Management & Marketing In geheimer Mission Text: Daniela Müller / Bilder: NDS, fotolia.com: olly / [email protected] MysteryGäste im Dienste der Qualität 48 HOGAPAGE WISSENSMAGAZIN 1/2014 Vor seinem Einsatz erhält der Mystery-Gast einen Fragebogen, der den genauen Ablauf seines Tests vorgibt. Sabine Hartmann ist Geschäftsführerin der NDS New Data Service GmbH, Mönchengladbach. Es könnte der junge Mann im blauen Pullover sein, genauso gut aber auch die adrette Rentnerin mit dem grünen Filzhut, die gerade Kaffee und Kuchen bestellt hat. Es könnte tatsächlich jeder sein. Genau das ist das Erfolgsgeheimnis eines Mystery-Checks. Denn der »geheime Gast« nimmt, von Personal und Chef unerkannt, den Betrieb unter die Lupe. des geheimen Testers jedoch offenbart mehr als einzelne Fehler und Unzulänglichkeiten – nämlich die Realität in allen Facetten. Dabei ist der Mystery-Gast in der Regel objektiver als jemand, der seine Meinung auf einem der zahlreich vorhandenen Bewertungsportale im Internet hinterlässt. Er testet in der Regel umfassend, das heißt alle dem Gast zugänglichen Bereiche. Vor seinem Einsatz erhält er immer einen Fragebogen bzw. in komplizierteren Fällen ein zusätzliches Briefing per Mail oder am Telefon. D as Beste an einem Mystery-Visit ist: Der Unternehmer kann durch den »geheimen Gast« den eigenen Betrieb praktisch mit den Augen seiner Gäste sehen. Er erfährt so aus erster Hand viel Neues, z. B. wo die Schwachstellen seines Geschäftes sind, aber auch wo die Stärken liegen. Manuela Fischer, myst-X Das Prinzip ist einfach. »Der Tester folgt dem Weg, den ein ganz normaler Gast bei einem Besuch nehmen würde«, erklärt Christian Karrenbauer, Geschäftsführer der MSM Germany GmbH in Münster. Das Unternehmen bietet Mystery-Checks und Trainingsmaßnahmen im deutschsprachigen Raum an. Die überwiegende Mehrheit seiner Klienten aus dem Gastgewerbe sind Systemgastronomen bzw. große Hotelketten. »Diese Kunden haben ihren Fokus ganz klar auf einheitlichen Standards. Sie beauftragen uns, zu überprüfen, inwiefern diese auch eingehalten werden«, so Karrenbauer. Und wenn er aber kommt? Der Zeitpunkt, wann ein Test durchgeführt wird, ist zumeist genauso geheim wie die Identität des Mystery-Guests selbst. »Nicht einmal der Auftraggeber weiß, wann wir kommen«, verrät Manuela Fischer von der Münchner Agentur myst-X. Der Ablauf ist dabei bei den meisten Agenturen recht ähnlich: Geht es beispielsweise um ein Hotel, erfolgt zunächst eine telefonische Reservierung. Dann wird eingecheckt, der Tester arbeitet alle Punkte seiner Checkliste ab, zahlt seine Rechnung und verlässt das Hotel, ohne sei ne Rol le Wir erleben die preiszugeben. Leistungen des »Wir erleben entsprechenden die Leistungen des entspreObjekts nicht chenden Obanders als jeder jekts nicht anders als jeder normale Gast normale Gast«, erklärt Manuela Fischer. »Außer wir werden als ›komplizierter Gast‹ gebucht. Dann wird es natürlich auch mal exotisch – und für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung.« Ungeschönter Blick auf die Realität Natürlich würde ein aufmerksamer Hoteldirektor oder Abteilungsleiter bestimmte Missstände früher oder später auch selbst bemerken. Der unvoreingenommene Blick »Tester sind Menschen – und als solche haben sie manchmal recht verschiedene Wahrnehmungen bzw. Toleranzschwellen. Es ist unsere Aufgabe, diese Unterschiede durch eine sehr konkrete Fragestellung auszutarieren«, erklärt Sabine Hartmann, Geschäftsführerin der NDS New Data Service GmbH, Mönchengladbach. Seit 1997 ist das Unternehmen in dem Geschäftsfeld aktiv und hat seinen Schwerpunkt auf Tests in der Hotellerie und Gastronomie gelegt. Sabine Hartmann und ihr Team sind als MysteryGuesting-Anbieter des DEHOGA akkreditiert. Tatsächlich ist der alljährliche Besuch des Inkognito-Testers nämlich Bestandteil für die deutsche Hotelklassifizierung. Allerdings, und darauf weist die Expertin hin, sei ein Test, der nur einmal im Jahr gemacht werde, eben nur eine Momentaufnahme. »Nur wenn regelmäßig Tests durchgeführt werden, sind diese ein wirksames Messinstrument.« HOGAPAGE WISSENSMAGAZIN 1/2014 49 Mitarbeiter ins Boot holen Christian Karrenbauer, Geschäfts führer der MSM Germany GmbH in Münster, betreut größtenteils Systemgastronomen und Hotelketten. Genaue Regieanweisungen In Abhängigkeit vom Kundenprofil und der Legende erhält der Tester genaue Regieanweisungen. »Diese sind sehr wichtig, weil z.B. in der Systemgastronomie die Ergebnisse nur vergleichbar werden, wenn alle unsere Leute denselben Ablauf befolgen«, erklärt Christian Karrenbauer von MSM Germany. Der Mystery-Besucher bekommt also einen Plan mit präzisen Aufgaben, die er der Reihe nach ausführt, wie »Ich warte, ob mir zusätzlich zum Hauptgericht eine Vorspeise angeboten wird …« oder »Ich leere mein erstes Getränk während des Hauptgangs und warte ab, ob ich nach einem weiteren Getränkewunsch gefragt werde …«. Das wirkt zwar auf den ersten Blick etwas statisch und konstruiert, tatsächlich sind aber genau das die Situationen, die ein Gast erlebt. Hat der geheime Test-Gast schließlich seinen Auftrag erfüllt, geht er nach Hause und füllt den Fragebogen aus, den er vorab von der Agentur erhielt. Seine Antworten werden dann im Detail noch einmal von der Agentur auf Schlüssigkeit und Widersprüche kontrolliert. Stimmt alles, erhält der Kunde die angeforderten Ergebnisse und Analysen. Sind die Ergebnisse nicht verwendbar, wird der Test auf Kosten der Agentur wiederholt. Manche Agenturen bieten als zusätzlichen Service einen anonymen Benchmark. Daraus kann der 50 HOGAPAGE WISSENSMAGAZIN 1/2014 Wer Mystery-Guesting in seinem Betrieb neu einführt, der sollte die Thematik vorab mit den Mitarbeitern besprechen. Es ist wichtig, dass diese den Inkognito-Test nicht als Strafe oder Bespitzelungsversuch betrachten, sondern als positive Herausforderung. Die Ergebnisse können als Motivation dienen genauso wie als Ansporn, es nächstes Mal besser zu machen. Manuela Fischer hat dazu mit ihrer Agentur myst-X weitestgehend gute Erfahrungen gemacht: »Einige Mitarbeiter nehmen das Auditergebnis überrascht Manuela und mit Erstaunen zur Fischer, Kenntnis. Der erste myst-X Schreck wandelt sich jedoch meist recht zügig in Offenheit und Kritikfähigkeit. Eigentlich ist jeder über ehrliches Feedback froh und ergreift die Chance, manches besser zu machen. Letztendlich zahlt ja nicht der Chef das Gehalt, sondern der Gast.« Keine zweite Chance Kundenzufriedenheit sollte für jeden Unternehmer im Gastgewerbe an absolut erster Stelle stehen. »Prinzipiell gilt aber, dass sich über 95 Prozent der unzufriedenen Gäste nicht beschweren. Sie kommen einfach nicht wieder, gehen zu Konkur- ren zbet r ieben u nd ber ichten i m schlimmsten Fall noch zehn Bekannten und einer Internetbewertungsplattform von der negativen Erfahrung«, verdeutlicht Manuela Fischer die Notwendigkeit, den Tatsachen im eigenen Haus auf den Grund zu gehen. Das Unternehmen ist ebenfalls anerkannter Mystery-GuestingAnbieter der deutschen Hotelklassifizierung des DEHOGA und betreut Kunden aus allen Bereichen der Hotellerie und Gastronomie. »Leider«, so fügt sie hinzu, seien es meistens gerade die erfolgreichen »Über-den-Rand-Denker«, die sie beauftragen würden. Inhaber, deren Objekt eher schlecht läuft, Ausruhen scheuten dagegen oft geht nicht, jede kleine Investition in das eigene Quadenn die litätsmanagement, Konkurrenz auch wenn diese woschläft möglich lebensretbekanntlich tend wäre, berichtet sie aus ihren Erfahnicht rungen. »Unser Honorar amortisiert sich jedoch bei richtiger Verwertung der Analysen in der Regel schon nach kurzer Zeit«, so Fischer. Und auch wenn scheinbar alles gut ist, lohnt sich ein Check, ist sie sich sicher: »Wenn das Unternehmen läuft und das Haus stets optimal belegt ist, beginnen die Mitarbeiter in der Regel nachlässig zu werden und Standards nicht mehr einzuhalten. Genau an diesem Peak sollte man jedoch beginnen, sich zu verbessern.« Ausruhen ist gefährlich, denn die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Bleiben die Gläser zu lange leer, gibt das Minuspunkte beim Mystery-Check. Bilder: MSM Germany, Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz, iStockphoto Kunde dann schließen, wie er im Vergleich zu anderen Objekten der gleichen Klassifizierungsebene abschneidet. Das Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz setzt auf regelmäßige Mystery-Checks als Qualitätskontrolle. »Objektives Feedback ist wichtig.« Jürgen Gangl, General Manager des Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz, ist Kunde bei der NDS New Data Service GmbH und führt gemeinsam mit der Agentur regelmäßig Mystery-Checks durch. Im Interview mit HOGAPAGE spricht er über seine Erfahrungen. Was hat Sie dazu bewogen MysteryGuests als Qualitätskontrolle einzu setzen? Wie stehen Ihre Mitarbeiter zu den Mystery-Guests? Da der monatliche Check bereits seit vielen Jahren im Haus durchgeführt wird, gehört er für alle Mitarbeiter einfach mit dazu. Die Tests sind sogar ein Ansporn für unsere Leute, da die Ergebnisse nicht nur in den einzelnen Abteilungen besprochen werden, sondern auch in der Kantine aushängen. Natürlich ist das Personal neugierig und erwartet mit Interesse die Auswertung. Die Tests sind eine wichtige Ergänzung zu unIm Falle von hervorragenden Mitarbeiterleistungen im Rahmen der Tests ist das eine sehr serer Zertifizierung ServiceQualität Deutschland Stufe II (HOGAPAGE berichtete in Ausgute Motivation für die entsprechenden MitJürgen Gangl, General Manager, gabe 2/2013, Seite 56 ff.). Sie sind eine messbaarbeiter. Das betrifft sowohl EinzelleistunRadisson Berlin Alexanderplatz. re Kontrolle für uns, wie die verschiedenen gen als auch das Abschneiden ganzer AbteiZertifizierungskriterien umgesetzt sind. Es ist lungen. uns auch wichtig, dass sich in den Fragen, die die Tester erhalten, unsere Hotelstandards wiederfinden, damit wir überprüfen kön- Wie nutzen Sie die Ergebnisse der Tests? Man kann aus den Ergebnissen sehr gut Maßnahmen ableiten. nen, ob diese eingehalten werden. Unser Haus wird zwölfmal im Jahr von einem Mystery-Guest beAnders als bei einem Tester der eigenen Hotelfirma, der zumeist sucht. Mit dieser Frequenz können wir die Servicequalität in den nur einmal im Jahr kommt, handelt es sich bei den Mystery-Guests einzelnen Abteilungen gut analysieren – und aus den Ergebnissen ja um tatsächliche Gäste, d.h. wir bekommen ein wirklich objek- gegebenenfalls direkt Maßnahmen ableiten. tives Feedback. Aus den Analysen gewinnen wir sehr wertvolle Erkenntnisse, wie beispielsweise für welche Klientel wir gegebe- Die Tests zeigen auf, wo definitiver Schulungsbedarf besteht. Schließlich nehmen wir die persönlichen Kommentare des Testers nenfalls attraktiver werden müssen. sehr ernst. Wir erhalten hier oft Hinweise auf Dinge, die uns selbst Wie oft bekommen Sie den geheimnisvollen Besuch? in der täglichen Routine gar nicht auffallen, wie zum Beispiel AusMonatlich, in allen Bereichen. schilderungen, die ein Gast vermisst hat. HOGAPAGE WISSENSMAGAZIN 1/2014 51
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