nie
ganz ausschalten lassen“. So seien mehr
als 600 bekannte Störer aus Deutschland
vor der EM persönlich aufgesucht worden.
Ein Defizit sieht er deshalb nicht. „Das
Terrorthema hat medial sicher viele andere Themen überlagert. Allerdings sind wir
seit über einem Jahr mit den französischen Sicherheitsbehörden und unserem
europäischen Netzwerk dabei, diese EM
vorzubereiten.“ Ein zentrales Thema seien
„Fußballstörer“ gewesen.
Die im französischen Fernsehen live
übertragenen Bilder der Krawalle in Marseille hatten für Entsetzen gesorgt. Die
Fans waren mit Stühlen und prügelnd aufeinander losgegangen, Polizisten mussten
die verfeindeten Gruppen mit Tränengas
und Wasserwerfern trennen. Ein britischer
Fan schwebt weiterhin in Lebensgefahr. Im
Stadion waren nach dem Spiel russische
Zuschauer auf in benachbarten Blöcken sitzende englische Fans losgestürmt, diese
Bilder allerdings waren aus Angst vor
Nachahmern nicht überall im TV zu sehen.
„Mehrere Engländer sind im Krankenhaus“, twitterte der britische Botschafter
Julian King. Die Ordnungskräfte seien
überfordert gewesen. Alexander Schprigin
von der Vereinigung russischer Fußballfans
bestritt die Beteiligung seiner Landsleute
vehement: „Es gab keine Probleme.“
Die englische Regierung zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ über die Vorfälle. Sie
bot den französischen Behörden an, vor
dem Spiel zwischen England und Wales
am Donnerstag zusätzliche Polizeikräfte
zu entsenden. Zugleich versprach sie Hilfe
bei „der Beweisführung gegen jeden England-Fan, der in diese Unruhen involviert
ist“. Frankreichs Medien machten auch
den Verantwortlichen Vorwürfe. „Le Parisien“ kritisierte, dass Frankreich es im Gegensatz zu den EM-Turnieren 2004 in Portugal und 2008 in Österreich und der
Schweiz nicht geschafft habe, diese Auswüchse zu verhindern.
Niedersachsens Innenminister Boris
Pistorius (SPD) forderte für die Randalierer harte Strafen. Die Szenen machten ihn
auch als Fußballfan „fassungslos und wütend“, sagte er der „Welt“. Sollte es sich in
den jeweiligen Heimatländern um bekannte Gewalttäter gehandelt haben, müssten
sich die dortigen Sicherheitsbehörden die
Frage stellen, warum sie die Hooligans
nicht an der Ausreise gehindert haben. Pistorius lobte, dass die Sicherheitskräfte
jetzt auch personell noch einmal nachsteuern, „damit so etwas wie in Marseille im
Umfeld der kommenden Risikospiele hoffentlich nicht mehr passiert“.
Siehe Kommentar, EM-Seiten 21-24
m Ende drang die Gewalt
auch noch in den letzten
Winkel vor. An einen Ort, der
während der Fußball-Europameisterschaft der sicherste in ganz Marseille sein sollte. Kein Bombenattentäter, kein Terrorist werde es hierhin
schaffen. So hatten es Organisatoren
und Sicherheitsbehörden gesagt.
Tatsächlich zündeten russische Fans
während des Spiels gegen England
einen Knallkörper und schossen eine
Leuchtkugel auf die Gegengeradentribüne.
Nach dem Schlusspfiff stürmten
sie problemlos die angrenzenden
Zuschauerränge und schlugen auf alles und jeden ein, der es nicht
schnell genug zu den verstopften
Ausgängen schaffte. Das Französische Innenministerium und der
Marseiller Polizeipräfekt feierten
sich am Tag danach für Entschlossenheit und Tatkraft. Aussagen, die
beinahe so unglaublich erscheinen
wie die Ohnmacht, mit der sie der
Gewalt begegnet waren. Polizei und
Sicherheitsbehörden versagten auf
ganzer Linie. Dann auch noch am
Samstag stundenlange chaotische
Jagdszenen durch das Marseiller Hafenviertel mit Hunderten Verletzten.
Russen gegen Engländer, Engländer
gegen Russen: Es wurde getreten,
geschlagen, gestochen. Jeder gegen
jeden. Alle gegen alle.
Die Einsatzkräfte griffen angesichts der unübersichtlichen Lage
kaum ein. Jene kompromisslose
Strategie, die die Polizei in den ersten beiden Nächten der Gewalt gewählt hatte, war am späten Samstagnachmittag einer Beobachterrolle
gewichen. 1200 Polizisten waren im
Einsatz, Hundestaffeln, Hubschrauber. Das Ergebnis: 15 Festnahmen.
Fünfzehn! Toleranz, die auch am
Stadion konsequent umgesetzt wurde. Die angekündigten Mega-Sicherheitsschleusen entpuppten sich als
überflüssige
Durchlaufstationen.
Wenn russische Hooligans problemlos Knallkörper und Raketen ins Stadion bekommen, werden Terroristen
nicht am Einlass scheitern. Jedes
deutsche Zweitligaspiel ist sicherer
als diese EM.
Szenen wie der Blocksturm sind
da angesichts der Ignoranz der französischen Behörden nur logisch. Die
konzertiert agierenden Schlägertrupps aus Russland müssen sich
vorkommen wie im Schlaraffenland.
Als der letzte Zuschauer entkommen
und die Polizei wieder abgezogen
war, sammelten die russischen
Schläger einige zurückgelassene
englische Banner ein und posierten
damit stolz im Stadion. Sie fragten
noch einen Ordner, ob er ein Foto
von ihnen und den Trophäen machen könne. Immerhin, er lehnte ab.
Entschlossen und tatkräftig.
lutz.wö[email protected]
FEUILLETON
Ausstellung zeigt
bislang unbekannte
Fotos vom Bau der
Berliner Mauer
Er ist wieder da – dieses Mal in Italien
Die Zeitung „Il Giornale“ hat ihrer Samstagsausgabe Adolf Hitlers „Mein Kampf“ beigelegt – eine Provokation mitten im Wahlkampf
Seite 17
LOTTO:
6 – 13 – 21 – 27 – 38 – 45
Superzahl: 5
Spiel77: 6 1 5 3 0 2 4
Super6: 3 0 4 0 1 6
ohne Gewähr
E
ines ist sicher: Mit Hitler kann man stets gut provozieren. Mutmaßlich um Provokation geht es der Mailänder Tageszeitung „Il
Giornale“, die einem Großteil ihrer Samstagsauflage zwei Bücher beigelegt hat: William Shirers Klassiker „Aufstieg und Fall des
Dritten Reiches“ – und Adolf Hitlers „Mein Kampf“.
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VON SVEN FELIX KELLERHOFF
„Die spektakulärsten
Flugzeuglandungen“
Heute um 20.05 Uhr
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Ministerpräsident Matteo Renzi nannte die Aktion prompt „abscheulich“; für Renzo Gattegna, den Präsidenten der Jüdischen Gemeinschaft Italiens, ist die Verbreitung per Kiosk „unanständig“.
Die Beilage von ganzen Büchern ist bei italienischen Zeitungen üblich. „Il Giornale“ startet mit Hitler eine achtbändige Folge günstiger
Ausgaben älterer Werke über die Geschichte des Dritten Reiches. Man
darf jedoch vermuten, dass es vor allem um den Tabubruch geht, als
erstes Medium weltweit „Mein Kampf“ zu verbreiten.
In diesem Fall handelt sich um die 1937 vom Verlag Bompiani veröffentlichte italienische Ausgabe des zweiten Bandes von „Mein
Kampf“ unter dem Titel „La mia Battaglia“. Den von antisemitischen
Ausfällen durchdrungenen Text übersetzt hatte Angelo Treves, ironischerweise ein italienischer Jude. Der Ausgabe beigefügt ist ein Kommentar des Historikers Francesco Perfetti, der Zeitgeschichte an der
Universität Rom lehrt. Vom Umfang her können seine Erläuterungen
aber nicht mithalten mit der deutschen kritischen Ausgabe, die das
Institut für Zeitgeschichte Anfang dieses Jahres veröffentlichte und die
bisher mehr als 80.000-mal verkauft worden ist.
Juristisch ist gegen die Hitler-Ausgabe von „Il Giornale“ nichts einzuwenden: Zum 31. Dezember 2015 sind alle Urheberrechte weltweit
ausgelaufen. Seither kann man mit Hitlers Texten machen, was man
will. Erst kürzlich hatte ein mehrfach vorbestrafter Rechtsextremist
namens Adrian Preißinger angekündigt, eine unkommentierte deutsche Ausgabe zu veröffentlichen – als „wissenschaftlichen Quellen-
text“. Allerdings kann man die von Preißinger angekündigte Version
ebenso wie Treves’ italienische Übersetzung schon seit Jahren im
Internet herunterladen, natürlich kostenlos. Um mehr Information
über das bis heute mit Abstand bestverkaufte Buch eines (mehr oder
weniger) deutschsprachigen Autors kann es also weder hierzulande
noch „Il Giornale“ in Italien gehen. Die Verbreitung von „La mia Battaglia“ dürfte im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes
gegen die Leugnung des Holocaust durch das italienische Parlament
vor wenigen Tagen stehen. Darauf weist Vincenzo Pinto hin, Leiter der
wissenschaftlichen Website „Free Ebrei“, die 2017 eine kritische italienische Ausgabe von „Mein Kampf“ herausgeben will: „,Il Giornale‘ hat
sich gegen dieses Gesetz ausgesprochen.“ Das Blatt mit einer Auflage
von 200.000 Exemplaren, das als konservativ gilt, gehört Paolo Berlusconi, dem Bruder des früheren Premiers Silvio Berlusconi. Die Veröffentlichung erfolgt mitten im Kommunalwahlkampf und hat das
offenbar angestrebte Ziel erreicht: Provokation.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410
Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon: 030 / 2 59 10 Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90
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DW-2016-06-13-zgb-ekz- 1948c1d3b5299d81b4ed8d5c0851f1c7
ISSN 0173-8437
136-24
ZKZ 7109