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Objekt+Produkt
Kinderkrippe in Bad Aibling
Fotos:
Niculin Pitsch, Petzenhammer A
­ rchitekten
Der berühmte Kinderbuchklassiker von
Eric Carle »Die kleine Raupe Nimmersatt«
stand Pate für die Entwurfsidee der Kinderkrippe »Sternenbrücke« in Bad Aibling.
Geplant und realisiert wurde das Gebäude
in Massivholzbauweise vom Architekturbüro Claudia Petzenhammer, Bad Aibling.
Auf einem rund 70 ha großen Gelände in
der Nähe von Bad Aibling entsteht ein ganz
besonderes Projekt: eine autonome »Nullenergiestadt«, die Wohnen, Arbeiten und
Leben miteinander verbinden soll. »City of
Wood« nennt sich das parkähnliche Areal
mit Bestandsgebäuden der Nationalsozialisten und der US-Streitkräfte sowie einigen
Neubauten. Dem Masterplan des Eigen­
tümers B&O folgend, wurden bereits ehe­
malige Wohngebäude, Sporthallen, eine
Kirche, ein Kino, ein Hotel, eine Bowlingbahn, ein Kindergarten, ein Schul- und Klinikkomplex, Werkstätten, Lagerhallen und
Bürogebäude zum Teil einer neuen Nutzung
zugeführt. Darüber hinaus entstanden neue
Holzbauten mit Modellcharakter, darunter
Deut­schlands höchstes Wohnhaus mit acht
Stockwerken. Insgesamt summiert sich die
Wohn- und Nutzfläche auf rund 72 000 m²,
verteilt auf 52 Gebäudeanlagen. Das jüngste Projekt auf dem Gelände ist eine inklusive Kinderkrippe, die Platz für 12 Kinder
im Alter von ein bis drei Jahren bietet.
Das raupenähnliche Gebäude begrenzt als
Riegel einen großen Innenhof, der sowohl
von den Krippenkindern als auch von den
Schülern der angrenzenden heilpädago­
gischen Raphael-Schule genutzt werden
kann. Mit einer Grundfläche von rund
308 m2 und einer Höhe von 4,80 m wirkt
das Gebäude kompakt. Die Außenform ist
gewölbt und in Massivholz ausgeführt. Die
Tragkonstruktion besteht aus gebogenen
Leimbindern. Darüber wurden horizontal
verlaufende Profilholzbretter (PHE) gefächert, welche die Rundung nachbilden und
das komplette Gebäude überziehen. Die
dadurch entstandenen kleinen »Luftkam-
mern« sind konstruktiv bedingt und dienen
darüber hinaus als Wärme- bzw. Kältepuffer. Die PHE-Massivholzelemente werden
aus aneinandergereihten 24 mm starken
Profilholzbrettern hergestellt und mit Alu­
minium-Rillenstiften verbunden. Um die be­
sondere Außenform realisieren zu können,
wurde das Deckenelement, das für die gesamte Außenschale verwendet wurde, innenseitig durch die Aluminenstifte verbunden und auf der Außenseite um den Radius
des Gebäudes aufgefächert. Gedämmt
wurde die Kinderkrippe mit einer doppel­
lagigen Holzfaserdämmung. Das regendichte Unterdach bildet eine zweilagige
Bitumenschweißbahn, die auf dem Tonnendach verlegt wurde. Darauf liegt die Unter­
konstruktion der sichtbaren Schalung, die
aus 3fach verleimten Leisten in gebogener
Form vorgefertigt und nochmals mit einer
dritten Bitumenbahn abgedichtet wurde.
Im Innern kann das Gebäude durch die unabhängige Konstruktion beliebig aufgeteilt
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werden – dabei waren die Vorgaben für
staatlich geförderte Kinderkrippen maßgeblich. Die sichtbare Vollholzbauweise schafft
ein angenehmes Raumklima, die Profilierung der Bretter wirkt sich positiv auf die
Akustik aus. Nach Westen öffnet sich der
Gruppen- und der Mehrzweckraum mit einer
großzügigen Fensterfront, sodass auch
kleine oder am Boden spielende Kinder jederzeit in den Garten schauen können und
viel Tageslicht die Räume durchflutet. Eine
breite Terrasse vergrößert die Spielfläche
und verbindet das Gebäude mit dem Garten. Die Überdachung bietet Schutz bei
Sonne und Regen. Der Schlaf- und der
Nassraum sind geschlossener konzipiert
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Schnitt Maßstab 1:50
und bieten den Kindern Schutz und Ruhe.
Ein besonders schönes Konstruktionsdetail
im Gruppenraum ist ein großes, Blau umrandetes »Winkefenster« mit Blick zur Straße,
zum Sitzen und Reinklettern. Von hier aus
können sie den Eltern nochmals winken
oder sich zum Beobachten der Außenwelt
zurückziehen. Von allen Räumen gelangt
man in den Garten, sodass im Brandfall direkt ins Freie geflüchtet werden kann. Beheizt wird das Gebäude über Fernwärme.
Die Warmwasseraufbereitung erfolgt aufgrund der ­geringen Nachfrage über Durchlauferhitzer. Durch die Vorfertigung konnte
das Gebäude in der kurzen Bauzeit von
sechs Monaten realisiert werden. HW
1Alu-Dachabdeckung
Abdichtung
Rau-Schalung Nut & Feder 24 mm
2Alu-Einhängeblech
Insektenschutzgitter
3 Stülpschalung 28 mm
Hinterlüftungsebene 40 mm
Konterlattung 40/60 mm
Abdichtung
Rauschalung Nut & Feder 24 mm
Hinterlüftungsebene 40 mm
Konterlattung 40/60 mm
Diffusionsoffene Unterspannbahn
Mineralfaserdämmstoff 120 mm
Dampfdruckausgleich
Brettstapelelement 120 mm
Aufdopplungsbinder 80/200 mm
Bogenbinder 400/200 mm
4Abdichtung
Rauschalung Nut & Feder 24 mm
Sparren 80/80 mm
PHE-Brettstapelholz 120 mm
5 Wechsel 120/360 mm
6 Parkett 10 mm
Estrich 65 mm
PE-Folie
Dampfbremse
Trittschalldämmung 25 mm
Wärmedämmung 110 mm
Abdichtung 5 mm
Bodenplatte 250 mm
Sauberkeitsschicht 50 mm
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Projektbeteiligte:
Bauherr: Förderverein Freie Heilpädago­
gische Waldorfschule Rosenheim und
Um­gebung e.V., Bad Aibling
Architektin: Claudia Petzenhammer,
Bad Aibling
Projektleitung: Marc Primas, Neubeuern
Tragwerksplanung:
Ingenieurbüro Wagner GmbH, Gangkofen
Energieberatung: Ingenieurbüro
Timo Skora, Prutting
Brandschutz: Peter Häusler, Rosenheim
Elektro: Elektro Weber GmbH, FeldkirchenWesterham
ENEV: Ingenieur- und Sachverständigenbüro
Skora, Prutting
H/L/S: Steffen Böttcher, Bad Aibling
Statik: IB Wagner GmbH, Gangkofen
Ausführende Holzbaufirma: Franz Wörndl
Zimmerei e.K., Eggstätt
Produkte und Hersteller
Fenster-/Fassadenelemente: Dandl KG,
Fridolfing, www.schreinerei-dandl.de
Innentüren: Grauthoff, Güsten,
www.grauthoff.com
Fliesen: »Bera & Beren«, Living Ceramics,
E–Vila-real, www.livingceramics.com
Parkett Eiche: Parador, Coesfeld,
www.parador.de
Küche/Schreinerarbeiten:
Wilhelm Bruckbauer GmbH, Rosenheim,
E-Mail: [email protected]
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Sanitärausstattung: »O.Novo«, Villeroy &
Boch, Mettlach, www.villeroy-boch.de;
»O.Novo«, Keramag, Ratingen,
www.keramag.de; »Varicor«-Waschtisch
Josef Eibl GmbH, Aham,
www.eibl-gmbh.de
Armaturen: »Vigour«, Hansgrohe,
Schiltach, www.hansgrohe.de
Leuchten: »Bado«, Molto Luce, A–Wels,
www.moltoluce.com;
Nud, www.nudcollection.com
»Unfold«, Muuto, DK-Kopenhagen,
www.muuto.com
»Akari«, Vitra, CH–Birsfelden, www.vitra.com
»Fil de Fer«, Catellani Smith, I–Villa di Serio
www.catellanismith.com
Haken und Griffe: Hewi, Bad Arolsen,
www.hewi.de
Grundriss Maßstab 1:250
1Schlafraum
2 Gruppenraum
3 Winkefenster
4Wickelraum
5Sanitär-/Nassraum
6 Flur mit Garderobe
7Mehrzweckraum
8Eingangsbereich
9Abstellraum
10Personal-WC
11Büro
12Terrasse
1 Die überdachte Terrasse bietet Schutz vor Sonne
und Regen.
2 Der beste Platz: Das »Winkefenster« lädt zum
­Sitzen, Schauen und sich verabschieden ein.
3 Die großzügige Bogenkonstruktion schafft Weite ­
und Geborgenheit zugleich.
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