In geheimer - myst-X

Management & Marketing
In geheimer
Mission
Text: Daniela Müller / Bilder: NDS, fotolia.com: olly / [email protected]
MysteryGäste im
Dienste der
Qualität
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HOGAPAGE WISSENSMAGAZIN 1/2014
Vor seinem Einsatz erhält der Mystery-Gast einen Fragebogen, der den genauen Ablauf
seines Tests vorgibt.
Sabine Hartmann ist Geschäftsführerin der NDS
New Data Service GmbH, Mönchengladbach.
Es könnte der junge Mann im
blauen Pullover sein, genauso gut
aber auch die adrette Rentnerin
mit dem grünen Filzhut, die gerade
Kaffee und Kuchen bestellt hat.
Es könnte tatsächlich jeder sein.
Genau das ist das Erfolgsgeheimnis
eines Mystery-Checks. Denn der
»geheime Gast« nimmt, von Personal und Chef unerkannt, den
Betrieb unter die Lupe.
des geheimen Testers jedoch offenbart
mehr als einzelne Fehler und Unzulänglichkeiten – nämlich die Realität in allen
Facetten. Dabei ist der Mystery-Gast in der
Regel objektiver als jemand, der seine Meinung auf einem der zahlreich vorhandenen Bewertungsportale im Internet hinterlässt. Er testet in der Regel umfassend,
das heißt alle dem Gast zugänglichen Bereiche. Vor seinem Einsatz erhält er immer
einen Fragebogen bzw. in komplizierteren
Fällen ein zusätzliches Briefing per Mail
oder am Telefon.
D
as Beste an einem Mystery-Visit
ist: Der Unternehmer kann durch
den »geheimen Gast« den eigenen
Betrieb praktisch mit den Augen seiner
Gäste sehen. Er erfährt so aus erster Hand
viel Neues, z. B. wo die
Schwachstellen seines
Geschäftes sind, aber
auch wo die Stärken
liegen.
Manuela
Fischer,
myst-X
Das Prinzip ist einfach.
»Der Tester folgt dem
Weg, den ein ganz normaler Gast bei einem Besuch nehmen
würde«, erklärt Christian Karrenbauer,
Geschäftsführer der MSM Germany
GmbH in Münster. Das Unternehmen bietet Mystery-Checks und Trainingsmaßnahmen im deutschsprachigen Raum an.
Die überwiegende Mehrheit seiner Klienten aus dem Gastgewerbe sind Systemgastronomen bzw. große Hotelketten. »Diese
Kunden haben ihren Fokus ganz klar auf
einheitlichen Standards. Sie beauftragen
uns, zu überprüfen, inwiefern diese auch
eingehalten werden«, so Karrenbauer.
Und wenn er aber kommt?
Der Zeitpunkt, wann ein Test durchgeführt wird, ist zumeist genauso geheim
wie die Identität des Mystery-Guests
selbst. »Nicht einmal der Auftraggeber
weiß, wann wir kommen«, verrät Manuela Fischer von der Münchner Agentur
myst-X. Der Ablauf ist dabei bei den meisten Agenturen recht ähnlich: Geht es beispielsweise um ein Hotel, erfolgt zunächst
eine telefonische Reservierung. Dann
wird eingecheckt, der Tester arbeitet alle
Punkte seiner Checkliste ab, zahlt seine
Rechnung und verlässt das Hotel, ohne
sei ne Rol le
Wir erleben die preiszugeben.
Leistungen des »Wir erleben
entsprechenden die Leistungen
des entspreObjekts nicht
chenden Obanders als jeder jekts nicht anders als jeder
normale Gast
normale Gast«,
erklärt Manuela Fischer. »Außer wir werden als ›komplizierter Gast‹ gebucht. Dann
wird es natürlich auch mal exotisch – und
für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung.«
Ungeschönter Blick auf die Realität
Natürlich würde ein aufmerksamer Hoteldirektor oder Abteilungsleiter bestimmte
Missstände früher oder später auch selbst
bemerken. Der unvoreingenommene Blick
»Tester sind Menschen – und als solche
haben sie manchmal recht verschiedene
Wahrnehmungen bzw. Toleranzschwellen. Es ist unsere Aufgabe, diese Unterschiede durch eine sehr konkrete Fragestellung auszutarieren«, erklärt Sabine
Hartmann, Geschäftsführerin der NDS
New Data Service GmbH, Mönchengladbach. Seit 1997 ist das Unternehmen in
dem Geschäftsfeld aktiv und hat seinen
Schwerpunkt auf Tests in der Hotellerie
und Gastronomie gelegt. Sabine Hartmann und ihr Team sind als MysteryGuesting-Anbieter des DEHOGA akkreditiert. Tatsächlich ist der alljährliche Besuch des Inkognito-Testers nämlich
Bestandteil für die deutsche Hotelklassifizierung. Allerdings, und darauf weist die
Expertin hin, sei ein Test, der nur einmal
im Jahr gemacht werde, eben nur eine Momentaufnahme. »Nur wenn regelmäßig
Tests durchgeführt werden, sind diese ein
wirksames Messinstrument.«
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Mitarbeiter ins Boot holen
Christian Karrenbauer, Geschäfts­
führer der MSM Germany GmbH
in Münster, betreut größtenteils
Systemgastronomen und Hotelketten.
Genaue Regieanweisungen
In Abhängigkeit vom Kundenprofil und
der Legende erhält der Tester genaue Regieanweisungen. »Diese sind sehr wichtig,
weil z.B. in der Systemgastronomie die
Ergebnisse nur vergleichbar werden, wenn
alle unsere Leute denselben Ablauf befolgen«, erklärt Christian Karrenbauer von
MSM Germany. Der Mystery-Besucher
bekommt also einen Plan mit präzisen
Aufgaben, die er der Reihe nach ausführt,
wie »Ich warte, ob mir zusätzlich zum
Hauptgericht eine Vorspeise angeboten
wird …« oder »Ich leere mein erstes Getränk während des Hauptgangs und warte
ab, ob ich nach einem weiteren Getränkewunsch gefragt werde …«. Das wirkt zwar
auf den ersten Blick etwas statisch und
konstruiert, tatsächlich sind aber genau
das die Situationen, die ein Gast erlebt.
Hat der geheime Test-Gast schließlich seinen Auftrag erfüllt, geht er nach Hause
und füllt den Fragebogen aus, den er vorab
von der Agentur erhielt. Seine Antworten
werden dann im Detail noch einmal von
der Agentur auf Schlüssigkeit und Widersprüche kontrolliert. Stimmt alles, erhält
der Kunde die angeforderten Ergebnisse
und Analysen. Sind die Ergebnisse nicht
verwendbar, wird der Test auf Kosten der
Agentur wiederholt. Manche Agenturen
bieten als zusätzlichen Service einen anonymen Benchmark. Daraus kann der
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Wer Mystery-Guesting in seinem Betrieb
neu einführt, der sollte die Thematik vorab mit den Mitarbeitern besprechen. Es ist
wichtig, dass diese den Inkognito-Test
nicht als Strafe oder Bespitzelungsversuch
betrachten, sondern als positive Herausforderung. Die Ergebnisse können als Motivation dienen genauso wie als Ansporn,
es nächstes Mal besser zu machen. Manuela Fischer hat dazu mit ihrer Agentur
myst-X weitestgehend
gute Erfahrungen gemacht: »Einige Mitarbeiter nehmen das Auditergebnis überrascht
Manuela
und mit Erstaunen zur
Fischer,
Kenntnis. Der erste
myst-X
Schreck wandelt sich
jedoch meist recht zügig in Offenheit und
Kritikfähigkeit. Eigentlich ist jeder über
ehrliches Feedback froh und ergreift die
Chance, manches besser zu machen.
Letztendlich zahlt ja nicht der Chef das
Gehalt, sondern der Gast.«
Keine zweite Chance
Kundenzufriedenheit sollte für jeden Unternehmer im Gastgewerbe an absolut
erster Stelle stehen. »Prinzipiell gilt aber,
dass sich über 95 Prozent der unzufriedenen Gäste nicht beschweren. Sie kommen
einfach nicht wieder, gehen zu Konkur-
ren zbet r ieben u nd ber ichten i m
schlimmsten Fall noch zehn Bekannten
und einer Internetbewertungsplattform
von der negativen Erfahrung«, verdeutlicht Manuela Fischer die Notwendigkeit,
den Tatsachen im eigenen Haus auf den
Grund zu gehen. Das Unternehmen ist
ebenfalls anerkannter Mystery-GuestingAnbieter der deutschen Hotelklassifizierung des DEHOGA und betreut Kunden
aus allen Bereichen der Hotellerie und
Gastronomie. »Leider«, so fügt sie hinzu,
seien es meistens gerade die erfolgreichen
»Über-den-Rand-Denker«, die sie beauftragen würden. Inhaber, deren Objekt
eher schlecht läuft,
Ausruhen
scheuten dagegen oft
geht nicht, jede kleine Investition in das eigene Quadenn die
litätsmanagement,
Konkurrenz auch wenn diese woschläft
möglich lebensretbekanntlich tend wäre, berichtet
sie aus ihren Erfahnicht
rungen. »Unser Honorar amortisiert sich jedoch bei richtiger
Verwertung der Analysen in der Regel
schon nach kurzer Zeit«, so Fischer. Und
auch wenn scheinbar alles gut ist, lohnt
sich ein Check, ist sie sich sicher: »Wenn
das Unternehmen läuft und das Haus stets
optimal belegt ist, beginnen die Mitarbeiter in der Regel nachlässig zu werden und
Standards nicht mehr einzuhalten. Genau
an diesem Peak sollte man jedoch beginnen, sich zu verbessern.« Ausruhen ist
gefährlich, denn die Konkurrenz schläft
bekanntlich nicht.
Bleiben die Gläser zu lange leer, gibt das Minuspunkte beim Mystery-Check.
Bilder: MSM Germany, Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz, iStockphoto
Kunde dann schließen, wie er im Vergleich
zu anderen Objekten der gleichen Klassifizierungsebene abschneidet.
Das Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz setzt auf regelmäßige Mystery-Checks als Qualitätskontrolle.
»Objektives Feedback ist wichtig.«
Jürgen Gangl, General Manager
des Park Inn by Radisson Berlin
Alexanderplatz, ist Kunde bei der
NDS New Data Service GmbH und
führt gemeinsam mit der Agentur
regelmäßig Mystery-Checks durch.
Im Interview mit HOGAPAGE spricht
er über seine Erfahrungen.
Was hat Sie dazu bewogen MysteryGuests als Qualitätskontrolle einzu­
setzen?
Wie stehen Ihre Mitarbeiter zu den
Mystery-Guests?
Da der monatliche Check bereits seit vielen
Jahren im Haus durchgeführt wird, gehört er
für alle Mitarbeiter einfach mit dazu. Die Tests
sind sogar ein Ansporn für unsere Leute, da
die Ergebnisse nicht nur in den einzelnen Abteilungen besprochen werden, sondern auch
in der Kantine aushängen. Natürlich ist das
Personal neugierig und erwartet mit Interesse
die Auswertung.
Die Tests sind eine wichtige Ergänzung zu unIm Falle von hervorragenden Mitarbeiterleistungen im Rahmen der Tests ist das eine sehr
serer Zertifizierung ServiceQualität Deutschland Stufe II (HOGAPAGE berichtete in Ausgute Motivation für die entsprechenden MitJürgen
Gangl,
General
Manager,
gabe 2/2013, Seite 56 ff.). Sie sind eine messbaarbeiter. Das betrifft sowohl EinzelleistunRadisson Berlin Alexanderplatz.
re Kontrolle für uns, wie die verschiedenen
gen als auch das Abschneiden ganzer AbteiZertifizierungskriterien umgesetzt sind. Es ist
lungen.
uns auch wichtig, dass sich in den Fragen, die die Tester erhalten,
unsere Hotelstandards wiederfinden, damit wir überprüfen kön- Wie nutzen Sie die Ergebnisse der Tests?
Man kann aus den Ergebnissen sehr gut Maßnahmen ableiten.
nen, ob diese eingehalten werden.
Unser Haus wird zwölfmal im Jahr von einem Mystery-Guest beAnders als bei einem Tester der eigenen Hotelfirma, der zumeist sucht. Mit dieser Frequenz können wir die Servicequalität in den
nur einmal im Jahr kommt, handelt es sich bei den Mystery-Guests einzelnen Abteilungen gut analysieren – und aus den Ergebnissen
ja um tatsächliche Gäste, d.h. wir bekommen ein wirklich objek- gegebenenfalls direkt Maßnahmen ableiten.
tives Feedback. Aus den Analysen gewinnen wir sehr wertvolle
Erkenntnisse, wie beispielsweise für welche Klientel wir gegebe- Die Tests zeigen auf, wo definitiver Schulungsbedarf besteht.
Schließlich nehmen wir die persönlichen Kommentare des Testers
nenfalls attraktiver werden müssen.
sehr ernst. Wir erhalten hier oft Hinweise auf Dinge, die uns selbst
Wie oft bekommen Sie den geheimnisvollen Besuch?
in der täglichen Routine gar nicht auffallen, wie zum Beispiel AusMonatlich, in allen Bereichen.
schilderungen, die ein Gast vermisst hat.
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