Teenie-Dschihad - Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam

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Dienstag, 07. Juni 2016
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Tagung in Frankfurt zu jungen militanten Islamistinnen
Tagung in Frankfurt
„Teenie-Dschihad“ als Akt der
Emanzipation
Immer mehr junge Frauen schließen sich dem IS an, in Hessen über
ein Dutzend. Da dieses Phänomen nicht nur mit Repression zu
bekämpfen ist, fand auf einer Tagung nun ein Austausch statt.
06.06.2016, von KATHARINA ISKANDAR, FRANKFURT
Veröffentlicht: 06.06.2016, 10:16 Uhr
D
uygo D. verschwand über Nacht. Am 21.März 2015 stieg sie in einen Fernbus Richtung Türkei.
Als sie Tage später ihre Eltern anrief, um zu sagen, dass sie nicht wiederkomme, war sie schon
in Syrien. An der Seite ihres Freundes, eines überzeugten Kämpfers des „Islamischen Staats“ (IS).
Der Fall der jungen Frankfurterin ist einer der wenigen, die überhaupt öffentlich geworden sind.
Dabei ist er einer von vielen. Seit etwa zwei Jahren beobachten die Sicherheitsbehörden, dass
immer mehr junge Frauen sich dem IS anschließen und nach Syrien ausreisen. In Hessen sind es
schon mehr als ein Dutzend.
Von vielen Mädchen heißt es, sie seien aus „romantischen Gefühlen“ ihren Freunden
hinterhergereist, ohne zu wissen, dass sie dort oft als Prostituierte für IS-Kämpfer missbraucht
würden. Andere jedoch reisen in die Kriegsgebiete, um sich dort an der Waffe ausbilden zu lassen.
Die Sicherheitsbehörden sagen, gerade diese Nachwuchskriegerinnen seien unberechenbar.
Spezielle Musik, Kleidung, Symbole
Auch deshalb hat das hessische Landeskriminalamt (LKA) junge Mädchen aus der salafistischen
Szene verstärkt im Blick. In der vergangenen Woche hat sich eine Tagung, die von LKA und
Frankfurter Universität veranstaltet wurde, mit diesem Phänomen befasst. Es ging um die Rolle von
Frauen im Islam generell, um Unterdrückung und patriarchalische Strukturen. Vor allem aber
wurde gefragt, was ausgerechnet junge Frauen an der salafistischen Ideologie reizt.
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schwach“,
sagt LKAPräsidentin
Sabine
Thurau.
Vielmehr sei
der Weg in den Dschihad, den einige diese Frauen eigenständig anstrebten, „eine Form der
Emanzipation“. Die Mädchen wollten sich gegenüber den Männern beweisen. Dabei sei es
erschreckend, dass die jungen Frauen die menschenverachtende Ideologie des IS mittrügen und es
offenbar als ihre Aufgabe sähen, „für den Nachwuchs künftiger Kämpfer zu sorgen“. Die
Sicherheitsbehörden stehen nach den Worten Thuraus erst am Anfang, passende Strategien gegen
den „Teenie-Dschihad“ zu finden.
Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam bezeichnete den Salafismus
als eine schnell wachsende Jugendbewegung. Es gebe spezielle Musik, Kleidung, Symbole. Viele
Jugendliche, darunter eben auch viele Mädchen, fühlten sich zu dieser Ideologie hingezogen, „weil
scheinbar etwas im Aufbruch ist“. Der IS sei wie eine Sekte, sagt Thomas Mücke vom Violence
Prevention Network. Der Verein beschäftigt sich mit radikalisierten Jugendlichen. Gespräche mit
Rückkehrern hätten gezeigt, dass viele traumatisiert aus den Kampfgebieten wiederkämen. Sie
hätten nicht gewusst, welche Gräueltaten in Syrien verübt würden.
Sicherheitsbehörden brauchen Austausch
Nach den Worten der Frauenrechtlerin Seyran Ates fallen gerade Frauen im Islam immer wieder als
radikal auf. So seien es oft die Mütter, die den Fundamentalismus ihrer Kinder förderten. Der
Psychologe Jan Kizilhan hingegen lernt Frauen aus den Kriegsgebieten vor allem als Opfer kennen.
Er behandelt Yezidinnen, die vom IS versklavt und zwangsverheiratet wurden. Die Frauen würden
gehandelt „wie Ware“, sagt er. Die Geschichten, die ihm von den Betroffenen erzählt würden,
brächten auch ihn „an den Rand dessen, was man überhaupt ertragen kann“.
Die Sicherheitsbehörden brauchten den Austausch mit der Forschung, so Thurau. Militanter
Islamismus könne nicht allein durch Repression bekämpft werden. Wenn die Polizei sinnvoll gegen
die Radikalisierung durch Salafisten vorgehen wolle, müsse sie früher ansetzen. Es sei wichtig,
mehr darüber erfahren, „was da eigentlich mit den jungen Menschen passiert“.
Quelle: F.A.Z.
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