7. EgalitäreStrukturenundGemeinschaftseigentumprägendie frühenSozietäten. TerritorialitätundRangordnunggehörenzumPrimatenerbe.DieVerfügungsgewalt überTerritorien,Gebrauchs-undWertgegenständebzw.deren(gewaltsame)Aneignung spieltinderMenschheitsgeschichtebekanntlicheinedramatischeundfurchtbareRolle. BeiSchimpansen,unserennächstenVerwandten,dominiertinderRegeleinAlphaMännchen,dassichVorrechtebeiSexualitätundNahrungsichert;andereMitgliederder HordeschmiedenzumTeilAllianzen,umRangpositionenzuverbessernundsoan Vorrechtezugelangen.Ichgehenun,wieerwähnt,davonaus,dasssozialeHierarchie bzw.RangordnunginderEntwicklungzumMenschenindenfrühenSozietäten zunächstabgebautwirdundeszueheregalitärenStrukturenkommt.Eindeutige Beweisegibtesdafürnicht,wohlaber(bereitserwähnte)Indizien,aufdieder PrähistorikerHermannParzingermehrfachhinweist:ZumBeispielzeigendie GrabbeigabenundGrablegungensowieWohngebäudebisinsmittlereNeolithikum(ca. 8.000v.h.)bzw.bisinsChalkolithikum(Kupfersteinzeit,ca.5.000v.h.)keinerlei Unterschiede,dieaufdauerhaftherausgehobenesozialePositionenodereine StratifizierungderGemeinschaftenschließenlassen. ZudenwenigenAusnahmenzähltdasganzbesondersausgestatteteGrabeinerälteren (ca.45-jährigen)gehbehinderteFrauinderHilazonTachtit-HöhleinIsraelausder vorneolithischenNatufien-Kultur(a.14.000–11.500v.h.);eswirdalsGrabeiner Schamaningedeutet,daesu.a.Schildpanzer,Federn,Tierzähneund-krallenundeinen menschlichenFußenthält.1 RelativegalitärsindimÜbrigenauchdieletztenWildbeuter-Gemeinschaftender Neuzeit.„Egalitär“bedeutetaberkeineGleichheitundGleichberechtigungimmodernen Verständnis.DieMitgliederderGemeinschafthabendurchausunterschiedliche Aufgaben:ZumBeispielherrschteinegewisse,quasi„natürliche“Arbeitsteilung zwischendenGeschlechternundvermutlichauchzwischenÄlterenundJüngerenunter BerücksichtigungbesondererindividuellerFähigkeitenoderHandikaps. AllerdingssollteauchimHinblickaufdieArbeitsteilungdieFlexibilitätdesMenschen nichtunterschätztwerden.Parzingerweistdaraufhin,dassz.B.dieFrauenderfrühen Jäger-und-Sammler-SozietätenvermutlichweitwenigerdurchSchwangerschaftoder Kleinkindversorgungeingeschränktsind,alsvielfachangenommenwird.Frauenkönnen durchausanJagden,demZerlegenundAbtransportierenderBeutebeteiligtgewesen sein.2 EinestrengeRangordnungbestehtbeidenfrühenMenschengruppenvermutlichnicht. VorrechtebeiNahrungundSexualität,diebeiPrimatensonstdiewesentlichen KonfliktfelderinRangordnungsauseinandersetzungensind,werdenbeidenfrühen SozietätenderMenschendurchdieerwähntenRegelungen(vgl.Kapitel1und6) abgebaut. EswirdaberwohleineArt„gelebteRangordnung“geben:angeseheneundweniger angeseheneMitglieder,vielleichtauch„Außenseiter“undvermutlichaucheineArt Häuptlings-oderSchamanenrollemitbestimmtenFunktionenetwabeider DurchführungvonRitualen,derHeilungvonKrankheitenoderderStreitschlichtung. AufgrundvonbesonderenErfahrungenundKompetenzenhabeneinigeÄlteste, 1:HermannParzinger,„DieKinderdesPrometheus“,S.110 2H.Parzinger,„DieKinderdesPrometheus“,S.74f. Häuptlinge,SchamaninnenoderSchamanenvermutlicheinebesondereStellunginder GemeinschaftinneundgenießeneinbesonderesPrestige.Aberdieseherausgehobene Stellungist,someineThese,nichtmiteinemEntscheidungs-odergarGewaltmonopol verbunden–undwirdauchnichtaufdieNachkommen„vererbt“.Diebesonderen FähigkeitenundLeistungenwerdenvielmehrindenDienstderGemeinschaftgestellt undvorerstnichtimSinneegoistischerVorteilssuchefunktionalisiert.Die GemeinsinnorientierungprägtalsoauchherausragendeFähigkeiteneinzelner.Das ändertsichdrastischmitderregelmäßigenProduktionvonÜberschüssenundder Entwicklungzursog.Hochkultur(vgl.TeilII„VomWirzumIch“). Blickenwirexemplarischauf„Privateigentum“,dasauchfürRangordnungsteht,daes dieindividuelleVerfügungsgewaltüberGegenstände,Territorienundandere Lebeweseneinschließt.BeiPrimatenbestehtnormalerweiseinnerhalbderTruppseine RangordnungundeinhoherRangistmitbestimmtenPrivilegienverbunden.Dazu gehörtnebensexuellenundNahrungsvorrechtenauchdieAneignungvonattraktiven Gegenständen. IndenfrühenGemeinschaftendesMenschenhabenPrivateigentumunddieprivate AneignungvonattraktivenGegenständenvermutlichkeinenbesonderenStellenwert. DieüberwiegendnomadisierendeLebensweisederJäger-und-Sammler-Kulturen–die GruppendurchstreifeneinmehroderwenigergroßesTerritorium3aufderSuchenach NahrunginAbhängigkeitvonVegetationszyklenundTierwanderungen–beschränkt dieMengeanGegenständen(Werkzeugen,Waffen,Haushaltsgeräte,Kleidungusw.),die jede(r)beisichtragenodertransportierenkann.Auchdort,woGruppenüberlängere ZeitanbestimmtenWohnplätzenverbleiben,werdenGebrauchsgegenständevermutlich überwiegendgemeinschaftlichgenutzt. Parzingergehtdavonaus,dassvielerortsüberlängereZeitgenutzteSiedlungsplätzemit einfachenBehausungenangeschütztenOrten(z.B.Abris,See-oderFlussufer)bestehen, vonwoausJagdstreifzügeunternommenwerden.DieJagdstreifgebieteder jungpaläolithischenTreibjagdgruppen(aufRentierherden!)sinddabeisehrvielgrößer gewesenalsdiedermesolithischenFischerundJäger,dieanKüstenjagenundsaisonal siedelnbzw.indenzunehmenddichterenWäldernGroßwild(Hirscheu.a.)jagen. Wechselseitige,„nachbarschaftliche“AushilfeundUnterstützungsindselbstverständlich –imÜbrigenjaauchheutenochverbreitet.BeiKontaktenmitanderenGruppen,z.B.im RahmengemeinsamerJagd-undFischfangzügeodergrößererKultfeiern,wirdüberden AustauschvonGeschenkenVertrauenaufgebaut. DieentscheidendenRessourcenfürdasÜberlebenderSozietäten–essbarebzw. nutzbarePflanzenundTiere,Trinkwasser,sichereLagerplätze,Kultplätze,Feuerstellen, FundstellenwertvollerSteine(z.B.Silexbzw.Feuerstein)usw.–entziehensich entwederjederVorstellungvon„privatemBesitzanspruch“(sowieheutenochdieLuft zumAtmen,derWind,derRegenoderdieSonnenstrahlen)odersiegeltenals „Gemeingut“,aufdasdiejeweiligeGruppeeinüberliefertesAnrechthat.Bei RessourcenknappheitallerdingskanneszukonkurrierendenAnsprüchenmitanderen Gemeinschaftenkommen. Esistunklar,obdieGruppenderfrühenMenschensoetwaswiefesteTerritorienhaben; möglicherweisegibtesstrengterritorialeSozietätenmitquasiabgegrenzten, verteidigten„Revieren“undsolche,dieumherstreifendsichräumlichoffenerundeher kultischorganisieren:durchregelmäßigeWiederkehrzubestimmtenKultplätzen. 3:H.Parzinger,„DieKinderdesPrometheus“,S.64 ZumindestabdemJungpaläolithikum(vorca.40.000Jahren)istbeimHomosapiensvon einerrechthohenMobilitätauszugehen;technischeNeuerungenbreitensichjedenfalls raschaus.TerritorialeAnsprüchedienenderExistenzsicherungdereigenenGruppe;sie formulierenkeinen(modernen)Besitz-,Unterwerfungs-oderAusbeutungsanspruch sondernehereinNutzungsrecht.DasscheintzumindestdieHaltungderJäger-undSammler-Gruppenzusein,diebisinunsereZeitüberlebthaben.DieseHaltungändert sichmitdemÜbergangzuAckerbauundViehzuchtundderEntstehungvonStädtenund Staaten. EinzelneGegenständekönnenauchbeiJäger-und-Sammler-Kulturendurchauseinen hohenGebrauchswerthaben,z.B.gutgearbeiteteKlingenoderentsprechendes Rohmaterial,odersiesindalsKult-undPrestigeobjektebegehrt(Werkzeugemit magischenKennzeichnungen,Schmuck,Ockerusw.).VielleichtwerdensiealsGeschenk weitergegeben,umFreundschaftenzusichern,oderalsmagischerSchutzunddamitals unverzichtbarerTeilderPersonempfunden.UnserVerständnisvon„Privateigentum“ dürftediesemagischeBedeutungvonGegenständenkaumrichtigwiderspiegeln. Soetwaswie„Privatbesitz“beziehtsichursprünglichwohlnuraufselbstgefertigte Gebrauchsgegenstände,diefürdasÜberlebenderGruppebenötigtwerden(Werkzeuge, Waffen,Kleidung,einfacheHaushaltsgeräte,Feuersteineetc.),ggf.auchauf „Luxusgüter“(Muscheln,Elfenbein,Ocker,Obsidianu.a.),dieüberTauschhandel erworbenwerden,unddievielleichtauchschonNeidundKonkurrenzfördern. ZumindestistdiesinansonstendurchausegalitärenJäger+Sammler-Kultureninunserer Zeitzubeobachten. MöglicherweisegibtesbeieinigenSozietätengelegentlichÜberfälleaufandereGruppen mitdemZiel,undFrauenundKinderzurauben,wieesauchvonetlichen Jäger+Sammler-KulturenderNeuzeitberichtetwird(z.B.vonindigenenStämmen Nord-undSüdamerikas).ObdiesegekidnapptenMenscheneinenSklavenstatushaben, alsoPrivateigentumsind,istm.E.aberzweifelhaft.Siewerdenwohlzunächsteinfachin dieGemeinschaftintegriert,vermutlichaberverbundenmiteinemzunächstgeringeren sozialenStatusbzw.Ansehen. DieBedeutungdesGemein-undPrivateigentumsändertsichmitderAuflösungder traditionellenGemeinschaften:MitdersesshaftenLebensweiseundderProduktionvon lagerbarenÜberschüssengewinntdiezunächstsoziale,späterindividuelle VerfügungsgewaltüberLandundRessourcen–marxistischformuliert:über ProduktionsmittelwieBoden,Rohstoffe,GerätezurHerstellungvonProduktenusw.– anGewichtundwirdschließlichzueinerdertreibendenKräfteeinerblutigen Geschichte(vgl.TeilII„VomWirzumIch“). MeineThese:DerMenschentwickeltsichalsozunächstineheregalitären Gemeinschaften,Rang-undStatusdenkensindeingebundenindieGemeinschaft, territorialeAnsprücherichtensichnachdenunmittelbarenErfordernissender Existenzsicherung. EsbleibtaberinnerhalbderGemeinschafteingewissesSpannungsverhältniszwischen GemeineigentumundwechselseitigerUnterstützung(Gemeinsinn)einerseitsund Privatbesitzbzw.individuellenLeistungs-undKompetenzunterschiedenandererseits. DieseSpannungkannaufbrechen,wenneinzelneIndividuenoderFamiliendieGruppe nichtmehrzumÜberlebenbrauchen. AuchindersichinKrisenzeiten(z.B.Dürre)verschärfendenKonkurrenzzwischenden GemeinschaftenumguteJagdgebiete,LebensräumeundRessourcenliegtein Konfliktpotenzial,dassichmitdenrasantsteigendenBevölkerungszahlenimZugeder sog.„neolithischenRevolution“verschärft. 2. Zwischenresümee DieGemeinsinnorientierungderfrühenMenschengruppenistdurchausdurchsetztvon Erlebnis-undHandlungsbereitschaften,dietiefimPrimatenerbeverankertsind;sie beziehensichu.a.aufAggressivität,Sexualität,RangordnungundTerritorialität. MitderEntwicklungvonSpracheundKulturerfahrendieseHandlungsbereitschaften massiveÜberformungen(EinbindunginMythenundRituale,Festlegungsozialen Regelungen,usw.)undwerdenindenDienstderExistenzsicherungderjeweiligen Gemeinschaftgestellt.ZugleichwirdhiereindieGemeinsinnorientierungsprengendes Potenzialdeutlich. VielleichtlassensichzudenskizziertenevolutionsbiologischenBesonderheitendes MenschenzweiKernaussagentreffen: (1)FundamentalebiologischeFunktionen(Ernährung,Feindvermeidungund Feindabwehr,Sexualität,sozialesZusammenleben/Rangordnung,Aufzuchtdes Nachwuchsesusw.)werdenbeimMenschenkooperativorganisiertundgemeinschaftlich geregelt. (2)DerMenschentwickeltdazuimVerlaufderEvolutionsgeschichtezusätzliche biologischeundkulturelleFunktionen,diedieGemeinschaftunddenZusammenhalt stabilisierenundKooperationundGemeinsinnfördern(z.B.rituelleNahrungsteilung, Empathie,Sprache,Altruismus,Rituale,ReligionundKunst). Dassdiesnichtspannungsfreiverläuft,istdargestelltworden. DieaußergewöhnlicheIntelligenz,Lern-undAnpassungsfähigkeitdesMenschen,u.a.ein Ergebnisbzw.„Gewinn“derHirnvergrößerung,bildendieGrundlagenfüreine Entwicklungsdynamik,diedenMenschenzurdominantenSpeziesaufdemPlanetenmacht. Werkzeug-undWaffenherstellungspielendabeieinewichtige,dadieExistenzsichernde Rolle.
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