1 Freitag, 03.06.2016 SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs

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Freitag, 03.06.2016
SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs: Vorgestellt von Lotte Thaler
Meister der pluralistischen Kompositionsmethode
Bernd Alois Zimmermann
Sinfonie in einem Satz (1. Fassung)
WDR Sinfonieorchester Köln
Leitung: Peter Hirsch
WERGO WER 7340
Souverän
Stravinsky
Pulcinella Suite • Apollon musagète
Concerto in D for strings
Tapiola Sinfonietta
Leitung: Masaaki Suzuki
BIS 2211
Entdeckung
John Jones
Eight Setts of Lessons for the Harpsichord
Mitzi Meyerson (Cembalo)
Glossa GCD 921 808
Mikrotonal schwankende Klanglandschaften
Trio Catch
Sanh
„… ‚Musik‘ ist überhaupt nicht, sondern geschieht …“
col legno WWE 20431
Sehr empfehlenswert
Walter Braunfels
Orchestral Songs | Volume I
Valentina Farcas | Klaus Florian Vogt | Michael Volle
Staatskapelle Weimar
Leitung: Hansjörg Albrecht
OEHMS CLASSICS OC 1846
Hörenswert
Palazzetto Bru Zane
Opéra français | French Opera
Charles Gounod
Cinq-Mras
Mathias Vidal | Véronique Gens | Tassis Christoyannis | Andrew Foster-Williams
Chor des Bayerischen Rundfunks
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Ulf Schirmer
ES 1024
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Signet „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“ … heute mit Lotte Thaler. Wenn sich
Komponisten mit der Musik anderer Komponisten beschäftigen, dann entsteht dabei oft
Musik über Musik, Musik also, die nicht epigonal ist, sondern gerade in der kreativen
Auseinandersetzung einen eigenen Stil findet, sei es in ironischer Distanzierung und
Verfremdung wie bei Igor Strawinsky oder in multiperspektivischer Zusammenschau von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie bei Bernd Alois Zimmermann.
Musik über Musik bildet den Leitfaden meiner heutigen Ausgabe von „Treffpunkt Klassik“,
und wir beginnen gleich mit dem Meister der „pluralistischen Kompositionsmethode“ Bernd
Alois Zimmermann und seiner „Musique pour les soupers du Roi Ubu“ nach Alfred Jarry von
1966. Eingespielt wurde dieses Ballett in sieben Bildern mit einem „Entrée“ vom WDR
Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Peter Hirsch, zusammen mit der Sinfonie in
einem Satz in der Urfassung von 1951, den alten Tänzen verschiedener Meister „Giostra
Genovese“ von 1962 und dem Konzert für Streichorchester von 1948.
Peter Hirsch ist seit seiner Einstudierung der Oper „Die Soldaten“ als Assistent von Michael
Gielen in Frankfurt Zimmermann-infiziert wie kaum ein anderer Dirigent. Und im Hinblick auf
das große Zimmermann-Jahr 2018 zum 100. Geburtstag des Komponisten kommt dieser CD
schon jetzt eine herausragende Rolle zu. Zum einen, weil hier Zimmermanns „Sinfonie“ in
ihrer wesentlich radikaleren Urfassung von 1951 erstmals auf CD greifbar wird. Peter Hirsch
deutet ihre meteoritenhafte Sprengkraft als „Vorahnung“ der „Soldaten“ und stellt sie
gleichberechtigt neben die spätere, klanglich entschärfte Fassung. Zum anderen, weil die
Tänze „Giostra Genovese“ und die Ballettmusik zu „Roi Ubu“ unmittelbar zusammenhängen.
Der zweite Satz der Ballettsuite „Ubu Roi“ bezieht sich auf den dritten Satz der „Giostra
Genovese“, einer Moresca nach William Byrd:
Bernd Alois Zimmermann: „Giostra Genovese“, „Moresca“
3:30
Die „Moresca“ nach William Byrd, der dritte Satz aus der Suite nach alten Tänzen „Giostra
Genovese“ von Bernd Alois Zimmermann. In der Ballettmusik zu „Roi Ubu“ vier Jahre später
wird dieser Satz Ausgangspunkt einer einzigen, wilden Zitat-Collage: ein Boogie Woogie
taucht auf, eine Jazzkapelle spielt „in modo di cool jazz“, und – man glaubt seinen Ohren
kaum – der Radetzky-Marsch kommt als grotesker Walzer daher:
Bernd Alois Zimmermann: „Ubu Roi“, „Capitaine Bordure et ses partisans“
3:05
Der zweite Satz aus der Ballettmusik zu „Roi Ubu“ von Bernd Alois Zimmermann mit dem
WDR Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Peter Hirsch. Ähnlich überraschend und
gleichzeitig irritierend ist der Vergleich zwischen zwei weiteren Sätzen. Der dritte Satz des
„Roi Ubu“, der Mutter Ubu gewidmet, bezieht sich auf die Introduktion der „Giostra
Genovese“. Das Thema stammt von dem franko-flämischen Komponisten des 16. Jahrhunderts, Tilman Susato:
Bernd Alois Zimmermann: „Giostra Genovese“, Introduktion
1:45
In genau derselben Dauer von einer Minute und 45 Sekunden erscheint dieser Tanzssatz bei
Peter Hirsch und dem WDR Sinfonieorchester Köln im „Roi Ubu“, allerdings in neuer
musikhistorischer Begleitung von Beethovens „Pastorale“, Bachs erstem
„Brandenburgischen Konzert“ und den „Meistersingern“ von Richard Wagner:
Bernd Alois Zimmermann: „Roi Ubu“, „Mère Ubu et ses gardes“
1:45
Im Booklet macht Peter Hirsch eine bemerkenswerte Beobachtung: „Kein Zitat“, schreibt er
dort, „scheint je darauf aus, sich einzufügen, zu integrieren. Ein jedes grenzt sich scharf von
seinem musikalischen Umfeld ab. Im „Ubu“ erschöpft sich die Komposition nicht im
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geschickten, mosaikartigen Zusammenführen unterschiedlichster Zitate; der eigentliche
kompositorische Augenblick ereignet sich vielmehr im Moment der Kollision, des Aufpralls.“
Soweit Peter Hirsch über die Kompositionsweise von Bernd Alois Zimmermann, und ich
meine, dass er mit dieser Beobachtung auch sein Credo als Zimmermann-Dirigent formuliert
hat.
Anlass für die Komposition des „Ubu“ war Zimmermanns Aufnahme in die Berliner Akademie
der Künste. Deshalb hat er der Suite ein „Entrée“ vorangestellt, sozusagen als Einzug der
Akademisten mit ihrem Präsidenten, dem Architekten Hans Scharoun. Die ersten
Buchstaben des Namens Scharoun eignen sich vorzüglich als musikalisches Motto: es-c-h-a,
die restlichen Akademie-Mitglieder dürfen Sie selbst raten:
Bernd Alois Zimmermann: „Roi Ubu“, Entrée
1:50
Auch wenn in dieser respektlosen Collage nicht alle lebenden und toten Gäste der Akademie
sofort zu erkennen sind – einen hat Zimmermann besonders willkommen geheißen: den
Organisten Joseph Ahrens, der hier gleichsam das „Dies irae“ anstimmte. Der Tod ist in
Zimmermanns Musik immer dabei, und das „Dies irae“ erklärt neben der Gestalt des Ubu
auch Zimmermanns eigene Charakterisierung der „Ubu“-Musik als „schwarzes Ballett“.
Erschienen ist die CD bei dem Label WERGO.
Auch unser nächstes Werk ist ein Ballett und ein Arrangement Alter Musik dazu: „Pulcinella“
von Igor Strawinsky, das 1920 in der Choreografie von Sergei Diaghilev und mit dem
Bühnenbild von Pablo Picasso in Paris uraufgeführt wurde. Die Entdeckung der
Vergangenheit in „Pulcinella“ bezeichnete Strawinsky selbst als „Epiphanie“, durch die sein
ganzes späteres Schaffen erst möglich geworden sei. Strawinskys „Pulcinella-Suite“ hat jetzt
ein Dirigent auf CD herausgebracht, der unmittelbar aus der Alten Musik kommt und vor
allem mit dem Namen Johann Sebastian Bachs identifiziert wird: Masaaki Suzuki, der mit
seinem Bach-Collegium Japan das komplette Kantatenwerk Bachs einspielte und damit
interpretatorische Maßstäbe gesetzt hat. Mit seiner Strawinsky-CD, die außer der „PulcinellaSuite“ noch die Ballettmusik „Apollon musagète“ und das „Concerto in Re“ enthält, ist Suzuki
jetzt zumindest diskografisch erstmals im 20. Jahrhundert angelangt. Mir scheint die Wahl
von Strawinsky eigentlich ganz folgerichtig, denn schließlich war auch Strawinsky ein großer
Bach-Verehrer, wenn man zum Beispiel an sein Konzert für Kammerorchester „Dumbarton
Oaks“ denkt. Und vielleicht muss man von historischer Aufführungspraxis so durchdrungen
sein wie Suzuki, um Strawinskys ironischen Blick auf die italienische Barockmusik in eine
derart liebevolle Hommage umzudeuten. Nicht zufällig verwandelt Suzuki zusammen mit der
Tapiola Sinfonietta den zweiten Satz der „Pulcinella-Suite“, die Serenata, in den Mittelsatz
eines Bachschen Oboenkonzerts:
Igor Strawinsky: „Pulcinella-Suite“, Serenata
2:50
Anni Haapaniemi, Solo-Oboe, und die Tapiola Sinfonietta unter Masaaki Suzuki mit der
Serenata aus der „Pulcinella-Suite“ von Igor Strawinsky. Für jeden der insgesamt elf Sätze
spürt Suzuki ganz selbstverständlich ein eigenes Klang-Modell auf und balanciert dabei
souverän zwischen eher fiktivem Barock wie im scherzhaften siebten Satz mit Posaune und
tiefen Streichern und fast zitathafter Anspielung auf Monteverdi wie im Finale. Hier die Sätze
fünf bis neun: Toccata, Gavotta, Vivo, Minuetto und Finale:
Igor Strawinsky: „Pulcinella-Suite“, Toccata, Gavotta, Vivo, Minuetto, Finale
10’35
Die Tapiola Sinfonietta unter Masaaki Suzuki mit einem Ausschnitt aus der „Pulcinella-Suite“
von Igor Strawinsky. Die CD ist bei dem schwedischen Label BIS erschienen.
Sie hören die Sendung Treffpunkt Klassik in SWR2, heute mit neuen CDs, vorgestellt von
Lotte Thaler.
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Und jetzt original Alte Musik. Die Grande Dame des Cembalo, Mitzi Meyerson, seit vielen
Jahren Professorin an der Universität der Künste in Berlin, ist unermüdlich unterwegs, um
neue Alte Musik aufzuspüren. Eine Menge Zeit verbringt sie in Bibliotheken, um unbekannte
Komponisten zu entdecken und deren Werke oftmals in Ersteinspielungen vorzustellen. Ihre
Forschungsarbeit bezeichnet sie sogar als Mission, denn sie mache jede CD-Produktion
persönlicher als zum wiederholten Male das Standard-Repertoire aufzunehmen. Ihre
Aufnahmen versteht Mitzi Meyerson daher nicht als klingende Visitenkarte, um Konzerte zu
requirieren, sondern als Wunsch, Musik wieder ins Leben zu rufen, die für hunderte von
Jahren irgendwo schlief. Jetzt ist sie wieder fündig geworden und zwar in England.
Unscheinbarer könnte der Komponist nicht heißen: John Jones, nicht zu verwechseln mit
Richard Jones, von dessen Cembalowerken es ebenfalls eine Aufnahme mit Mitzi Meyerson
gibt. John Jones war zu seinen Lebzeiten eine wichtige Musikerpersönlichkeit in London.
Dort war er etwa 40 Jahre, von 1755 bis zu seinem Tod 1796, Organist an der St. Paul‘s
Cathedral. Gleichzeitig war er an zwei weiteren Kirchen Londons beschäftigt. Seine „Eight
Setts of Lessons for the Harpsichord“ entstanden 1754 und bewegen sich sehr fantasievoll
zwischen traditionellen Tanzsätzen, Kontrapunktik und konzertanter Virtuosität. Auch
orchestrale concerto grosso-Partien sind dabei. Allerdings verlangt Jones auch vom
Interpreten viel Fantasie in der Ausgestaltung der Noten, die gelegentlich in einer Art
Kurzschrift vorliegen.
Der einzige Nachteil für John Jones war wohl seine Zeitgenossenschaft mit Georg Friedrich
Händel, der in London das musikalische Feld beherrschte. Mit Händel würde man seine
Musik auch nicht unbedingt verwechseln. Im Allegro der siebten Suite in c-Moll denke ich
eher an Carl Philipp Emanuel Bach, jedenfalls akzentuiert Mitzi Meyerson hier jene
Elemente, die wir vor allem aus den Fantasien von Carl Philipp Emanuel kennen: die
Pausen, das kurze, kadenzartige und wie abgerissene, oft wiederholte und etwas
abweisende Hauptmotiv:
John Jones: Suite Nr. 1, Allegro
4:15
Das Allegro aus der siebten Cembalostunde von John Jones, entdeckt und erstmals
eingespielt von Mitzi Meyerson bei dem Label Glossa im Vertrieb von Note 1. Eine
Entdeckung anderer Art ist die dritte Lektion: Da verrät Jones seine englische Herkunft,
wenn er die abschließende Gavotte ganz gegen ihre metrische Verankerung in einen Dreierstatt in einen Zweiertakt fasst und zudem in ein schottisches Dudelsack-Lied uminterpretiert.
Mitzi Meyerson schreibt dazu im Booklet: „Um den Dudelsack-Effekt zu verstärken, wird die
Melodie in der rechten Hand eine Oktave tiefer nur im Vierfuß-Register gespielt. Dadurch
ergibt sich die notierte Tonhöhe, aber eine vollkommen andere Klangfarbe.“ Hier ist die dritte
Cembalo-Unterrichtsstunde von John Jones mit Mitzi Meyerson an einem Cembalo von
Michael Johnson aus dem Jahr 2011:
John Jones: Lesson III
10:30
Eine Entdeckung der Cembalistin Mitzi Meyerson: die Suiten des englischen Komponisten
John Jones, die „Eight Setts of Lessons for the Harpsichord“ aus dem Jahr 1754, erschienen
auf einer Doppel-CD bei dem Label Glossa im Vertrieb von Note 1. Sie hörten gerade die
dritte Suite in D-Dur mit dem Dudelsack-Finale.
Musik über Musik, so sagte ich anfangs, bildet den roten Faden der heutigen Sendung. Mit
der zweiten CD des Trio Catch gelangen wir damit in die zeitgenössische Musik, genauer
gesagt zu dem österreichischen Komponisten Bernhard Lang. Das junge Trio Catch mit der
Klarinettistin Boglarka Pecze, der Cellistin Eva Boesch und der Pianistin Sun-Young Nam hat
sich in den nur fünf Jahren seit seiner Gründung einen beachtlichen Namen gemacht. In
dieser Saison gehörte das Trio Catch zur Reihe der „Rising stars“ der „European Concert
Hall Organisation“ und gastierte während seiner Tournee durch zwölf große, europäische
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Konzerthäuser als letzte Station am vergangenen Samstag im Festspielhaus in BadenBaden. Auch dort stand die zeitgenössische Musik im Zentrum des Programms. Das Trio
führt zeitgenössische Musik aber nicht nur auf, sondern hat in Hamburg auch eine eigene
Konzertreihe ins Leben gerufen, den „Ohrknacker“, um sie vor allem einem NichtFachpublikum zu „vermitteln“, wie man heute sagt.
Die soeben bei col legno erschienene CD mit dem Titel „Sanh“ bringt klassische und
zeitgenössische Musik in unmittelbaren Zusammenhang. „Sanh“, das ist der chinesische
Name des Trios für Bassklarinette, Cello und Klavier von dem elsässischen Komponisten
Christophe Bertrand, der sich 2010 mit 29 Jahren das Leben nahm. Im Zentrum der CD steht
das Klarinettentrio a-Moll op. 114 von Johannes Brahms, an das sich drei BrahmsVariationen von Bernhard Lang anschließen. Die Musik dieser CD wendet sich an echte
Zuhörer, also an Menschen, die bereit sind, sich auch über längere Strecken oft leisen,
mikrotonal schwankenden Klanglandschaften und scheinbarer Ereignislosigkeit auszusetzen.
Und auch das Trio von Brahms erhält aus der Perspektive von heute einen
zurückgenommenen Schwebecharakter:
Johannes Brahms: Klarinettentrio a-Moll op. 114, Andante grazioso
4:30
Das Andante grazioso aus dem Klarinetten-Trio a-Moll op. 114 von Johannes Brahms mit
dem Trio Catch. Auf dieses Andante bezieht sich Bernhard Lang in seiner dritten BrahmsVariation, und er unterstreicht damit einmal mehr die Zerbrechlichkeit dieser Musik:
Bernhard Lang: Brahms-Variation III (Ausschnitt)
3:15
Das Trio Catch mit dem Anfang der dritten Brahms-Variation von Bernhard Lang auf seiner
neuen Konzept-CD bei dem Label col legno – ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich
zeitgenössische Musik in historischen Kontext stellen lässt, und wie sich die Perspektiven
dadurch verändern – sowohl auf die klassische als auch die Neue Musik.
Walter Braunfels: „Die Nachtigall“, Vorspiel und Prolog
8:15
Nein, meine Damen und Herren, das war keine Musik von Richard Strauss, auch nicht von
Schreker, Zemlinsky oder dem frühen Schönberg. Der Komponist heißt Walter Braunfels,
1882 in Frankfurt geboren und zwei Mal Direktor der Kölner Musikhochschule: von1925 bis
33 und, auf Wunsch von Konrad Adenauer, von 1947 bis 1950. Was ich Ihnen gerade
präsentierte, waren Vorspiel und Prolog der Nachtigall von 1913. Wenig später übernahm
Braunfels die Arie in seine einstige Erfolgsoper „Die Vögel“. Kein Geringerer als Bruno
Walter leitete 1920 ihre Uraufführung in München.
1912, ein Jahr vor der Entstehung der „Nachtigall“, war die Oper „Ariadne auf Naxos“ von
Richard Strauss in Stuttgart uraufgeführt worden, und unwillkürlich dachte ich an die Arie der
Zerbinetta, als ich die Koloraturarie der Braunfelsschen „Nachtigall“ hörte. Gesungen hat hier
die wunderbare rumänische Sopranistin Valentina Farcas, begleitet von der Staatskapelle
Weimar. Der Dirigent dieser sehr empfehlenswerten Aufnahme ist im Hauptberuf
künstlerischer Leiter des Münchner Bach-Chors – Hansjörg Albrecht. Aber es gibt so gut wie
keine Musik, für die sich Albrecht nicht begeistern könnte, weit über sein Kerngebiet hinaus.
Nun hat er die imponierenden Orchesterlieder von Walter Braunfels für sich entdeckt und die
ersten fünf mit weiteren prominenten Gesangs-Solisten – dem Tenor Klaus Florian Vogt und
dem Bariton Michael Volle – bei dem Label OEHMS herausgebracht. Gekoppelt sind die
Lieder mit der klassisch-romantischen Phantasmagorie für großes Orchester „Don Juan“
über die Champagner-Arie aus Mozarts „Don Giovanni“.
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Wobei wir endgültig bei der Oper wären. Auch diese ist eine Entdeckung. Das in Venedig
beheimate „Center für romantische französische Musik“ im Palazzetto Bru Zane bringt
bibliophile Kostbarkeiten auf den Markt, limitierte Auflagen in Buchformat, auf bestem Papier
gedruckt, mit fundierten Texten, schönen Abbildungen und dem kompletten zweisprachigen
Libretto in Französisch und Englisch. Nach Opern-Ausgrabungen von Jules Massenet,
Camille Saint-Saëns, Rodolphe Kreutzer oder Félicien David ist jetzt als elfte Oper der
vornehmen Reihe der „Cinq-Mars“ von Charles Gounod erschienen. Der Titel „Cinq-Mars“,
was so viel heißt wie der fünfte März, hat nichts mit dem Datum zu tun, sondern ist
wahrscheinlich eine Verballhornung des Wortes „saint“ wie heilig und des Vornamens
„Médfart“.
Nach dem Roman von Alfred de Vigny wird hier die Geschichte des Marquis de Cinq-Mars
erzählt, der eine Revolte gegen den Kardinal Richelieu anzettelt, doch dann selbst
hingerichtet wird. Gemeint ist die historische Figur des Henri Coiffier de Ruzé d’Effiat, der mit
nur 22 Jahren den politischen Intrigen zum Opfer fiel. Aufgeführt wurde diese Oper aus dem
Jahr 1877 zum zehnten Todestag des Dirigenten Marcello Viotti am 25. Januar 2015 in
München vom Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayrischen Rundfunks unter
der Leitung von Ulf Schirmer.
Was diese Oper wirklich hörenswert macht, ist in erster Linie die Besetzung der Titelrolle mit
dem französischen Tenor Mathias Vidal, der quasi über Nacht für den erkrankten Charles
Castronovo eingesprungen war. Wir hören ihn zum Abschluss unserer heutigen Sendung mit
der Cavatine aus dem vierten Akt „A vous, ma mère“, eine letzte Liebeserklärung an die
Mutter und die Geliebte Marie:
Charles Gounod: „Cinq-Mars“, Cavatine
4:30
Der französische Tenor Mathias Vidal in der Titelrolle des „Cinq-Mars“ in der gleichnamigen
Oper von Charles Gounod, die jetzt in der Edition Palazzetto Bru Zane mit dem Münchner
Rundfunkorchester unter der Leitung von Ulf Schirmer erschienen ist.
Im Internet können Sie diese Sendung noch eine Woche lang nachhören, außerdem finden
Sie dort eine Liste mit den Aufnahmen, die ich Ihnen heute vorgestellt habe. Für’s Zuhören
dankt Lotte Thaler.