G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Zeitung von Grünen für Grüne Liebe Freundinnen und Freunde, INHALT April 2013 F rauen auf Platz 2 Grünes Aussteigerland Saarland Seite 2 G 8 aus Sicht eines Schulleiters Bertelsmann berät Seite 3-4 G 8 aus Sicht einer Schülerin Viel lernen, kaum Freizeit Seite 4-5 Halbahreszeugnis für die Gemeinschaftsschule Erste Schritte sind gemacht O Das Klimamärchen Weltweite Erwärmung: Fakten gegen Mythen Seite 8-9 I nterview mit Björn del Tongo vom Verein Wiwo Seite 10-12 Seite 13 Strompreis paradox Aktueller Strompreis spiegelt Politikversagen wider Seite 14 R ekordjahr für Solaranlagen Erneute Reform des EEG lassen Branche um Projekte fürchten Seite 15 Unser schönes Saarland Ein Tag im Dreiländereck Impressum Dr. Gerold Fischer Susanne Jung Gabriele Jung Seite 5-6 ffener Brief an den Landesvorstand Seite 7 Ist doch nur ein Scheärz Martina Fischer, Friedhelm Chlopek, Tim Feyerabend, Roland Fecht Dörte Sturm Eckhard Dewes I. Kuh Christian Bersin Christian Bersin Eckhard Dewes Seite 16 Seite 17 seit unserer ersten Ausgabe der GRÜNEN BASIS ist einige Zeit vergangen. Rückblickend waren wir alle, die an der Idee und Umsetzung der GRÜNEN BASIS beteiligt waren, überrascht von dem großen Interesse und Zuspruch. Natürlich gab es auch genug kritische Stimmen, denen wir gerade im Saarland immer offen gegenüberstehen. Die Resonanz auf die Erstausgabe zeigte außerdem, dass sich die GRÜNE BASIS insgesamt als Informations- und Meinungsforum etabliert, welches sich schwerpunktmäßig auf überregionale Themen ausrichtet. Zwar berichten wir weiterhin ausschnittweise über das aktuelle politische Geschehen der Grünen im Saarland wie beispielsweise gleich im ersten Artikel, der die Listenplatz-Aufstellung der Saar-Grünen zur anstehenden Bundestagswahl auf den Prüfstand stellt, sowie in der Rubrik „Offener Brief“. Unsere I. Kuh hat ebenfalls wieder Unglaubliches an der Saar erlebt und die Fotoseite „Unser schönes Saarland“ bleibt, wie versprochen, fester Bestandteil. Aber gerade durch unseren Fokus auf das Internet als Veröffentlichungsplattform ist es nicht verwunderlich, dass Meldungen aus den einzelnen Ortsverbänden in den Hintergrund rücken. Das ist ein Erfahrungswert, der sich bei der zweiten Ausgabe im Inhalt widerspiegelt. Die Kurzmeldungen aus den OVs sowie die Tipps und Termine diesbezüglich haben wir aus dem Programm genommen. Dafür gibt es umso mehr Hintergrundberichte und einen Themenschwerpunkt „G8 und die Gemeinschaftsschule“. Danken möchte ich an dieser Stelle allen, die uns Beiträge geschickt haben und so für das Gelingen einer zweiten Ausgabe der GRÜNEN BASIS gesorgt haben. Und natürlich ein herzliches Dankeschön an unsere Leserinnen und Leser. Wir von der GRÜNE BASIS hoffen, auch für die nächste Ausgabe wieder viele Beiträge von euch veröffentlichen zu können. Und jetzt viel Spaß beim Lesen unserer zweiten Ausgabe! Euer Friedhelm Chlopek www.gruene-basis.de 2 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Frauen auf Platz 2 Grünes Aussteigerland Saarland von Martina Fischer, Friedhelm Chlopek und Tim Feyerabend Als die Grünen in den Bundestag einzogen, hielt die Abgeordnete der Grünen Waltraud Schoppe am 5. Mai 1983 im Bundestag eine bis heute legendäre Rede. Sie forderte als erste öffentlich, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen, prangerte den Sexismus im deutschen Bundestag an und verlangte eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau. Kann sich eine Gesellschaft hin zum besseren wenden? Wenn wir uns das Beispiel der Gleichstellung von Mann und Frau ansehen, lautet die Antwort zweifellos: Ja, wenn die Betroffenen selbst am Prozess beteiligt werden. Konkret heißt das, dass die Frauen originär mitbestimmen, wie es mit dem Prozess weitergeht. Kommt da noch was oder war es das mit den Frauen? In acht Jahren Kanzlerschaft brachte Angela Merkel das Thema Gleichstellung der Frau nicht voran. Das jüngste Beispiel: Um eine Abstimmungsniederlage im Bundestag über ein Gesetzesvorschlag zur verbindlichen Frauenquote zu verhindern, nimmt Frau Merkel schnell noch eine 30-Prozent-Quote ins CDU-Wahlprogramm auf, die sage und schreibe ab 2020 gelten soll. Weit genug in der Zukunft also, um ja nicht selbst noch aktiv in die Umsetzung involviert zu werden. Hauptsache die Koalition hält und rebellierende Frauen sind wieder auf gleicher Linie. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage: Kommt da noch was oder war es das mit den Frauen? Manchmal könnte man meinen, selbst bei den progressiven politischen Kräften sei das Thema abgemeldet. Man erklärt sich für postgender und schaut an der Wirklichkeit vorbei. Aber wie ist das bei den GRÜNEN? In § 11 Absatz 5, Satz 1 der Bundessatzung heißt es: „Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei den Frauen die ungeraden Plätze zur Verfügung stehen (Mindestparität).“ Solche klaren Aussagen sucht man in anderen Parteiprogrammen vergeblich. Halten sich Die Grünen auch daran? Ein Blick auf die folgenden Listenaufstellung der einzelnen Bundesländer von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2009 zeigt: Im Großen und Ganzen ja.Das Saarland verstieß als einziges Bundesland gegen die Bundessatzung und setzte auf Platz 1 der Liste zur Wahl für den deutschen Bundestag 2009 einen Mann. Von 16 Bundesländern haben 14 Bundesländer auf den Listenplatz 1 eine Frau gesetzt, bei einem Bundesland blieb der Listenplatz 1 unbesetzt. Anscheinend besteht bei den Grünen an der Saar hier noch erheblicher Nachholbedarf. Schleswig Holstein: Nestle, Ingrid Notz von, Dr. Konstantin Mecklenburg Vorpommern: (Platz 1 blieb unbesetzt) Terpe, Dr. Harald Hamburg: Sager, Krista Sarrazin, Manuel Niedersachsen: Pothmer, Brigitte Trittin, Jürgen Bremen: Beck, Marieluise Möhle, Klaus-Dieter Alfred August Brandenburg: Behm, Cornelia Raschke, Benjamin Sachsen-Anhalt: Kurth, Undine Erdmenger, Christoph Berlin Künast, Renate Wieland, Wolfgang Nordrhein-Westfalen: Höhn, Bärbel Beck, Volker Sachsen: Lazar, Monika Kühn, Stephan Hessen: Hinz, Priska Nouripour, Omid Thüringen: Göring-Eckardt, Katrin Lauinger, Dieter Rheinland-Pfalz: Höfken-Deipenbrock, Ulrike Winkler, Josef Philip Bayern: Roth, Claudia Fell, Hans-Josef Baden-Württemberg: Andreae, Kerstin Kuhn, Fritz Saarland: Tressel, Markus Burkart, Karin Es gibt nur einen Ausreißer: Das Saarland Was die saarländischen Grünen jetzt brauchen, sind Aufrufe: Wetzt die Scharte aus, nutzt die Chance 2013 und wählt auf den Listenplatz 1 eine Frau! Traut euch was zu, ihr Frauen bei den Saargrünen! Stellt euch in die erste Reihe, seid Vorbilder! Prominente Kandidatinnen gibt es genug im Saarland. Frauen, die gezeigt haben, dass sie sich durchsetzen können. Man erinnere sich nur an die Wahlen zur Landesvorsitzenden oder an die Wahlen im OV-Mitte. Wir brauchen couragierte Frauen wie Waltraut Schoppe, damit der Prozess der Gleichstellung von Frauen nicht ins Stocken gerät. 3 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Bertelsmann berät Der Brandstifter ruft die Feuerwehr von Dr. Gerold Fischer Dr. Fischer war von 1998 bis zu seinem Ruhestand Anfang 2012 Leiter des Völklinger Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums. G8 und Bertelsmann, wie passt das zusammen? Zunächst muss man wissen, dass mehrere umstrittene Reformen der letzten Zeit aus einer einzigen Ideenschmiede stammen, nämlich der Bertelsmann Stiftung. Das Steuersparmodell der Familie Mohn ist keinesfalls so gemeinnützig, wie mancher glaubt. Da bei einen Erbfall im Konzern mehrere Milliarden Mark eingespart wurden, können mit diesem Geld unter anderem Studien erstellt werden, die die Politik in eine bestimmte Richtung bringen sollen. Jeder, der weiß, welche Ziele die Stiftung verfolgt und welche Methoden sie wählt, wird den regelmäßig neu veröffentlichten Studien der Bertelsmann Stiftung mit Skepsis begegnen. Die Politik allerdings ist vielen Studienergebnissen der Bertelsmann Stiftung gefolgt, wie beispielsweise beim Bologna-Prozess, bei Hartz 4, das demnach eigentlich Bertelsmann 4 heißen müsste, bei die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und nicht zuletzt beim 8-jährigen Gymnasium. Foto: pixabay.com Als Schulleiter hatte ich die traurige Gelegenheit, diesen „Reformprozess“ des G8 umsetzen zu dürfen. Bis dahin hätte ich niemals geglaubt, dass ausgerechnet eine CDURegierung diese Änderung einführen würde, denn eine Verkürzung der Schulzeit setzt eigentlich eine Verlängerung der täglichen Schulverweildauer voraus. Darauf war das gymnasiale System überhaupt nicht vorbereitet. Dabei hätte G8 bei einer Einführung von echten Ganztagsschulen sogar ein Erfolgsmodell werden können. Doch man wählte den billigen Weg. Außerdem wurde nicht bedacht, dass damit innerhalb weniger Jahre schon die zweite Schulzeitverkürzung erfolgte. Die Einführung des freien Samstags hatte nämlich bereits ebenfalls die Schulzeit deutlich verkürzt. Bildungsministerium erfuhr von Reform der aus Zeitung Erschwerend kam hinzu, dass die G8-Reform nicht vorbereitet wurde. Beschlossen wurde sie in einer Nacht- und Nebelaktion der neuen CDU-Regierung im Jahr 1999. Laut Wahlprogramm der Partei sollte die Reform des Gymnasiums anders erfolgen, nämlich mit einer Gymnasialzeit von achteinhalb Jahren, wie es in Rheinland-Pfalz der Fall war. Doch laut Regierungserklärung war plötzlich von der Einführung des G8 die Rede. Wie kurzentschlossen und undurchsichtig das Ganze erfolgte, erkennt man auch da- ran, dass die Gymnasialabteilung im Bildungsministerium erst aus der Zeitung von der Reform erfuhr. Die Argumente für die G8-Reform erschöpften sich in einem Vergleich, der feststellte, dass international Jugendliche früher zum Studium kämen als in Deutschland. Dabei sah man über die Einzelheiten der jeweiligen Schulsysteme großzügig hinweg. Auf die Belange der Schülerinnen und Schüler wurde mit keinem Wort eingegangen. Es wurde lediglich behauptet, dass das neunjährige Gymnasium den jungen Leuten ein Jahr ihrer Jugend wegnehmen würde. Dabei ist das Gegenteil ist der Fall: Die Schulzeit ist für die Schülerinnen und Schüler deutlich belastender geworden. Es wurden Jahr für Jahr kurzfristig neue Lehrpläne erstellt, die aus Zeitmangel weder vorbereitet noch – aufgrund der notwendigen Vorbereitung des nächsten Jahres – nachbereitet werden konnten. Andere Bundesländer folgten blind. Sie erkundigten sich nicht bei den Schulen, die die Misere vor Ort bearbeiten mussten, sondern bei den Ministerien, die natürlich Erfolgsmeldungen lieferten. Vielfalt der Angebote an Schulen ging verloren Aber wie lief die Einführung in der Praxis ab? Vorhersehbar. In den ersten beiden Jahren merkte man in den Schulen noch keine große Veränderung, da alle Stunden innerhalb des Vormittags lagen. Im dritten Jahr musste der „Nachmittagsunterricht“ eingerichtet werden, auf den die Schulen überhaupt nicht vorbereitet waren. Statt nun die Chance zu nutzen, endlich die Gymnasien für den Ganztag fit zu machen, hielt sich das Ministerium aus der konkreten Ausgestaltung an den Schulen heraus. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Schulen verlängerten einfach an zwei Tagen in der Woche den Vormittagsunterricht um jeweils eine Stunde. So merkte man erneut fast keinen Unterschied. Doch während bereits vorher die sechste Schulstunde oft nicht sehr effektiv war, kam nun noch eine ineffektive 7. Stunde hinzu. An dieser Stelle merkte man bereits, dass die Vielfalt der sonstigen Angebote an den Schulen unter diesen zusätzlichen Stunden zu leiden hatte. Die Schülerinnen und Schüler hatten wegen der höheren Belastungen weniger Zeit. Außerdem waren die Stunden, in denen vorher Arbeitsgemeinschaften stattfinden konnten, bereits mit Pflichtunterricht belegt. Nach zwei Jahren kamen weitere zwei Stunden hinzu. Den bereits gesammelten „Erfahrungen“ folgend, wurde dieses zusätzliche Pensum ebenfalls in die 7. Stunde gequetscht. Als die Klassenstufe 9 fertig war, merkte man plötzlich, dass ein Jahr fehlte. Leider zu spät. Die 10. Klasse wurde zum Zwitter: Abschluss der Mittelstufe und gleichzeitig Beginn der Oberstufe. Die Schülerinnen und Schüler waren plötzlich in der Oberstufe und wussten 4 G R Ü N E BA S I S nicht, wie ihnen geschah. Ohne die Vorbereitungen, von denen vorhergehenden Schülergenerationen profitieren konnten, mussten sie sich den Anforderungen der gymnasialen Oberstufe stellen. Keine Rücksicht auf Entwicklungsprozess Nach einiger Zeit wurde die Oberstufe erneut reformiert. Nun wurden plötzlich genau die Hauptfächer wieder wichtig, denen man in den Schuljahren zuvor die Stunden gekürzt hatte. Hier rächte sich, dass das Ganze nicht durchdacht war, denn auf den Entwicklungsprozess der Schülerinnen und Schüler wurde bei der Reform keinerlei Rücksicht genommen. Das heißt im Detail: Wenn Kinder mit zehn Jahren auf das Gymnasium kommen, sind sie eifrig und wissbegierig. Zwei Jahre später beginnt die Pubertät und das schulische Zusammenleben wird schwieriger. Im Laufe der 10. Klasse normalisiert sich alles wieder und die jungen Erwachsenen kommen in die Oberstufe. Doch genau dieser Prozess ist durcheinandergekommen. Von Deutschlehrern habe ich erfahren, dass manche Lektüre, die früher in der Einführungsphase der Oberstufe, also damals in der 11. Klasse, problemlos gelesen werden konnte, nun in der 10. Klasse nicht mehr funktionierte. Das liegt nicht daran, dass die Schülerinnen und Schüler dümmer sind als früher, aber es fehlt ihnen schlicht ein Jahr Reifezeit. Nr. 1 I 2013 Man kann nicht sagen, dass G8 gar nicht funktionieren würde. Irgendwie hat man sich arrangiert. Es wäre zwar ein Leichtes gewesen zu zeigen, dass das 8-jährige Gymnasium nicht funktioniert. Aber das wäre zu Lasten der Schülerinnen und Schüler gegangen. Also haben auch die Gegner der Reform daran gearbeitet, möglichst vielen Schülerinnen und Schülern eine erfolgreiche Schullaufbahn am Gymnasium zu ermöglichen. Und letztendlich ist eine Rückkehr zum alten System leider auch nicht so einfach möglich. Foto: Lara Laubach Verwundert bin ich allerdings, wenn ich nach all meinen Erfahrungen mit G8 eine Studie der Bertelsmann Stiftung lese, in der bemängelt wird, wie wenig durchlässig unser Schulsystem ist. Denn die Reform war ja gerade darauf angelegt. Aber manchmal ruft eben der Brandstifter die Feuerwehr. G8 aus Sicht einer Schülerin: Viel lernen, kaum Freizeit von Susanne Jung Susanne Jung ist 15 Jahre alt und besucht die 10. Klasse des Gymnasiums am Krebsberg in Neunkirchen. „Das achtjährige Gymnasium im Saarland. Kürzere Schulzeit – bessere Chancen.“ Aber was bedeutet das eigentlich wirklich für die Schüler, die ihre gesamte Jugend damit leben müssen? Der Weg zum Abitur war vermutlich noch nie leicht und als Schülerin der zehnten Klasse eines Gymnasiums im Foto: Lara Laubach Saarland kann ich mit gutem Gewissen sagen: G8 ist machbar. Wir leben täglich mit diesem Schulsystem und haben keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. G8 ist für uns normal geworden. Konkret bedeutet das für Schüler und Schülerinnen der zehnten Klasse 32 bis 34 Wochenstunden, jede Menge Unterricht am Nachmittag und etwa 17 reguläre Arbeiten pro Halbjahr. Hinzu kommen unangekündigte Abfragen und Tests. Um diese Flut an Prüfungen zu überstehen, müssen viele Schülerinnen und Schüler Nachhilfe nehmen. Und das keineswegs nur in der Oberstufe. Auch Schüler der Unterstufe brauchen neben der Schule diese zusätzlichen Übungsstunden. Für mich persönlich war das erste Halbjahr der fünften Klasse schrecklich. Plötzlich hat man einen unübersichtlichen Stundenplan, befindet sich in einem riesigen Gebäude, in dem man sich zu Anfang bei jedem Saalwechsel verirrt und steht vor ganzen Seiten voller Hausaufgaben. Meine Situation verbesserte sich allerdings innerhalb kürzester Zeit, weil ich neue Freunde fand und sich in meiner Klasse ein extrem guter Zusammenhalt entwickelte. Wir helfen uns letztlich einfach gegenseitig, wann immer es von Nöten ist. Als gute Schülerin kann ich mich bis heute nicht über meine Noten beschweren, aber der Preis ist hoch. Bei bis zu drei Arbeiten in der Woche ist es nicht ungewöhnlich, bis in den Abend hinein zu lernen. Freizeit existiert in dieser Zeit praktisch nicht mehr. Jetzt, zum Halbjahreswechsel, kann man sich dagegen wirklich nicht beschweren. Arbeiten stehen erst wieder im Februar an und die Hausaufgaben halten sich in Grenzen. 5 G R Ü N E BA S I S In der relativen Ruhe dieser Zeit muss man sich dann Gedanken machen, welche Fächer man in der Oberstufe belegen möchte. Und plötzlich steht man als 15-Jährige vor der erschreckenden Erkenntnis, dass man in gut zwei Jahren Abitur machen soll. Eine Unmenge an Regeln und Vorschriften sind zu beachten, von denen man nahezu erschlagen wird und die die Wahlmöglichkeiten extrem einschränken. Ich habe Glück, die Fächerkombination, die ich wählen will, ist gut machbar. Allerdings komme ich damit auf 36 Stunden statt auf die Mindeststundenzahl von 34 Wochenstunden und das nur aus einem Grund: Fächer wie Sport und Religion dürfen nicht abgewählt werden. In meinen Augen ehrlich gesagt kompletter Schwachsinn. In diesen Zeiten ist man für Lehrer, die einem Mut ma- Nr. 1 I 2013 chen, einem ihre ehrliche Einschätzung mit auf den Weg geben und einem die Wahlmöglichkeiten immer wieder erklären, wirklich dankbar. Ob mir G8 vielleicht irgendwann wirklich von Vorteil sein wird, weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass ich auch die nächsten beiden Jahre schaffen werde. Foto: pixabay.com Halbjahreszeugnis für die Gemeinschaftsschule Erste Schritte sind gemacht - Umstrukturierung braucht Zeit von Gabriele Jung Gabriele Jung ist Lehrerin an der Gesamtschule Schiffweiler. Am 25. Februar erhielten die ersten Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule (GemS) ihre Zeugnisse. Grund genug, der von den Grünen durchgesetzten Scåhulform ebenfalls ein Halbjahreszeugnis auszustellen. Betrachten wir für diese Leistungsbemessung zunächst das Fach „Lernen lernen“, das verbindlich auf der Stundentafel der GemS steht. Jede Schülerin und jeder Schüler lernt in einer Stunde pro Woche, wie er seinen Arbeitsplatz einzurichten hat, welche Lernrhythmen zu seinem Typ passen, wie Hausaufgaben strukturiert erledigt werden können und vieles mehr. Der Kompetenzerwerb in diesem Unterrichtsfach ist Grundlage für die richtige Organisation des Schülers hinsichtlich aller anderen Fächer und bildet somit eine wesentliche Grundlage für die tägliche Arbeit in der Schule und auch Zuhause. Ein „Schmankerl“ ist, dass die Kinder sich in diesem Fach nicht um Noten Gedanken machen müssen, sondern vielmehr einfach den Selbstzweck dieses Faches kennen und schätzen lernen. Eine Leistungsbewertung Foto: Friedhelm Chlopek für dieses Fach gibt es auf dem Zeugnis nicht, es ist Zweck zum Selbstzweck – Pädagogik pur. Fazit für das Fach „Lernen lernen“: Note sehr gut. Kompetenzorientierter Lehrplan Die Fächer Deutsch und Mathematik werden nicht mehr fünfstündig unterrichtet, sondern nur noch vier Stunden pro Woche. Dies wird von den Kolleginnen und Kollegen in der Schule kontrovers diskutiert. Ein Nachteil wird darin gesehen, dass – besonders vor dem Hintergrund der Rhythmisierung – die Kinder nur noch zwei Mal pro Woche in diesem Fach unterrichtet werden. Dagegen steht, dass mithilfe der erworbenen Kompetenzen im Fach „Lernen lernen“ und dem ebenfalls kompetenzorientierten Lehrplan der Fächer die Schüler täglich an binnendifferenzierten Hausaufgaben selbstständig arbeiten können. Meine eigene Erfahrung zeigt, dass die Schülerinnen mit Freude an Pflicht- und Wahlaufgaben in den fünften Klassen arbeiten und der eigenverantwortliche Umgang mit den anvertrauten Aufgaben das Selbstbewusstsein des Einzelnen stärkt. Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass die Anzahl der vorgeschriebenen Klassenarbeiten von sechs auf fünf reduziert wurde und zudem eine „Klassenarbeit“ auf einer anderen Grundlage der Leistungsbeurteilung getroffen werden muss als in der Abfrage in schriftlicher Form. Hier haben wir natürlich die Möglichkeit, die von der aktuellen Pädagogik geforderte Kommunikation des Faches 6 G R Ü N E BA S I S Mathematik zu fördern und alternative Möglichkeiten der Leistungsbeurteilung zugrunde zu legen. Auch im Fach Deutsch muss die Kompetenzorientierung zwangsläufig in den Mittelpunkt des Arbeitens gestellt werden, da der „Stoffplan“ vergangener Jahrzehnte nach der vorgegebenen Stundentafel nicht zu leisten ist. Schwächen in der Rechtschreibung oder auch der Grammatik können durch geschicktes Vernetzen mit anderen Fächern angegangen werden. Kompetenzorientierung ist der Stoffvermittlung übergeordnet. Umstrukturierung braucht Zeit Bleibt abzuwarten, wie sich der kompetenzorientierte Unterricht in den Folgejahren entwickeln wird. Dies ist im Wesentlichen abhängig von der Akzeptanz der Lehrkräfte, die durch geeignete Fortbildungen und genügend Zeit für Austausch und Vernetzung mit den Wegen und Zielen vertraut gemacht werden müssen. Und hier sehe ich ein großen Problem: Der Sparzwang des Landes lässt keinen Spielraum zu hinsichtlich des Faktors „Zeit“. Aber die Gemeinschaftsschule und ihre Lehrer brauchen Zeit, um intensiv an Fortbildungen teilzuneh-men. Sie benötigen Zeit für Absprachen, Bild: Lara Laubach Unterrichtsumstrukturierungen und natürlich für eine entsprechende Evaluation. An dieser Stelle muss die Landesregierung umlenken. Fazit für den kompetenzorientierten Lehrplan: Gesamtnote befriedigend Begründung: Die Idee ist pädagogisch absolut sinnvoll und liefert den Weg für die Zukunft. Die Problematik ist der Zeitmangel für Umstrukturierungen vor Ort. um Kind zu sein. Der Unterricht endet um 13 Uhr, es bleibt nach den Hausaufgaben Zeit für Freunde - sofern diese nicht das Gymnasium besuchen und daher leider keine Zeit zum Spielen haben. Die Kinder und Jugendlichen haben Zeit, Erfahrungen zu machen, die im späteren Leben der Orientierung in der Gesellschaft dienen. Der Weg ist das Ziel Und woher nehmen die Lehrerinnen und Lehrer der GemS die Motivation für die pädagogische Arbeit? Nun, das liegt klar auf der Hand. Die GemS kann nicht sagen: Schüler x bringt keine Leistung, dann muss er eben gehen. Die GemS muss sich mit den Foto: Lara Laubach Problemen des Schülers auseinandersetzen, denn der Schüler ist und bleibt Schüler dieser Schule. Daher gibt es ein großes Input an Gesprächen mit Eltern, Schoolworkern, Schulpsychologen und den Förderschullehrern. Man profitiert von der Mediation und der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern von sozialen Einrichtungen und weiteren Bezugspersonen und –gruppen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten und das Potential eines Kindes gefördert und gefordert. An dieser Stelle fallen die mir die Worte eines Schülers ein, der sich trotz Gymnasialempfehlung gegen den Besuch eines Gymnasiums entschieden hatte: „Ich sitze hier in einer Klasse, die alle Schichten der Gesellschaft spiegelt. Also wie im richtigen Leben. Und das ist gut so.“ Zum Halbjahreszeugnis der Gemeinschaftsschule bleibt festzuhalten: Der Weg ist das Ziel, nämlich kompetenzorientiertes Lernen mithilfe moderner Pädagogik. Wir haben die ersten Schritte gemacht und müssen den Weg weiter mit Bedacht fortsetzen. Effizient vernetzt sind in der neuen Schulform die Fächer Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde, die integrativ kombiniert als ausgewiesenes Fach GW (Gesellschaftswissenschaft) unterrichtet werden. Gleiches gilt für die Fächer Physik, Chemie und Biologie, die als integratives Fach NW (Naturwissenschaften) unterrichtet werden. Fazit für die Fächer GW und NW: Gesamtnote sehr gut Bei aller „Notenvergabe“ der Leistungen sollte die Pädagogik nicht vergessen werden. Worin unterscheidet sich die GemS von der zweiten Säule, also dem Gymnasiums? Für die Schülerinnen und Schüler des GemS liegt der Unterschied vor allem in dem zusätzlichen Jahr, das sie benötigen, um die allgemeine Hochschulreife zu erlangen. Das bedeutet, dass diese Kinder ein Mehr an Zeit haben, Nr. 1 I 2013 Foto: Lara Laubach 7 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Offener Brief an den Landesvorstand von Roland Fecht Lieber Landesvorstand, der Westen von Saarbrücken wurde in den vergangen Jahren vom saarländischen Landesverband meist vernachlässigt. Anscheinend weil es dort nichts zu holen gibt – außer viel politischer Arbeit und wenigen Wählerstimmen. So liegt Saarbrücken-West mit seinen zehn bis fünfzehn Mitgliedern abseits und vergessen von Saarbrücken-Mitte, das für viele Grüne und den Landesvorstand das Zentrum grüner Welten und Grabeånkämpfe ist. Die erstaunten Wählerinnen und Wähler und viele bündnisgrüne Mitglieder schütteln derzeit nur noch den Kopf über die Hahnenkämpfe bei den Saar-Grünen. Sie fragen sich, ob es zur Verbreitung inhaltlich grüner Politik nicht besser wäre, die Gräben zu verlassen und aufeinander zuzugehen, um miteinander zu diskutieren und argumentieren. Zumal es keine Sieger gibt oder geben wird, da letztlich die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Und denen gefällt ganz und gar nicht, was sie dort geboten bekommen. Dabei sehen sie noch lange nicht alles. Ein Beispiel aus unserem OV-West: Die Landesgeschäftsstelle gab uns drei neue Mitgliederanträge. Der Vorstand Grafik: Friedhelm Chlopek hat sich zunächst gefreut. Drei neue Mitglieder, das ist doch schön. Natürlich haben wir sie zu unserer Ortsversammlung eingeladen. Insgesamt drei Mal, leider vergebens. Keiner der drei Neuen kam. Wir können aber niemanden aufnehmen, den wir nicht kennen. Die neuen Mitglieder wurden schließlich per Beschluss des Landesvorstandes aufgenommen. Sie sind nun also im OV Saarbrücken-West eingetragen, gesehen hat sie allerdings noch keiner. Ein paar Monate später: Zwei der drei unbekannten, neuen Mitglieder von OV-West wechselten inzwischen die Fronten in das umkämpfte Revier Saarbrücken-Mitte. Dafür bekommt der Westen wieder drei neue Mitglieder, die aber auch keiner kennt. Man möchte dem Landesvorstand gerne klarmachen: So geht das nicht. Übrigens, wie war das bei den freien Wählern? Da ist ein kompletter Landesvorstand wegen der gleichen Methode seines Bundesvorsitzenden zurückgetreten. Herzliche Grüße euer Roland Fecht 8 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Das Klimamärchen Weltweite Erwärmung: Fakten gegen Mythen von Dörte Sturm Dass das Klima sich erwärmt, ist wissenschaftlich unbestreitbar. Ebenso unstrittig ist, dass die weltweite Erwärmung in Zusammenhang mit den Treibhausgasen steht. Doch je fundierter die Zusammenhänge belegt werden, desto mehr pseudowissenschaftliche Studien kursieren in den Medien, die – oftmals spektakulär inszeniert – das Herbeisehnen eines baldigen Weltuntergangs zu befriedigen scheinen. Derartige Erklärungsmodelle versuchen auf arglistige Weise unser rationales Denken zu manipulieren. 2005 sorgte ein Aufsatz des britischen Ozeanographen Harry Bryden für Aufsehen, der eine starke Abschwächung des Golfstroms postulierte. Messungen des Golfstroms im Bereich der Labradorsee und östlich der Karibik unter Federführung des Kieler IFM Geomar konnten Brydens Schlussfolgerungen jedoch nicht unterstützen. Die Geschichte vom Einfrieren der atlantischen Heizung Doch egal ob RTL oder ARD, die Medien verkünden immer wieder aufs Neue, dass dem Golfstrom durch die Klimaerwärmung im Atlantik zeitnah die Puste ausgeht. Schließlich lässt sich mit menschlichen Ängsten gut Quote machen und auch sonst viel Geld verdienen. Und eins ist klar: Wenn die Heizung ausfällt, wird es kalt. Und dann auch noch wegen der Klimaerwärmung. Da wir Mitteleuropäer mehr Angst vor dem Erfrieren als vor dem VerFoto: Friedhelm Chlopek dursten in den Genen mitbringen, unterstützt das Geophysikalische Potsdamer Institut für Klimatologie jene Studie, die den atlantischen Golfstrom, sprich unsere Heizung, einfrieren lässt. Und siehe da: Das Einfrieren der atlantischen Heizung hat soviel Aufmerksamkeit erregt, dass wissenschaftliche Preise folgten und der Leiter des Instituts zum Klimaberater von Frau Merkel aufstieg. Das Erfolgsrezept: Die Potsdamer Wissenschaftler füttern den Klimacomputer solange mit den einschlägigen Daten, bis unsere Heizung, der Golfstrom, versiegt. Es ist eben alles nur eine Frage der Dateneingabe eines Computers. Doch warum versiegt im Potsdamer Institut ausgerechnet der warme Golfstrom im Atlantik und nicht der warme Alaskastrom im Pazifik? Ganz einfach: Mit dem atlantischen Weltuntergangsszenario erreiche ich die Ängste von über 500 Millionen Europäern. Mit einer pazifischen Apokalypse nur die wenigen Küstenbewohner Kanadas, Alaskas und den Aleuten. Weltweite Erwärmung ist seit 1979 nachweisbar Der Glaube an den Weltuntergang hat bekanntlich eine lange Tradition. Er zog, bevor seine Daten unseren Potsdamer Computer infizierten, in die Angst-Gene der Menschen ein. Weltweit schürten Sekten und Religionen die Ängste: Die historischen Mayas ebenso sowie die heutigen Anhänger des Mayakalenders, die Zeugen Jehovas, Jesus Christus in seinen Prophezeiungen und jene Politiker, die ihr politiFoto: Friedhelm Chlopek sches Wirken als Religion verstanden und verstehen. Als Grüne möchte ich mich nicht in die Reihe von Jüngern dieser Weltuntergangspropheten stellen. Ebenso wenig möchte ich wie ein Computer irgendwelche Daten ungefragt und unreflektiert verdauen müssen. Selbstverständlich ist die Erwärmung seit 1979 weltweit nachweisbar. Als Hauptindizien für die derzeitige globale Erwärmung gelten die seit etwa 1860 vorliegenden weltweiten Temperaturmessungen. Verglichen mit den Schwankungen der Jahreszeiten sowie beim Wechsel von Tag und Nacht erscheinen die im Folgenden genannten Zahlen klein. Als globale Änderung des Klimas bedeuten sie jedoch sehr viel. Heute liegt der Temperaturdurchschnitt 6,5 °C über jenem, der am Ende der Würmeiszeit vorlag. Wenn man diese 6,5 °C der letzten 10.000 Jahre ins Verhältnis zu der Temperaturentwicklung der zurückliegenden 30 Jahre setzt, erkennt man eine exorbitant unnatürliche Klimaerwärmung. Denn die globale Durchschnittstemperatur ist in den letzten 30 Jahren um circa 0,17 °C pro Jahrzehnt angestiegen. Wenn wir konservativ davon ausgehen, dass die Erwärmung pro Jahrzehnt um 0,17 °C gleichbleibt, steigt die Erwärmung in einem Jahrhundert um 1,7 °C. In nur 1000 Jahren würden wir eine Klimaerwärmung von 17 °C erreichen. Aufgrund derartig eklatanter Zahlen sollte jedem die ungebremste Unnatürlichkeit der Klimaerwärmung klar werden. Bei einer derart auffälligen Größenordnung bedarf es wahrlich keiner Thesen eines versiegenden Golfstroms. Gleichwohl zeigt die Unnatürlichkeit der steigenden Temperaturen, dass wir mit unserer heutigen Energiewende hin zur Ökologie die Rettung des Klimas selbst in der Hand haben. 9 G R Ü N E BA S I S Zwei Exkurse in Sachen Klima: 1. Eine Frage zum Klimawissen: Der warme Golfstrom fließt gebündelt vor der Ostküste von Washington, D.C. Die Stadt befindet sich auf dem Breitengrad Lissabons. Vor der Küste Lissabons fließt der kalte Kanarenstrom, der selbst im Sommer die Wassertemperaturen deutlich unter 20 °C hält. Wieso erleben die Menschen in Washington, D.C. Temperaturen bis unter –15 °C im Januar, während Lissabon frostfrei überwintert? Die Westwindtrift, in der Höhe Jetstream genannt, bestimmt das Klima in diesen Breiten – außer in den Sommermonaten – weit mehr als der warme Golfstrom vor der Ostküste Amerikas und der kalte Kanarenstrom vor der Westküste Südeuropas. Der Westwind kommt in der Regel im Winter in Washington, D.C vom eiskalten nordamerikanischen Kontinent. In Lissabon kommt der vorherrschende Westwind über einen frostfreien Atlantik. 2. Weltüberblick zur Klimaerwärmung – ohne der Apokalypse zu verfallen: Kurzfristige positive Wirkung der Klimaerwärmung. Die Gefahr dabei ist, dass einige Staaten wie Russland und Kanada, aber auch die Sahelstaaten, die jetzigen Auswirkungen der Klimaerwärmung begrüßen. Nr. 1 I 2013 schenhand gemacht. Der CO2-Effekt der Kohlekraftwerke wurde von den Schwefelgasen mehr als kompensiert. Da Ozeane aufgrund der Wassermassen auf Wärmeveränderungen in Dekaden zeitverzögert reagieren, wuchsen die tropischen Korallenatolle in den letzten 30 Jahren nicht weiter. Ganz im Gegenteil, sie sterben und geben CO2 frei. Also Entwarnung? Die Meere werden wieder steigen und zwar schneller als uns lieb sein kann. Und die tropischen Korallen wachsen – nur diesmal kommen sie mit dem Tempo des Meeresanstieges nicht mit. Weltweite Meere: Wie erhöht sich der Meeresspiegel weltweit? Uneinheitlich. Das sogenannte Mean sea level O differiert um 30 Meter in den Ozeanen. Polynesien: Werden Tuvalu und die französischen Atolle der Südsee aufgrund der Erderwärmung untergehen? Nein. Die Atolle senken sich im Innern. Dies ist ein natürlicher Prozess, der durch das ausbleibende Korallenwachstum verstärkt wird, das an eine Absenkung bzw. an einen Stillstand des Meeresspiegels gekoppelt ist. Afrika: Aufgrund der Klimaerwärmung ist Afrika kein Kontinent mehr der Dürren, sondern der steigenden Niederschläge. Afrika als Gesamtkontinent hatte 2006 die beste Ernte seit Aufzeichnung. Die Sahelzone ergrünt seit Jahren. Somit besteht die Gefahr, dass afrikanische Staaten sich zukünftig einer vernünftigen weltweiten Klimapolitik verschließen. Russland und Kanada: Russland und Kanada können ihre landwirtschaftlichen Flächen ausbauen. Die Weizenanbaugrenze verschob sich seit Jahren mehr nach Norden. Die Waldbestände der nördlichen Halbkugel wachsen weit in die Tundren Sibiriens und Kanadas. Südsee: Korallensterben aufgrund der Klimaerwärmung? Nein. Der Zusammenhang sieht anders aus. Die Korallen sterben, weil sich die Klimaerwärmung in den tropischen Ozeanen noch nicht etabliert hat. Die Meeresspiegel steigen derzeit nicht an. In den letzten 10.000 Jahren stiegen sie wegen des Temperaturanstiegs von 6,5 °C an und brachten die Gletscher der Arktis, der Antarktis, des Hudson Bay, der Ostsee und Grönlands zum Schmelzen. Die britischen Inseln entstanden, die Meere stiegen und die Korallen der tropischen Atolle wuchsen mit dem Anstieg der Meereshöhen. In den 1940ern, -50ern und -60ern ereilte uns eine kleine Kältewelle. Unnatürlich, von Men- Foto: Friedhelm Chlopek Malediven: Wenn unsere Paradiese untergehen, können wir Europäer schnell sauer werden. Die Malediven, ein Fernreiseparadies der Europäer, setzt sich bei den Klimagipfeln dieser Welt gekonnt in Szene. Es spielt souverän mit auf der Tastatur des Weltuntergangs – Unterwasserversammlungen der Regierungsmitglieder inklusive. Fernab der Sachebene behauptet die maledivische Regierung, ihre Inseln würden derzeit im Ozean untergehen. Fernreisetouristen spitzen da natürlich sofort die Ohren. In der Tat, die Malediven gehen unter, und zwar im Müll, mit dem auch die tropischen Korallen vor Ort massiv geschädigt werden. 10 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Interview mit Björn del Tongo vom Verein Wiwo Ein Auto für Georges Bwelle Das Interview führte Eckhard Dewes. Grüne Basis: Hallo Björn, du gehörst zum Team vom Verein Wiwo e.V. Was macht euer Verein genau? Björn del Tongo: Hallo, Eckhard. Also, Wiwo ist ein gemeinnütziger Verein, der im Mai 2012 gegründet wurde und in meinem Freundeskreis entstand. Wiwo bedeutet „wir wollen“, denn wir wollen was bewegen. Auf die Idee zu dem Verein kamen wir, weil viele von uns und unseren Freunden auf Reisen mit Missständen auf der ganzen Welt konfrontiert wurden. Wir wollten endlich selbst aktiv werden und dabei helfen, für eine Verbesserung der medizinischer Versorgung und der Bildung weltweit zu sorgen. Deshalb gründeten wir den Verein Wiwo e.V. Wir möchten mit dem Verein ein Projekt nach dem anderen angehen. Unser erstes, aktuelles Projekt „car for georges“ ist eine Kooperation mit der Hilfsorganisation „Ascovime“ in Kamerun. Ist das Projekt beendet, suchen wir die nächste Organisation irgendwo auf dieser Welt, die wir unterstützen werden. Grüne Basis: Wie sieht das Projekt „car for georges“ aus? Björn: Mit „car for georges“ wollen wir „Ascovime“ unterstützen, eine Organisation von Georges Bwelle in Kamerun. Georges ist Arzt im Krankenhaus von Yaunde und hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seinem Land eine bessere Zukunft zu schenken. Dazu organisiert er Kampagnen im ganzen Land. Er behandelt rein ehrenamtlich kranke Menschen, denen zum einen die finanziellen Mittel für eine Behandlung fehlen und zum anderen die Mobilität, ein Krankenhaus zu erreichen. Georges investiert das gesamte Geld, das er als Klinikarzt verdient, in seine Organisation, die sich auch für Bildung engagiert. Bei der Menge an Arbeit und der Aufopferung, die Georges in seine Georges Bwelle (Quelle: wiwo-world.com) ehrenamtliche Lebensaufgabe steckt, hat man das Gefühl, sein Tag hätte mindestens 30 Stunden. Ein Auto, das er dringend benötigt, um seine Hilfe vor Ort zu erleichtern, kann er sich von seinem Verdienst nicht leisten. Hier setzt unser Projekt an. Tour Aye Ayes beobachten (auf Madadaskar lebende Fingertiere, Anm. d. Red.), als wir bei unserer Rast in einer kleinen Bambushütte Daniela und Sven kennenlernten. Die beiden Kölner berichteten uns, dass sie gerade aus Kamerun kämen, wo sie für drei Monate bei Georges Organisation Ascovime gearbeitet hätten. Sie erzählten uns von Georges Kampagnen und seiner unglaublich beeindruckenden Arbeit. Und sie erwähnten, dass Georges Arbeit noch um ein vielfaches effektiver sein könnte, hätte er ein eigenes Warten auf medizinische Behandlung (Quelle: wiwo-world.com) Auto. Dazu muss man wissen, dass Autos in Kamerun aufgrund der hohen Einfuhrgebühren viel teurer sind als beispielsweise in Deutschland. Was wir über Georges Arbeit erfuhren, hat uns auf Anhieb so berührt, dass wir spontan die Idee hatten: Georges braucht ein Auto, also bringen wir ihm eins. Grüne Basis: Wie ging es nach eurer Rückkehr von Madagaskar weiter? Björn: Nachdem wir wieder zu Hause waren, ging es sofort los mit organisatorischen Dingen: Wir haben kein Auto, das wir Georges bringen können. Was machen wir also? Nach einem Brainstorming haben wir uns entschlossen, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, über den wir Spenden sammeln. Ist genug Geld da, kaufen wir das entsprechende Fahrzeug zu und fahren damit nach Kamerun, um es vor Ort an Georges zu übergeben. Wir haben in unserem Freundeskreis von der Idee erzählt. Alle waren direkt Feuer und Flamme, jeder hat mit angepackt und nach etlichen Behördengängen war im Mai 2012 endlich unser Verein Wiwo e.V. gegründet. Grüne Basis: Wie ist denn die Idee zu dem Projekt entstanden? Björn: Die Idee, Georges Bwelle zu unterstützen, entstand auf Madagaskar. Dort war ich im September 2011 zusammen mit Celina und Simon. Wir wollten auf einer Das Team von Wiwo (Björn ganz re. i. Bild) (Quelle: Wiwo) 11 G R Ü N E BA S I S Grüne Basis: Die Organisation eines solch ambitionierten Projekts ist sicher alles andere als einfach. Wie viele Mitglieder hat euer Verein und was genau ist alles zu tun? Nr. 1 I 2013 Grüne Basis: Wie schaut eure weitere Planung für Spendenaktionen aus? Björn: Die Organisation frisst schon sehr viel Arbeit und Zeit. Aber zunächst einmal macht das Ganze einfach viel Spaß. Und wenn man sich ein Video von einer Kampagne Georges ansieht und feststellt, wie herzlich all diese Menschen vor Ort sind und wie dankbar sie für jeden kleinsten Funken Hoffnung und jede Hilfe sind, ist das Motivation genug, den ganzen Tag mit Wiwo-Angelegenheiten zu verbringen. Zudem versuchen wir, die anfallenden Arbeiten möglichst auf alle aktiven Mitglieder zu verteilen. Wir sind etwa 15 Leute, die die Hauptaufgaben bewältigen, was eigentlich sehr gut funktioniert. Insgesamt haben wir knapp 40 Mitglieder. Arbeit gibt es mehr als genug. Und Ideen haben wir mehr, als wir umsetzen können. Unsere Aufgaben für den Verein sind beispielsweise Verwaltungsangelegenheiten, die Vor- und Nachbereitung von Events, Werbung, Pressearbeit, die Pflege unserer Homepage und Facebookseite. Es wird also nie langweilig. Grüne Basis: Ihr habt ja bereits einige Events hinter euch gebracht. Björn: In der Tat. Unser erstes Spendenevent war ein Stand auf dem Nauwieser Viertelfest im letzten Sommer. Wir haben uns aus Brettern ein kleines Büdchen zusammengebastelt und selbst gebackenen Kuchen, selbst gemachten Eistee und Selbstgebasteltes verkauft. Stand mit Selbstgebasteltem (Quelle: Wiwo) Björn: Auf unserer Planungsliste für weitere Events steht Anfang Mai eine kleine Spendenparty in der Kneipe Mono in Saarbrücken und noch ein weiteres „Menu des fous“. Dann soll es einen Kaffee- und Kuchennachmittag geben und zur Sonnenwende im Juni würden wir gerne nochmal die „fete des fous“ am Silo veranstalten. Das hängt allerdings auch von der weiteren Zukunft des Osthafens ab. Abgesehen von solchen Spendenevents steht der Punkt, Kooperationen mit Firmen zu suchen, ganz oben auf unserer To-do-Liste. Wenn jemand eine Firma hat und mit dieser unser Projekt unterstützen möchte, würden wir uns sehr über Hilfe in welcher Form auch immer freuen. Grüne Basis: Welche Spendensumme braucht ihr eurer Meinung nach insgesamt, um euren Plan umzusetzen? Unser nächstes, bisher größtes Event war im Oktober letzten Jahres die „fete des fous“ am Silo im Saarbrücker Osthafen. Wir haben tagelang aufgebaut und eine Art Jahrmarkt-FlohmarktStand bei der “fete des fous” Konzert errichtet. Es (Quelle: Wiwo) gab Dosenwerfen, eine Schrotttombola, Cocktails und Musik bis in die Nacht. Wir wussten nicht, was uns erwartet und waren absolut überrascht, dass wir bei Temperaturen von drei Grad mehr als 500 Menschen für eine Outdoorveranstaltung begeistern konnten. Die “fete des fous“ hat unserem Verein 2.700 Euro eingebracht. Björn: Wir planen 20.000 Euro an Einnahmen, um unser Projekt zu verwirklichen. Aktuell sind wir bei etwa 9.000 Euro. Dabei möchte ich betonen, dass es sich bei den geplanten 20.000 Euro rein um die Summe handelt, die für das Projekt nötig ist, also Autokauf, Ersatzteile, Sprit, Schulutensilien für Anlaufstellen auf dem Hinweg oder etwa auch Baumaterialien. Die kompletten Reisekosten wie Unterkunft, Verpflegung, Visa, Rückflug werden von uns selbst getra- Quelle: Wiwo gen. Zur Weihnachtszeit hatten wir einen Stand beim alternativen Weihnachtsmarkt, der ebenfalls am Silo stattfand. Außerdem lief eine Gutscheinaktion, bei der man Patenschaften für Teiletappen nach Kamerun erwerben konnte. Diese Gutscheine gibt es übrigens weiterhin. Im März hatten wir das „Menu des fous“. Es gab ein 4-Gänge-Menü und jeder Gast konnte den Preis für das Essen zahlen, der ihm das Menü und der Abend wert waren. Wir waren mit 20 Plätzen ausgebucht und machten 600 Euro Gewinn. Grüne Basis: Ihr würdet gerne die Erlebnisse auf eurer langen Reise und insbesondere die Zusammenkunft mit George dokumentieren. Wie stellt ihr euch das vor? Björn: Wir haben uns im Vorfeld überlegt, wie wir das Auto am besten zu Georges bringen. Fahren oder verschiffen? Wie haben uns für die Variante fahren entschieden, weil wir so einerseits aufgrund eines vermutlich höheren Medieninteresses besser auf Georges, seine Organisation 12 G R Ü N E BA S I S und auf die Missstände vor Ort aufmerksam machen können und andererseits bessere Chancen haben, Sponsoren zu finden. Kurzum, so können wir auf jeden Fall eine viel größere Summe für „Ascovime“ sammeln. Dokumentiert wird die Geschichte über einen Blog mit täglich aktuellen Einträgen. Wir erhoffen uns Berichte in den Printmedien oder auch im Radio. Unser Wunschtraum wäre es natürlich, wenn das Ganze in einem Fernsehbericht dargestellt würde. Mediale Begleitung ist wie gesagt das Nonplusultra, um auf die Arbeit von „Ascovime“ aufmerksam zu machen und somit zu helfen. Diese Aufmerksamkeit wäre gerade auch für die Länder wichtig, in denen wir auf unserem Weg nach Kamerun verschiedene Zwischenstopps einlegen werden, um Schulutensilien und Kleider zu verteilen. Grüne Basis: Wie schätzt du die Bedeutung der Mundpropaganda bei eurem Projekt? Björn: Jeder, der von uns erzählt, hilft uns weiter. Wir und die Menschen in Kamerun sind allen, die uns in irgendeiner Weise unterstützen, sehr dankbar. Und jeder, der gerne mitmachen möchte, ist hiermit herzlich eingeladen, mit uns in Kontakt zu treten. Grüne Basis: Eure gewaltige Reise bis zur Übergabe führt euch nach den westeuropäischen Staaten wie der Iberischen Halbinsel auch durch manche politisch instabile westafrikanische Gebiete. Habt ihr keine Sorgen, dass irgendetwas passieren könnte? Björn: Afrika ist politisch sehr spannend. Man weiß nie, was am nächsten Tag so passiert. Von daher ist es von großer Bedeutung, immer up to date zu sein und von Tag zu Tag zu arbeiten. Länder in Afrika haben oft gene- Nr. 1 I 2013 rell den Ruf, gefährlich zu sein. Diese Vorurteile finde ich ungerecht, denn zumeist handelt sich lediglich um Teilregionen, die heikel sind. Im restlichen Teil der Länder sind die Menschen einfach nur unglaublich herzlich und freuen sich über Besuch. Wichtig bei der Überfahrt ist es, immer mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu bleiben. Sie geben einem wertvolle Tipps wie „Fahr heute besser diesen Weg, da seid ihr sicher“. Natürlich werden wir beim Transport keine Risiken eingehen. Politisch undurchschaubare Regionen meiden wir komplett, Regionen mit möglicherweise leichtem Risiko fahren wir im Konvoi. So sind wir auf der sicheren Seite und können Georges sein langersehntes Auto bringen. Informationen zur Strecke: Die Gesamtstrecke umfasst ca. 10.000 km. Startpunkt ist Saarbrücken. Von hier aus führt die Fahrt durch Frankreich und Spanien, wo mit der Fähre nach Marokko übergesetzt wird. Danach wird die Sahara bis nach Mauretanien durchquert. Dann geht es durch Mali nach Burkina Faso. Weiter nach Togo, Nigeria und schließlich zum Zielland Kamerun. Die Etappen nach Kamerun (Quelle: Wiwo) 1. Etappe: Saarbrücken - Lyon – Barcelona 2. Etappe: Barcelona - Gibraltar - Tanger (Marokko) 3. Etappe: Tanger - Rabat – Marrakech 4. Etappe: Marrakech - Nouakchott (Mauretanien) 5. Etappe: Noakchott - Bamako (Mali) 6. Etappe: Bamako - Ouagadougou (Burkina Faso) 7. Etappe: Ouagadougou - Benin City (Nigeria)- Yaunde (Kamerun) Spenden könnt ihr unter dem Spendenkonto: Sparkasse Neunkirchen, Kto.Nr. 0100058510, BLZ 59252046 Weitere Informationen unter www.wiwo-world.com Kontakt: [email protected] Quelle: Wiwo 13 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 IST DOCH NUR EIN SCHEÄRZ :-) ich bewege mich sehr umweltbewusst, Fahrrad, E-Mobil und Bahn. Gerade bin ich unterwegs mit Schneewittchen, so habe ich mein E-Mobil getauft. A 620 Saarlouis in Richtung saarländische Hauptstadt. Die Bahn hat mal wieder Schwierigkeiten: Die Technik, die Wetterlage, das Saarland. In knapp zwei Stunden soll in Saarbrücken die Mitgliederversammlung der Grünen von OV-Mitte stattfinden. Schön früh da sein, denke ich, in der Hoffnung, noch ein paar O-Töne einzufangen für meinen Blog. Das wird sicher ein gelungener Abend. Ich mit Gleichgesinnten, ein kühle Apfelschorle... Plötzlich werde ich durch lautes Hupen aus meinen Gedanken gerissen. Ich hatte doch gerade erst den LKW überholt, und niemand war hinter mir zu sehen. Und überhaupt, ich wollte doch so eben wieder auf die rechte Fahrbahn rüber. Bentley Continental. Einer von den nicht wirklich richtig Alten. Aber zu alt, um neu zu sein. Schnelles nachrechnen und ich komme auf intergalaktische CO2-Werte. Aggressives Aufblenden und dann der typische wütend-archaische Gruß der deutschen Autofahrer. Und wie ein Blitz im Höllentempo auf und davon. Na, das fängt ja wirklich gut an, denke ich. Und frage mich, wieso das Saarland und die Deutsche Bahn einfach nicht zueinander finden wollen. Es folgt der obligatorische Aufruf eines Autohändlers im Radio, der seinen hervorragenden Service und die Staumeldungen präsentiert. 10 Minuten später: Sehr viel Stop, ganz wenig Go. Also viel Zeit zum Nachdenken. Da schwirrt die gerade gesendete Nachricht, dass der Bundesrat endlich einen Mindestlohn von 8,50 Euro durchsetzen will, im Kopf pausenlos hin und her. In Gedanken mache ich mir Notizen: Kernthema Mindestlohn, 2013, Armutsgrenze in Deutschland. Liegt die nicht für eine Alleinstehende bzw. einen Alleinstehenden bei rund 1100 Euro netto? Bei 8,50 Euro kommen als Nettolohn weniger als 1000 Euro im Monat raus. Moment, da stimmt was nicht. Unsere Politiker kämpfen für einen Mindestlohn unterhalb der Armutsgrenze? In Gedanken mache ich einen dicken Knoten in meinen Finger. Nicht vergessen, nächster Blogeintrag zum Thema Mindestlohn. Und Stop und Go. Endlich bin ich in Saarbrücken, erreiche meinen genauen Zielort. Die beeindruckende Anzahl parkender Autos lässt vermuten, im Lokal muss die Hölle los sein. Und dann – ein Déjà-Vu? Ich traue meinen Augen nicht. Da steht doch dieses englische CO2-Maximierungsautomobil und als Beifahrer steigt gerade in diesem Moment aus: ER. Per Boss. Jetzt aus der Nähe und ohne den Lichtgeschwindigkeits-Verzerrungseffekt ist mir auch der Fahrer kein Unbekannter. Alles vertraute Kollegen, denke ich und parke Schneewittchen auf dem letzten freien Parkplatz. Grafik: Friedhelm Chlopek Liebe Leserinnen und Leser, Eingangskontrolle. Findet hier etwa wieder eine Neumitglieder-Community-Party von Per Boss statt? Daphne Dafür sitzt auch schon da, erwartungsvoll im Raum umherschauend. Nanu, ist sie nicht Mitglied in Halberg? Was macht sie denn hier? Fragen über Fragen. Ich stelle fest, eine Neumitglieder-Community-Party ist es keine, es werden lediglich die Wahlunterlagen abgeholt. Ausweis zeigen, Wahlunterlagen empfangen, Häkchen auf dem Papier. Alles wird ganz korrekt durchgeführt. Ich bestelle meine Apfelschorle, dann schlendere ich ins überfüllte Lokal. Dort wird gerade unter Top 3 beschlossen, dass die Mitgliederversammlung nun alle neuen Mitglieder formal mit absoluter Mehrheit aufgenommen hat. Ich, staune, drehe mich um, schau wieder nach vorne, bin verwirrt. Die eine Hälfte der Mitglieder steht noch draußen, die andere Hälfte sitzt im Raum, die Vorsitzende geht über zu Top 4. Wo und wer sind denn jetzt die neu aufgenommenen Mitglieder? Mein Blick schweift nach links. Imposante Typen, Kunstwerke sozusagen. Jedenfalls ihre Unterarme. Große, breitschultrige Kerle, Stiernacken, blaue Augen, bei einigen leicht eingetrübt vom Bier. Okay, denke ich, keiner von ihnen braucht einen Friseur, die Glattrasur schafft ja jeder Mann selbst... Ich reibe mir die Augen. Das glaub ich jetzt nicht: Tragen die weiße T-Shirts mit dem eisernen Kreuz auf der Brust? Ähm, bin ich hier überhaupt richtig? Die Schlange draußen wird größer, die Mehrheiten drinnen auch, wir sind bei Top 6 der Tagesordnung. Per Boss ist sichtlich gut gelaunt. Er lächelt, grinst, grinst immer breiter. Und dann urplötzlich: Ein bekannter Handyklingelton, sehr penetrant, keiner geht dran. Ich schrecke auf. Langsam kehrt die Realität zurück. Ein Blick auf die Wanduhr: Drei Uhr nachmittags. Bin ich doch tatsächlich auf dem Sofa eingenickt. Noch vier Stunden bis zur Mitgliederversammlung in Mitte. Gott sei Dank, es war nur ein Traum, oder? Das nächste Mal bitte früher wecken! Eure I. Kuh 14 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Strompreis paradox Aktueller Strompreis spiegelt Politikversagen wider von Christian Bersin Für den Durchschnittshaushalt in Deutschland kostet der Strom inzwischen 27 Cent je Kilowattstunde (kWh). Gleichzeitig ist der Börsenstrompreis mit 4 Cent je kWh so günstig wie seit acht Jahren nicht mehr. Wie geht das zusammen? Im Folgenden will ich die wichtigsten Gründe für dieses Paradoxon erläutern. Einer der Gründe liegt im geringen Wechselwillen der deutschen Stromverbraucher. Weil diese zu selten den Stromversorger wechseln, kommt der Markt nicht richtig in Gang. Mit bis zu 2 Cent je Kilowattstunde schlägt sich das in den genannten 27 Cent nieder. Foto: Lara Laubach Die sogenannte EEG-Umlage, die in 2013 auf 5,27 Cent (nach 3,59 Cent in 2012) erhöht wurde, besteht wiederum nur zum geringeren Teil aus den tatsächlichen Förderkosten der Erneuerbaren Energien. Denn die reinen Förderkosten belaufen sich auf nur 2,29 Cent. Weitere 0,85 Cent resultieren daraus, dass der Börsenstrompreis gesunken ist und die Umlage, die aus der Differenz der Einspeisevergütung und dem Börsenstrompreis berechnet wird, steigt. Folgendes Rechenexempel soll das verdeutlichen: Wenn beispielsweise in 2012 die durchschnittliche Vergütung aller Windkraftanlagen je kWh 8,5 Cent betragen hätte und 8,3 Cent in 2013, wird der in 2013 erzeugte Windstrom bei gleicher Menge zwar billiger. Da aber gleichzeitig der Strompreis an der Börse – und damit der Verkaufspreis des Windstroms – um 0,8 Cent gesunken ist, steigt der Förderbedarf um 0,6 Cent je kWh Windstrom. 0,67 Cent (von 5,27 Cent) zahlen wir, da die im vorigen Jahr tatsächlich eingespeiste erneuerbare Strommenge höher war als die in die EEG-Umlage 2012 eingerechnete Menge. Dieser Posten wird deshalb „Nachholung aus 2012“ genannt. Insgesamt 0,23 Cent je kWh dienen als Sicherheitspolster (Liquiditätsreserve) und sollen Anreize für die Vermarktung des Ökostroms schaffen (Marktprämie). 1,22 Cent zahlen wir über die EEG-Umlage als „Industrieprivileg“ an Stelle der großen Stromverbraucher. Diese werden von der Bundesregierung großzügig von der EEGUmlage befreit und profitieren dann doppelt, denn der direkt von ihnen an der Börse eingekaufte Strom hat sich ja beträchtlich verbilligt, weil die erneuerbaren Energien dort für ein Überangebot sorgen. Außer bei der EEG-Umlage profitieren die Großverbraucher auch von einem weiteren neuen Subventionstatbestand, den das FDP-Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen hat: Sie werden von den Netzkosten entlastet. Auch das müssen die Kleinverbraucher per Umlage mitschultern. Und da man den für die Offshore-Windparks in der Nordsee zuständigen Übertragungsnetzbetreiber Tennet nicht verstaatlichen wollte, dieser aber mangels eigenem Kapital seine Verpflichtungen gegenüber den Windparkbetreibern auf Netzanschluss nicht einhalten kann, hat die Bundesregierung jetzt uns alle mit in die Haftung genommen. Denn ab einer gewissen Schadenshöhe für den nicht rechtzeitig hergestellten Netzanschluss zahlen wir den Schaden über eine weitere Umlage, die „OffshoreHaftungsumlage“. Alles in allem spiegelt der aktuelle Strompreis das Politikversagen der Bundesregierung wider, die unter dem Deckmantel der Energiewende neue Subventionstatbestände für die Industrie geschaffen hat. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) fordert deshalb eine grundlegend neue Berechnung der EEG-Umlage und greift auf einen Vorschlag des Saarbrücker Instituts für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) zurück. Dieser Vorschlag sollte fortan die Grundlage für die politische Diskussion liefern. Denn so müssten Peter Altmaier und Philipp Rösler nicht mehr permanent neue Ideenansätze zur Energiewende liefern, die allesamt das Kind mit dem Bade ausschütten. Quelle: pixabay.com 15 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Rekordjahr für Solaranlagen Erneute Reform des EEG lassen Branche um Projekte fürchten von Christian Bersin In Deutschland wurden laut Solaranlagenregister der Bundesnetzagentur im Jahr 2012 fast 184.300 Solarkraftwerke zusätzlich zu den bereits bestehenden in Betrieb genommen. Die neuinstallierte Leistung all dieser Kraftwerke summiert sich auf 7.600 MegaQuelle: pixabay.com watt (MW). Sie können also in einem normalen Solarjahr fast 1,5 Prozent des deutschen Stroms liefern. Die Gesamtleistung aller Photovoltaikanlagen zum 31.12.12 betrug 32.389 MW Leistung, die aufs Jahr betrachtet zusammen etwa sechs Prozent des deutschen Stroms liefern können. Auch im Saarland brachte die Solarenergie in 2012 einen neuen Zubaurekord mit 2800 neuen Anlagen, die eine Leistung von 91,2 åMW erbringen. Im Jahr 2011 waren es nur 60,8 MW. Alle PV-Kraftwerke im Saarland haben inzwischen eine Anschlussleistung von ca. 315 MW. Dies übertrifft inzwischen die Anschlussleistung von Block 2 des Steinkohlekraftwerks in Ensdorf, der 310 MW hat und inzwischen von Saarstahl und VSE betrieben wird. Etwa vier Prozent des saarländischen Stroms kann inzwischen mit der Kraft der Sonne erzeugt werden. Kraftwerk Ensdorf (Quelle: RWE Online-Mediathek) Ursache für die neuen Rekorde in 2012 sind die Eingriffe der Politik. Die neuen Änderungen im ErneuerbarenEnergien-Gesetz haben ein so genanntes Stichtagsfieber ausgelöst, da insbesondere für Großanlagen zum 30.6. und zum 30.9. Fristen abliefen, die für die Existenz vieler Projekte entscheidend waren. Zum Jahresende hat sich der Zubau dementsprechend deutlich verlangsamt. Windausbau beschleunigt Die durch die Katastrophe von Fukushima und den anschließend beschlossenen Atomausstieg angekurbelte Energiewende zeigt sich auch beim Windkraftausbau. Nach den von der Deutschen WindGuard, einem Dienstleistungs- und Consulting-Unternehmen der Windenergiebranche, vorgelegten Zahlen wurden insgesamt 1.008 Windkraftanlagen mit einer summierten Leistung von 2.440 MW neu errichtet. Im Vorjahr waren es nur rund 2.000 MW. Davon wurden nur 16 Anlagen mit insgesamt 80 MW offshore, das heißt vor der Küste in der Nordsee errichtet. Immerhin ein Sechstel der neu installierten Leistung, das sind 431 MW bei 161 Anlagen, wurden durch Repowering, also dem Ersatz alter Anlagen durch neue leistungsstärkere Anlagen, beigetragen. Dafür wurden 252 Anlagen mit 178 MW abgebaut. Insgesamt waren am 31.12.2012 in Deutschland rund 23.000 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 31.332 MW am Netz. Davon waren 68 Anlagen mit 280 MW offshore in der Nord- und Ostsee errichtet. Der stärkste Zubau erfolgte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber unser Nachbarland Rheinland-Pfalz belegte mit 100 Anlagen und einer Leistung von 287 MW Platz 4 im Bundesländerranking. In diesem Ranking liegt das Saarland im letzten Jahr auf Platz 11 und damit noch vor den deutlich größeren Ländern Sachsen und Baden-Württemberg. Dazu beigetragen haben 15 neue Anlagen mit 31,6 MW Leistung. Insgesamt waren damit am Jahresende 2012 im Saarland 105 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 158,2 MW am Netz. Auch für das laufende Jahr 2013 zeichnet sich in Bund und Land ein starker Boom von Windprojekten ab. Ursache hierfür ist eine Verunsicherung der Branche, die durch die Politik der Bundesregierung ausgelöst wird. Die permanenten Generalangriffe des FDPWirtschaftsministers auf das Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) und die Debatte von Umweltminister Quelle: pixabay.com Altmaier über eine erneute Reform des EEG lassen die Branche um ihre Projekte fürchten. Diese Projektvorhaben haben jedoch üblicherweise einen jahrelangen Vorlauf und verursachen im Vorfeld erhebliche Kosten. Deshalb geben alle Gas, um noch möglichst viele Projekte zu verwirklichen, bevor deren Umsetzung durch eine Verschlechterung der Rechtslage gefährdet wird. 16 G R Ü N E BA S I S Nr. 1 I 2013 Ein Tag im Dreiländereck Saarland – Luxemburg - Frankreich Von Eckhard Dewes Sonnenaufgang an der Saarschleife – so sollte ein Tag im Dreiländereck beginnen. Zu dieser Tageszeit ist der Blick vom Aussichtspunkt Cloef in Orscholz auf die 180-GradWende des Flusses besonders beeindruckend. Die steigende Sonne sorgt für stetig neue Eindrücke und bestärkt die Faszination dieser berühmtesten Stelle des Saarlandes. Auf der anderen Seite der Mosel, in Luxemburg, liegt mit Schengen ein Ziel von historischer Bedeutung. Hier wurde 1985 das Schengener Übereinkommen unterzeichnet. Nicht verpassen sollte man den Besuch des Barock- und Kräutergartens im Eingangsbereich des Klosters in Schengen. In den Moselweinbergen der Gegend kann man sehr gut wandern. Es bieten sich immer wieder schöne Ausblicke, Einkehrmöglichkeiten und wunderbare Picknickplätze. Von Orscholz sind es nur wenige Kilometer bis zum nächsten Ziel der Dreiländereck-Reise, der Villa Borg. Nach mehr als 25 Jahren Ausgrabungen und Rekonstruktionen hat man hier mit Hingabe zum Detail eine der größten römischen Villenanlagen im Saar-Mosel-Raum als Archäologiepark eröffnet. Neben der Besichtigung der Anlage können die Besucher auch den römischen Alltag nacherleben, indem sie wie in der Antike backen, baden oder speisen. Außerdem werden an bestimmten Tagen im Jahr Veranstaltungen wie Gladiatorenkämpfe angeboten. Einige Kilometer weiter, auf einer Schotterterrasse des nahen Moseltals, liegt die römische Villa Nennig, deren gigantische Ausmaße sich heute nur noch erahnen lassen. Berühmt ist die Villa vor allem wegen ihres beeindruckenden Mosaiks aus dem 2./ 3. Jahrhundert n. Chr. Es zählt zu den größten und schönsten Zeugnissen römischer Mosaikkunst nördlich der Alpen. Ein Schutzbau aus dem 19. Jahrhundert macht es Besuchern zugänglich. Frankreichs ist die letzte Etappe des Dreiländereck-Tages. Entlang der deutsch-französischen Grenze auf den Höhen des Saargaues liegt die Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“. 26 Werke von Bildhauern aus 13 Ländern fügen sich harmonisch in die sanft schwingende Landschaft mit ihren aussichtsreichen Höhen. Zwischen 1986 und 1992 hat ein internationales Bildhauersymposium diesen besonderen Grenzweg auf dem Saargauplateau um Launstroff entstehen lassen. Das letzte Ziel des Tages ist Sierck les Bains, ein kleiner Ort an einer idyllischen Schleife der Mosel. Hoch über der eigentlichen Ortschaft liegt eine eindrucksvolle Burgruine. Der bei gutem Wetter geöffnete Biergarten ist ideal, um den Tag ausklingen zu lassen. Wenn die Nachmittags- und Abendsonne über der Mosel steht, scheint sie einem hier direkt ins Gesicht. Zur Tourenplanung: Die Wege im Dreiländereck sind recht kurz. Die einzelnen Sehenswürdigkeiten sind kaum mehr als wenige Autominuten voneinander getrennt. Alle Fotos: Eckhard Dewes 17 G R Ü N E BA S I S IMPRESSUM Sitz der Redaktion: Friedhelm Chlopek Eisenbahnstr. 18 66117 Saarbrücken E-Mail: [email protected] Chefredakteur und redaktionelle Leitung: Friedhelm Chlopek Bildredaktion: Friedhelm Chlopek Redakteure dieser Ausgabe: Christian Bersin, Friedhelm Chlopek, Eckhard Dewes, Roland Fecht, Tim Feyerabend, Dr. Gerold Fischer, Martina Fischer, Gabriele Jung, Susanne Jung, I.Kuh, Dörte Sturm Layout: Lara Laubach Schlussredaktion: Lara Laubach Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Friedhelm Chlopek Eisenbahnstr. 18 66117 Saarbrücken Nr. 1 I 2013
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