Ansprache Urs Schwaller, Präsident cemsuisse

Sperrfrist: 30. Mai 2016, 20.15 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort
Referat von Herrn Urs Schwaller, Präsident cemsuisse, anlässlich der Generalversammlung der cemsuisse vom 30. Mai 2016 in Bern
Lassen Sie mich einleitend einen kurzen Blick auf die Zementindustrie werfen. Die Inlandlieferungen der schweizerischen Zementindustrie beliefen sich letztes Jahr auf etwas über 4,2 Mio.
Tonnen und lagen damit knapp 8% unter denjenigen des Jahres 2014. Auch wenn im Grunde
genommen eine Parallelität zwischen dem Zementverbrauch und dem Umsatz des Bauhauptgewerbes besteht, heisst dies nun aber nicht, dass die Bauwirtschaft 2015 einen ähnlichen
Rückgang ausweist wie die Zementindustrie. Der Grund dafür ist einfach: Letztes Jahr wurden
rund 680'000 Tonnen Zement importiert, was einer Zunahme von rund einem Viertel entspricht.
Es ist klar, dass uns diese stark zunehmenden Importe mit Sorge erfüllen, verfügen wir doch
mit unseren schweizerischen Unternehmen über eine ausreichende Kapazität, um die gesamte
Inlandnachfrage nach Zement mit einer ökologisch hochstehenden Produktion abzudecken.
Während bei uns über 50% der Zementlieferungen per Bahn erfolgen – nur die Feinverteilung
geschieht per Camion – werden die Importe ausschliesslich per Lastwagen in die Schweiz
transportiert.
Die Umweltauswirkungen bei der Zementherstellung sind das eine, die beim Strassentransport
über Hunderte von Kilometern anfallenden Emissionen das andere ins Gewicht fallende Element. Problematisch ist auch die Tatsache, dass die Fahrer der Lastwagen, mit welchen
Zement in die Schweiz importiert wird, nicht den in der Schweiz geltenden Vorschriften bezüglich Lohn und Sozialabgaben unterliegen, sondern dass die Fahrer mindestens zum Teil zu
Bedingungen arbeiten, welche wettbewerbsverzerrend sind. Damit wird letztlich nicht nur die
schweizerische Zementindustrie geschädigt, sondern auch alle schweizerischen Transportunternehmen, welche für ihre Fahrer gute Arbeitsbedingungen gemäss dem geltenden GAV
schaffen.
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Sie haben es verstanden. Für mich geht nicht auf, wenn im Inland hohe Anforderungen an eine
ökologische Produktion gestellt werden und eine solche letztlich mit dem Import von Produkten ausgehebelt wird, die im Ausland ohne grosse Auflagen hergestellt und dann auch noch
mit Billigsttransporten gedopt werden. Ich bin sehr besorgt über diese Situation, sehe ich doch
die reelle Gefahr, dass die Industrieproduktion und damit gerade auch die Zementproduktion
in der Schweiz mittel- und langfristig gefährdet ist.
Der in den letzten Monaten oft angesprochenen De-Industrialisierung auch in unserem Bereich
wird nicht nur durch neue staatliche Regulierungen Vorschub geleistet, sondern eben auch
durch den billigen Import von ohne grosse Umweltauflagen im Ausland hergestelltem Zement.
In das gleiche Kapitel der Gefahr der ungleich langen Spiesse zwischen der schweizerischen
und der ausländischen Zementindustrie gehört auch die Frage der Rohmaterialversorgung.
Unser Ehrengast Madame la Conseillère d’Etat Jacqueline de Quattro hat uns hierzu einiges zu
sagen. In der Tat hat sie gemeinsam mit ihren Regierungsratskollegen aus den Standortkantonen von Zementwerken – Aargau, Bern, Graubünden, Neuenburg und Waadt – eine Resolution
zuhanden des UVEK verfasst.
Die Resolution drückte die grosse Besorgnis der Kantonsregierungen in Bezug auf die langfristige Sicherstellung der Versorgung mit Kalkstein und Mergel aus, das heisst die inländische
Versorgung mit den natürlichen Rohstoffen für die Zementherstellung. Frau Bundesrätin Doris
Leuthard hat umgehend die Mitwirkung des BAFU und des ARE bei der Erarbeitung einer Planungshilfe für den Abbau in BLN-Gebieten zugesichert. BLN steht für „Bundesinventar der
schützenswerten Landschaften und Naturdenkmäler“. Dieses Inventar deckt heute etwa 20%
der Fläche unseres Landes ab. Im Übrigen: Wenn man die gesamte Fläche unseres Landes betrachtet, die unter irgendeinem Titel geschützt ist – sei es durch Inventare des Bundes, der
Kantone oder der Gemeinden – so kommt man auf über 85% der Fläche der Schweiz. Die restlichen 15% dürfen wir für Wohnraum, Arbeitsplätze und Mobilität nutzen.
Was unsere Industrie anbelangt, ist es so, dass an mehreren Standorten von Zementwerken
vor 18 bis 20 Jahren eine BLN-Einzonung in einem sehr engen Perimeter um die bestehenden
Steinbrüche herum erfolgte. Heute sind wir nun in der Situation, dass die Steinbrüche von vier
Zementwerken aufgrund des in den letzten Jahren erfolgten Abbaus unmittelbar an diese vor
20 Jahren definierten BLN-Gebiete angrenzen oder sogar vollständig darin gelegen sind. Ein
weiterer Abbau ist damit kaum mehr möglich.
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Rohmaterialversorgung versus Schutzinteressen: Dies ist die Frage, die es in dem vom UVEK,
den Kantonen und der cemsuisse gemanagten Projekt zu klären gilt. Die Projektarbeiten sind
sehr umfangreich und voll im Gange. Vor wenigen Tagen wurde ein wichtiger Zwischenschritt
erzielt, indem nun die Arbeiten für die geologisch-ökonomische Standortanalyse einerseits und
die schutz- und raumnutzungsorientierte Standortanalyse andererseits abgeschlossen werden
konnten. Bei den Themen «Schutz und Raumnutzung» haben im Übrigen ebenfalls die Stiftung
für Landschaftsschutz und Pro Natura mitgewirkt. Es ging uns darum, von Beginn weg alle
Akteure und Anspruchsgruppen in die Arbeiten miteinzubeziehen. Wie der Kanton Waadt
mit dieser Problematik umgehen will, wird uns nun Frau Staatsrätin Jacqueline de Quattro
darlegen.
Ich komme damit zum Schluss meiner einleitenden Bemerkungen: Die heutige GV ist meine
letzte GV als Präsident der cemsuisse. Meine neue Aufgabe im VR der Schweizerischen Post
bringt es mit sich, dass ich aus zeitlichen Gründen und zur Vermeidung jeglicher Interessenkonflikte Mandate wie jenes der cemsuisse früher als geplant abgebe.
Ich darf Ihnen an dieser Stelle mitteilen, dass der Vorstand der cemsuisse beschlossen hat,
Herrn Ständerat Beat Vonlanthen zur Wahl als neuen Präsidenten vorzuschlagen. Ständerat
Vonlanthen ist noch bis Ende des laufenden Jahres Mitglied der Freiburger Regierung. Er wird
seine Aufgabe im Interesse des Kantons bis Ende 2016 mit aller Kraft wahrnehmen und nimmt
bis zu diesem Zeitpunkt keine neuen Mandate an. Die Wahl von Herrn Vonlanthen wird somit
im Rahmen einer ausserordentlichen GV gegen Ende Jahr vollzogen werden.
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