Zwei Schwangerschaften und Geburten hatten negative Auswirkungen auf den Lohn einer Angestellten. Gericht erlaubt indirekte Lohndiskriminierung fs / 02. Jun 2016 - In der Schweiz darf eine Arbeitgeberin einer Angestellten wegen des Mutterschaftsurlaubes eine Lohnerhöhung verweigern. Ein Grundsatzurteil mit Folgen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Fall einer Angestellten der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zu beurteilen. Dabei ging es um ihre Absenzen in den Jahren 2010 und 2013. Mutterschaftsurlaub erhöht Absenztage Im Jahr 2010 fehlte die Zugbegleiterin während insgesamt 306 Arbeitstagen. 144 Tage vor der Geburt durfte sie nicht als Zugbegleiterin arbeiten. Die SBB boten der Schwangeren keinen anderen Arbeitsort an und stellten sie frei. Nach der Geburt war sie 101 Tage im Mutterschaftsurlaub (Elternzeit, Karenz). Zusätzlich war sie 61 Tage krank geschrieben. Im Jahr 2013 fehlte die Angestellte während 187 Tagen. 122 Tage war sie erneut im Mutterschaftsurlaub und 65 Tage krank geschrieben. Keine Lohnerhöhung Wegen der vielen Absenzen erhielt die Angestellte in den Jahren 2011 und 2014 keine Lohnerhöhung. Die SBB begründen dies mit ihrem Reglement. Danach gibt es bei Abwesenheiten von länger als einem halben Kalenderjahr keine Lohnerhöhung. Eine Beurteilung der Leistung sei bei so langen Abwesenheiten nicht möglich. Indirekte Diskriminierung Gegen diese Klausel klagte die Zugbegleiterin, unterstützt von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV). Im Reglement der SBB sei der Mutterschaftsurlaub bei den lohnrelevanten Abwesenheitstagen nicht explizit genannt. Wenn dieser zu den sechs Monaten zähle, die man maximal abwesend sein darf, diskriminiere dies Frauen indirekt. Sie hätten dann schlechtere Chancen als Männer auf eine Leistungsbeurteilung und damit auf eine Lohnerhöhung. Diskriminierung «sachlich gerechtfertigt» Das Bundesverwaltungsgericht entschied knapp mit drei zu zwei Stimmen, dass es Frauen tatsächlich indirekt diskriminiert, wenn die SBB den Mutterschaftsurlaub zu den lohnrelevanten Abwesenheitstagen zählen. Das benachteilige Frauen, was das Gleichstellungsgesetz verbietet. Trotzdem wies das Gericht wiederum knapp mit drei zu zwei Stimmen die Klage der Angestellten ab. Die Diskriminierung sei «sachlich gerechtfertigt» und damit erlaubt. Die Leistung einer angestellten Person zu beurteilen sei nur möglich, wenn sie auch gearbeitet hat. Arbeitgeber dürften dafür eine Mindestdauer festlegen. Der gesetzliche Mutterschaftsurlaub sei mit vier Monaten kürzer als ein halbes Jahr. Nach einem Mutterschaftsurlaub bleibe also noch genug Arbeitszeit, um eine Lohnerhöhung zu erreichen. Der Mutterschaftsurlaub allein führe nicht dazu, dass eine lohnrelevante Beurteilung nicht stattfinden könne. Grundsatzurteil Das Urteil (A-6157/2014) wird später veröffentlicht. Es gilt als Grundsatzurteil, das Folgen für viele Arbeitnehmerinnen haben kann. Die Gewerkschaft SEV will das schriftliche Urteil abwarten. Es sei aber «mehr als wahrscheinlich», dass sie das Urteil ans Bundesgericht weiterziehe. Frauen dürften nicht wegen der Mutterschaft diskriminiert werden. Das Bundesverwaltungsgericht stelle bei der Berechnung der Abwesenheitstage den Mutterschaftsurlaub mit einer Krankheit gleich. Damit habe eine Schwangere ein höheres Risiko als ein Mann, keine Lohnerhöhung zu erhalten.
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