„Am Nasenring durch die Manege“

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DONNERSTAG, 02. JUNI 2016
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Lange schon hofft die Bundesregierung auf mehr Engagement
der deutschen Wirtschaft in Armutsländern. Jetzt scheint die Kooperation endlich in Gang zu
kommen. Entwicklungsminister
Müller lobt im Gespräch mit dem
Handelsblatt das geplante Engagement der Wirtschaft. Seite 8
Schäuble beklagt
Attacken gegen Merkel
Erstmals gibt Aldi-Nord-Erbe
Theo Albrecht jr. ein Interview –
und greift seine Schwägerin an.
Die Familienfehde bedroht das
gesamte Handelsimperium.
Sinkende Umfragewerte und die
Kritik der CSU an Merkels
Flüchtlingspolitik schüren den
Streit innerhalb der Union.
Die Auseinandersetzung gewinnt an Schärfe. Wolfgang
Schäuble bezeichnet Vorwürfe
von CSU-Chef Seehofer an Merkel
als Attacke. Seite 9
dpa (2)
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„Am Nasenring
durch die
Manege“
„Die Industrie ist
hochwillkommen“
Jan Keuchel, Florian Kolf
Düsseldorf, Essen
W
enn den Albrechts über Jahrzehnte etwas heilig war, dann war
es das Schweigen.
In der Eigentümerfamilie des milliardenschweren Aldi-Konzerns
galt für Generationen das ungeschriebene Gesetz: Mund halten
und unsichtbar bleiben. Nie und
niemandem gelang es bisher, ein
Mitglied der Aldi-Familie von den
Vorzügen eines Interviews zu überzeugen.
Doch nun bricht erstmals einer
aus der Sippe das Schweigegelübde: Aldi-Nord-Gründersohn Theo
jr. Er fürchtet, dass der Streit um
die Macht in einer der Familienstiftungen die Zukunft des Unternehmens gefährdet – und greift seine
Schwägerin Babette frontal an.
„Die – teilweise peinlichen – Auftritte meiner Schwägerin in der Öffentlichkeit und auch die zahlreichen,
von ihr geführten Prozesse sind eine Belastung für unser Unternehmen“, sagt er im Interview mit dem
Handelsblatt.
Babette, die Witwe von Theos
verstorbenem Bruder Berthold,
hatte vor Gericht erreicht, dass eine Satzungsänderung in der Jakobus-Stiftung rückgängig gemacht
wurde. In diese Stiftung hatte
Berthold 2001 seinen 19,5-Pro-
29,4 Mrd.
Euro Umsatz erzielte
Aldi Nord im Jahr 2014
weltweit.
Quelle: Planet Retail
zent-Anteil an Aldi Nord eingebracht. Nach dem Gerichtsentscheid haben zwei Töchter von Babette im Vorstand der Stiftung das
Sagen – und können so über unternehmerische Fragen mitentscheiden.
„Wenn die alte Satzung wirklich
wieder gelten würde, könnten die
Kinder von Berthold zusammen
mit ihrem Anwalt das Unternehmen am Nasenring durch die Manege führen“, klagt Theo Albrecht.
Keine Zahlung an das Unternehmen, beispielsweise für Expansionsschritte im Ausland, könne ohne ihre Zustimmung erfolgen, so
Albrecht. Denn die drei Stiftungen, von denen Aldi Nord abhängt, dürfen nur einstimmig entscheiden.
Babette und ihre fünf Kinder
hingegen glauben, dass Theo das
Testament von Berthold Albrecht
so umdeuten will, dass sie die
Macht in der Jakobus-Stiftung übernehmen können. Tatsächlich gibt
es bisher noch keinen erkennbaren
Beleg dafür, dass Babette und die
Kinder das Unternehmen blockieren würden. Im Gegenteil: Wie aus
den Gerichtsakten hervorgeht, haben sie etwa einer Kapitalerhöhung zugunsten von Aldi Nord zugestimmt – in Höhe von 127 Millionen Euro.
Nun soll das Oberverwaltungsgericht Schleswig im Berufungsverfahren klären, wer die Macht in
der Stiftung hat. Für klare Verhältnisse ist es höchste Zeit. Investiert
doch Konkurrent Lidl Milliardensummen in die Modernisierung
der Filialen. Aldi Nord kann sich
keine Schwäche leisten. Theo Albrecht sagt: „Es geht hier um die
Zukunft des Unternehmens.“
Berichte, Interview mit Theo Albrecht jr. Seiten 4 bis 7
Ergo baut radikal Jobs ab
Der Düsseldorfer Versicherer will mehr als jede zehnte Stelle streichen.
Kerstin Leitel
München
M
it hohen Investitionen und einem
schmerzhaften Stellenabbau will der
neue Ergo-Chef Markus Rieß den Düsseldorfer Versicherer wieder aus den roten Zahlen reißen. Ab 2020 sollen jährlich rund 540 Millionen Euro brutto eingespart werden, das Ergebnis spätestens ab 2021 wieder 500 Millionen
Euro erreichen. Doch der Weg dahin ist weit für
das Tochterunternehmen der Munich Re: Im vergangenen Jahr hatte Ergo noch einen Verlust ver-
buchen müssen, und auch 2016 werden rote Zahlen erwartet.
Das neue Strategieprogramm soll den Versicherer „wieder zu einer starken Ertragssäule“
machen, sagte Munich-Re-Chef Nikolaus von
Bomhard. Er hatte den früheren Allianz-Manager Rieß geholt mit dem klaren Auftrag, Ergo zu
sanieren. Eine Milliarde Euro soll in den kommenden Jahren investiert werden, der Großteil
in neue IT-Systeme. Einsparungen erhofft sich
Ergo durch die Zusammenlegung von Vertriebsorganisationen und wegfallende Jobs in der Verwaltung.
Bis Ende 2020 sollen 1 835 von 14 320 Arbeitsplätzen wegfallen. „Wir müssen schlanker, effizienter und digital werden“, begründete Rieß seine Pläne. Dafür sei der radikale Stellenabbau „leider unvermeidlich“. Die Arbeitnehmer reagierten
schockiert. „Der Umfang des Arbeitsplatzabbaus
ist heftig“, sagte Betriebsrat und Aufsichtsratsmitglied Marco Nörenberg dem Handelsblatt. Dass
„ein so radikaler Abbau zu Wachstum führt – da
habe ich meine Zweifel. Das Programm enthält etwas Licht und viel, viel Schatten“.
Kommentar Seite 26, Bericht Seite 25
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Wirtschaft irritiert
Einmischung bei Kuka
Die Angst der Bundesregierung
vor einem Einstieg des chinesischen Hausgeräte-Herstellers Midea beim Augsburger RoboterSpezialisten Kuka irritiert die
Wirtschaft. Daimler-Chef Zetsche,
aber auch DIHK und VDMA teilen
diese Sorge nicht. Seiten 18, 24
Burda und Telefónica
starten Streamingdienst
Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft in Frankreich startet
das Münchener Medienhaus Burda ein neues mobiles TV-Angebot: Burdas Streaming-App „TV
Spielfilm Live“ geht eine Partnerschaft mit dem Mobilfunkunternehmen Telefónica ein. Seite 20
Kapitalismus in
digitaler Reinform
Drei Softwareentwickler haben
mit ihrem schwarmfinanzierten
Fonds bereits einen dreistelligen
Millionenbetrag eingesammelt.
Das Sagen haben allein die Geldgeber, abgestimmt wird per
Mausklick. Doch womöglich haben sie die Rechnung ohne den
Faktor Mensch gemacht. Seite 28
Bankhaus Wölbern
wird aufgelöst
Die Bad Bank des privaten
Bankenverbands hat ihren ersten
Einsatz hinter sich und nach
Informationen des Handelsblatts
das restliche Kreditportfolio des
Hamburger Bankhauses Wölbern
übernommen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, die Bank
aufzulösen. Seite 30