Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe 22
10. Juni 2016
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Mittelstand
Roboter-Boom kommt im Mittelstand an
2015 konnte die Robotik- und Automationsbranche einen Rekordumsatz erzielen
D
ie Übernahmeanfrage des chinesischen Klimaanlagen- und Hausgeräte-Hersteller Midea bei dem deutschen
Unternehmen Kuka hat für großes Aufsehen gesorgt. Selbst die deutsche Regierung
versuchte, sich einzumischen, und machte deutlich, einen europäischen Investor
vorzuziehen. Kuka zeigt, wie bedeutend
die Robotikbranche in den vergangenen
zwei Jahren geworden ist. Im Zuge der
Digitalisierung werden Roboter auch zunehmend für den deutschen Mittelstand
interessant. Und die Technik, die deutsche
Unternehmen produzieren, hat im Zuge
der Industrie 4.0 auch international einen
hohen Stellenwert.
Im vergangenen Jahr erreichte die deutsche Robotik- und Automationsbranche
einen Rekordumsatz in Höhe von 12,2
Milliarden Euro. Das entspricht einer Zunahme um sieben Prozent. In diesem Jahr
soll das Umsatzvolumen eine Größenordnung von 12,5 Milliarden Euro erreichen.
Die neuen Leichtbauroboter sind günstiger und innovativer als die klassischen Schwergewichte der
Automation.
Foto: Flickr/Freaktography/CC by nc nd 2.0
Vor 11 Jahren lag der Umsatz in der Branche noch bei 6,9 Milliarden Euro. „Der
große, weltweite Bedarf an Robotik, industrieller Bildverarbeitung und Integrated
Assembly Solutions lässt unsere Branche
optimistisch in die Zukunft blicken“, sagt
Norbert Stein vom VDMA.
Das liegt auch daran, dass der deutsche
Mittelstand sich immer stärker nach
Möglichkeiten für den Einsatz von Automation und Robotertechnik umsieht. Die
Mehrheit der Industrie-Manager rechnen
mit einem Roboter-Boom im deutschen
Mittelstand (81 Prozent). Dabei spielen
die neuen Leichtbauroboter eine große
Rolle. Diese sind mittlerweile kostengünstiger als die klassischen Industrie-Roboter
und sind darauf ausgelegt, mit den Mitarbeiter quasi Hand in Hand zu arbeiten.
86 Prozent der Industriemanager schätzen, dass digital vernetzte Industrie-Roboter die Fertigungsmethoden revolutionieren werden. „Stückkostenfragen und
die einfache Bedienbarkeit stehen bei den
Entscheidern hoch im Kurs, wenn es um
die Frage nach dem Einsatz kollaborativer
Roboter geht, die mit den Werkern Handin-Hand zusammenarbeiten“, heißt es in
einer aktuellen Studie der AUTOMATICA,
der Fachmesse für Automatisierung.
Das zeigt sich bereits bei den Absatzmärkten für 2015: 45 Prozent der Umsät-
Analyse
Demografischer Wandel birgt Wachstumschancen für den Mittelstand
Die zunehmende Alterung der Gesellschaft entwickelt sich einer Studie zufolge
zur Wachstumsstütze des deutschen Mittelstands. Die kleinen und mittleren Unternehmen erwarten durch den demografischen Wandel ein jährliches Umsatzplus
von 24 Milliarden Euro.
„In der Diskussion um den demografischen Wandel stehen vielfach Schwierigkeiten wie Nachfolgeprobleme oder Fachkräfteengpässe im Mittelpunkt, doch das
greift zu kurz“, sagte KfW-Chefvolkswirt
Jörg Zeuner. Die Entwicklung bietet auch
Wachstumschancen für viele mittelständische Unternehmen, so das Ergebnis der
neuen KfW-Studie.
Tatsächlich komme es zu Verschiebungen beim Konsum: Ältere Haushalte
geben mehr Geld für Gesundheit und
Wohnen aus, aber weniger für Bekleidung
und Mobilität. Zugleich steige der Bevölkerungsanteil Älterer Jahr für Jahr. Sie seien
zudem kaufkräftiger als frühere Generationen. „So ist der Anstieg der privaten Konsumausgaben während der letzten zehn
Jahre fast vollständig auf die älteren Haushalte zurückzuführen“, so die Studie.
Jedes fünfte Unternehmen rechne
demnach angesichts des Wandels mit Umsatzsteigerungen, nur jedes zehnte mit
Einbußen. Während in der Industrie die
Pessimisten überwiegen, ist die Zuversicht
bei den Dienstleistern besonders groß. Die
Unternehmen, die mit sinkender Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen rechnen, müssten rasch handeln,
rät die Förderbank.
Seien Kunden und Umsatz erst einmal
verloren, sei der Rückstand schwer wettzumachen. Schon heute gingen immerhin
20 Prozent des Investitionswachstums
im Mittelstand auf Anpassungen an den
demografiebedingt veränderten Konsum
zurück. „Die demografische Entwicklung
setzt aktuell Investitionsimpulse von fast
drei Milliarden Euro jährlich“, sagte Zeuner.
„Die spezifische Konsumstruktur
älterer Haushalte bekommt gesamtwirtschaftlich mehr und mehr Gewicht. Im
Zuge der Bevölkerungsalterung steigt
schon seit Jahren der Anteil Älterer. Die
Alterung wird sich in Kürze merklich beschleunigen, denn die etwa 20 Millionen
Baby-Boomer erreichen im Lauf der kommenden 15–20 Jahre das Ruhestandsalter.
Aktuell haben 36 Prozent der Privathaushalte einen mindestens 60 Jahre alten
Haushaltsvorstand, im Jahr 2030 werden
es ca. 44 Prozent sein.“
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ze erwirtschaftete die Branche auf dem
heimischen Markt. In Europa waren es
24 Prozent. In den kommenden Jahren ist
vor allem aus China eine steigende Nachfrage zu erwarten. Die Industrie des Landes steht vor einem Wechsel. Automation
wird immer bedeutender – auch im Zuge
der geplanten Wirtschaftsreformen.
Weltweit wurden zwischen 2010 und 2015
etwa 1,1 Millionen neue Industrieroboter
installiert. Insgesamt wurden 240.000
Roboter im vergangenen Jahr verkauft (8
Prozent), wie aus dem aktuellen Bericht
der International Federation of Robotics
hervorgeht. In den USA stiegen die Verkäufe um 11 Prozent. In China stieg die
Nachfrage nach Industrierobotern am
stärksten: Die Verkäufe erreichten ein
Plus von 16 Prozent. „Trotz allgemeiner
Investitionszurückhaltung baute das
Reich der Mitte mit rund 66.000 Einheiten inklusive chinesischer Hersteller seine Position als Nachfragemarkt Nummer
Eins überdurchschnittlich aus“, so die IFR.
In Europa lagen die Verkaufszahlen bei
knapp 50.000.
„Im Zeitalter der Industrie 4.0 spielt die
Automobilbranche eine führende Rolle,
um mit neuester Robotertechnik die direkte
Mensch-Maschine-Kollaboration
zu verwirklichen“, sagt Stefan Lampa
von der KUKA Roboter GmbH. Darüber
10. Juni 2016
Quelle: VDMA Robotik + Automation
hinaus steige die Nachfrage nach Automatisierung in neuen Marktfeldern, in
denen diese Lösungen bisher eine geringere Rolle gespielt haben. „Ein besonders
wichtiger Markt ist hier für uns der Elektroniksektor.“ Die IFR schätzt, dass 2018
weltweit 2,3 Millionen Industrieroboter in
Fabriken arbeiten werden.
Finanzen
Notlage der Lebensversicherer: Der erste Run-off ist eingeleitet
Die Lebensversicherung als eine der wichtigsten Formen der privaten Altersvorsorge befindet sich in einer Krise
D
ie zur Münchner Rück gehörende
ERGO-Versicherung kündigte diese
Woche einen Paukenschlag an. Sie hat
das Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen eingestellt und schickt
die mehr als 6 Millionen bestehenden
Altverträge in einen Run-off. Durch die
Auslagerung will die ERGO einen völligen
Bruch mit einem Neustart verbinden,
der keine klassischen Garantieprodukte
mehr enthält. Es ist zu erwarten, dass diese Maßnahme des Branchenriesen einen
Trend setzt. Für einen bedeutenden Teil
der Versicherten wie für die Versicherung
selbst schafft dies aber auch enorme Unsicherheit und kann das Ende der Lebensversicherung als Branche bedeuten.
Die angekündigte Restrukturierung
der ERGO ist ein breit basierter, radikaler Umbau, der über die Lebensversicherungs-Sparte hinausgeht. Wichtige Themen sind Digitalisierung, vereinfachte
Plattformen, drastische Kostensenkung
inklusive Personalabbau hauptsächlich
im Vertrieb und Veränderung des Ver-
Struktur von Versicherungsleistungen der deutschen Lebensversicherer 2014.
triebsmodells durch die Forcierung des
Direktvertriebs. Auch dies sind Themen
der gesamten Versicherungswirtschaft.
ERGO ist insofern ein Trendsetter, als die
Gesellschaft auch international wachsen
will und von der Markt- und Branchenkenntnis sowie von der Finanzkraft der
Muttergesellschaft profitiert.
Die ERGO trennt das Geschäft mit
den Altbeständen auch organisatorisch
Quelle: GDV
vom Neugeschäft. Das Neugeschäft wird
in ERGO Vorsorge betrieben und soll
eine neue Distributionsstruktur erhalten. Dieses Neugeschäft enthält keine
klassischen Garantieprodukte mehr.
Forciert werden sollen fondsgebundene und kapitalmarktnahe Policen, bei
denen der Kunde das Investitionsrisiko
trägt, sowie reine Risikopolicen (Invalidität, Todesfall). Die Altbestände von ERGO
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Stornoquote der deutschen Lebensversicherer im Zeitablauf.
Leben, VICTORIA Leben und ERGO Pensionskasse werden in eine separate Gesellschaft übertragen. Angedacht ist, dass
diese Gesellschaft auch als Plattform
dient, um zukünftige Run-off-Portfolios
weiterer Versicherungsgesellschaften zu
übernehmen und zu verwalten. Die zentrale Verwaltung und Abwicklung sehr
großer Portfolios soll Kostenersparnis
bringen.
Die Lebensversicherung als wichtigste Form der privaten Altersvorsorge
in Deutschland steckt in einer existentiellen Krise. Sie ist von einer fundamentalen, präzedenzlosen Unsicherheit
belastet. Grund sind einerseits die Nullund Negativzinsen der EZB sowie deren
Staatsanleihenkäufe. Die EZB-Politik hat
zu einer historisch einzigartigen Absenkung der Zinsen über die ganze Kurve
hinweg bis ans lange Ende geführt. Andere Kräfte, vor allem die Solvenz II-Bestimmungen, verstärken diesen Effekt
noch.
Die Lebensversicherung in Deutschland ist aus drei verschiedenen Grün-
Quelle: Statista
den besonders exponiert. Sie hat, wie
fast überall in Kontinentaleuropa, einen
nur geringen Teil von fondsgebundenen
Policen. Sie ist also hauptsächlich mit
Garantien belastet, die mit Eigenkapital
unterlegt werden müssen – dies im Unterschied etwa zu den angelsächsischen
Ländern. Dann ist die Lebensversicherung in Deutschland seit Beginn der
2000er Jahre hauptsächlich eine Versicherung mit laufenden Renten. Sie hat
dadurch viel längere Laufzeiten als reine
Kapitalversicherungen. Das erhöht ihre
Verpflichtungen und erfordert viel zusätzliches Eigenkapital.
Der hohe Anteil laufender Renten
führt im Übrigen zu einem besonders
ausgeprägten Ungleichgewicht der Laufzeit und Zinsempfindlichkeit von Anlagen und Verpflichtungen in der Bilanz
zu Marktwerten (engl. duration gap).
Bei einem anhaltenden Zinsfall sind
Versicherer mit großer Durationslücke
besonders negativ betroffen. Der hohe
Anteil von Verträgen mit laufenden
Renten ist eine Folge der damals einge-
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leiteten steuerlichen Begünstigung.
Schließlich ist die Lebensversicherung
in Deutschland seit 2011 mit niedrigeren Kapitalmarktrenditen konfrontiert
als das europäische Ausland. Die Jahre
mit extrem hohen Renditen in den Peripherieländern haben dort den Anlagenotstand erst viel später ausgelöst.
Die Projektion der Zukunftserträge
und -verpflichtungen der Lebensversicherer im Garantiegeschäft kann mit
den klassischen Methoden nicht mehr
gemacht werden. Dadurch ist die Lebensversicherung in einer fundamentalen
Unsicherheit. Der Run-off der Altbestände und die Aufgabe der Garantieprodukte im Neugeschäft eines finanzstarken und großen Erstversicherers zeigen
drastisch die Notlage und Verzweiflung.
Andere Versicherer werden ohne Zweifel
folgen. Denn der Ausweg über Fondspolicen und kapitalmarktnahe Produkte
ist keineswegs eine sichere Sache. Sie
erfolgt zum falschen Zeitpunkt (Nulloder Negativzinsen) und ist mit hohen
Reputationsrisiken aus dem Altbestand
belastet. Die Lebensversicherung in
Deutschland als Branche steht vor dem
Überlebenskampf und könnte zusätzlich mit Banken und unabhängigen Anbietern in Wettbewerb geraten.
Die Probleme der Lebensversicherung sind nicht einfach die Strukturkrise einer Problembranche. Die Lebensversicherung ist die dominierende Form
privater Vorsorge, weil in Deutschland
Pensionskassen im internationalen Vergleich wenig verbreitet sind.
Innovation
Solarstraßen sollen Strom für deutsche E-Autos liefern
Forscher entwickeln einen Straßenbelag, der nicht nur Solar-Energie liefert, sondern Schadstoffe aus der Luft filtern kann
D
eutsche Forscher an der RWTH Aachen haben eigene Solarstraßen entwickelt. Die in den Straßenbelag eingebaute Photovoltaik liefert nicht nur Energie,
sondern soll zusätzlich noch Schadstoffe
aus der Luft filtern. Den Forschern zufolge
könnte die Nutzung der rund 1,4 Milliarden Quadratmeter „horizontalen Flächen“
für die Solarenergie in Deutschland genug
Strom für 20 Millionen E-Fahrzeuge liefern, so Ingenieur Lukas Renken vom Team
der RWTH Aachen.
Solar-Module gibt es derzeit in
Deutschland nur für Dächer und Fassaden, nicht jedoch für waagerechte
Flächen wie Straßen, die potentiell jedoch viel mehr Fläche bieten als Dächer.
Würden nur 15 Prozent der Straßen mit
den Solarmodulen ausgestattet und für
Energieerzeugung genutzt, bräuchte
Deutschland den Entwicklern zufolge
kein einziges Atomkraftwerk mehr.
Die etwa fünf bis sechs Millimeter
dicken Solar-Module sind aus bruchsicherem und rutschfestem Spezialglas
und können wie ein Fliesenteppich
zusammengesetzt und einzeln ausgetauscht werden. Allerdings sind die
Forscher noch in der Testphase: In den
nächsten zwei Jahren werden die technischen und wirtschaftlichen Risiken
befahrbarer Solar-Module erforscht, eine
erste Testfläche entsteht dazu in Berlin.
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So müssen sie zum Beispiel eine mechanische Belastbarkeit von bis zu 11,5 Tonnen Achsenlast haben, um auch LKWs
tragen zu können.
Hierzu könnten die Forscher nach
Frankreich schauen, wo die Konkurrenz
bereits einen ähnlichen Belag zur Marktreife gebracht hat, der auch schwere
Transporter tragen kann. Frankreichs Regierung will in den nächsten fünf Jahren
rund 1000 Kilometer Straßen mit Solarzellen ausstatten. Diese sollen Strom für
fünf Millionen Franzosen liefern, bezahlt
werden soll die neue Energie mit Steuern
auf Erdöl.
Auch die Aachener Forscher werden staatlich gefördert, denn mit dem
Projekt wollen die Wissenschaftler auch
das wachsende Strombedarfs-Problem
angehen, dass durch die Energiewende
und die geplante Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroautos
bevorsteht. Denn der Ausstieg aus der
Atomkraft macht alternative Stromquellen unverzichtbar. Zudem steigert die
zunehmende Elektromobilität den Verbrauch.
Durch die Solarmodule könnten sich
die Straßen quasi selbst finanzieren: Die
lokalen Versorger können auf regenerative Alternativen umstellen und langfristig die Kosten für die Straßenerhaltung
refinanzieren, so Donald Müller, Judex
vom RWTH Forschungspartner Solmove GmbH. Der Energieaufwand für die
Produktion der Module werde demnach
in drei Jahren ausgeglichen. Das System
soll zudem mit einer Lebensdauer von 25
Jahren länger halten als konventioneller
Asphalt, der in der Regel nach 20 Jahren
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Die Wissenschaftler um Professor Markus Oeser wollen Photovoltaikzellen in die Oberfläche von Straßen
integrieren.
Foto: RWTH Aachen University/Peter Winandy
grundsaniert werden muss.
Doch die Forscher haben den Bodenbelag nicht nur zur Energiegewinnung entwickelt, sondern gleich noch
mit einem weiteren klimafreundlichen
Feature ausgestattet: Die besondere
Oberfläche führt zu photokatalytischen
Effekten, baut Stickstoff ab und kann
zur Luftreinhaltung beitragen, so Lukas
Renken. An warmen Sommertagen kann
Stickstoffdioxid zu Stickstoffmonoxid
zerfallen und mit dem Luftsauerstoff bodennahes, schädliches Ozon bilden. Über
40 Prozent dieser Emissionen verursacht
der Straßenverkehr.
Damit nicht genug: Die Fahrbahnen
sollen zudem selbstreinigende Eigenschaften erhalten, damit möglichst we-
nig Schmutz das Sonnenlicht von den
Solarzellen abhält. Eine akustisch optimierte Struktur macht die Solarstraßen
zudem besonders leise und reduziert
den Straßenlärm erheblich.
Zu guter Letzt haben die Ingenieure
eine denkbar bequeme Art der Energieübertragung geplant: Dank Induktionsschleifen versorgen die PhotovoltaikFahrbahnen die Autos während der Fahrt
drahtlos mit Energie. Auch Ampelsysteme werden über die Module mit Energie
versorgt, ebenso wie in den Seitenstreifen integrierte LED-Lampen zur Straßenbeleuchtung. Sollte dann noch Energie
übrig bleiben, haben die Entwickler auch
an Systeme gedacht, die die überschüssige Energie zwischenspeichern.
Innovation
Bergbau 4.0: Volvo testet fahrerlose LKWs unter Tage
Die schwedischen Autobauer Volvo und Saab haben eine fahrerlose LKW-Flotte für den Bergbau entwickelt
W
ährend die Konkurrenz an autonomen Autos für den Straßenverkehr
arbeitet, haben Volvo und Saab einen einfacheren und lukrativeren Markt für die
Technologie erschlossen: Sie haben eine
funktionsfähige fahrerlose LKW-Flotte für
die Bergbau-Industrie entwickelt. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit der schwedischen Autobauer, wobei Saabs Tochterfir-
ma Combitech die Software-Technologie
für die LKWs mitentwickelt hat.
Die autonomen Lastwagen navigieren selbstständig durch unterirdische
Minen und transportieren die Rohstoffe
in vernetzen Fahrzeug-Flotten ab. Die Lösung soll die Minen-Industrie „revolutionieren“, formuliert der Konzern in einer
Mitteilung. Die Produktivität, Sprit-Effi-
zienz und Sicherheit soll dadurch erhöht
werden, dass die Fahrer durch Software
ersetzt werden.
Die Trucks navigieren sowohl über als
auch unter Tage absolut selbstständig. Sie
nutzen dazu Sensoren und GPS-Technologie, um ihre Umgebung ununterbrochen
abzutasten, feste und bewegliche Hindernisse zu erfassen und zu umfahren sowie
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Daten zu sammeln, um die Route und die
Transportsicherheit weiter zu verbessern.
Letztlich ist es dieses gesamte automatisierte Transportnetz, das Volvo an die
Industrie verkaufen will – weniger ein einzelnes Fahrzeug.
Der Einsatz autonomer FahrzeugTechnologie in der Industrie bietet eine
Reihe von Vorteilen gegenüber dem Einsatz als Privatauto etwa in Städten. Derzeit
konkurrieren Google, Tesla und viele große Autobauer auf diesem Gebiet. Einerseits fällt auf Industrie-Geländen natürlich der Verkehr weg – die Komplexität ist
deutlich reduziert. Ohne Ampeln, Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer kann
die Technik weit schneller implementiert
werden, ohne ein größeres Sicherheitsrisiko darzustellen. Dadurch ist der industrielle Einsatz ein lukratives Geschäftsfeld
für Volvo, das leichter zu erreichen und
weniger hart umkämpft ist als der Einsatz
in Städten.
Volvo ist allerdings längst nicht der
erste Hersteller autonomer LKWs: Daimler etwa hat bereits fahrerlose LKWs auf
den Straßen. Jüngst fand sogar eine Truck
Platoon Challenge durch Europa statt, bei
der verschiedene LKW-Flotten gegeneinander antraten.
Die LKW-Flotten sollen den Unter-
nehmen finanzielle Vorteile bringen: Die
Fahrzeuge bewegen sich in einem Verband fort und kommunizieren miteinander. Dadurch können sie mit weniger
Abstand hintereinander fahren, das Tempo für die Flotte präzise kalkulieren und
dadurch allein rund 15 Prozent Sprit sparen, so eine aktuelle Studie der niederländischen Verkehrsbehörde TNO.
Die eingesparten Lohnkosten für den
Fahrer dürften gerade in der umkämpften
Rohstoffbranche ein weiteres gewichtiges
Argument für den Einsatz der Roboterlaster sein. Eine Automatisierung würde
somit auch den Jobverlust für tausende
Minenarbeiter bedeuten, die oft in Regionen arbeiten, wo es kaum alternative Arbeitsplätze gibt.
Andererseits gehören die Berufe des
Minenarbeiters sowie des Fernfahrers laut
Statistik zu den stark gesundheitsgefährdend Berufen, weswegen ein Ersatz der
anstrengenden Tätigkeiten durch Maschinen für viele eine willkommene Entwicklung darstellt: Fernfahrer sind belastet
durch unregelmäßige Arbeitszeiten, monotone Tätigkeiten, wenig Zugang zu gesunder Ernährung, Schlaf und Bewegung,
Stress und haben Statistiken zufolge ein
erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder
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Die Minen-Industrie bietet einen lukrativen Markt für
autonome LKW-Technologie.
Foto: Screenshot
Übergewicht. Der Bergbau ist ohnehin traditionell eine der härtesten Branchen für
menschliche Arbeiter. Minenunglücke bedeuten oft den Tod für hunderte Arbeiter.
In Australien wurde die Entwicklung
daher bei der Einweihung eines der ersten Projekte mit automatisierten LKWs
im Bergbau daher eher positiv aufgenommen: „Wir bewegen uns von primitiven zu fortgeschrittenen Arbeiten“, so
Eisenbergbau-Experte Philip Kirchlechner im vergangenen Jahr, nachdem lokale
Bergbauunternehmen in Australien etwa
30 Roboter-LKWs an zwei Standorten eingesetzt haben: „Indem man diese banalen,
oft gefährlichen Arbeitsplätze beseitigt,
kann man sicherere und anspruchsvollere
Jobs schaffen.“
Wirtschaft
Euro-Rettung treibt Griechenland in die nächste Rezession
Griechenland wehrt sich gegen Forderungen internationaler Gläubiger. Insbesondere der Verkauf von Krediten ist umstritten
Griechenland kann Insidern zufolge
einige der Zusatz-Forderungen der internationalen Geldgeber nicht umsetzen.
Dies habe Finanzminister Euclid Tsakalotos vergangene Woche in einem Brief an
seine europäischen Partner und den Internationalen Währungsfonds (IWF) erklärt,
erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters
von drei mit den Verhandlungen vertrauten Personen.
Laut griechischer Zeitung Ta Nea
ging der Brief an EU-Kommissar Pierre
Moscovici, EZB-Direktor Benoit Coeure und IWF-Europa-Chef Poul Thomsen.
Vom Finanzministerium war vorerst keine
Stellungnahme zu erhalten. Offen blieb
zunächst auch, ob das Vorgehen die Auszahlung weiterer Kredittranchen an Grie-
chenland verzögern könnte.
Die Finanzminister der Euro-Zone
und der IWF hatten sich erst vorige Woche
auf weitere Kredite für Griechenland geeinigt. Die Geldgeber und die Regierung in
Athen verständigten sich grundsätzlich
auf die Auszahlung von 10,3 Milliarden
Euro. Einem Insider zufolge drehen sich
die Forderungen um Reformen bei der
Rente. „Wir können keine wesentlichen
Veränderungen machen“, sagte ein Regierungsvertreter zu Reuters. „Aber wir
werden die technischen Verbesserungen
angehen, die diskutiert wurden. Einige von
ihnen sind richtig.“
Eine Telefonkonferenz zwischen
griechischen Staatsvertretern und Repräsentanten der Gläubiger-Organisationen
endete ohne Ergebnis, die sich ebenfalls
mit den von Athen geforderten Sparmaßnahmen, Privatisierungen und Reformen
befasst hatte, wie die griechische Zeitung
Ekathimerini berichtet.
Dabei ging es in erster Linie um den
geplanten Verkauf ausfallgefährdeter Kredite, die mit Garantien des griechischen
Staates versehen sind, und um die von den
Gläubigern geforderte Einziehung von
bereits geleisteten Zuschusszahlungen
an arme Rentner. Die Regierung in Athen
befürchtet, dass der Verkauf der Kredite
aufgrund der Staatsgarantien zu hohen
Schadensersatzforderungen in der Zukunft führen könnte. Die Rücknahme der
Zuschuss-Zahlungen hingegen würde die
Lage der ohnehin leidenden Bevölkerung
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Premier Tsipras ist wie seine Vorgänger auf das Wohlwollen der Kommission angewiesen. weiter verschlechtern.
Insgesamt verlangt der Internationale Währungsfonds und die EU-Institutionen 15 Änderungen bei den ReformenVorhaben. Wie Ekathimerini schreibt,
soll bis zum kommenden Freitag eine
Einigung erzielt werden. Eine weitere
Telefonkonferenz sei zudem geplant gewesen.
Unterdessen steuert das Land auf die
nächste Rezession zu. Die Wirtschaft des
Krisenstaates schrumpfte zwischen Januar und März um 0,5 Prozent zum Vorquartal und damit stärker als zunächst
angenommen, wie das Statistikamt Elstat mitteilte. Fachleute sprechen von einer Rezession, wenn das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge sinkt. In
sieben der vergangenen acht Jahre war
die Wirtschaft des hoch verschuldeten
Landes geschrumpft. Auch für 2016 erwartet die EU-Kommission ein Minus
von 0,3 Prozent.
Im ersten Quartal bremsten sinkende Exporte die Konjunktur in dem EuroLand. Zudem sank der gesamte Konsum
um 0,5 Prozent. Eine Einigung mit den
Geldgebern könnte ab dem dritten Quartal für Schwung sorgen, sagte EurobankAnalyst Platon Monokroussos.
Bundesfinanzminister
Wolfgang
Schäuble sagte auf einer Konferenz in
Berlin, er sehe Griechenlands Entwicklung trotz aller Schwierigkeiten mit
mehr Hoffnung. Die dortige Arbeitslosigkeit nähere sich einem Wendepunkt.
10. Juni 2016
Foto: EU-Kommission
Schäuble fügte jedoch hinzu: „Kein Land
in Europa hat einen so hohen Anteil an
Steuern, die eigentlich bezahlt werden
müssen, aber nicht erhoben werden.“
Bisher wurden laut einer Studie in
Griechenland so gut wie ausschließlich
die europäischen Banken gerettet, die
sich in Griechenland verspekuliert hatten. In einer nächsten Etappe werden
die europäischen Steuerzahler die Kredite des IWF übernehmen müssen. Die
griechische Bevölkerung hat im Rahmen
dieses staatlich organisierten PonziSchemas so gut wie kein Geld gesehen.
Der Abstieg der Wirtschaft und die entsprechenden sozialen Folgen sind von
kritischen Beobachtern seit langem prognostiziert worden.
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Finanzen
JP Morgan: Diskussion über Brexit ist hysterisch
Neben der Unsicherheit über die Folgen eines Brexits nimmt auch die Unzufriedenheit mit der EU zu
J
P Morgan Asset Management zeigt in einer erfrischend nüchternen Analyse, dass
die Auswirkungen des EU-Austritts von Gegnern und Befürwortern deutlich übertrieben
dargestellt werden. Die Bank rechnet im Übrigen damit, dass die EU-Befürworter knapp
gewinnen werden:
„Wir denken nicht, dass Staatsanleihen
des Vereinigten Königreichs in diesem Szenario unter ernsthaften Druck geraten würden. Jedoch sollten Investoren mit einer signifikanten Schwächung des Sterling, sowie
einem Abschwung von Dividenden und der
Londoner Immobilienpreise rechnen – und
damit, dass das Wirtschaftswachstum und
Zinssätze in den nächsten ein, zwei Jahren
etwas geringer ausfallen werden, als es der
Fall wäre, wenn die Abstimmung zugunsten
des Status quo ausfiele.
Obwohl wir ein Abstimmungsergebnis zugunsten eines Verbleibs in der Europäischen Union (EU) erwarten, ist ein
„Abschieds“-Votum eindeutig eine Möglichkeit und etwas, auf das sich Investoren vorbereiten sollten. Auf lange Sicht sind sowohl
die Kosten, als auch die potentiellen Vorteile
eines Brexits für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs von Kommentatoren und
Befürwortern auf beiden Seiten wahrscheinlich überspitzt dargestellt. Der Übergang
zu neuen Regelungen würde chaotisch und
möglicherweise sehr teuer werden – nicht
nur für das Vereinigte Königreich, sondern
auch für seine engsten Handelspartner.
Wir gehen davon aus, dass diese makroökonomischen Auswirkungen mit der
Zeit nachlassen werden, sobald die Post-EU
Landschaft etwas klarer in Erscheinung tritt.
An diesem Punkt würden mikroökonomische Faktoren übernehmen und Investoren
müssten sehr sorgfältig erwägen, wie einzelne Sektoren und Firmen für das neue Umfeld positioniert sind. Der Sektor der finanziellen Dienstleistungen hat wahrscheinlich
das Meiste zu verlieren, sowie – möglicherweise – auch Bauherren im Vereinigten Kö-
Juncker: Ich habe mein Leben lang an Europa geglaubt. Ich habe meine Gründe dafür. Viele dieser Gründe
sind, wie ich weiß, der heutigen Generation nicht mehr zu erklären, was in gewisser Hinsicht auch ein Glück
ist. Foto: EU-Kommission
nigreich. Produktionsfirmen und inländisch
orientierte
Dienstleistungsunternehmen
könnten auf lange Sicht einige Vorteile sehen oder aber kaum betroffen sein.“
Gleichzeitig dokumentiert derzeit eine
internationale Umfrage eine zunehmend
EU-kritische Stimmung auch in anderen europäischen Staaten. In der veröffentlichten
Erhebung des in Washington ansässigen Pew
Research Center äußerten beispielsweise nur
noch 50 Prozent der befragten Deutschen
eine positive Meinung von der EU, das waren acht Prozentpunkte weniger als noch im
Vorjahr. Das Institut befragte für die Erhebung Bürger in insgesamt zehn EU-Staaten.
In Frankreich sank die Zustimmung zur
EU binnen Jahresfrist sogar um 17 Punkte
auf 38 Prozent. Nur im krisengeplagten Griechenland lag der Zustimmungswert mit 27
Prozent noch niedriger. Höheres Ansehen
genießt die Union bei den neuen Mitgliedern in Osteuropa: In Polen äußerten 72
Prozent eine positive Meinung, in Ungarn 61
Prozent.
In Großbritannien, wo die Bürger Ende
Juni über einen Verbleib in der EU abstimmen, äußerten sich in der Pew-Befragung 48
Prozent negativ über die Union und 44 Prozent positiv.
Für den Ansehensverlust sind offenbar die Unzufriedenheit über den Umgang
mit der Flüchtlingskrise und mit der Wirtschafts- und Währungskrise verantwortlich.
Unzufrieden mit der EU-Wirtschaftspolitik
zeigten sich 65 Prozent der Spanier, 66 Prozent der Franzosen, 68 Prozent der Italiener
und 92 Prozent der Griechen. In Deutschland äußerten nur 38 Prozent ihr Missfallen.
Nicht einverstanden mit dem EU-Krisenmanagement angesichts des Flüchtlingszuzugs zeigten sich 67 Prozent der befragten Deutschen, 77 Prozent der Italiener, 88
Prozent der Schweden und 94 Prozent der
Griechen. Den zehn Ländern, in denen die
Befragung stattfand, war gemein, dass sich
jüngere und eher linksorientierte Befragte
tendenziell positiver über die EU äußerten
als ältere und rechtsorientierte.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform
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