Freie Presse, Erscheinungsdatum 20160608, Seite MLe

LESERFORUM
Freie Presse
Mittwoch, 8. Juni 2016
LESEROBMANN
Der Papst
muss ran
REINHARD OLDEWEME
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TELEFAX: 0371 656-17041
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B
evor Vertreter der Staatsanwaltschaft darüber nachdenken, ihreVollzugsgehilfen in
die Spur zu schicken, möchte ich sie
bitten: Lesen Sie diese Kolumne bis
zum Ende, bevor Sie zum Telefonhörer greifen. Denn ich gestehe: Ich
denke über eine Entführung nach;
Sie haben richtig gelesen, die Rede
ist von Kidnapping. Allerdings habe
ich mich noch nicht entschieden,
wen ich in meine Gewalt bringen
möchte, drei Personen habe ich in
die engere Wahl gezogen: Papst
Franziskus, den Dalai Lama und
Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Dreht er jetzt völlig durch? Denken Sie das gerade, liebe Leser? Ich
kann Sie beruhigen, es geht mir gut,
ich hatte nur vor einigen Tagen einen Moment vollkommener Verzweiflung, und davon möchte ich
Ihnen berichten.
Als ich vor einer Woche den Artikel „Säbelrasseln im Osten“ gelesen
und mir das Foto angeschaut hatte,
wurde ich zuerst nachdenklich,
dann aber so richtig sauer. Dass die
Nato und die USA jetzt Soldaten und
Kriegsgerät in den Osten schicken,
finde ich schlimm, vor allem weil es
mir auch Angst macht und ich mich
diesem Treiben und diesen Drohgebärden wehrlos ausgesetzt fühle. Bis
zum nächsten Tag waren mehr als
20 Briefe und Mails von Lesern bei
mir eingegangen, in denen die Autoren ihr Unverständnis gegenüber
der Nato-Übung zum Ausdruck
brachten (siehe Leserforum) und
von Kriegsgefahren schrieben.
Den meisten ging es um die Frage, wer dafür verantwortlich zu machen ist. Die Antwort ist wichtig, die
Suche danach aber hat nicht meine
Empörung ausgelöst. Vielmehr war
es diese Botschaft: Vor dem Militärhistorischen Museum in Dresden
wurden militärisches Gerät und
Fahrzeuge sowie Waffen und Munition der Öffentlichkeit präsentiert,
als würde es sich dabei um Dinge
handeln, die als Mittel zur Volksbelustigung taugen. Die Gäste konnten ein Maschinengewehr des Typs
M60 in die Hand nehmen oder eine
Mörsergranate etwas näher untersuchen. Und ich fragte mich: Bin ich
im falschen Film? Was kann ich
tun? Dann habe ich mich erinnert:
Seit Jahrzehnten wird auf Bühnen in der ganzen Welt die Komödie
„Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“ gezeigt. Der Pontifex
hat genug von der Arbeit und setzt
sich in New York in ein Taxi, um sich
eine Auszeit zu gönnen. Der Fahrer
heißt Samuel Leibowitz und ist für
seine unkonventionellen Einstellungen bekannt. Er fährt den Papst
nicht zum gewünschten Ziel, sondern bringt ihn zu sich nach Hause.
Das Leben der Familie gerät aus den
Fugen, seine Heiligkeit kann sich
gut damit arrangieren. Der Taxifahrer hat eine Forderung an die ganze
Welt: Der Papst kommt wieder frei,
wenn einen Tag lang auf der gesamten Erde alle Waffen schweigen und
niemand getötet wird. Wie die Geschichte ausgeht? Das verrate ich
nicht, aber die Idee finde ich klasse.
Unter uns: Die Entführung ist für
mich nur eine Metapher für meinen
sehnlichsten Wunsch: Die Menschheit möge erkennen, dass Krieg und
Gewalt noch nie die Lösung waren,
es auch niemals sein werden.
HINWEIS
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu bearbeiten.
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ihres Verfassers und nicht die der Redaktion wieder. E-Mails müssen die
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Vor allem für Russland eine Provokation
Ländern sind sie abgezogen und haben Chaos hinterlassen. Russland ist
nicht nur Putin, sondern Menschen,
die mit vielem, was in diesem Land
geschieht, nicht einverstanden sind.
Wann begreifen endlich die Verantwortlichen der Nato und speziell der
USA, dass sich Putin dadurch nicht
beeindrucken lässt und nur weiter
Gräben zwischen Ost und West aufgerissen werden?
Lothar Schumann, Chemnitz
Die Nato verlegt tausende
Soldaten an die russische
Grenze. Zu dem Bericht
„Säbelrasseln im Osten“,
in dem es um eine Übung
ging, haben uns zahlreiche
Leserbriefe erreicht. Dies
ist eine Auswahl mit
Auszügen daraus.
Landesregierung biedert sich an
Auf der Erde gibt es genügend Probleme, die dringend gelöst werden
müssten. Da bewirkt diese Übung
genau das Gegenteil. Schon der Name ist eine Provokation. Durch Mitteldeutschland fahren Militärfahrzeuge der USA, die hier nichts verloren und nichts zu suchen haben. In
Dresden biedert sich die Landesregierung an und lädt eine Abordnung
der US-Armee ein. Dabei sollte sie
sich lieber um Entspannung bemühen, gegen verstärkten Rechtsradikalismus, Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit vorgehen.
Bernd Schlegel, Chemnitz
Lächerliche Begründungen
Immer wieder kommt es – ohne die
Möglichkeit einer zeitnahen Einflussnahme des Volkes – zu Teilnahmen an Militäraktionen durch die
Regierung. Die Begründungen wirken fast lächerlich. Die Krim-Annexion wird als Hauptgrund genannt,
alle anderen in den vergangenen 70
Jahren erfolgten Annexionen durch
Nato-Mitglieder bleiben unerwähnt.
Die Ukraine hatte es vorgezogen,
den gewählten Präsidenten nicht
durch Wahlen abzulösen, sondern
durch einen revolutionären Umsturz. Damit war die Verfassung,
durch die sich ein Staat definiert, ungültig geworden, und Putin griff zu.
Ich frage mich, wie lange ein Volk
sich eine solche Politik noch gefallen lassen muss, wenn die demokratischen Mittel, dies zu verhindern,
sich als untauglich erweisen.
Joachim Mehnert, Annaberg-Buchholz
Kampfstärke nicht so beweisen
Es ist eine ungeheuerliche Provokation für Russland, was die Nato mit
ihrem Manöver fabriziert. Unfassbar
in der heutigen Zeit, solchen militärischen Unfug zu begehen. Was ist,
wenn Russland sich bedroht fühlt
und Gegenmaßnahmen ergreift?
Russland wurde mit Sanktionen gestraft. Wobei hier immer noch die
Frage ist, wem schadet dieser Umstand noch außer Russland? Wie wäre es, wenn die Nato ihre Kampfstärke in Syrien beweist und den syrischen Bürgern ein Land beschert,
wo keine Flucht mehr notwendig
Fotografiert in Dresden: Ein US-Militärfahrzeug unterwegs in den Osten.
ist? Ich bin mir sicher, dass Putin
solch einen Einsatz mit Interesse
verfolgen würde und Kampfstärke
der Nato erkennen könnte.
Anja Kaiser, Chemnitz
Neue Feinde müssen her
Der Drang der Nato nach Osten
scheint ungebremst in den nächsten
Krieg zu führen, der uns in voller
Härte treffen wird. Den USA ist das
offensichtlich egal, da die dortige Bevölkerung noch keinen Krieg über
sich ergehen lassen musste. Die angebliche Bedrohung aus dem Osten
führt zu einer maßlosen Aufrüstung, auch unter deutscher Beteiligung, an den Grenzen zu Russland.
Da fliegt ein Militärtransportflugzeug ohne Kennzeichnung im Tiefflug über meine Stadt, da fahren 50
Militärtransporter ohne Kennzeichnung auf der Autobahn nahe Dresden, und jetzt halten sich 1400 USSoldaten mit 400 Fahrzeugen und
Waffen in Dresden auf. Ihr Marsch
führt nach Osten. Und nicht zu vergessen der US-Stützpunkt Ramstein,
von dem aus der Krieg gegen andere
Länder gesteuert wird und wo die
Atomwaffen der USA lagern. Die
US-Besatzer sind in der BRD allgegenwärtig und können sich offensichtlich alles erlauben, immer nach
dem Motto, die Russen sind weg und
nun bestimmen wir, was gut und
was böse ist. Feinde müssen geschaf-
fen werden, wie die jüngste Geschichte beweist. Und darin sind die
USA wahre Meister.
Dietmar Hänel, Flöha
Geht es um eine Steilvorlage?
Da behaupte mal einer, Geschichte
wiederhole sich nicht. Wir Europäer
sollten begreifen, wer uns die Probleme der Neuzeit eingebrockt hat.
Die Flüchtlingskrise ist unter anderem ein Folge der Rohstoffkriege im
Nahen Osten. Jetzt werden von den
USA mit der Nato Angstszenarien in
Richtung Russland aufgebaut. Wer
die Geschichte kennt, kennt sicher
auch die Mär vom Sender Gleiwitz.
Eine Steilvorlage für das damalige
Propagandaministerium. Erst lange
Zeit später erfuhren wir, was damals
wirklich dort geschah: Ein kleiner,
geplanter Zwischenfall als Auslöser
für einen Weltkrieg. Haben wir aus
der Geschichte gelernt? Braucht die
PR-Abteilung der Nato auch eine
Steilvorlage im Osten? Ob den Osteuropäern das bewusst ist? Schade,
dass unsere Politiker dieses gefährliche Spiel mitmachen. Millionen an
Steuergeldern werden wieder verbrannt, nur um ein neues Feindbild
zu kreieren.
Gerd Baumann, Chemnitz
Als wären es neue Besatzer
Es ist beispiellos, mit welcher Unverschämtheit von den großartigen
FOTO: ARNO BURGI/DPA
amerikanischen Freunden ein Klima von Hass erzeugt werden soll.
Was ist von „Freunden“ zu halten,
deren Präsident es nicht nötig hat,
sich für den unmenschlichen Vietnamkrieg zu entschuldigen? Wir lesen von einer möglichen russischen
Aggression, es ginge um Sicherheit
für andere bedrohte Alliierte, Bedrohung für Dänemark und Schweden
durch russische Atomwaffen, und
dass Russland nur Stärke respektiert.
Was respektieren die Amerikaner?
Nicht mal den Zwei-plus-vier-Vertrag, der unter anderem die deutsche
Wiedervereinigung möglich machte. Die Sowjetsoldaten sind abgezogen, die waren unsere verordneten
„Freunde“, stimmt, aber brauchen
wir jetzt die Amerikaner, um sicher
zu sein? Sie fahren durch Sachsen
und fliegen mit Hubschraubern, als
wären sie die neuen Besatzer.
Axel Schlenkrich, Schwarzenberg
Nichts aus Geschichte gelernt
Wenn man diesen Beitrag liest, erinnert das an die Zeit des Kalten Krieges und der Aufrüstung in Ost und
West. Bei den Ausführungen von
Ben Hodges (Kommandeur der USArmee in Europa), Russland respektiere nur Stärke, hat man den Eindruck, die USA haben aus der eigenen Geschichte nichts gelernt. Ich
erinnere nur an den Vietnamkrieg,
Afghanistan, Irak usw. Aus all den
Vereine und Kirchen nicht vergleichbar
Nichtchristen, finanziert. Auch
nervt es mich als Nichtchrist, mir
ständig anhören zu müssen, dass
Nichtchristen ja auch die kirchlichen Feiertage genießen. Haben die
Gläubigen tatsächlich noch nicht
mitbekommen, dass die christlichen Hintergründe von der Mehrheit sowieso nicht mehr zur Kenntnis genommen werden?
Jutta Behne, Rossau
Zu den Meinungen unter
der Überschrift „Debatte:
Hier der Staat und dort
die Kirchen“ haben uns
diese Leserbriefe erreicht.
Völlig unpassender Vergleich
Die enormen finanziellen Zuwendungen an die Kirchen damit zu verteidigen, dass ja auch Sport- und Musikvereine Geld bekommen, ist völlig unpassend. Sport- und Musikvereine sind nicht mit Institutionen
vergleichbar, die ein Glaubensbekenntnis vertreten und verbreiten
wollen; denn diese sind für alle Menschen offen, haben keinen Missionierungsauftrag und mischen sich
nicht in politische Angelegenheiten
ein, so wie es die Kirchen tun. Den
Nichtgläubigen vorzuwerfen, dass
auch sie die kirchlichen Sozialeinrichtungen nutzen, grenzt an Un-
Kardinal Marx zelebrierte beim Katholikentag in Leipzig den Abschlussgottesdienst.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA
verschämtheit. Denn zum einen ist
es oft so, dass gar keine nichtchristliche Alternative da ist, und zum anderen werden die kirchlichen Sozialkonzerne von der öffentlichen
Hand, also auch von den Steuern der
Von Geschichte belehrt worden
Ich möchte die Befürworter der „Kirchenzuschüsse“ mit diesen Beispielen konfrontieren: Geld als Zahlungsmittel wird eingesetzt, wenn
man etwas kaufen möchte oder eine
Leistung begleichen muss. Was erwartet der Staat demnach von einer
Organisation, die vom Staat Unterstützungen durch hohe Geldbeträge
bekommt – ein fröhliches Vereinsleben? Einsatz für Umverteilung des
nationalen Reichtums? Kampf gegen Krieg und Rüstungswahn? Oder
gar das Verbot der Absegnung der
Waffen mit denen täglich tausende
Menschen umgebracht werden? Ein
Leser meinte: Gott hat der DDR seine schützende Hand entzogen und
die Friedliche Revolution eingeleitet. Hat Gott das Recht, in das Geschick freier Menschen, die sich für
eine eigene Staatsform entschieden
hatten, einzugreifen und sie zu bestrafen? Dann hätte er zuvorderst
die von 1945 bis 1989 wieder auflebenden alten Strukturen im damaligen Westdeutschland auch verhindern müssen. Ich meine, wir sind
durch die Geschichte belehrt worden. Gott und die Kirche haben die
Völker noch nie vor den vielen Ungerechtigkeiten und Katastrophen
bewahrt. Sollte ich mich irren, dann
gönne ich der Kirche noch viel mehr
Zuwendungen. Solange das nicht so
ist, hat der Staat nicht das Recht,
Volksvermögen für nicht erbrachte
Leistungen auf die Straße zu werfen.
Siegfried Kehler, Bad Schlema
Ministerin sollte zurücktreten
Mit Sorge habe ich gelesen, dass die
Nato eine Truppenverlegung nach
Litauen probt. Man muss sich fragen, was das soll. Hat man nichts aus
den Folgen des Zweiten Weltkrieges
gelernt oder haben die Verantwortlichen Gedächtnisschwund? Unsere
Kriegsministerin ist natürlich stolz,
das Deutschland wieder dabei sein
darf. Ist sie sich nicht über die Folgen
für unser Land im Klaren? Die Amerikaner verstärken die Bedrohung
der Russen, und wir machen mit. Sie
sind ja, wenn es zu kriegerischen
Handlungen kommt, weit weg, und
Deutschland könnte von der Landkarte ausgelöscht werden. Wie lange wollen wir die Russen noch reizen? Reichen die wirtschaftlichen
Sanktionen gegen die Russen nicht
aus? Was haben sie für Verluste
auch für unsere Wirtschaft in den
neuen Bundesländern gebracht?
Muss man nun auch noch mit den
Waffen rasseln? Ich finde, dass Ursula von der Leyen nicht weiter tragbar ist. Sie sollte ihr Amt abtreten an
einen wirklichen Verteidigungsminister, der etwas zur Erhaltung des
Weltfriedens tut.
Hans-Jürgen Thieme, Crimmitschau
USA sichert Weltfrieden nicht
Ich finde es traurig, dass wir uns auf
einem solchen Niveau befinden und
einen neuen Kalten Krieg haben.
Die USA haben viele Teile der Welt
destabilisiert und suchen nun einen
Konflikt mit Russland, was einem so
vorkommt, als wolle man den Dritten Weltkrieg einleiten. Ob Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Ukraine
– die USA lassen eine Schneise der
Verwüstung hinter sich zurück, produzieren und hinterlassen Elend
und befördern Flüchtlingsströme.
Mir wäre es lieber, sie würden mit
ihren Soldaten wieder in die USA gehen und dort ihre hauseigenen
Grenzen zu Mexiko und Kanada sichern, anstatt in der ganzen Welt alles in Schutt und Asche zu legen. Die
USA sichern nicht den Weltfrieden,
sie bedrohen ihn massiv, wie keine
andere Nation auf diesem Planeten.
Leider haben wir in Deutschland ein
System, das den USA zu Füßen liegt
und eine Regierung, die die Interessen des Volkes mit den Füßen tritt.
Enrico Bach, Königswalde
Von Anfang an war
das Volk einbezogen
Zu dem Artikel „Ein neues System wagen?“:
Ein überzeugendes Statement für direkte Demokratie war einige Tage
zuvor unter der Überschrift „Weltrekord im Berg“ zu lesen gewesen. Im
Artikel über die Fertigstellung des
57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels in der Schweiz kam der Geschäftsführer der Firma zu Wort, die
die riesigen Tunnelbohrmaschinen
herstellt und bedient. Er nennt zwei
Gründe für die schnelle Fertigstellung: Die reale Gesamtleitung lag in
den Händen von Ingenieuren und
Fachleuten und nicht bei Politikern,
und er verweist auf die direkte Demokratie in der Schweiz. Das Volk
wurde dazu befragt und hat dem
Vorhaben zugestimmt. Es waren
klare Verhältnisse gegeben. Das Gegenteil von Großprojekten in
Deutschland wie Stuttgart 21 oder
dem Flughafen in Berlin.
Günter Schlag, Auerbach/E.