Nachbetrachtung 1. Tag - THEATER FRANKFURT / Theater im

Ein wunderbarer erster Abend im Theater Frankfurt
Mit einem neuen Konzept startete das Theater Frankfurt
in die 26. Theatertage. Neben Kindern und Jugendlichen,
nehmen an diesen Theatertagen auch ältere
Schauspielakteure teil und vermehrt Gäste aus dem Ausland,
wie aus Italien, Litauen, Weißrussland, Polen und der Ukraine.
Unter dem Motto „Integration ist die Basis der Zukunft“ bieten die Theatertage
Theater von und für Kinder und Jugendliche, sowie altersübergreifendes Theater.
Eine integrative Mischung, die zum Staunen, Diskutieren und Verweilen
anhalten soll.
Am ersten Tag ist dieses Unterfangen wunderbar gelungen. Nach den einführenden
Worten von Christina Hohmuth und der inzwischen schon traditionellen
Eröffnungsrede durch den Kulturdezernenten Markus Derling begann das spannende
Programm.
Junge Schauspieler vom Karl-Liebknecht Gymnasium spielten Auszüge aus
Hofmannsthals "Jedermann" und fügten eigene Texte hinzu.
Das Publikum hatte große Freude daran, ihnen zuzusehen und zuzuhören.
Mit einfachen Mitteln gelang es dem jungen Ensemble seine Zuschauer zu fesseln,
zum Nachdenken und Schmunzeln anzuregen. Die Kostüme waren einfach gehalten,
JEDERMANN in einem mit Goldtaler bestickten Mantel gehüllt. Gott, Glaube, Teufel,
Tod und die Werke unterschieden sich durch Farben und unaufdringliche Symbolen.
Der Nachbar und die Familie in Alltagskleidung gaben den ständig wechselnden
Bildern jene Farbtupfer, die dem Stück eine große Lebendigkeit verlieh.
Angenehm die Livemusik, die durch das Stück führte, ohne dramaturgische
Höhepunkte setzen zu wollen. Wunderschön auch der herrlich ironische Song über
das narzisstische Schüler-Dasein und der Monolog über den „nicht neidischen
Schüler“.
Dass ein Clown durch die Geschichte führt, gibt Hofmannsthals philosophischen
Anspruch jene Parodie, die den Originaltext erträglich macht.
Mit dem Lied "Das Kind in uns" begann das Stück "Ich will mein Leben zurück",
welches sich mit dem Leben von psychisch Beeinträchtigten befasst.
Wenn sich Theater mit dem Ziel aufmacht, Spuren hinterlassen zu wollen, dann wird
es meistens peinlich. In dieser Inszenierung ist es ganz und gar nicht so.
Fast benommen ging ich nach Hause. Man hatte mich teilhaben lassen,
teilhaben an einer mir fremden, scheinbar in sich geschlossenen Welt.
Jede Szene eine Offenbarung, ein Hinterfragen, ein Kokettieren mit sich und der
Hilflosigkeit eines sozialen Systems, welches es doch eigentlich nur gut meint und
dennoch längst regressive Züge angenommen hat.
Der soziale Apparat scheint längst erstarrt, so wie eine psychische Krankheit den
Menschen erstarren lässt, wenn dieser sich nicht fordert bzw. nicht gefordert wird.
Die Schauspielgruppe entscheidet sich für einfache Spielelemente, spielt teilweise
zwischen den Zuschauern, wechselt zwischen chorischen Szenen und
abgeschlossen Spieletüden, die den Alltag eines psychisch Beeinträchtigten
beleuchten. Da haben wir die Sprechstunde die ausfällt, die Geburtstagsparty mit
den Gästen, die erst durch übergroße Tabletten verschwinden, den Betreuten, der
nachfragt, wofür der Betreuer denn nun eigentlich Geld bekommt, die therapeutische
Sitzung, die genau so spontan abbricht wie sie begonnen hat, den Patienten, der nur
in seiner Ärztin das Gute sieht und schließlich den Brief eines Betroffenen, der sich
fragt, warum noch niemand aus der Einrichtung den Weg ins normale Leben
geschafft hat.
Die Darsteller agierten gekonnt und schafften eine vertiefende Distanz zu ihren
Rollen.
Dieses Stück wird mich begleiten, über das Wochenende hinaus.
Mehr kann man von Theater nicht erwarten.
Mario W.