Heft230_2016_3-5_NR229_2016_3-5.qxd 12.04.2016 09:00 Seite 3 Editorial Wer im Bayerischen Wald in die Schule gegangen ist, hat vermutlich genau wie ich schon im Heimatkundeunterricht gelernt, dass wir Waldler dem Heiligen Gunther eigentlich dankbar sein müssen, weil er es war, der in grauer Vorzeit, genauer gesagt im Jahre 1011, als Benediktinermönch vom Kloster Niederalteich aus in den Nordwald, den großen bis dato unerforschten Gebirgszug jenseits der Donau vorgedrungen ist. Er rodete mit seinen Mitbrüdern den dunklen Wald und gründete das Kloster Rinchnach, womit die Besiedelung dieses waldreichen Landstrichs, in dem wir bis heute gut leben, ihren Anfang nahm. W andeln Sie mit uns auf den Spuren des Heiligen Gunther bis ins tschechische Gutwasser, das zur Gemeinde Prás̆ily am Nordrand des Nationalparks S̆umava gehört. Seit Jahrhunderten ist der kleine Ort im Böhmerwald eine bedeutende Wallfahrtsstätte, zu der sich die Waldler auch heute noch jeden zweiten Sonntag nach Pfingsten zur Guntherwallfahrt auf den Weg machen. Und wem die Wallfahrt zu weit oder zu anstrengend ist, der macht am besten einen Sonntagsausflug mit dem Auto oder dem Radl, fährt durch „kaum berührte Naturlandschaften mit weiten Wiesen und sanften Hügeln“, besucht die Guntherkirche in Dobrá Voda mit ihren gläsernen Kleinodien, trinkt Heilwasser aus dem Guntherbrunnen oder steigt auf den 1.006 Meter hohen Guntherberg mit dem markanten Felsen und der geschichtsträchtigen Kapelle, in der der Heilige als Einsiedler seine letzten Lebensjahre verbrachte. Der Guntherberg Br̆ezník liegt im Nationalpark S̆umava und weil dieses Schutzgebiet auch schon ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat, wird im Juli Jubiläum gefeiert. Das große Fest der Natur, zu dem auch die bayerischen Bürger herzlich eingeladen sind, geht am 16. Juli in Rokyta, nahe Rehberg über die Bühne. Die Naturliebhaber unter Ihnen dürfte es besonders freuen, daß der tschechische Nationalparkdirektor, sozusagen als besonderes Geburtstagsgeschenk, die Wölfe willkommen heißt, die zurückgekehrt sind in den Böhmerwald. Und natürlich wissen auch wir Waldler wie man Jubiläen feiert: In der Kreisstadt Regen gibt es vom 12. – 16. Mai heuer zum 10. Mal „Volksmusik und viel drumherum“. Roland Pongratz, Initiator und Projektleiter dieses internationalen Volkmusikspektakels, lässt Sie, liebe Leserinnen und Leser von Schöner Bayerischer Wald, höchst persönlich hinter die Kulissen blicken. Also nehmen Sie die Einladung an, die wir mit dem Titelbild dieser Ausgabe an Sie ausgesprochen haben! Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 3 Heft230_2016_3-5_NR229_2016_3-5.qxd 12.04.2016 09:01 Seite 4 INHALT KULTUR · FREIZEIT · UNTERHALTUNG Land und Leute 6 Evi Pelzer: Kommt Rose – kommt Platz 10 Sven Bauer: Ein Ausflug in den Böhmerwald 14 Dr. Isabelle Auer: Filmfest NaturVision 16 Willi Schindler: Ein Kurpark der Superlative Kunst und Handwerk 20 Ines Kohl: Der nachhaltige „Möbelbauer“ Philipp v. Manz 24 Willi Schindler: Sgraffiti-Künstler Hans Kammerer Kultur und Brauchtum 4 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 26 Roland Pongratz: Volksmusik und viel drumherum 30 Hannelore Summer: Natur und Kultur an der Donau Heft230_2016_3-5_NR229_2016_3-5.qxd 12.04.2016 09:01 Seite 5 Auch im 10. Jahr des Volksmusikfestivals drumherum in Regen wird in allen Winkeln der Stadt musiziert, gesungen und getanzt. (Foto: M. Lukaschik) www.schöner-bayerischer-wald.de Natur und Landschaft Alois Zechmann: Naturschutz im Kirchenwald 34 Hannelore Summer: Mauersegler sind Lausbuben der Lüfte 36 Jan Dvor̆ák: 25 Jahre Nationalpark S˘umava 38 Jens Schörnich: Traumpfad Ilztal-Wanderweg 40 Leben und Leben Lassen Helga Rohmann: Unser Leibspeis: Spargelgerichte 44 Ulrike Eberl-Walter: Sportliches Mountainbiken 46 Heinrich Zens: Ultra-Trail über elf Tausender 49 Ines Kohl: Das Luftmuseum in Amberg 50 Aktuelles Bücherecke 52 Schöner Bayerischer Wald aktuell: Heimattage Untergriesbach 53 Leserbriefe 58 Leser werben Leser: Genießen im Hotel Bayerwald in Lam 59 Vorschau 82 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 5 Heft230_2016_6-19_NR230_2016_6-19.qxd 11.04.2016 13:36 Seite 10 Land und Leute Auf den Spuren des Heiligen Gunther Ein Ausflug in den Böhmerwald Von Sven Bauer Neben dem gläsernen Altar findet sich in der Wallfahrtskirche von Gutwasser auch ein lebensgroßes Relief des Hl. Gunther sowie ein Kreuzweg aus Glas. (Fotos: S. Bauer) „Der Hl. Gunther wusste schon, wo es schön ist“, könnte man durchaus sagen, wenn sein Einsiedlerleben vermutlich nicht so hart und entbehrungsreich gewesen wäre. Der Benediktinermönch Gunther, der die Besiedlung des Waldgebirges so wesentlich vorangetrieben hatte, zog sich in seinen letzten Lebensjahren in eine Klause bei Dobrá Voda/ Gutwasser im Böhmerwald zurück. Nun mag sich die Gegend vor rund 1000 Jahren weit weniger einladend präsentiert haben, doch zeigen sich Gutwasser und seine Umgebung heute als wahres Böhmerwald-Paradies, das einen Ausflug 10 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 wahrlich wert ist. Hier lässt sich auf den Spuren der Geschichte wandern und die Natur genießen. Eine wirkliche Neuentdeckung für die Menschen aus dem Bayerischen Wald und weit darüber hinaus ist Gutwasser nicht. Seit Jahrhunderten schon kommen sie hierher, denn die St. GuntherKirche im Ort ist eine bedeutende Wallfahrtsstätte. Doch starten wir unseren Ausflug erst einmal an einer profaneren Stelle. Rund 20 Kilometer fährt man vom Grenzübergang Bayerisch Eisenstein Richtung Hartmanice/Hartmanitz bis man auf einer Anhöhe zur direkt neben der Straße gelegenen Chata Rovina kommt – ein einladendes Gasthaus, das in einem wunderbaren Böhmerwaldhaus untergebracht ist. Allein schon die Fahrt hierher ist ein Genuss. Die kaum berührte Landschaft mit ihren weiten Wiesen und sanften Hügeln ist eine Wohltat fürs Gemüt. Wer es weniger eilig hat und es dafür etwas sportlicher mag, der kann sich natürlich auch mit dem Rad Richtung Gutwasser aufmachen. Von Zwiesel aus lässt sich über Lindberg und Scheuereck der Grenzübergang Gsenget in Angriff nehmen, von wo aus es hinunter nach Prášily/Stu- Heft230_2016_6-19_NR230_2016_6-19.qxd 11.04.2016 13:37 Seite 11 Land und Leute Auf dem Br̆ezník, dem Guntherberg, genießt man eine herrliche Aussicht auf den Böhmerwald. benbach geht. Allerdings bringt der Anstieg die Waden und Oberschenkel gehörig ins Brennen. Weniger steil, dafür etwas weiter ist der Weg über den Grenzübergang Ferdinandsthal bei Zwieslerwaldhaus. Zwar muss man anschließend den größten Teil der Strecke auf der Stra- ße zurücklegen, doch ist der Verkehr hier in der Regel kaum nennenswert. Von der Chata Rovina führt eine Reihe von Wanderwegen in verschiedene Richtungen. Wir nehmen den grün markierten, breiten Weg zum Březník. Schon nach ein paar Hundert Metern über naturnahe Wiesen eröffnet sich ein phantastischer Ausblick. Ab hier fallen die Berge und Hügel des Böhmerwalds ab und laufen schließlich sanft aus. So wird der Blick frei und reicht weit bis ins Flachland hinaus. Die erste Abzweigung leitet uns rechts in den Wald hinein. Es Einzigartig ist der von der Künstlerin Vladimíra Tesar̆ová geschaffene Glasaltar. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 11 Heft230_2016_6-19_NR230_2016_6-19.qxd 11.04.2016 13:38 Seite 12 Land und Leute In der kleinen Kapelle neben der Wallfahrtskirche entspringt die Guntherquelle mit dem heilkräftigen Wasser. geht auf den Březník, der mit 1.006 Metern Höhe die „magische 1000er-Marke“ gerade noch überschreitet. Der Anstieg ist nur kurz und sehr gemäßigt. Belohnt wird er aber trotzdem reichlich. Der mit Kiefern und Fichten besetzte Gipfelfelsen hält einen schönen Blick auf den Grenzkamm bereit. Doch sollte man den Březník, der nur ein Stück weit vom uralten, heute als Böhmweg bezeichneten Handelsweg liegt, nicht nur wegen der Aussicht genießen. Der Guntherberg, so seine deutsche Bezeichnung, ist nämlich auch ein geschichtsträchtiger Ort. Der Hl. Gunther verließ im Jahre 1040 das Kloster Rinchnach, um hier in der Einsamkeit seine letzten Lebensjahre zu verbringen. Gunthers Tod im Jahr 1045 ist von Sagen umwoben. Begraben ist er hier nicht, sondern im Kloster Břevnov bei Prag. Allerdings erinnert am Fuße des Gipfelfelsens seit dem 17. Jahrhundert eine kleine Kapelle an den bekannten Einsiedlermönch. Ihr bescheidenes Inneres 12 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 ziert ein Altarbild mit dem Hl. Gunther in deutscher und tschechischer Sprache. Es ist nur ein kleines, aber dafür umso aussagekräftigeres Zeichen dafür, dass zahlreiche bayerische und böhmische Pilger hierher kamen und kommen. Mit dem Radl unterwegs oder auf Schusters Rappen... Nun geht es ein Stück des Wegs zurück bis zur Abzweigung und rechts weiter auf dem breiten Wanderweg. Er führt leicht bergab. In einem kleinen Waldstück leitet uns links ein kleiner Pfad hinab nach Gutwasser. Wer es etwas bequemer mag, kann den breiten Weg weitergehen bis zu einer schmalen Straße und sich dann dort nach links wenden. In Gutwasser sticht gleich die schmucke Kirche ins Auge. Der Grund dafür, dass hier eine Wallfahrtsstätte entstand, liegt in dem kleinen Häuschen neben der Kirche. Darin findet sich eine Quelle, der durch die Fürsprache Gunthers Heilkräf- te zugeschrieben werden. Die ursprüngliche Kapelle neben der Quelle wurde 1734 zur heutigen Kirche erweitert. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts blieb die Tradition des altehrwürdigen Wallfahrtsortes erhalten. 1952 wurde Gutwasser Teil eines militärischen Sperrgebiets, die Kirche zum Waffendepot degradiert. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte man die Kirche instand. Die Wallfahrten setzten wieder ein. Von der Kirchenausstattung war allerdings kaum mehr etwas erhalten, fast ist man verleitet zu sagen „zum Glück“, denn so bekam die Guntherkirche eine einzigartige Innenraumgestaltung. Die Glaskünstlerin Vladimíra Tesařová aus Prag, die ihre zweite Heimat in Gutwasser hat, schuf einen monumentalen Altar aus Glas. Das Material Glas soll an den einstigen Weltruhm des Böhmerwald-Glases erinnern. Gerade wenn die geschickt platzierte Beleuchtung im Kirchenraum eingeschaltet ist, zeigt sich der Altar in seiner ganzen Pracht. Der Heft230_2016_6-19_NR230_2016_6-19.qxd 11.04.2016 13:38 Seite 13 Land und Leute Kurz vor Gutwasser lädt das traditionsreiche Gasthaus „Chata Rovina“ zu einer Rast ein. Glasaltar war das erste Werk von Vladimíra Tesařová für die Kirche. In der Folge entstanden ein gläserner Ambo, ein Kreuzweg sowie ein großes Krippenrelief. Beeindruckend ist Tesařovás lebensgroße Darstellung des Heiligen Gunther. … und einen kühlen Trunk aus dem Guntherbrunnen Bevor es weitergeht, sollte man es nicht versäumen, einen Schluck aus dem Guntherbrunnen zu nehmen oder seinen Wasservorrat aufzufüllen. Schaden kann es schließlich nicht, etwas Heilwasser mit auf den Weg zu nehmen. Schon nach wenigen Metern trifft man auf das Dr. SimonAdler-Museum. Es widmet sich dem jüdischen Leben und der jüdischen Kultur im Böhmerwald und zeigt an dieser christlichen Wallfahrtsstätte, dass hier einst auch zwei Religionen zusammen lebten. Um zurück zur Chata Rovina zu kommen, muss man entweder rund einen Kilometer auf der Straße gehen oder man wählt nach einem Stück des Weges einen links in den Wald führenden, nicht markierten Pfad. Erwischt man den richtigen, leitet er einen direkt zur Chata Rovina. Auch dieses Gasthaus hat, wie könnte es bei dieser Lage direkt am Böhmweg anders sein, eine jahrhundertelange Tradition. Als das Gebiet tschechische Militärzone war, diente das Haus zunächst als Unterkunft für den Stab. Zuletzt war es so marode, dass nur noch Heu darin gelagert werden konnte. 2006 begann die Renaissance des historischen Hauses. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten konnte es 2009 wieder als Gasthaus eröffnet werden. Seitdem hat es sich zu einem äußerst beliebten Ausflugslokal entwickelt. Nach einer Wanderung, einem Spaziergang oder einer Radtour rund um Gutwasser kann man hier gute böhmische Küche genießen und wieder Kräfte sammeln. Energie tanken können (Foto J. Donoval) hier seit letztem Jahr auch elektrisch betriebene Vehikel. Dank des Projekts „e-S̆umava“ gibt es eine Ladestation für Elektrofahrzeuge, die die Gäste der Chata Rovina gratis nutzen können. Zudem stehen E-Bikes zum Verleih bereit. Jedes Jahr am zweiten Sonntag nach Pfingsten findet die von Rinchnach aus organisierte Gunther-Wallfahrt von Scheuereck, Gemeinde Lindberg, nach Dobrá Voda/Gutwasser statt. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 13 Heft230_2016_34-43_NR230_2016_36-43.qxd 11.04.2016 14:15 Seite 40 Natur und Landschaft Die Wanderung durch die wildromantische Steinklamm bei Spiegelau war der perfekte Einstieg in die Tour. (Fotos: J. Schörnich) Vom Ursprung bis zur Mündung Traumpfad Ilztal-Wanderweg Von Jens Schörnich Für die Serie Traumpfade begleitete der Filmautor Jürgen Eichinger vor drei Jahren den Schriftsteller Harald Grill auf seiner Wanderung entlang der Ilz. Der Film über eine wilde, weitgehend unzerstörte Flusslandschaft mit romantischen Uferbereichen, tief eingeschnittenen Schluchten und beeindruckenden Felsformationen lässt das Herz eines jeden Naturfreundes höher schlagen. Der Beitrag gibt den Anstoß. Im Sommer 2015 macht sich unsere zwölfköpfige Gruppe auf den Weg. Mit dabei ist auch ein Vierbeiner. Toni, der Golden Retriever, weicht seinem Frauchen Marianne während der dreitägigen Wanderung nicht von der Seite. Wir folgen den Spuren Grills und begleiten die Ilz von ihrem Quellgebiet in den Kammlagen des bay- 40 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 erisch-böhmischen Grenzgebirges bis zu ihrer Mündung in die Donau. Die Große Ohe, Kleine Ohe und Mitternacher Ohe sind ihre „Geburtshelfer“ oder ihre „wilden Kinder“. Nachdem die „Ohen“ an den Hängen von Rachel, Lusen und Brotjacklriegel entspringen, eine Quelle im geläufigen Sinn also fehlt, verlegt unser Wanderführer Heinrich Vierlinger seinen Ilz-Ursprung aus praktischen Gründen nach Spiegelau. Sinnvoll, da man den ehemaligen Glasmacherort bequem mit der Waldbahn, dem Igelbus erreichen oder die Autos auf dem großen Parkplatz abstellen kann. Warum in die Ferne schweifen, wenn eine der schönsten Flusslandschaften direkt vor unserer Haustür liegt, meint Vierlinger bei der Begrüßung. Wie wahr, denn unsere nächste Umgebung bietet eine Fülle an Naturerlebnissen. Man muss sie nur entdecken. Die wilde Steinklamm „Kurz nur ist ihr schnelles Leben. Hoch vom Rachel kommt sie her. Viele Quell`n zusammen streben. Heißen Ohe`n bald nicht mehr“, schreibt Paul Rudolf Uhl, Mitglied der Passauer Dreiflüsseschreiber, in seinem Gedicht. „Eines Flusses alle Phasen, finden sich in ihrem Lauf. Erst kann sie als Bächlein rasen, wild ist noch ihr Oberlauf“. In den wilden Oberlauf tauchen wir nach einer kurzen Wegstrecke ein. Unterhalb von Spiegelau stürzen sich die Wasser der Großen Ohe in die bis zu 100 Meter tiefe Schlucht der Heft230_2016_34-43_NR230_2016_36-43.qxd 11.04.2016 14:16 Seite 41 Natur und Landschaft Steinklamm hinab. Seit der Eiszeit formt das Wasser diese „sehenswürdige Naturmerkwürdigkeit“, schrieb der Geologe Carl Wilhelm von Gümbel im Jahr 1868. Über beschauliche Kaskaden, Glättungen, moosbedeckte Steine, durch ausgeschliffene Strudellöcher und steinerne Rinnen tosen die Wasser durch die Klamm. Ein beeindruckendes Schauspiel, das wir in Ruhe auf uns wirken lassen. Überhaupt halten wir es auf der gesamten 65 Kilometer langen Wanderung mit Harald Grill: Die Beschleunigung und Hetzerei ist nicht das Unsere. Langsam gehen, innehalten, betrachten und sich Zeit nehmen, lautet die Devise. So genießen wir bei der Mittagspause am Hartmannreiter Stausee den herrlichen Tag. Frisch gestärkt geht es dann über Ober- und Unterhüttensölden zum Tagesziel, dem Ferienhof Aiginger in Nendlnach. In dem einstigen Bauernhof bereiten uns Chefin Liane und ihre Familie einen herzlichen Empfang. Ein Grillabend mit musikalischer Unterhaltung rundet den ersten Tag ab. Westlich von Nendlnach, oberhalb der Ettlmühle bei Eberhartsreuth, vereinigen sich die Große und Kleine Ohe. Seit dem 15. Jahrhundert wird der Fluss ab hier Ilz genannt. Der Name lässt sich laut Heimatforscher Paul Praxl aus der indogermanischen Wurzel „el“ wie fließen, strömen ableiten. Aus Ilzisa, Ilzes oder Ilza wurde im Laufe der Jahrhunderte die Ilz. Auf den ersten Kilometern fließt die „Schwarze Perle“ durch mehrere Hochmoore. Dabei werden Huminsäuren ausgeschwemmt. „Sie rauscht daher wie dunkles Bier, von goldbraun bis schwarz“, heißt es auf einer Infotafel. Im September 2001 wurde die Ilz wegen ihrer reinen Wasserqualität und landschaftlichen Schönheit zur Flusslandschaft 2002/2003 gekürt. Die Inschrift an der Brücke bei der im 18. Jahrhundert erbauten Ettlmühle erinnert an diese Auszeichnung. Dießen heißt rauschen Heiß, sehr heiß ist es bereits am frühen Morgen. „Die klare, braune Waldflut, wie glitzert sie so helle, wenn Sonnenstrahlen tanzen auf ihrer leisen Welle“, schreibt die Volksdichterin Emerenz Meier. In der Tat, die Sonne lässt die Wasseroberfläche glitzern und leuchten. Das Licht schillert auf dem Waldboden und wirft traumschöne Schatten. Gemütlich wandern wir durch den kühlen Bergmischwald am Ufer des behäbig fließenden Baches entlang. „Augen offen halten, aufmerksam beobachten“, rät Heinrich. Hochstaudenfluren, Farnund Blütenpflanzen aller Art, auch seltene, gefährdete Pflanzen sind in den Uferbereichen zu entdecken. Doch auch die „Neubürger“, das ungeliebte, mannshohe indische Springkraut und der Schlitzblättrige Sonnenhut säumen wie ein Dickicht den Wegesrand. Eine Eidechse flüchtet vor uns in den Felsspalt, die Blindschleiche sucht Schutz unterm Laub. Das Tal wird schmal, die Hänge steiler, der ruhige Fluss ändert sein Gesicht. Vorbei ist es mit der Ruhe und Beschaulichkeit. Bei Ellersdorf kündet ein Brausen die Dießensteiner Leite an. Der Fluss schießt durch das enge Tal. Hier zeigt er Temperament und seine ungestüme Kraft. Treffend dazu ziert ein Spruch von Johann Wolfgang von Goethe den Fels am Eingang zur Leite. „Die Natur ist aller Meister Meister, sie zeigt uns erst den Geist der Geister“. Wer sie beobachtet, kommt zu der Einsicht, dass unser irdisches Leben nur ein winziger Teil eines höheren Daseins ist, hat er damit gemeint. Im Flussbett liegen gerun- Kurz vor dem Ziel der dreitägigen Wanderung führt der Weg über die Halser Triftsperre. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 41 Heft230_2016_34-43_NR230_2016_36-43.qxd 11.04.2016 14:17 Seite 42 Natur und Landschaft dete Kiesel, glattgeschliffene Steine und angeschwemmtes Treibholz. „Dießen heißt rauschen.“ Wie wahr. Das Wasser Dieser Wandervorschlag wird Ihnen präsentiert von Echt Bayern. Echt Penninger. schäumt wild um die Felsen. Strudellöcher zeugen von seiner beharrlichen Kraft. Besonders nach der Schneeschmelze ist die Ilz ein Eldorado für Wildwasserfahrer. Historische Grenze Über Jahrhunderte bildete der Fluss die natürliche Grenze zwischen dem Fürstbistum Passau und dem Herzogtum Bayern. Die Herrschaften sicherten ihr Grenzgebiet durch Burganlagen ab. Fürsteneck, das Ober- und Niederhaus haben den Jahrhunderten getrotzt. Von Bei Ellersdorf präsentiert sich die „Schwarze Perle“ in ihrer ganzen Schönheit. 42 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 Hals, Angerberg, Reschenstein, FurthHaus oder Kalteneck sind nur noch Ruinen oder Fragmente vorhanden. Im Jahr 1347 erbaute Ritter Schweiker II. aus der Familie Tuschl zu Söldenau auf einem Felsvorsprung die Burg „Diezzenstayn“. Die Lage zur Ilz war günstig, da das Territorium des Fürstbistums Passau nur einen „Büchsenschuss“ entfernt war. Von hier überwachte man den Handelsweg und die Übergänge an der Dießensteinermühle und Furth-Rettenbach. Heute zeugt nur noch eine Ruine von der Vergangenheit. Im Jahr 1742 schleifte der Pandurenfürst Freiherr von Trenck die Heft230_2016_34-43_NR230_2016_36-43.qxd 11.04.2016 14:19 Seite 43 Natur und Landschaft Burg. Der Hochaltar der Burgkapelle und eine Figur der Brigida von Kildare wurden in die Preyinger Pfarrkirche St. Brigida verbracht. Ein kurzer, steiler Anstieg führt uns auf das Plateau mit seinem Mauerresten. Der Blick hinab auf die rauschende Ilz entschädigt für die Anstrengung. Über die Schneidermühle streben wir unserem Tagesziel, der Schrottenbaummühle, entgegen. Ein kühles Weizen und die Forelle nach Müllerinart, eine Spezialität des Hauses, lassen alle Anstrengungen vergessen. Revier für Fliegenfischer Alles fit? Na ja, der eine oder andere jammert schon etwas vor Beginn der Schlussetappe. Blasen, Muskelkater, das gehört einfach dazu. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, muntere ich die Blessierten auf. Schade, die Wanderung neigt sich dem Ende zu. Gut erholt und gestärkt machen wir uns auf den Weg nach Hals. Die letzten 22 Kilometer haben es noch einmal in sich. Der bequeme, ebene Weg führt bald schnurgerade dahin, bald windet er sich durch Fichtenwald. Als sich das Ilztal öffnet, ist es vorbei mit dem Schatten. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel. Die Hitze und Schwüle in Flussnähe macht allen zu schaffen. „Der hat`s gut!“, denke ich mir, als bei Kalteneck ein Angler mitten im Fluss steht. Auch Rudi ist ein passionierter Fliegenfischer. „Hier finde ich ideale Voraussetzungen. Die Ilz ist ein tolles Fischwasser“, erzählt er. Sein Kollege steht in Watstiefeln und -hose bis zur Hüfte im Wasser. An das Vorfach seiner Angelrute, das ist das Schnurstück nach dem Haken, hat er eine Insektenimitation, die Trockenfliege gebunden. Mit Rutenspitze und Schnur beschreibt er eine Ellipse über seinem Kopf. Sanft lässt er die Fliege an langer Schnur aufsetzen. „Am besten so, dass sie auf die Forelle zutreibt“, erklärt Rudi. Doch der Fisch hat den Braten gerochen. Er beißt nicht. Ein schriller Pfiff stört unser Fachsimpeln. Die Ilztalbahn kündigt sich an. Dank privater Initiative rollen seit Juli 2011 auf der ehemaligen Waldbahnstrecke von Passau nach Freyung wieder Züge. Von Mai bis Oktober findet an den Wochenenden und Feiertagen ein planmäßiger Verkehr statt. Ideal für Wanderer, die das Ilztal in Etappen erkunden. „Die Ilztalbahn bringt Sie hin“, verspricht Dr. Peter Dillinger, der „Wanderpapst“ unseres Magazins, in seinem Führer Wandern mit der Ilztalbahn. Alle Wanderungen sind so geplant, dass man sie mit einer Bahnfahrt verbinden kann. Wir erliegen der Versuchung nicht, sondern setzen unseren Weg zu Fuß fort. Der Pfad führt in leichtem Auf und Ab am Hang entlang, mal hoch über der Ilz, dann wieder auf Gewässerhöhe. Die Strecke bietet auch weiterhin eine Fülle Ab Fürsteneck begleitet die Ilztalbahn den Flussverlauf. Eine ideale Alternative für Tageswanderer. von Motiven. Sie laden uns müde Wanderer zum Staunen, vor allem zum Verweilen ein. Alte Granitsteinbrüche erinnern an einstige, harte Zeiten. Hochstaudenfluren, Erlenauen, nasse Wiesen und dunkle Wälder wechseln sich ab. Trotzdem sind alle froh, als endlich die Halser Triftsperre an der Ilzschleife erreicht ist. „Gleich ist es geschafft“, motivieren wir uns gegenseitig. Der Weg führt durch den 115 Meter langen, stockfinsteren Tunnel unter dem Reschensteiner Felsriegel. Er wurde zwischen 1827 und 1831 für die Trift geschlagen. Wenige Minuten später erreichen wir Hals. Dort, direkt am Fuß der Burgruine, endet unsere wunderschöne Wanderung. Nach dieser Entdeckungsreise können wir das Fazit von Harald Grill nur bestätigen: Die Ilz ist ein einzigartiges Naturjuwel. Ein echter Geheimtipp für Wanderer, stille Entdecker, Genießer und Träumer! Vom 10. bis 12. Juni 2016 organisiert der Verein Pro-Nationalpark Freyung-Grafenau wieder eine Ilztalwanderung: www.pro-nationalpark.de Weitere Informationen und Termine unter: www.ilztal.de Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016 43 Heft230_2016_59-82_NR230_2016_59-82.qxd 12.04.2016 07:41 Seite 82 VORSCHAU AUF DAS HEFT JULI/AUGUST 2016 Eine Zweimonatszeitschrift für alle Freunde des Bayerischen Waldes Impressum Regens Unterwelt Herausgeber: Verein der Nationalpark-Freunde e. V. Bahnhofstraße 22, 94481 Grafenau Redaktion Eine unglaubliche Kellerdichte in einer Gasse, ein Verein mit lauter „Kellernarrische“, die verschiedensten Veranstaltungen in und vor den ehemaligen Bier- und Eiskellern – das gibt es in der Kreisstadt Regen. Anschrift: Bahnhofstraße 22, 94481 Grafenau Tel.: 08552/625060 (von 8.30 - 12.30 Uhr) Fax: 08552/920529 e-mail: [email protected] internet: www.schöner-bayerischer-wald.de Redaktionsleitung: Eva Pongratz Redaktionsbüro: Michaela Hoßfeld Einladende Oase In seinem Garten in Freyung schafft das Ehepaar Nußer mit durchdachter Gartengestaltung Platz für Kreatives aus den verschiedensten Materialien. Garten und Atelier stehen auch Besuchern offen. Ständige Autoren in der Redaktion: Dr. Isabelle Auer, Sven Bauer, Dr. Peter Dillinger, Ulrike Eberl-Walter, Susanne Ebner, Prof. Dr. Reinhard Haller, Ellen Huber, Ines Kohl, Karl-Heinz Paulus, Roland Pongratz, Helga Rohmann, Willi Schindler, Jens Schörnich, Roland Schreder, Hannelore Summer, Heinrich Zens, Marcel Zens Graphische Gestaltung/Anzeigenmarketing: Donau-Isar-Bayerwald-Presse-GmbH Bahnhofstraße 28, 94469 Deggendorf Telefon: 09 91/3 70 09 48 e-mail: [email protected] Anzeigen: Am Sand 11, 94209 Regen, Tel.: 0 99 21/88 27 13 od. 14 e-mail: [email protected] Druckservice: Passavia Druckservice GmbH & Co. KG Medienstraße 5 b 94036 Passau Telefon: 08 51/96 61 80-0 e-mail: [email protected] Rund um die Waldlaterne Leserservice/Abonnentenverwaltung/Buchhaltung: Silvia Wolf, Tel.: 08552/625366 (von 9 – 12 Uhr) Telefax 08552/625380, e-mail: [email protected] Heute hausen in der spätmittelalterlichen Saldenburg nicht mehr furchteinflößende Ritter, sondern überwiegend junge Leute, denn seit 1924 wird sie als Jugendherberge genutzt. Schöner Bayerischer Wald nimmt Sie mit auf eine Rundwanderung. Abonnements: Jahresabonnement: (6 Ausgaben jährlich) 27,50 € zuzügl. 6,00 € Versandkosten Einzelheft: 4,90 € Geschenkabonnement inkl. Geschenkurkunde: 27,50 € zuzügl. 7,00 € Versandkosten Über alle Berge Kündigungen jeweils 3 Monate zum Jahresende, spätestens am 30. September. Das Jahres-Abo zuzüglich Versandkosten wird mit der Auslieferung von Heft 1 berechnet und ist innerhalb von 30 Tagen ohne Abzug zu bezahlen. Die Zeitschrift Schöner Bayerischer Wald ist im Zeitschriften- und Buchhandel erhältlich oder direkt: Redaktion Schöner Bayerischer Wald Postfach 1318, 94477 Grafenau [email protected] Erscheinungsort: Grafenau · ISSN 0941-7052 Laufen ist gesund und fördert die Ausdauer. Die Königsdisziplin ist zweifellos der Berglauf. Wer also eine besondere Herausforderung sucht, schnürt die Laufschuhe, um die Bayerwald-Berge zu erobern. Schöner Bayerischer Wald darf nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion in Lesezirkeln geführt werden. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt; Verwertung und Nachdruck mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle nur mit Genehmigung der Redaktion. Dies gilt auch für elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen auf CD-ROM. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist 94078 Freyung. 82 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 03 · 2016
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