Mitteilungen - Stadt St.Gallen

Stadt St.Gallen
Botanischer Garten
Mitteilungen
Juni 2016 / 65. Jahrgang Nr. 6
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Cypripedium reginae, die Königin der Frauenschuh-Arten
Funde seltener Pflanzen lösen bei botanischen Exkursionen
stets Freude aus, der Frauenschuh gar Begeisterung. Dies
gilt nicht nur in Europa, wo Cypripedium calceolus (Cypripedium = griech: Venusschuh; calceolus = lat: kleiner
Schuh) neben dem Grossblütigen Frauenschuh (C. macranthos) ganz im Osten der einzige Frauenschuh ist. Weitere
52 Frauenschuh-Arten verteilen sich auf die gemässigten
Klimazonen Nordamerikas und Ostasiens sowie Gebirgslagen Mexikos und Südasiens. Da die FrauenschuhWildformen weit weniger einfach zu kultivieren sind
als die verschiedenen Züchtungen, sind die grossblütigen Orchideen auch in botanischen Gärten nicht allzu
häufig anzutreffen. Die meisten sind auch im natürlichen Verbreitungsgebiet selten. Umso erfreulicher
ist es, dass im Botanischen Garten St.Gallen mehrere
Arten gedeihen. Als erste im Jahr blüht Ende März
der Taiwan-Frauenschuh (C. formosanum) im Alpinenhaus und jetzt als letzte der Königin-Frauenschuh
(C. reginae) aus dem östlichen Nordamerika in der
Abteilung Amerika. Trotz seines umfangreichen Verbreitungsgebietes von den kanadischen Provinzen Saskatchewan und
Neufundland im Norden und den US-Staaten Arkansas und Virginia im Süden gilt der Königin-Frauenschuh fast in allen Regionen
als bedrohte Art. An günstigen Wuchsorten wie lichten, etwas
feuchten Nadelwäldern, Mooren oder Sümpfen bilden sich mitunter
Kolonien von über 1000 Individuen. Ein Bild für die Götter!
Der Königin-Frauenschuh trägt seinen Namen zu Recht. Mit bis 90
Zentimeter Wuchshöhe - rund 40 Zentimeter mehr als der einheimische Frauenschuh - ist er
tatsächlich eine königliche Erscheinung. Dazu trägt auch die rosa überlaufene pantoffelförmige Lippe bei, die zu den weissen Sepalen und Petalen einen hübschen Kontrast bildet.
Ob der „Schuh“ nun rosa oder gelb gefärbt ist, blütenbiologisch betrachtet ist er eine Kesselfalle. Durch Duft und verlockende Formen und Färbungen lockt dieses gattungstypische
Organ Wildbienen an, die im Innern des Schuhs nach Nahrung suchen. Das finden sie hier
nicht, also versuchen sie, die Blüte bald wieder zu verlassen, was die glitschigen Wände
jedoch nicht zulassen. Ausgänge gibt es lediglich zwei an der Basis der Lippe, der eine links
und der andere rechts neben der Säule (Gynostemium), dem Verwachsungsprodukt eines
Fruchtblattes mit zwei Staubblättern. Geleitet durch eindringendes Licht quetschen sich die
Eindringlinge ins Freie. Dabei beladen sie sich mit Blütenstaub. In der Regel besuchen die
blütensteten Insekten nun Blüte um Blüte. Beim Verlassen durch die nun bekannten Ausgänge streifen sie unwissentlich Pollen an den dreiteiligen Narben ab. Durch diesen Trick
sichern sich die Frauenschuh-Arten die Bestäubung. Damit dieses „Patent“ funktioniert,
weichen die Frauenschuh-Blüten gleich in zweifacher Hinsicht von den Blüten der über
20‘000 anderen Orchideen-Arten ab: Es sind zwei Staubblätter vorhanden und nicht wie üblich eines, und der Blütenstaub ist lose und nicht wie üblich zu Paketen geformt, die mit
Klebscheiden verbunden sind.
www.stadt.sg.ch
Aktuell-Hefte zu botanischen Themen
Vor etlichen Jahren hat der Leiter des Botanischen Gartens, Hanspeter Schumacher, für den
kantonalen Lehrmittelverlag in Rorschach sporadisch reich illustrierte Hefte zu verschiedenen spannenden botanischen Themen verfasst. Diese fanden bei den Schulen wie bei Pflanzenfreunden grossen Zuspruch, sodass sie seit längerer Zeit vergriffen sind. Obwohl inhaltlich nach wie vor gültig, fällt eine Neuauflage aus finanziellen Gründen ausser Betracht. Nun
sind bei einer Räumung fünf Nummern dieser Hefte unversehrt aufgetaucht, die der Botanische Garten übernehmen konnte. Ab sofort sind sie im Schriftenstand des Botanischen Gartens für den Betrag von Fr. 5.- pro Heft erhältlich.
 „Blüten“, aktuell 2/95, 32 Seiten
 „Nur Gräser“, aktuell 2/98, 36 Seiten
 „Wir vermehren Pflanzen“, aktuell 1/2001, 32 Seiten
 „Bäume“, aktuell 2/2003, 36 Seiten
 „Fleisch fressende Pflanzen“, aktuell 1/2005, 32 Seiten
Es blüht im neuen Südafrika-Beet
Ende März nutzten die Mitarbeiter des Botanischen Gartens die milde Witterung, um das
neu erstellte Südafrikabeet hinter dem Lithopshaus zu bepflanzen. Was damals nicht absehbar war, waren die harten Spätfröste Ende April. Während diesen Kälteeinbrüchen Blüten
verschiedener Rhododendron-Arten oder Glyzinen-Sorten und verschiedene Neuaustriebe an
anderen Gehölzen zum Opfer fielen, kamen die südafrikanischen Pflanzen völlig ungeschoren davon. So blüht jetzt eine Art nach der anderen auf. Wie im Gebirge der östlichen Landesteile sind die Korbblütler besonders reichlich vertreten. Dazu gehören drei gelbblühende
Strohblumen- (Helichrysum-) Arten, vier verschiedene Kreuzkraut- (Senecio-) Arten, darunter
das prächtig rosablühende Grossköpfige Kreuzkraut (Senecio macrocephalus), einjährige
Gazanien und die strauchige Seidige Schöngestalt (Eumorpha sericea), die ihrem Namen alle
Ehre macht. Später werden auch die Blüten südafrikanischer Disteln (Berkheya) auf sich
aufmerksam machen, die mit zwei Arten vertreten sind. Mit ihren Blüten bis in den Sommer
oder Frühherbst werden die Arten aus der Klasse der Einkeimblättrigen Pflanzen zuwarten.
Es sind dies die Vornehme Riesenhyazinthe (Galtonia princeps), zwei verschiedene Fackellilien (Kniphofia), Masons Monbretie (Crocosmia masoniorum) und das Trichterschwertel
(Dierama pulcherrimum), die in der Anzucht bereits einen Winter im Freien überstanden hat.
Öffentliche Führungen im Botanischen Garten
Sonntag, 3. Juli 2016 um 10.15 und 15.15 Uhr
Pavel Beco: Wildhecken in Garten und Landschaft
Bilder aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zeigen, dass die Landschaft damals voller
Wildhecken war. Hecken markierten Grenzen,
lieferten Laubheu für das Vieh und den Menschen willkommene Wildfrüchte. Sie hatten
somit eine wirtschaftliche Bedeutung. Dass sie
unzähligen Tieren Nahrung und Lebensraum boten, war den wenigsten bewusst.
Heute haben Wildhecken keine wirtschaftliche Bedeutung mehr und Grenzen werden anders markiert. Die Folge ist, dass Wildhecken als Behinderung der rationellen maschinellen
Bewirtschaftung massiv unter Druck kommen. Ihr Verschwinden und damit der Insektenund Vogelwelt kann nur durch griffige Naturschutzmassnahmen und Abgeltungen aufgehalten werden.
Als zumindest teilweisen Ersatz bieten sich Gärten an, wo sie ähnliche Funktionen übernehmen können wie die eintönigen und sterilen Thuja- oder Hainbuchenhecken. Der Referent wird nicht nur geeignete Arten und ihre Vorzüge vorstellen, sondern auch Tipps zur
Pflanzung von Wildhecken geben.