Rumänien: Sozialdemokraten gewinnen Kommunalwahlen

LÄNDERBERICHT
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
RUMÄNIEN
NORBERT BECKMANN-DIERKES
ANDREI AVRAM
Juni 2016
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Rumänien: Sozialdemokraten
gewinnen Kommunalwahlen
Am Abend des 5. Juni herrschte Jubel-
Ein zweiter Sieger des Wahlsonntages war
stimmung in der Zentrale der Sozialdemo-
Nicușor Dan, Vorsitzender der „Union Rettet
kratischen Partei (PSD) von Rumänien,
Bukarest“ (USB), einer ehemaligen Nichtre-
als deren Kandidatin für das Amt des
gierungs-organisation.
Oberbürgermeisters
Bukarest,
sich als Anti-System-Bewegung und Alter-
Gabriela Vrânceanu-Firea, zurzeit Mitglied
native zu der bisherigen – insbesondere von
im Senat des Landes, gemeinsam mit dem
jungen Wählern als korrupt wahrgenomme-
Parteivorsitzenden Liviu Dragnea vor die
nen – Kommunalpolitik. Somit überzeugte
Kameras trat. Ersten Hochrechnungen zu-
sie viele Protestwähler. Dan kam auf den
folge hatte Firea die Wahl in der rumäni-
zweiten Platz, die Hochrechnungen prognos-
schen Hauptstadt mit etwa 43 Prozent der
tizierten ein Ergebnis von gut 30 Prozent.
abgegebenen
gewonnen,
Im Anschluss an die ersten Wahlergebnisse
denn seit 2012 gibt es in Rumänien bei
kündigte Dan ein landesweites politisches
Kommunalwahlen nur noch einen Wahl-
Projekt an, in Form einer Partei „Union Ret-
gang, bei dem die einfache Mehrheit aus-
tet Rumänien“, die bei den Parlamentswah-
schlaggebend ist. Auch landesweit ge-
len im Spätherbst dieses Jahres antreten
wannen die Sozialdemokraten die Wahlen
soll. Im Stadtrat von Bukarest, wo die USB
und somit 1669 Bürgermeistermandate,
die zweitstärkste Fraktion stellen wird (mit
im Gegensatz zu den Nationalliberalen,
einem Ergebnis von ca. 23 Prozent der
die lediglich 1079 Bürgermeister haben
Stimmen), werde die neue Partei keine poli-
werden.
tischen Bündnisse eingehen, sondern ihre
Stimmen
von
klar
Positionierung
Diese
punktuell
präsentierte
themenbezogen
Das Ergebnis stellte eine historische Premie-
bestimmen. Im Wahlkampf hatte er stets
re für die PSD dar, denn bislang hatte sich
betont, weder links, noch rechts zu sein,
bei keiner Abstimmung ein Sozialdemokrat
obwohl Experten die USB tendenziell als
in der eigentlich als bürgerlich geltenden
links gerichtete Partei einstufen, die para-
Hauptstadt behaupten können. Auch in den
doxerweise enttäuschte bürgerliche Wähler
sechs Bezirken von Bukarest gewannen
für sich gewinnen konnte.
ausschließlich Kandidaten der PSD, die im
Stadtrat und in den
Bezirksräten die
Der gelernte Mathematiker Nicușor Dan
stärkste Fraktion stellen werden. Die ersten
nutzte die Schwäche der Nationalliberalen
Ergebnisse vom zentralen Wahlbüro deuten
Partei (PNL) in Bukarest aus, deren Kandi-
auf gut 40 Prozent der Stimmen für die So-
dat Cătălin Predoiu nur den dritten Platz er-
zialdemokraten im Stadtrat von Bukarest
reichte – mit geschätzten 11 Prozent und
hin.
dem damit schwächsten Ergebnis der MitteRechts-Kräfte in der postkommunistischen
Anti-System-Bewegung etabliert sich im
Geschichte
Bukarests. Predoiu war ehe-
Kontext der Politikverdrossenheit
maliger Justiz-minister (2008 – 2012) und
der vierte Kandidat, den die PNL ins Rennen
Demoskopen haben den Wahlsieg von Firea
für die Hauptstadt geschickt hatte. Dadurch
in den vergangenen Wochen vorausgesagt.
hatte er kaum Gelegenheit im Vorwahl-
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kampf öffentlich aufzutreten – im Gegensatz
des, während in drei weiteren Bezirksstäd-
zu Firea und Dan. Predoiu galt als Notlösung
ten faktisch von der PNL unterstützte unab-
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der PNL, nachdem der erste Kandidat Cristi-
hängige Kandidaten gewannen. Die PSD
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an Bușoi, Mitglied des Europäischen Parla-
gewann 19 Bezirksstädte.
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ments, wegen schlechter Umfragewerte auf
seine Kandidatur verzichtet hatte, der zwei-
Bei den Wahlen für
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te Kandidat Ludovic Orban wegen Korrupti-
Bezirksräte ist die PNL auf dieser Ebene auf
onsvorwürfen zurücktreten musste und ein
dem zweiten Platz. Nach Auszählung von
weiterer
Kandidat, der parteilose Marian
über 90 Prozent der Stimmen landesweit lag
wegen nationalistischer Stel-
die PSD bei 37,55 Prozent und die PNL bei
lungnahmen in der Vergangenheit auf seine
32,15 Prozent. Auf dem dritten Platz landete
Kandidatur verzichtete. Predoiu war als Vor-
die Allianz der Liberalen und Demokraten
sitzender des PNL-Verbandes in Bukarest
(ALDE) des Senatspräsidenten Călin Popes-
verpflichtet worden, den Platz von letzterem
cu-Tăriceanu (5,98 Prozent) und die Demo-
einzunehmen. Nun hat er seinen Rücktritt
kratische Union der Ungarn in Rumänien
von dem Parteiamt angekündigt.
(UDMR) mit 5,84 Prozent. Die UDMR konnte
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Munteanu,
die insgesamt 41
– wie erwartet – in den mehrheitlich von
Zusätzlich offenbarte das Ergebnis von Ni-
Ungarn bewohnten Regionen gute Ergebnis-
cușor Dan ein hohes Maß an Politikverdros-
se erzielen, einschließlich absoluter Mehr-
senheit, insbesondere in der rumänischen
heiten in den Bezirken Covasna und Har-
Hauptstadt. Dies spiegelt sich in der histo-
ghita. Die der EVP zugehörige Partei Volks-
risch niedrigen Wahlbeteiligung von 33,31
bewegung (PMP) des Ex-Präsidenten Traian
Prozent wider.
Insbesondere junge Men-
Băsescu liegt landesweit bei 4,13 Prozent.
schen blieben den Wahlurnen fern. Auch auf
Weder ALDE, noch die PMP werden Bürger-
nationaler Ebene lag die Beteiligungsrate
meister in Bezirksstädten stellen, während
bei lediglich 48,43 Prozent – ein Tiefpunkt
die UDMR drei Bürgermeisterwahlen ge-
in der politischen Geschichte Rumäniens.
wann. In Sibiu/Hermannstadt, der Heimatstadt des Präsidenten Klaus Iohannis, ge-
Nationalliberale Partei landesweit zweit-
wann seine Nachfolgerin, die deutschstäm-
stärkste Kraft
mige Astrid Fodor vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, die Bür-
Der medienwirksame Sieg der PSD in Buka-
germeisterwahlen mit 57,39 Prozent.
rest sorgte zunächst im Fernsehen und in
den
Zeitungen für desaströse Schlagzeilen
hinsichtlich
der
PNL.
Ein
differenzierter
Korruptionsvorwürfe kein Hindernis für
Wahlerfolg
Überblick zeigt jedoch, dass die PNL außerBukarest ihre traditionellen
Die ersten Wahlergebnisse vom 5. Juni deu-
Hochburgen verteidigen konnte. In Sieben-
ten auf eine besorgniserregende Haltung
bürgen gewannen die Nationalliberalen die
der aktiven Wähler in Bezug auf Korrupti-
Bürgermeisterwahlen,
halb von
unter anderem in
onsvorwürfe gegen Kandidaten. In mehre-
der zweitgrößten rumä-nischen Stadt Cluj-
ren Bezirksstädten siegten Kandidaten, ge-
Napoca/Klausenburg. Hier siegte der amtie-
gen die Strafverfahren laufen oder die we-
rende Bürgermeister und ehemalige Premi-
gen Korruption vorbestraft sind. In Râmnicu
erminister Emil Boc mit knapp 65 Prozent
Vâlcea siegte
der Stimmen. In der Banater Hauptstadt
verurteilt worden ist: wegen Bestechung
Mircia Gutău, der zwei Mal
Timișoara/Temeschwar gewann der eben-
(2010) und Amtsmissbrauchs (2014). Gutău
falls amtierende PNL-Kandidat Nicolae Robu
wollte ursprünglich für die PNL kandidieren,
mit gut 52 Prozent. Der Generalsekretär der
wurde aber deswegen abgelehnt und ließ
PNL und amtierende Bürgermeister von O-
sich von der ansonsten politisch bedeu-
radea/Großwardein,
erzielte
tungslosen Ökologischen Partei vorschlagen.
das beste Ergebnis auf Ebene der Bezirks-
In Baia Mare gewann der parteilose Cătălin
städte mit über 70 Prozent der abgegebe-
Cherecheș aus der Untersuchungshaft her-
nen Stimmen. Insgesamt kam die PNL auf
aus (!) die Wahlen mit 70,21 Prozent der
Ilie
Bolojan,
elf Siege in den 41 Bezirksstädten des Lan-
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Stimmen. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren
wegen wiederholter Bestechung.
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Im südrumänischen Craiova kam die amtie-
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rende PSD-Bürgermeisterin, Lia Olguța Vasilescu, auf ca. 66 Prozent der Stimmen,
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wobei gegen sie die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA) wegen Bestechung, un-
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lauterer Einflussnahme und Geldwäsche ermittelt. Auch gegen zwei erfolgreiche PSDKandidaten in zwei Bukarester Bezirken laufen strafrechtliche Ermitt-lungen. Sollten
gegen diese Personen Freiheitsstrafen verhängt werden, verlieren sie automatisch ihr
Mandat. Bleibt es lediglich bei Bewährungsstrafen, sieht die rumänische Gesetzgebung
keine Amtsenthebung vor.
Die PSD geht aus den Kommunalwahlen
verstärkt hervor. Insbesondere die Wahl als
korrupt bekannter Politiker scheint zu bestätigen, dass die vom Präsident angemahnte Reform der politischen Klasse bei
weitem nicht abgeschlossen ist. Innerhalb
der PNL ist im Vorfeld der Parlamentswahlen
von Spannungen auszugehen, weil der interne Konsolidierungsprozess infolge des
schlechten Ergebnisses in Bukarest offensichtlich beschleunigt werden muss.