Islamisten unterstützen Kampf gegen Nachrichtendienstgesetz

Freitag, 10. Juni 2016 / Nr. 132
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NACHRICHTEN
Ständerat beharrt
auf Bedingung
KROATIEN-PROTOKOLL sda. Die
Personenfreizügigkeit darf nur
unter einer Bedingung auf Kroatien ausgedehnt werden. Darauf
beharrt die Aussenpolitische Kommission des Ständerats. Sie schlägt
aber eine neue Formulierung vor.
Der Ständerat hatte beschlossen,
dass der Bundesrat das Zusatzprotokoll nur ratifizieren darf, wenn
mit der EU eine mit der Verfassung vereinbare Regelung zur
Steuerung der Zuwanderung vorliegt. Der Nationalrat lehnte die
Bedingung als überflüssig ab. Seine Kommission hatte jedoch ebenfalls eine Bedingung formuliert.
Darin bezog sie sich nicht auf die
Verfassung, sondern auf die
schweizerische Rechtsordnung.
Stromversorgung
ist gesichert
ENERGIE sda. Die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz ist
gut und mittelfristig gewährleistet.
Zu diesem Schluss kommt die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom). Die Abhängigkeit
vom Stromimport könne in Kombination mit weiteren Faktoren
aber zu kritischen Situationen führen, wie die angespannte Lage im
letzten Winter gezeigt habe. Im
Dezember hatte die Stromnetzbetreiberin Swissgrid vor EnergieEngpässen im Winter gewarnt.
Gründe waren unter anderem der
Ausfall der Atomkraftwerke Beznau
1 und 2 und tiefe Pegel bei Flüssen und Speicherseen. Die ElCom
kommt zum Schluss, dass «auf Gesetzesebene kein akuter Handlungsbedarf besteht».
Wölfe: Erfolg
für den WWF
GRAUBÜNDEN sda. Die befristete
Bewilligung zum Abschuss von
zwei Jungwölfen des Calanda-Rudels im letzten Winter war laut
dem Bündner Verwaltungsgericht
nicht verhältnismässig. Die Richter
hiessen eine Beschwerde des WWF
gegen die Abschussverordnung
teilweise gut. Der Abschuss sei bewilligt worden, ohne dass zuvor
mildere Massnahmen durchgeführt
worden seien, teilte das Verwaltungsgericht mit. Die Behörden
hätten nicht hinreichend klar dargelegt, weshalb sie die Wölfe nicht
besendert und keine Vergrämungsaktionen durchgeführt hätten. Die
Erlaubnis habe somit den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt.
Teilzeitarbeit
als Vorsorgefalle
PENSION sda. Viele Menschen in der
Schweiz arbeiten Teilzeit. Vielen dürfte aber nicht bewusst sein, wie stark
ein Teilzeit-Engagement ihre Altersvorsorge schmälert. Die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten fordert deshalb eine
bessere Information darüber. Die
Konferenz empfiehlt Frauen und Männern grundsätzlich, ihr Pensum nicht
auf unter 70 Prozent fallen zu lassen.
Wer längere Zeit weniger als 50 Prozent arbeitet, läuft demnach Gefahr,
nach der Pensionierung mit dem Existenzminimum (3100 Franken für eine
Einzelperson) auskommen zu müssen
– oder stark vom Partner oder der
Partnerin abhängig zu sein. Eine
Scheidung erhöhe das Risiko noch.
Vorsorgesystem vergisst nichts
Ihren Befund stützt die Konferenz
auf eine von ihr in Auftrag gegebene
Studie, die sie gestern in Bern präsentierte. Grundsätzlich vergesse das
Schweizer Altersvorsorgesystem
nichts, lautet die Hauptbotschaft der
Konferenz. Wer sein Arbeitspensum
senke, werde dies im Alter im Portemonnaie spüren. Über die Konsequenzen eines tieferen Pensums sollten Erwerbstätige deshalb transparent
informiert werden.
Schweiz
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Islamisten unterstützen Kampf
gegen Nachrichtendienstgesetz
ABSTIMMUNG Mehr
Befugnisse für Staatsschützer:
Dagegen wehrt sich ein
links-grünes Bündnis mittels
Referendum. Im gleichen
Boot rudert ein ungebetener
Verbündeter.
KARI KÄLIN
[email protected]
Telefone abhören, Privaträume verwanzen, in Computer eindringen: Damit
soll der Nachrichtendienst des Bundes
Gefahren wie Terrorismus, Spionage
oder Verbreitung von Massenvernichtungswaffen besser bekämpfen können.
Am kommenden Montag eröffnet Verteidigungsminister Guy Parmelin (SVP)
den Abstimmungskampf für das neue
Nachrichtendienstgesetz (NDG), nachdem das links-grüne «Bündnis gegen
den Schnüffelstaat» erfolgreich das Referendum dagegen ergriffen hat. Es sei
ein Frontalangriff auf Demokratie und
Freiheit, man schaffe erneut ein «Daten
sammelndes Monster», moniert etwa
Juso-Präsident Fabian Molina. Im Bündnis machen unter anderem auch die SP
und die Grünen mit. Die Abstimmung
findet am 25. September statt.
«Pragmatische Islamisten»
Bei der Unterschriftensammlung mitgeholfen hat auch ein Verein, der wegen
seiner extremistischen Ansichten selber
schon ins Visier der Staatsschützer geraten ist: der Islamische Zentralrat
Schweiz (IZRS). Auf seiner Facebookseite warnte dieser, der NDB könne dank
dem neuen Gesetz künftig auch Moscheen abhören. Mediensprecher Qaasim Illi rief dazu auf, den aufgeschalteten Referendumsbogen auszudrucken
und zu unterschreiben. Wie viele Unterschriften die «pragmatischen Islamisten»
(Selbstbeschreibung von IZRS-Präsident
Nicolas Blancho) beigesteuert haben,
weiss der IZRS nicht. «Diesbezüglich
liegen uns keine verlässlichen Zahlen
vor», sagt die stellvertretende IZRSSprecherin Janina Rashidi. Im NDG
Auch der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) wehrt sich gegen das Nachrichtendienstgesetz.
Im Bild: Nicolas Blancho vom IZRS bei einer Kundgebung gegen Islamophobie in Freiburg.
Keystone/Peter Schneider
wittert sie vor allem ein Vehikel gegen
Muslime. Je nach politischem Klima
könnten ihrer Meinung nach künftig
auch andere Gruppen in den Fokus des
Nachrichtendienstes geraten.
Strafverfahren gegen IZRS-Mitglied
Der IZRS ist alles andere als ein salonfähiger Allianzpartner für einen politischen Kampf. Leute aus seinen Reihen
haben auch schon Terroristen mit Verbindungen zur el Kaida verherrlicht.
Gegen Vorstandsmitglied Naim Cherni
hat die Bundesanwaltschaft vor wenigen
Monaten ein Strafverfahren wegen Propaganda für Terrorgruppen eröffnet. Die
Unterstützung aus der islamistischen
Ecke kommt den NDG-Gegnern denn
auch ungelegen. «Das hilft uns nicht»,
sagt SP-Sprecher Michael Sorg. In einer
direkten Demokratie könne man es aber
niemandem verbieten, sich in eine Debatte einzuschalten. Von einem Verbündeten mag er nicht sprechen.
«Wir hatten mit dem IZRS nie Kontakt
und werden mit diesen Extremisten
auch keinen haben, weder im Zusammenhang mit dem Referendum gegen
das Nachrichtendienstgesetz noch
sonst», sagt er.
Glanzmann fühlt sich bestätigt
Die Luzerner Sicherheitspolitikerin
Ida Glanzmann fühlt sich derweil in
ihrem Engagement für das NDG bestätigt. «Es ist bezeichnend, dass ein
Verein wie der IZRS, der selber im Fokus
des NDB stehen könnte, gegen das neue
Gesetz weibelt», sagt die Luzerner CVPNationalrätin. Eine neue Fichenaffäre
befürchtet sie nicht. «Dagegen haben
Bundesrat und Parlament solide Schranken eingebaut.» In der Tat dürfen die
Staatsschützer Überwachungsaktionen
wie Telefonabhören und dergleichen nur
mit dem Segen des Bundesrats und des
Bundesverwaltungsgerichts starten. In
der Botschaft zum Gesetz ging der
Bundesrat davon aus, dass er jährlich
rund zehnmal zu solchen Massnahmen
greifen müsse. Mittlerweile dürfte diese
Zahl angesichts der Dschihad-Rückkehrer zu tief gegriffen sein.
Immerhin: Ein bisschen können die
NDG-Gegner aufatmen. Der IZRS wird
sich aus dem Abstimmungskampf heraushalten, wie Sprecherin Rashidi sagt.
Ständerat greift in die Trickkiste
STEUERN Zwischen Nationalrat und Ständerat herrscht bei
den Unternehmenssteuern in
zwei Punkten Uneinigkeit. Die
Kleine Kammer will sich auf
spezielle Weise durchsetzen.
sda. Bei der Unternehmenssteuerreform III hat sich der Ständerat für den
Showdown in Stellung gebracht. Er liess
zwei Differenzen zum Nationalrat stehen. Doch die Kleine Kammer gewinnt,
selbst wenn sie diese Positionen in der
Einigungskonferenz aufgeben muss.
Einerseits geht es um den Anteil der
Kantone an der direkten Bundessteuer.
Der Ständerat beharrt darauf, diesen im
Zug der Unternehmenssteuerreform III
von 17 Prozent auf 21,2 Prozent zu erhöhen. Der Nationalrat will ihnen bisher
nur 20,5 Prozent zugestehen, also rund
150 Millionen Franken weniger.
Andererseits ist die Einführung einer
zinsbereinigten Gewinnsteuer umstritten. Es handelt sich um den Abzug eines
fiktiven Zinses auf hohem Eigenkapital,
von welchem insbesondere Holdingund Domizilgesellschaften profitieren.
Sorge um Steuerausfälle
Wegen der hohen Steuerausfälle wollte der Ständerat bisher nichts davon
wissen. Nur mit einer Gegenfinanzierung wäre die zinsbereinigte Gewinnsteuer für die Kleine Kammer denkbar.
Im Rahmen eines Kompromisses hatte
ihre Wirtschaftskommission (WAK) da-
her vorgeschlagen, das Thema Teilbesteuerung von Dividenden noch einmal
aufs Tapet zu bringen.
Verknüpfung der Anliegen
Die Nationalratskommission jedoch
verweigerte sich der Diskussion. Diese
Abfuhr hat der Ständerat schlecht aufgenommen. Wohl darum scheute er
sich nicht, in die Trickkiste zu greifen:
Mit 22 zu 20 Stimmen bei 2 Enthaltungen stimmte er gestern der zinsbereinigten Gewinnsteuer zwar zu. Diese
sollen aber nur jene Kantone einführen
dürfen, die Dividenden auf Beteiligungen über 10 Prozent zu mindestens 60
Prozent besteuern.
Mit dieser Bedingung wird das wichtigste Anliegen des Nationalrats mit der
zentralen Forderung des Ständerats verknüpft. Die Befürworter der unorthodoxen Lösung beriefen sich auf die Kantone. Diese unterstützen die zinsbereinigte Gewinnsteuer, sofern es eine
Gegenfinanzierung gibt. Der ehemalige
Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin
(CVP) sprach von einem «Gesamtpaket»,
das es zu schnüren gelte.
Anstand geritzt
Die SP und ein Teil von FDP und
CVP setzten sich vehement gegen die
Verknüpfung ein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ruedi Noser
(FDP, Zürich) befürwortete den Zinsabzug. Dieser hat seiner Ansicht nach
aber keinen inhaltlichen Zusammenhang mit der Dividendenbesteuerung.
Seine Parteikollegin Karin Keller-Sutter
(St. Gallen) meldete ebenfalls Bedenken an. Unter dieser Bedingung könn-
ten es sich wohl kaum alle Kantone Zu viel steht auf dem Spiel: Die Unterleisten, die zinsbereinigte Gewinn- nehmenssteuerreform III ist nötig, weil
steuer einzuführen, sagte sie. Es gab die Schweiz die Steuerprivilegien für
auch Zweifel, ob die bereits abgelehn- ausländische Unternehmen unter interte Teilbesteuerung von Dividenden nationalem Druck aufgeben muss. Dieohne Rückkommen überhaupt wieder se hoch mobilen Unternehmen tragen
aufs Tapet gebracht werden darf. Das jedoch einen bedeutenden Anteil an die
Vorgehen war jedoch von der Verwal- Steuereinnahmen von Bund und Kantung abgesegnet worden. Zumindest tonen bei.
der Anstand werde damit aber geritzt,
sagte Noser. Christian Levrat (SP, Fri- Referendum der Linken
bourg) sprach sogar von einem «krasDie Linke hat die Steuerregimes seit
sen Verstoss gegen das Parlaments- jeher bekämpft, gegen die Unternehgesetz». Anders als
menssteuerreform III
in ihrer aktuellen Gedie FDP-Vertreter
lehnte er den Zinsstalt will sie mit dem
abzug aber ohnehin
Referendum vorgehen. Die Hände in
ab. Auch Anita Fetz
den Schoss legen und
(SP, Basel-Stadt) sah
keinen Grund, die
zuschauen, wie die
Diskussion noch einUnternehmen
in
mal neu aufzurollen.
steuergünstigere GeNun muss sich der
filde abwandern, will
Nationalrat mit dem
die SP aber nicht.
Paket auseinanderDie Vorlage zielt
«Das ist ein krasser
setzen. Ein Einlenken
darauf
ab, mit dem
Verstoss gegen das
ist nicht zu erwarten,
höheren KantonsanParlamentsgesetz.»
daher dürfte die Vorteil an der Bundeslage in die Einigungssteuer die VoraussetC H R I ST I A N L E V R AT,
konferenz kommen.
zungen für SteuerSTÄ N D E R AT ( S P, F R I B O U R G )
Üblicherweise müssenkungen auf breiter
Front zu schaffen.
sen dabei beide Räte
etwas nachgeben. Doch selbst wenn der Daneben werden international akzepStänderat alle seine Positionen preis- tierte Vergünstigungen eingeführt. Dazu
geben müsste, würde er als Sieger vom gehören die Patentbox für Erträge aus
Feld gehen. Es ist daher wahrscheinlich, Immaterialgüterrechten, die Tonnage
dass der Nationalrat den Einsatz für Tax für Schifffahrtsunternehmen oder
dieses letzte Gefecht noch einmal deut- die Abzüge für Forschung und Entwicklung über die tatsächlichen Kosten hilich erhöht.
Dass gar keine Einigung zu Stande naus. Darüber haben sich die Räte inkommt, ist hingegen nicht zu erwarten. zwischen geeinigt.