Ausgabe | 21 03. Juni 2016 powered by Pharma Milliarden-Deals: Biotechfirmen weiter sehr beliebt Die klassischen Pharmafirmen schauen sich immer stärker auf dem Biotechmarkt um D ie größten Wachstumstreiber in der Pharmabranche bleiben die BiotechUnternehmen. Die klassischen Pharmaschwergewichte treten eher auf der Stelle. Aus diesem Grund wird das Interesse dieser an den Biotechfirmen immer größer. Das Pharma-Unternehmen Jazz Pharmaceuticals will nun für 1,5 Milliarden Dollar die US-Biotechfirma Celator übernehmen. Die Transaktion solle im dritten Quartal abgeschlossen werden. Damit erhält das in Irland ansässige Unternehmen Zugang zu einem in der Entwicklung befindlichen Medikament gegen eine akute Leukämieerkrankung. Pro Aktie bietet Jazz Pharma 30,25 Dollar in bar. Das ist ein Aufschlag von mehr als 70 Prozent auf den Schlusskurs der Celator-Aktie vom Freitag. Die Übernahme passe gut, um das Wachs- tum von Jazz Pharma weiter voranzutreiben, hieß es weiter. Die Zusammenarbeit mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi macht sich für das Biotech-Unternehmen Evotec bezahlt. Der Umsatz kletterte im ersten Quartal um 74 Prozent auf 37,5 Millionen Euro – der beste Jahresauftakt in der Firmengeschichte, wie Evotec in dieser Woche mitteilte. Dazu trug maßgeblich ein ehemaliger Sanofi-Forschungsstandort in Toulouse bei, den Evotec im Rahmen der Allianz von den Franzosen übernommen hatte. Ohne diesen hätte das Umsatzplus 16 Prozent betragen. Dabei profitierte das Hamburger Unternehmen von einem starken Servicegeschäft mit der Pharmaindustrie und Meilensteinzahlungen aus Forschungskooperationen. Im Frühjahr 2015 hatten Evotec und Sanofi vereinbart, bei der Erforschung neuer Krebsmedikamente zusammenzuarbeiten. Die Kooperation garantiert Evotec Zahlungen von mindestens 250 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren. Der Betriebsgewinn (Ebitda) lag im ersten Quartal bei gut sieben Millionen Euro, nachdem vor Jahresfrist noch ein Minus von 300.000 Euro verbucht wurde. Unter dem Strich machte Evotec noch einen Verlust von 1,17 (Vorjahreszeitraum: -1,07) Millionen Euro, was vor allem einem deutlich gestiegenen Steueraufwand geschuldet war. Für das Gesamtjahr bekräftigte der Vorstand die Prognose, die einen Umsatzanstieg von mehr als 15 Prozent und ein positives, deutlich höheres Betriebsergebnis als im Vorjahr vorsieht. Eine Lizenz- und Entwicklungspartner- Analyse EU: Drogenproblem ist besorgniserregend Die Zahl der Todesfälle aufgrund einer Überdosierung von Drogen hat auch 2014 erneut zugenommen. 6.800 Fälle sind es dem Drogenbericht zufolge. 15 Prozent davon wurden in Deutschland festgestellt, 36 Prozent in Großbritannien. Doch nicht nur die Zahl der Todesfälle hat zugenommen, sondern auch die Zahl der Substanzen an sich. Aktuell stehen bei der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht mehr als 560 neue psychoaktive Substanzen unter Beobachtung. Allein 2015 kamen 98 neue Substanzen hinzu – 2014 waren es 101 Substanzen. Besorgniserregend beurteilt der EU-Drogenbericht, die Ausweitung des MDMA-Konsums (Ecstasy) und die steigende Zahl der Einsteiger. Hier spielt auch der wachsende Online-Markt eine Rolle. Tatsächlich ist der Ecstasy-Konsum nicht mehr nur vornehmlich in Techno- oder Drum‘n‘ Base- Clubs zu finden. „Aufgrund des Vormarschs von MDMA müssen be- stehende Maßnahmen zur Prävention und Schadensminimierung überdacht werden, um die Maßnahmen auf eine neue Population von Konsumenten abzustimmen, die womöglich hochdosierte Produkte konsumieren, ohne die damit verbundenen Risiken hinreichend zu kennen“, sagte Alexis Goosdeel, der Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. „In unserem neuen Bericht wird auf Vergiftungen und sogar Todesfälle in Verbindung mit dieser Droge hingewiesen. Dies ist außerordentlich besorgniserregend, da MDMA in etabliertere soziale Milieus vordringt und zunehmend über OnlineMärkte angeboten wird.“ Es seien mittlerweile hochdosierte Pulver, Kristalle und Tabletten mit einer Vielzahl von Logos in den unterschiedlichsten Farben und Formen auf dem Markt verfügbar. Außerdem könnten sogar Herstellungsnachweise angefordert werden. „Möglicherweise verfolgen die Her- steller damit bewusst eine Strategie, um die Wahrnehmung dieser Droge zu verbessern, nachdem sie lange Zeit in dem Ruf stand, von schlechter Qualität und Gegenstand von Fälschungen zu sein, und ihr Konsum infolgedessen zurückging“, so der Bericht. Einen Anstieg der jungen Menschen ist auch beim Konsum von Amphetaminen zu beobachten. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Erstklienten um 50 Prozent. Insgesamt liegt das Durchschnittsalter der Erstkonsumenten bereits bei 16 Jahren. Bei erstmaliger Behandlungsaufnahme sind die Menschen im Schnitt 26 Jahre alt. So belief sich ersten Schätzungen zufolge der Wert des Endkundenmarktes für illegale Drogen in der EU 2013 zwischen 21 und 31 Milliarden Euro. Mit 38 Prozent machen Cannabisprodukte noch immer den größten Teil aus. Heroin und Kokain finden sich auf Platz zwei und drei. Amphetamine (1,8 Milliarden Euro) und MDMA (0,7 Milliarden Euro)haben noch einen deutlich geringeren Anteil. 1 powered by Ausgabe | 21/16 schaft mit einem chinesischen Unternehmen hat 4SC am Dienstag an die Spitze der Xetra-Gewinner katapultiert. Die Aktien der bayerischen Biotechfirma stiegen um bis zu 17,4 Prozent auf 2,80 Euro. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit Link Health zur Entwicklung und Vermarktung eines Krebs-Wirkstoffs winken 4SC zufolge Vor- EBIT Marge 03. Juni 2016 Biotechbranche und die Wechselkurseffekte waren hierfür verantwortlich. „Big Pharma tritt – von ein paar Ausnahmen abgesehen – auf der Stelle. Sowohl Umsätze, Gewinne als auch Investitionen gingen währungsbereinigt nur leicht nach oben“, kommentiert Gerd Stürz, Marktsegmentleiter Life Sciences bei EY, die Zahlen. Ausnahme seien die Big Biotechs: Vor allem sie treiben derzeit das Wachstum: „Kein anderes Unternehmen erzielt seine Umsätze so umfassend mit Blockbuster-Medikamenten – also Medikamenten mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar pro Jahr – wie Gilead. Der Anteil am Gesamtumsatz machte 92,2 Prozent aus. Einen ähnlich hohen Anteil erreichten auch die beiden anderen Big Biotechs Novo Nordisk (90,7 Prozent) und Amgen (88 Prozent). Insgesamt – über alle 21 analysierten Unternehmen hinweg – lag der Blockbuster-Anteil bei 60 Prozent und damit zwei Prozentpunkte Foto: EBIT/Umsatz über dem Wert des Jahres 2014.“ ab- und Meilensteinzahlungen von bis zu 76 Millionen Euro. Außerdem erhalte das Unternehmen eine zweistellige prozentuale Beteiligung an den Verkaufserlösen in China. Insgesamt stieg der Umsatz der PharmaUnternehmen weltweit 2015 um 18,7 Prozent auf 429 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Vor allem die gut laufenden Politik EU-Kommission: EU-Länder können Glyphosat verbieten Die EU-Kommission hat in dem Streit um die Neuzulassung von Glyphosat einen Kompromiss vorgelegt N achdem die Abstimmung nach letzten Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den EU-Regierungschefs verschoben wurde, hat die EU-Kommission nun einen neuen Kompromiss vorgeschlagen. Dieser soll sicherstellen, dass auch die deutsche Regierung und andere Länder, die eher eine Zulassung verneinen würden, am Ende ihr Ok geben. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Zulassung für Glyphosat nach ihrem Auslaufen Ende Juni „vorläufig um weitere 12 bis 18 Monate“ zu verlängern. „Bis dahin soll ein Gutachten der europäischen Chemikalienagentur ECHA abschließend klären, ob der Wirkstoff Krebs erregen kann“, so die Kommission. Damit stellt die EU-Kommission selbst die Prüfung der EUBehörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in Frage. Diese kam Ende des vergangenen Jahres zu dem Schluss, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend sei. Die EU wälzt die Verantwortung bei einer Zulassung von Glyphosat auf die nationalen Parlamente ab. Foto: Flickr/ BI Müncheberg und Aktion Zukunft Müncheberg/CC by sa 2.0 2 powered by Ausgabe | 21/16 Ähnliches hatte auch das Deutsche Institut für Risikoforschung mitgeteilt. Aus zahlreichen Ländern kam jedoch Kritik an der Feststellung der Efsa. Zuletzt hatte das EU-Parlament eine Offenlegung der EFSAUntersuchung zu Glyphosat gefordert. Gleichzeitig wies die EU-Kommission – auch mit Blick auf die ungeklärte deutsche Position zu Glyphosat – darauf hin, dass eine Genehmigung im eigenen Land weiter dem Mitgliedsstaat selbst unterliege. „Einige Mitgliedstaaten haben sich dagegen gesträubt, eine Position einzunehmen. Ich denke, es ist wichtig, eines klarzustellen: Sobald ein Wirkstoff genehmigt oder auf EU-Ebene erneuert wird, ist es an den Mitgliedstaaten, die Endprodukte (die Herbizide und Pestizide selbst) auf ihren jeweiligen Märkten zu genehmigen“, sagte Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis: „Die EU-Zulassung eines Wirkstoffs bedeutet nur, dass die Mitgliedstaaten solche Pflanzenschutzmittel in ihrem Hoheitsgebiet genehmigen können, aber sie sind nicht dazu verpflichtet. Die Mitgliedstaaten, die keine auf Glyphosat basierenden Produkte verwenden wollen, haben die Möglichkeit, ihre Verwendung zu beschränken. Sie brauchen sich nicht hinter der Entscheidung der Kommission zu verstecken. Wenn es jedoch keine EU-Zulassung gibt, haben die Mitgliedstaaten keine andere Wahl mehr: Die Zulassung gilt bis zum 1. Juli. Sollte es keine Erneuerung geben, wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, vom Markt zu nehmen.“ In einer zweiten Entscheidung soll 03. Juni 2016 dann noch über eine generelle Verschärfung für die Verwendung von Glyphosat abgestimmt werden. Die EU-Kommission plant das Verbot gefährlicher Beistoffe (POE-Tallowamine), die Minimierung des Einsatzes in öffentlichen Parks, Spielplätzen und Gärten sowie die Minimierung vor der Ernte. „Als Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit möchte ich betonen, dass für mich ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, wie durch die EU-Gesetzgebung vorgesehen, an erster Stelle steht“, sagte Andriukaitis abschließend. Zugleich sei er zutiefst davon überzeugt, dass die Entscheidungen auf der Grundlage der Wissenschaft getroffen werden sollten, nicht nach politischer Zweckmäßigkeit.“ Forschung Eine Pille für Alles Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, mit der mehrere Medikamente mit nur einer Pille verabreicht werden können J e nach Krankheitsbild müssen einige Patienten mehrere unterschiedliche Tabletten einnehmen, manchmal auch über den Tag verteilt. Vergisst der Patient eine Tablette oder nimmt zu viel, kann das erhebliche gesundheitliche Folgen haben. Wissenschaftler der National University of Singapore (NUS) haben eine spezielle Pille entwickelt, um diese Schwierigkeiten zu umgehen. Sie haben eine Pille entwickelt, die mehrere Wirkstoffe beinhalten und zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Dosen abgeben kann. So könnte jeder Patient ein auf sich zugeschnittenes Medikament erhalten. Dafür legt der Arzt am Computer fest, welche Medikamente der Patient benötigt, wie oft und in welcher Dosis er diese nehmen soll. Der Computer rechnet die Informationen zu einem digitalen Pillenmodell um, das ein ganz spezielles Design gemäß der geplanten Einnahme der unterschiedlichen Medikamente erhält. Ein 3D-Drucker druckt im Anschluss daran eine Gießform für das entsprechende, am PC entworfene Pillenmodell aus. Die Form kann dann mit ungiftigem, flüssigen Polymer und den entsprechen- Die neue Pille könnte ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierte Medizin sein. den Substanzen gefüllt werden. Zum Schluss wird die halbfertige Pille noch mit einer Polymerschicht umhüllt. Je nach der Menge der Substanzen und ihrer Dosierung sieht die Pille am Ende anders aus. Nimmt der Patient die Pille zu sich, löst sich die Polymerschicht nach und nach, die Substanzen können entsprechend nach und nach an den Körper abgegeben werden. Foto: NUS „Lange war personalisierte Medizin nur ein bloßer Begriff“, sagte Soh Siow Ling von der NUS, „da es zu komplex oder zu teuer war.“ Nun sei das möglich. Der Arzt könne entweder direkt vor Ort diese Pillen ausdrucken oder ein Pharmaunternehmen könnte entsprechend bestimmte Pillen in großer Menge vorproduzieren. Für die Umsetzung sei man derzeit bereits in Gesprächen mit einem multinationalen Konzern. 3 powered by Ausgabe | 21/16 03. Juni 2016 Forschung Fujitsu macht Töne mit Vibration hörbar Ein kleines Gerät, festgesteckt im Ohr eines Gehörlosen, soll Töne hörbar machen D as Klingeln der Tür, des Telefons, ein Auto – wichtige Geräusche und Töne, die Gehörlose nicht wahrnehmen können. Der japanische Konzern Fujitsu arbeitet derzeit an einer Hardware, die es Gehörlosen erlaubt, genau diese Töne wahrzunehmen. Ontenna heißt die Hardware, die sich der Gehörlose in die Haare klippt. In 256 verschiedenen Stufen werden die Geräusche der Umgebung dann in dem Gerät zum Hören gebracht. Ein bestimmtes Vibrationsmuster beispielsweise zeigt dem Gehörlosen dann, das das Telefon klingelt. Mindestens eine halbe Stunde aber benötigt man, bis man die Technologie nutzen kann, und tatsächlich die Vibration für Ontenna soll Gehörlosen die Möglichkeit geben, die Geräusche ihrer Umgebung wahrzunehmen. Foto: Screenshot: Fujitsu das Telefon kennt. Der Nutzer muss sich also erst einmal intensiv mit dem Gerät auseinandersetzen. Befestigt man Ontenna links und rechts im Haar, müsste es theoretisch sogar möglich sein, die Geräusche in Stereo wahrzunehmen. Das würde vor allem im Verkehr oder auf der Straße eine enorme Erleichterung sein. Aber auch die Stimmung eines Konzertes kann so ganz spezifisch erfahren werden. Sprache lässt sich allerdings nicht in ganz konkrete Vibrationsmuster übersetzen. Ontenna soll aber nicht nur auf das Tragen im Haar beschränkt sein. Fujitsu selbst experimentiert mit Geräten, die wie ein Ohrring oder als Halskette getragen werden. Das Unternehmen will nun Tests in Japan und in den USA durchführen, um mehr Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln. Der Akku des Clips schafft derzeit etwa sechs Stunden. An der Laufzeit soll aber noch gearbeitet werden. Fujitsu rechnet damit, in den kommenden sechs bis zwölf Monaten ein kommerzielles Produkt zur Verfügung stellen zu können. Kassen Krankenkassen fordern Hilfe wegen Niedrigzinsen Im Gesundheitsfonds finden sich Milliardenreserven, für die wegen der Niedrigzinspolitik der EZB Strafzahlungen fällig werden I n den Gesundheitsfonds fließen Beitragseinnahmen und Zuschüsse vom Bund. Nach einem festgelegten Schlüssel wird das Geld an die Krankenkassen in monatlich gleichen Raten verteilt. Zwischenzeitlich wird der Fonds voll entleert und dann wieder aufgefüllt. Damit stets ausreichend Liquidität zur Verfügung steht, müssen hohe Summen kurzfristig auf Terminkonten geparkt werden. Dort wird das Geld allerdings negativ verzinst – mit anderen Worten: Es werden dafür Strafzinsen fällig. Der Hintergrund ist die Zins-Politik der EZB, die Banken und deren Kunden zwingen will, Geld zu investieren und nicht zu horten. Nach Angaben des Bundesversiche- rungsamts (BVA) wurden deshalb allein 2015 etwa 1,8 Millionen Euro Negativzinsen fällig. In diesem Jahr könnten es deutlich mehr werden: Allein im Januar und Februar gingen der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der negativen Einlagezinsen bereits 800.000 Euro verloren. Die Krankenkassen halten den Liquiditätspuffer für viel zu hoch. Ende 2015 betrug die Reserve rund zehn Milliarden Euro. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Mindestrücklage von 25 Prozent einer Monatsausgabe. 2015 hätten deshalb eigentlich 4,13 Milliarden Euro gereicht – also sechs Milliarden Euro weniger. Der Ersatzkassenverband vdek, der unter anderem die Marktführer Techniker Krankenkasse und Barmer GEK vertritt, fordert, die Liquiditätsreserve auf 35 Prozent einer Monatsausgabe zu reduzieren. Dadurch würden vier Milliarden Euro frei. Diese könnten von den Kassen nach den Vorstellungen des vdek genutzt werden, um die Zusatzbeiträge in Schach zu halten. Ohne eine gesetzliche Änderung geht das aber nicht. „Wir fordern, dass die Politik diese Maßnahme kurzfristig noch vor den Bundestagswahlen umsetzt“, sagt Verbandschefin Ulrike Elsner zu Reuters: „Damit würden weniger Beitragsgelder auf dem Kapitalmarkt verbrannt und der Druck auf die Zusatzbeitragssätze würde sich zumindest zeitweise reduzieren.“ 4 powered by Ausgabe | 21/16 Im Schnitt liegen die Zusatzbeiträge, die allein von den Arbeitnehmern zu zahlen sind, bei 1,1 Prozent. Bis 2019 werden sie nach Berechnungen des GKVSpitzenverbands schrittweise auf bis zu 1,8 Prozent steigen. Aus dem CDU-geführten Gesundheitsministerium kommen zu den Forderungen eher ablehnende Signale. Den Krankenkassen stehe es frei, ihre eigenen Finanz-Reserven von rund 14,5 Milliarden Euro zur Drosselung der Zusatzbeiträge einzusetzen und die Beitragszahler dadurch zu entlasten, sagt eine Sprecherin. Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach will die Rücklage derzeit nicht antasten. „Ich halte die Liquiditätsreserve in der jetzigen Größenordnung für angemessen und sehe keinen akuten Handlungsbedarf“, sagt er zu Reuters. Die entnommenen Beiträge würden schnell aufgebraucht sein und dann erneute Forderungen aufkommen, die Reserve abzubauen, wodurch ein Teufelskreis entstehe. Die Rücklage sei zudem wichtig im Falle außergewöhnlicher Belastungen wie einer Epidemie. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht zwar Probleme. Notwendig sei jedoch eine „dauerhafte Lösung, die auf festen Re- geln basiert“, sagt Sprecherin Ann Marini. Ein „Einmaleffekt für 2017“ bringe nicht weiter, denn die Beitragssteigerungen drohten über das kommende Jahr hinaus. Der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, fordert, der Bund oder die Bundesbank müssten den Sozialversicherungen zur Hilfe eilen und wenigstens einen Nullzins für die Fonds-Gelder garantieren. Um den Versicherten Verluste zu ersparen, sei ein „staatliches Auffangnetz“ sinnvoll: „Schließlich handelt es sich um eine solidarisch verfasste Pflichtversicherung, in die auch Steuermittel fließen.“ Nach Angaben aus Versicherungskreisen wird zumindest eine Rechtsänderung erwogen, um einen Teil des Geldes aus dem Gesundheitsfonds langfristig anlegen zu können. Entgegenkommen zeigt die Regierung bisher nur bei den Reserven, die die Kassen für sich selbst angelegt haben. Den Teil, der für die betriebliche Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zurückgelegt wurde, sollen die Krankenkassen künftig zu zehn Prozent in Aktien anlegen dürfen, damit sie höhere Erträge erzielen können. So sieht es ein Gesetz des Arbeitsministeriums vor, über das der Bundestag noch entscheiden muss. Laut Bundesversicherungsamt verfügen 03. Juni 2016 Strafzinsen für die Reserven der Kassen machen Risikopuffer zunichte. Foto: Flickr/Techniker Krankenkasse/CC by nc nd 2.0 die Kassen über Altersrückstellungen in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro. Den Krankenkassen geht ein Aktienanteil von zehn Prozent bei den Altersrückstellungen allerdings nicht weit genug. So fordert der GKV-Spitzenverband einen Anteil von 20 Prozent. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach zeigt sich zu einer entsprechenden Änderung am Entwurf bereit. Das BVA allerdings argumentiert, der Grundsatz der Anlagesicherheit müsse gewahrt bleiben. Auch eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums betont, für den Gesetzgeber stehe im Vordergrund, die Risiken minimal zu halten und einen größtmöglichen Schutz der Gelder zu gewährleisten. Vorsorge-Prinzip Ärztetag warnt vor Glyphosat-Zulassung Der Deutsche Ärztetag hat sich dringend für ein sofortiges Verbot des Pestizids Glyphosat ausgesprochen I n der Europäischen Union könnte die Zulassung für das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg hat die Bundesregierung und die Europäische Kommission aufgefordert, gemäß dem sogenannten Vorsorgeprinzip in Art. 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union keiner weiteren Verlängerung der Zulassung von Glyphosat zuzustimmen. Der Ärztetag stellte dazu fest: „Glyphosat wird als Unkrautvernichtungsmittel seit 1974 verwendet. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat 2015 im Zusammenhang mit der wahrscheinlich krebserregenden Wirkung für Menschen festgestellt, dass „Glyphosat (…) DNA- und chromosomale Defekte in menschlichen Zellen verursacht“. Für gentoxische Effekte besteht nach derzeitiger wissenschaftlicher Meinung kein unschädlicher Schwellenwert. Dieser Effekt muss für eine weitere, langfristige Zulassung durch weitere unabhängige Studien in den Expositionsszenarien für Menschen sicher ausgeschlossen werden.“ Aus der Bundesregierung hieß es, dass sich Deutschland bei einer möglichen Abstimmung enthalten werde. Die Bundesminister der SPD sind gegen die am 30. Juni auslaufenden Verlängerung der Zulassung, während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Agrarminister Christian Schmidt (CSU) die Weiterverwendung des Herbizids ebenso wie die EU-Kommission befürworten. Mit einer Enthaltung Deutschlands ist eine qualifizierte Mehrheit für die Verlängerung fraglich, weshalb die EU-Kommission eine Abstimmung schon mehrmals verschoben hat. Bei der Beurteilung des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Herbizids Glyphosat hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wichtige Studien zur Gentoxizität und Kanzerogenität nicht berücksichtigt bzw. fehlerhaft ausgewertet. Dies geht aus einer Studie des Toxikologen Peter Clausing im Auftrag von Campact und dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) hervor. Clausing hat den finalen BfR-Bericht zur Wiederzulassung von Glyphosat erstmals einer unabhängigen wissenschaftlichen Prüfung unterzogen. Der Bericht ist 5 powered by Ausgabe | 21/16 die wesentliche Grundlage für die Entscheidung, ob Glyphosat in der EU für weitere zehn Jahre oder länger zugelassen wird. Das BfR hält diesen Bericht bislang vor der Öffentlichkeit geheim. Clausing über die Hintergründe: „Der Bericht des BfR verdreht Tatsachen und verschweigt wichtige Studien zur Krebsgefahr von Glyphosat oder stellt sie falsch dar. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass das BfR die Beweislage gegen Glyphosat mit Absicht geschwächt hat”, sagte Clausing. So seien im Abschnitt zu Gentoxizität 44 wissenschaftliche Publikationen, die einen gentoxischen Effekt nachwiesen, nicht berücksichtigt worden. Hersteller-Studien, die keinen krebsauslösenden Effekt beschreiben, habe das BfR hingegen einbezogen. „Jetzt wird klar, warum der Glyphosat- Bericht des BfR nicht veröffentlicht werden soll. Dieser Bericht spielt die Gesundheitsgefahren von Glyphosat systematisch herunter. Die Geheimniskrämerei und Vertuschung muss ein Ende haben”, sagte Gerald Neubauer von Campact. Der Bericht des BfR sei vollkommen untauglich und müsse zurückgezogen werden. Die engen Verflechtungen zwischen Behörden und Pestizid-Industrie hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) parallel in einer eigenen Untersuchung analysiert. „Obwohl sie dem Verbraucher- und Umweltschutz verpflichtet sind, lassen die Zulassungsbehörden jede kritische Distanz vermissen. Sie handeln wie Dienstleister der Pestizidhersteller“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. „Das Ziel der Hersteller, Wirkstoffe auf den Markt zu bringen und Der Widerstand gegen Glyphosat in der Bevölkerung wächst. 03. Juni 2016 Gewinne zu maximieren, verzerrt die eigenen Beurteilungen. Die Pestizidindustrie darf ihre Studien nicht länger selbst schreiben und bewerten, denn sie unterliegt einem offensichtlichen Interessenkonflikt“, sagte Weiger. Nun müsse das BfR beweisen, dass es nicht ausschließlich der Öffentlichkeit vorenthaltenen Hersteller-Studien gefolgt sei. Das BfR müsse außerdem auf die Hersteller einwirken, ihre Studien offenzulegen, und so eine Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler ermöglichen. „Handeln muss auch der Gesetzgeber. Hauptaufgabe des BfR muss die Vorsorge vor den Risiken des Pestizideinsatzes sein. Verschließt das Bundesinstitut für Risikobewertung vor den Glyphosat-Gefahren weiter die Augen, ist es eher eine Behörde für Risikoverharmlosung“, so der BUNDVorsitzende. Foto: Flickr/campact/CC by nc 2.0 Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. 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