Textversion Interview Prof. Cichutek (PDF, 89KB

Interview mit Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts,
Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
Herr Professor Cichutek, können Sie bitte zunächst die Aufgaben des Paul-Ehrlich-Instituts
umreißen?
Das Paul-Ehrlich-Institut ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig. Dies umfasst Aufgaben sowohl in der Forschung als auch in der Regulation
dieser Arzneimittel. Die regulatorische Arbeit des Instituts betrifft den gesamten Entwicklungszyklus dieser Arzneimittel. Unser besonderes Augenmerk gilt dabei der Arzneimittelsicherheit, aber auch der Wirksamkeit. Arzneimittel mit positiver Nutzen-Risikobilanz erhalten
eine Zulassung. Entweder vom Paul-Ehrlich-Institut selbst oder bei europäischen Verfahren,
an den das Institut auch beteiligt ist, von der europäischen Kommission.
Experten des Paul-Ehrlich-Instituts und der anderen Arzneimittelagenturen der europäischen Mitgliedstaaten nehmen unter dem Dach der europäischen Arzneimittelagentur EMA
die Arzneimittelprüfung- und -bewertung vor. Im Unterschied zu chemischen Arzneimitteln
unterliegt jede Charge eines Impfstoffs, einer Blutzubereitung und eines Allergens, bevor sie
auf den Markt kommt der staatlichen Chargenfreigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut. Dabei
werden Proben des Herstellers jeder für die Freigabe eingereichten Charge experimentell geprüft oder es werden die Prüfungsdaten kontrolliert. Bei positivem Ergebnis erfolgt die Chargenfreigabe.
Bei der Pharmakovigilanz (laufende und systematische Überwachung der Sicherheit eines
Fertigarzneimittels) erfassen wir von Ärzten, Apothekern, pharmazeutischen Unternehmern
und akademischen klinischen Forschungsgruppen sowie Bürgern selbst, gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen. Solche Daten können auch bei
Inspektionen des Paul-Ehrlich-Instituts beim Zulassungsinhaber erfasst werden. Sollte die
Evaluation der Pharmakovigilanzdaten ein sogenanntes Risikosignal ergeben, so kann das
Paul-Ehrlich-Institut verschiedene Maßnahmen ergreifen. Diese reichen von der Verpflichtung des Zulassungsinhabers, neue Warnhinweise in die Packungsbeilage aufzunehmen, über
den Widerruf der Chargenfreigabe bis zum Widerruf einer Zulassung. Mit seiner Arbeit gewährleistet das Paul-Ehrlich-Institut somit kurz gesagt: die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der zugelassenen oder genehmigten Impfstoffe und biomedizinischen Arzneimittel.
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist ein Schwerpunkt der Arbeiten des Paul-Ehrlich-Instituts die Prüfung, Bewertung von biomedizinischen Arzneimittel und Impfstoffen. Sie betreiben
aber auch eigene Forschung. Wie lässt sich Ihre Forschung charakterisieren und wie entstehen
entsprechende Projekte?
Nun, wir forschen auf verschiedenen Gebieten die wir in einem öffentlich zugänglichen Forschungskonzept zusammengefasst haben. Uns interessiert insbesondere die regulatorische
Forschung zu innovativen Methoden der Arzneimittelprüfung. Denn uns liegt es am Herzen,
dass im Hinblick auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit optimal geprüfter Arzneimittel auf
den Markt sind. Ein Aspekt ist hier der Schutz der Impflinge, ein anderer die Einführung immer sensiblerer Nachweismethoden. Auch hier muss man mit der Zeit gehen. Unsere Forschungsinteraktion von der Erregern mit ihrem Wirt und die Interaktion von Wirkstoffen mit
dem Organismus, bildet eine wichtige Grundlage für die Frage, warum und wie biomedizinische Arzneimittel wirken, beziehungsweise wie neue Arzneimittel entwickelt werden können.
Außerdem erforschen wir, wie neue Impfstoff- und Therapiekonzepte generiert werden können und früh an den Patienten kommen können. Damit ergänzt unsere Forschung unsere regulatorische Arbeit in idealer Weise, weil wenn wir mit unseren Arzneimitteln experimentell
befasst sind und ihre Eigenschaften kennen. Wir sind also nicht nur auf die von den pharmazeutischen Unternehmern erhobenen Daten angewiesen. Unsere Forschung unterstützt die
regulatorischen Arbeiten, zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Arzneimitteltests für die
Sicherheit monoklonaler Antikörper und Allergene. Eigene experimentelle Forschung in der
Virologie und Mikrobiologie, der Immunologie und der Hämatologie ergeben ein vertieftes
Verständnis für die Entwicklung von komplexen Arzneimitteln wie den Zell- und Gentherapeutiker sowie Gerinnungsfaktoren und Stammzellpräparaten. Sie führt auch zu neuen Erkenntnissen über die Wirkungsweise von Impfstoffen. In der Pharmakoepidemiologie suchen wir nach Zusammenhängen zwischen sehr seltenen physiologischen Reaktionen und
der Gabe bestimmter Arzneimittelprodukte. Zudem erforschen wir neue Arzneimittelkonzepte und tragen damit zur Entwicklung innovativer Arzneimittel in der Biomedizin bei.
Schließlich unterstützen wir mit unseren Forschungsarbeiten auch die Weltgesundheitsorganisation, die WHO – beispielsweise ganz aktuell durch die Etablierung von Referenzpräparaten für den Nachweis des Zikavirus.
Sie bezeichnen Ihr Institut als unparteiisch, verschwiegen und wo notwendig als transparent.
Das ist sicherlich nicht ganz einfach aufgrund der mitunter schwervereinbarenden Interessen
von Industrie, Universitätskliniken und Politik. Wie schaffen Sie das?
Unsere Aufgabe ist die unabhängige, behördliche Arzneimittelprüfung und Forschung, jenseits von Marketing und anderen industriellen Interessen. Hierzu haben wir Leitprinzipien
formuliert, auf deren Basis wir arbeiten und die uns ebenfalls zu Unparteilichkeit, Wissenschaftlichkeit und Angemessenheit unserer Entscheidungen verpflichten. Finanziert werden
wir weitgehend durch die Bundesregierung, so dass wir von unseren Gebühreneinnahmen
unabhängig sind. Im Bereich der Forschung werben wir öffentliche Drittmittel ein, also Projektmittel die nicht von pharmazeutischen Unternehmen oder deren Verbänden stammen,
sondern den Ministerien, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Europäischen
Kommission. Die Projektförderer sind auf unserer Internetseite unter dem Schlagwort Forschungsförderung veröffentlicht. Unternehmen mit denen wir über Zulassung in Kontakt
stehen, sind als Geldgeber generell ausgeschlossen. Die Beschäftigten und das Institut selbst
nehmen keine Mittel oder Geschenke von der Pharmaindustrie an. Mögliche finanzielle Interessen, zum Beispiel der Besitz von Aktien oder Anteilen von Pharmaunternehmen werden
jährlich abgefragt und führen ggf. zum Ausschluss von regulatorischen Verfahren und Entscheidungen.
Das heißt, sie können davon ausgehen, dass solche Interessen unserer Beschäftigten nicht
bestehen. So ist es uns möglich als unabhängige, fachmännische Vertreter für die Qualität,
Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimittel für den deutschen und europäischen Markt zu
arbeiten. Dies ist im Sinne des Patienten beziehungsweise der zu impfenden Menschen.
Treten Sie mit Resultaten ihrer Arbeit auch direkt öffentlich in Erscheinung oder beschränkt sich
Ihre Arbeit auf die Unterrichtung der Politik?
Nun, die Information der Öffentlichkeit und Transparenz sind uns wichtig. Mit Hilfe des Internets können wir Informationen heute jedermann, jederzeit zugänglich gemacht werden.
Daher haben wir einen umfassenden und informativen Internetauftritt. Herausragende Ereignisse und Ergebnisse am Institut – Meetings, regulatorische Gegebenheiten werden auf
unserer Startseite gehighlightet. Ärzte und Apotheker, Patienten und die pharmazeutische
Industrie finden dort weiterführende Informationen. Über verschiedene Newsletters besteht
die Möglichkeit sich zeitnah über Neuigkeiten im regulatorischen und wissenschaftlichen Bereich oder über Sicherheitsinformationen zu unseren Arzneimitteln zu informieren.
Zudem geben wir alle zwei Jahre einen zweisprachigen Tätigkeitsbericht heraus, der allgemein verständlich darstellt, was in dem entsprechenden Zeitraum geleistet wurde. Auch tabellarische Übersichten über die Zulassungsleistungen und die wissenschaftlichen Publikationen werden dort angeboten. Wir informieren mit Pressemitteilungen über besondere Forschungsergebnisse und wichtige Ereignisse im Institut und bieten alle zwei Jahre Besuchern
die Möglichkeit, sich beim Tag der offenen Tür vor Ort über unsere Arbeit zu informieren.
Außerdem sind wir jedes Jahr beim Tag der offenen Tür des Bundesministeriums für Gesundheit in Berlin vertreten. Auf Anfrage bieten wir Besuchergruppen auch Vorträge zu unserer Arbeit an.