Casa | 3 handelszeitung | Nr. 22/2016 «Kaufe weniger, dafür besser» Swissness pur Die Internet-Plattform Bestswiss.ch setzt auf Einheimisches und ist gerade für kleine Manufakturen in Zeiten des boomenden Online-Shoppens ein wichtiger Absatzkanal. Der Tisch «Wogg Caro» hat es in sich: Platz zum Arbeiten und Verstauen in Form nur einer Platte. Verstehen hiesige Möbelhersteller ihr Handwerk? Thomas Heinrich: Wer als Schweizer Möbelhersteller Erfolg haben will, muss sein Handwerk verstehen. Er muss aber auch in der Lage sein, eigene Akzente zu setzen und eine unverkennbare Linie zu pflegen. Die internationale Konkurrenz ist gross, doch die Schweizer Anbieter behaupten sich und verdienen es, gerade auch im Inland noch mehr berücksichtigt zu werden. Was macht Produkte aus Schweizer Manufakturen zu echten «Schweizern»? Anita Di Domenico: Ein «echter Schweizer» ist einerseits in der Schweiz entwickelt und gestaltet, aber im Wesentlichen hier gefertigt. Qualität, Material und Funktion entsprechen dem Schweizer Designverständnis, wie beispielsweise beim Sparschäler Rex, beim Möbelsystem von USM Haller oder beim Classic Stuhl von Horgenglarus. Mittlerweile gibt es eine gültige Gesetzgebung zum Thema Swissness. Bringt es diese in Ihren Augen? Heinrich: Der Swissness-Hype war uns ein Dorn im Auge. Während dieser Zeit prangte auf allen möglichen Fernostprodukten ein Schweizerkreuz. Doch aus diesem Stein des Anstosses entstand unsere Idee, sorgsam ausgewählte Produkte aus der Schweiz zu präsentieren. 2010 haben wir mit deren Umsetzung begonnen. Dem angesprochenen Missbrauch wird nun mit der Swissness-Gesetzgebung ein Riegel vorgeschoben. Sie hat aber gerade im Nahrungsmittelbereich bei Schweizer Herstellern viel Kritik hervorgebracht. Zu viel Agrarschutz und Bürokratie und zu wenig Berücksichtigung des Transformationsprozesses werden moniert. Neben den gesetzlichen Bestimmungen ist uns die transparente Deklaration wichtig. Der Käufer hat ein Recht zu wissen, woher die Produkte stammen. Denn auch bei uns können Sie Schweizer Marken entdecken, die hier entwickelt, aber im Ausland hergestellt werden. Mit Ihrer Plattform Bestswiss.ch sind Sie quasi Swissness-Botschafter. Warum dieser Einsatz für heimische Marken? Di Domenico: Die in der Schweiz hergestellten Produkte sind im Ausland oft sehr beliebt. Die Kunden schätzen ihre Langlebigkeit und hohe Qualität. Bestswiss will diese Werte sowie gutes Design und nachhaltige, Ressourcen schonende Produkte för- Anita Di Domenico Als gelernte Köchin hat sie guten Geschmack. Mit der Kamera machte sie sich gerne auf die Suche nach dem Schönen. dern und den Erzeugnissen bei den Schweizer Konsumenten zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Verbraucher sollen so wieder dazu animiert werden, im eigenen Land einzukaufen. Sie haben klare Rahmenbedingungen für eine Aufnahme in Ihr Portfolio. Wie strikt werden diese bei der Auswahl neuer Partner hinzugezogen? Heinrich: Wir suchen gute, ehrliche Produkte und Marken, die sich im Markt bereits bewährt haben oder das Potenzial dazu haben. Wir leisten uns den Luxus, auch mal Nein zu sagen, wenn Produkt und Machart nicht überzeugen. Wir diskutieren Pro- «Kleine Manufakturen sind wenig bekannt und bieten Überraschungspotenzial.» dukte und Vorschläge im Team. Marken- und Produktwahl sind keine exakte Wissenschaft, sondern teilweise auch eine Bauch- und Ermessensfrage. Auf unserer Liste stehen noch einige Marken, die wir gerne bei Bestswiss begrüssen würden. Sie bieten unter anderem Designklassiker an. Hat die Schweiz wirklich derartige Möbelstücke? Di Domenico: Aber sicher! In Sachen moderne Möbel-Klassiker hat die Schweiz viel zu bieten. Typische Schweizer Klassiker sind das Aluminiumregal von Lehni, der Dietiker-SAFFA-Stuhl von Hans E ichenberger, der Eternit-Loop-Sessel von Willy Guhl, der Landi-Stuhl von Hans Coray, das Thomas Heinrich Ökonom und diplomierter Marketingleiter. Er arbeitete lange für eine Schweizer KMU-Gruppe im Print- und Grafikdesign. USM Möbelbausystem von Paul Schärer und Fritz Haller, der Faltvorhang-Schrank und das ScherenBett von Kurt Thut, der Schubladenstapel von Susi und Ueli Berger für Röthlisberger oder das Sideboard Stripe von Wogg. Sie sind stets auf Entdeckungstour. Was war das innovativste Fundstück in den letzten Jahren? Heinrich: Lassen Sie mich zwei persönliche Beispiele nennen: Unsere Suche nach Kleiderschränken gestaltete sich schwierig. Ein dominanter Klotz im Schlaf- oder Arbeitszimmer ist einfach ein Ab löscher. Bei Thut wurden wir fündig. Die Schweizer Möbelmanufaktur hat mit ihrem FaltvorhangSchrank bereits in den frühen 1990er-Jahren eine ästhetisch perfekte Lösung entwickelt. Der Schrank wirkt wie ein leichter Vorhang oder Paravent und bietet alle Möglichkeiten des klassischen Kleiderschranks. Und beim Thema Garderoben oder Gestelle, die nicht selten mit viel Aufwand am falschen Ort montiert werden, hielt Mox die passende Lösung bereit. Wir mussten weder viel messen noch bohren oder schrauben und können die Elemente immer wieder an einem neuen Standort platzieren. gerade kleinere Manufakturen sind den Endkunden vielfach kaum bekannt und bieten damit Überraschungspotenzial. Im stationären Handel sind die Ausstellungsflächen limitiert. Online haben wir die Möglichkeit, dem interessierten Nutzer mehr von einem Hersteller zu zeigen, als dies der Handel normalerweise vor Ort tun kann. Was kaufen Herr und Frau Schweizer besonders oft online? Und was war im vergangenen Jahr der Bestseller bei Ihnen? Heinrich: Ganz allgemein führen Reisen, Bücher, Mode, Musik und Elektronik die Online-Hitliste an. Aber die anderen Sortimente holen auf. Gerade im Bereich Möbel erwarten wir in den nächsten Jahren ein markantes Wachstum. Bei uns selber standen bereits 2015 Kleinmöbel, Accessoires und Küchenartikel im Trend. Im Weihnachtsgeschäft zudem alles, was Geschenk-Charakter aufweist. Und worauf können wir uns 2016 freuen? Haben Sie hier eine Top-drei-Trendliste? Di Domenico: Zeitnah wird unsere Plattform in völlig neuem Kleid daherkommen und den Nutzern hoffentlich einen noch besseren Zugang und E indruck der vorgestellten Marken vermitteln. Die Top-dreiListe 2016 verraten wir Ihnen dann 2017 (lacht). Heimische Produkte kaufen bedeutet nachhaltig investieren, und zwar in die eigene Wirtschaft. Sie sprechen von verantwortungsvoll konsumieren. Was verstehen Sie darunter? Di Domenico: Darunter verstehen wir Konsum nach dem Motto «Kaufe weniger, dafür besser». Dass Ladengeschäfte unter dem Online-Shopping-Boom leiden, ist kein Geheimnis. Wollen Sie mit Ihrer Plattform kleine Marken unterstützen? Heinrich: Unsere Plattform ist für alle Schweizer Marken offen, unabhängig von deren Grösse. Aber fotoS: BESTSWISS.ch Interview: wilma fasola Seit 1981 fertigt die Schreinerei Röthlisberger aus Gümligen diesen Schubladenstapel.
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