Juni 2016 VERSUS Argumente gegen das Dafürsein www.versus-politik.deNr. VERSUS & Diskussion „Historisches Agreement“ auf der Pariser Weltklimakonferenz: Der Autor Usama Taraben stellt das Buch vor Alle Welt weiß: Griechenland ist ein Problem. Aber was für eins? Ein humanitäres? Ein finanzwirtschaftliches? Ein ordnungspolitisches? Eines für den Euro? Für Brüssel? Für Deutschland? Für die Griechen? Was für eins auch immer: Alle Welt kennt, vermisst, wünscht, fordert – eine Lösung. Die Konkurrenz um das wachsende Geschäft mit alternativen Energiequellen muss unvermindert weitergehen – das schuldet die Völkergemeinschaft der Rettung des Weltklimas Der gefeierte Durchbruch beim Klimaschutz – ein schlechter Witz N ach einem Verhandlungsmarathon, letzten Veto und einem Antrag der neuen Klimaschutzmacht Amerika, ein „shall“ im verbindlichen Teil des Vertragstextes, aus dem sich „womöglich eine völkerrechtlich bindende Verpflichtung für CO2-Minderungen hätte ableiten lassen“, durch ein „should“ zu ersetzen, ist es auf der 21. Weltklimakonferenz soweit: „Ich schaue mich im Saal um. Ich höre keine Einwände.“ Mit dem Schlag eines „kleinen grünen Holzhämmerchens“ besiegelt der französische Außenminister Fabius den Weltklimavertrag, das „Paris Agreement“. Dann gibt es auf der COP21, der „Conference of the Parties“ kein Halten mehr und der „historische“ Moment ist da: eine vor Freude weinende deutsche Umweltministerin, ein von den ‚standing ovations‘ für seine diplomatischen Kunstgriffe ergriffener Verhandlungsleiter und ein amerikanischer Außenminister, der die Vertreter absaufender Inselstaaten dazu beglückwünscht, dass die von ihm angeführte „high ambition coalition“ die Welt endlich ‚auf Klimakurs‘ gebracht hat unter dem Motto: „1.5 degree – stay alive“. Erstmalig haben sich alle 194 Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention – die Industriestaaten und wie verlangt auch die in Bezug auf ihre klimaschädlichen Emissionen noch unterentwickelten Länder – völkerrechtlich dazu bekannt, freiwillig Klimaschutzbeiträge zu leisten, um bis zum Ende des Jahrhunderts die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu halten, ja, ‚nach Möglichkeit‘ nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen. Das „Wunder von Paris“ – ein Riesentriumph und ein „großer Tag“ für die vom Klimawandel betroffene ‚Menschheit‘! Eines kann man den amtierenden Klimaschützern und Energiepolitikern in Personalunion jedenfalls nicht absprechen: Sie haben ökologischen Humor. Was das Jahrhundertziel der Begrenzung der Erderwärmung durch das Klimaschutzagreement der Staaten angeht, hat man nicht lange warten müssen, um alle Dementis beisammen zu haben. Man erfährt: Selbst wenn – nur einmal angenommen – schon heute und nicht erst in einem Jahrhundert der wunderbare Zustand der „grünen (Emissions)Null“ (Umweltministerin Hendricks) in der Energiebewirtschaftung der konkurrierenden Kapitalstandorte erreicht wäre, sind die 1,5 Grad nicht mehr einzuhalten – schon allein wegen des verzögerten Treibhauseffekts durch die bis dato akkumulierten und leider doch sehr zählebigen Emissionen. Diese Erblast verdankt sich der Tatsache, dass in diesem weltumspannenden sturzvernünftigen Wirtschaftssystem die Atmosphäre als kostenlose Abgasdeponie einer fossil befeuerten Energieversorgung intensiv genutzt worden ist und immer noch wird, gemäß den beiden entscheidenden Kriterien Der Suche nach Lösungsvorschlägen verweigert sich die hier vorgelegte Aufsatzsammlung. Sie erklärt den innereuropäischen Imperialismus, der nicht nur den Griechen Probleme macht. Und warum der alles andere als Lösungsvorschläge für seine Probleme verdient. staatlicher Energieversorgung: Im Dienste nationalen Kapitalwachstums soll der Grundstoff sicher verfügbar und kostengünstig sein. Und auch für die Einhaltung der Zwei-GradObergrenze, bis zu der die maßgeblichen Regierungen in ihrer Funktion als weit vorausschauende globale Ordnungspolitiker die Folgen des Klimawandels für die „am meisten verletzlichen“ nationalen „Parties“ als noch „beherrschbar“ veranschlagen, müssten die globalen Emissionen schon vor Inkrafttreten des Vertrags ihren Höhepunkt längst überschritten haben und danach beschleunigt auf Null abgesenkt werden. Wovon – laut der einschlägigen Expertisen der Kohlenstoffbudgetexperten des UN- und sonstiger Klimasekretariate – ehrlicherweise nicht auszugehen ist... Alles das wird öffentlich breitgetreten, ohne der hoffnungsfrohen Botschaft „Jetzt geht es endlich los!“ (Merkel) Abbruch zu tun. Wie gesagt: Den Weltklimavertrag als Klimaschutzvereinbarung ernst genommen und an den versprochenen Zielen gemessen, ist der „historische“ Durchbruch ein schlechter Witz. J. Köper / U. Taraben Der Fall Griechenland Fünf Jahre Krise und Krisenkonkurrenz Europa rettet sein Geld – die deutsche Führungsmacht ihr imperialistisches Europa-Projekt 130 Seiten Format A5 10,– € ISBN 978-3-929211-15-3 Das Buch ist auch als Ebook erhältlich. Vortrag mit Diskussion Tübingen: Dienstag, 07.06.2016, 20:00 Uhr Schlatterhaus, Kleiner Saal, Österbergstsr. 2 Stuttgart: Mittwoch, 08.06.2016, 19:30 Uhr Die weniger witzige wirkliche Bedeutung des viel bejubelten „Paris Agreement“ besteht in der diplomatischen Vereinnahmung der Staatenwelt im Namen des gemeinsamen Sorgegegenstands ‚Klima‘ für ein energiepolitisches Konkurrenzprogramm, das bis gestern unter den Mitgliedern der Klimaschutz-Völkerfamilie so gar nicht konsensfähig war wegen ihrer sehr gegensätzlichen Interessen in Fragen nationaler Energieversorgung.1) Mit der völkerrechtlichen Anerkennung einer – als „ambitioniertes“ Temperaturziel – festgelegten Obergrenze des globalen CO2-Ausstoßes und ihren Umsetzungsmechanismen markiert „Paris das Ende des Zeitalters der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Die globale Energiewende ist unumkehrbar“ (Hendricks). Die so gerührte, amtierende deutsche Umweltfrau buchstabiert es vorwärts und rückwärts: Klimapolitik ist nichts anderes als Energiepolitik. Klimaschonende Minderung der Kohlendioxidemissionen, das steht für eine neue Energiebewirtschaftung, die sich nicht mehr auf brennbare Bodenschätze stützt, die irgendwo, womöglich unter auswärtigem Boden liegen, sondern auf Technologien, über die die potenten Nationen verfügen. Das kapitalistisch Fortschrittliche an dieser Wende ist: Ihr neuer „Rohstoff“ in Gestalt von Solarzellen, Windrädern, Energieeinspartechnik usw. usf. lässt sich industriell produzieren, womit der Zugriff auf diese neuen Energiequellen nur noch eine Frage der technologischen Potenzen und der Kapital- und Kreditmacht einer führenden Wirtschaftsnation ist; und diese ‚Zukunftstechnologie‘ ist eine in aller Welt von anderen Staaten begehrte Ware, also ein global vermarktbarer Geschäftsartikel. Allen voran Europas Wirtschaftsvormacht Impressum: V.i.S.d.P.: Theo Wentzke, Böblinger Str. 135; 70199 Stuttgart; Tel.: 0711/6151772; Kontakt: [email protected]; www.versus-politik.de ➙Fortsetzung Seite 3 56 Altes Feuerwehrhaus Süd, 1. OG, Seiteneingang Möhringer Str. 56, U1, U14, Bus 42 Erwin-Schoettle-Platz Aus der Reihe „Schönheiten unseres Wirtschaftssystems“, heute: Das billige Öl D ie moderne Welt braucht Öl. Die Art, wie sie damit wirtschaftet, zeugt davon, wie fortschrittlich und vernünftig sie eingerichtet ist. Verbrauchervorteil = Schaden für die Hersteller Das geht schon damit los, dass die globale Marktwirtschaft offenbar erfolgreich den primitiven Standpunkt hinter sich gelassen hat, dass ein reiches Angebot eines für das technische Funktionieren der Gesellschaft notwendigen Gutes auf jeden Fall eine erfreuliche Sache ist. Dort, wo der Markt die gesellschaftliche Versorgung regelt, funktioniert die Sache anders: Die gegenwärtige „Ölschwemme“ führt – vermittelt über das Naturgesetz, dass vermehrtes Angebot den Preis senkt, den alle Produkte von irgendwoher haben, – dazu, dass der Ölpreis ins Bodenlose fällt. Und das ist bekanntlich nur für diejenigen, die den Preis zahlen, von Nutzen – für ihre Kooperationspartner auf der Verkäuferseite ist genau dies in genau diesem Maß ein Schaden; im Moment ein ziemlich gigantischer. Das Leiden an Dass es zu so einer Über-Versorgung Schwemme kom- men kann, zeugt von einer weiteren Errungenschaft der Moderne: Die Umständlichkeit, gesellschaftliche Produktion gesellschaftlich zu planen, kommt für die Marktwirtschaft auch beim Fördern und Verarbeiten von Öl, also eines elementaren ökonomischen Mittels des gesamten gesellschaftlichen Lebens erst gar nicht infrage. Stattdessen gilt das ebenso raffinierte wie kreuzvernünftige Prinzip, dass produziert und verkauft wird, was demjenigen einen Überschuss des Verkaufspreises über die Produktionskosten einspielt, der über genügend Kapital verfügt, für eine solche Produktion alle nötigen Faktoren einzukaufen. Und der fragt nicht nach dem Bedarf, sondern schaut, dass er möglichst viel lohnend verkauft. Insofern kennzeichnet die Schwemme recht besehen gar keinen Überfluss, sondern einen Mangel: Öl zu verkaufen lohnt sich zu wenig, somit gibt es davon zu viel. Und so kommt es z.B., dass in den USA die eben noch als neuer technologischer Stolz der Nation, als Speerspitze der nationalen Reindustrialisierung gefeierte Fracking-Technologie an zahlreichen Stellen von ihren Betreibern jetzt praktisch als industrieller Großschrott behandelt wird, mit dem nichts Profitables, also gar nichts mehr anzufangen ist. Nebenbei bewährt Weniger sich in diesem Arbeitsmühe = zu Zusammenhang viel Volk für die die marktwirtverbleibenden schaftliche Idee, Arbeitschancen auch die Arbeit zu einem der besagten Faktoren der Produktion zu erklären. Theoretisch ist das zwar ein bisschen kniffelig, aber praktisch ganz einfach: Der Lebensunterhalt der Arbeitskräfte geht als eine Kost in die ➙Fortsetzung Seite 3 Seite 2 VERSUS Mit Facebook die Welt verbessern: Zuckerberg spendet A Nr. 56 – Juni 2016 Natürlich lässt sich der kalifornische Weltverbesserer durch solche Zurückweisung nicht beirren: „Unsere Mission geht weiter“ – denn für ihn ist der Kampf ums Monopol der Vernetzung einfach dasselbe wie die Beglückung der ganzen Menschheit, zu der er sich anlässlich der Geburt seiner Tochter beauftragt. Auch organisatorisch achtet er darauf, dass seine Wohltaten mit seinem Geschäft zusammenfallen und umgekehrt: Er wählt für sein Stiftungsvermögen die Rechtsform einer limited liability company, mit der er sich im Unterschied zum reinen Charity-Wesen die Freiheit vorbehält, Wahlkämpfe zu unterstützen und in profitorientierte Unternehmen zu investieren. Die Facebook-Company braucht schließlich ein verständnisvolles politisches Umfeld für ihr Wachstum, und seine guten Werke brauchen auch zukünftig sprudelnde Profitquellen zu ihrer Finanzierung. nfang Dezember 2015 bekommen der Sie alle gelten ihnen nur als ein Fehlen, ein davon Ausgeschlossenen einen wirklichen Facebook-Gründer Marc Zuckerberg „Noch-Nicht“ des besseren Zustands, der Zugang zu diesen Dingen bekommen. und seine Frau Priscilla Chan ein schon, freilich zu langsam, im Anmarsch ist, Kind und nutzen diesen Moment privaten und dem mit Tatendrang, Erfindergeist, TechVon der ideellen Überhöhung seiner ErfinGlücks für die öffentliche Ankündigung, 99 nologie und deshalb mit dem Geld, das sie dung macht Zuckerberg viel her, weniger von Prozent ihres Vermögens – immerhin haben, Beschleunigung beschert werden soll. der kapitalistischen Prosa, der er Mittel und schlappe 45 Milliarden – für wohltätige Diese zurechtkonstruierte Welt, frei von Instrument seiner Menschheitsbeglückung Zwecke spenden zu wollen. In einem Brief Gegensätzen und antagonistischen Interessen, verdankt: Sein Geschäftsmodell lebt nämlich an ihr Baby bekennen sie, dass die Geburt in der schon das Gute von morgen schlum- davon, dass in diesem Wirtschaftssystem die für sie Anlass war, über die Welt nachzu- mert, ist erhaben über den Verdacht, die Miss- Konsumenten von den Mitteln der Bedürfnisdenken, in der es aufwachsen soll, und stände, die sie hervorbringt, könnten in ihr befriedigung erst einmal ausgeschlossen sind, Auch in Deutschland ist die Spendenankünnatürlich hält der Erfinder der Plattform begründet sein. Ihre Korrektur besteht in weil die nützlichen Dinge nicht hergestellt für Ich-Inszenierung im World Wide Web ihrer Optimierung: Man muss nur die Priori- werden, um die Verbraucher zu versorgen, digung ein paar Tage lang ein großes Thema, allein schon wegen der immensen Summe: 45 den Brief nicht unter Verschluss, bis die täten gezielter sondern um an ihr Milliarden US Dollar – die Größenordnung Tochter ihn lesen kann, sondern postet ihn setzen und Geld zu kommen. Der kennt man eher von Staatshaushalten, sie für die ganze Welt auf Facebook. Dem „unsere InvestDie Zuckerbergs führen vor, Umstand, den der Statement zufolge nehmen sich die Zucker- ments ein bisswie man alles Elend der Welt Wohltäter in extremen übersteigt das gesamte jährliche Spendenaufkommen der BRD um ein Vielfaches. Neben bergs einiges vor: „Wie alle Eltern“ wollen chen mehr in Fällen als Armut in beliebiger Staunen gehört sich für die deutsche Öffentauch sie nur das Beste für ihren Nachwuchs, Richtung wahrnimmt und mit Aneinanderreihung lichkeit natürlich auch Misstrauen gegenüber was im Unterschied zu den allermeisten Zukunft ausrichFacebook und den zitieren kann, ohne dass ein dem amerikanischen Großspender mit der Eltern aber keine Pflicht zu selbstauferleg- ten“. gespendeten Erträgen Vorwurf an sie daraus wird. intensiven Verflechtung von Geschäft und tem Sparen begründet, damit das Kind stuseines Geschäfts sozialem Engagement. Dabei ist grundsätzlich dieren kann und es mal besser hat als seine In aller Betobekämpft, ist dessen Eltern; gemäß der Privatmacht, die ihr nung ihres entscheidende Grund- gebilligt, dass privates Geld, erst einmal aus der Menschheit herausgewirtschaftet, eine Vermögen verkörpert, fällt dasselbe bei „bescheidenen Beitrags angesichts der Res- lage: Das Geschwätz seiner User-Gemeinde ihnen etwas anspruchsvoller aus: Dem sourcen und Talente, die sich bereits um diese mitsamt den ausgeplauderten Geschmäckern, gute Sache ist, um das Elend zu lindern, in das die Menschheit dadurch hineingewirtschaftet Töchterchen soll gleich eine ganze „bessere Angelegenheiten bemühen“, reihen sich die Vorlieben und Interessen ist nur deswegen wurde. In dieser Beziehung kann man ZuckerWelt“ zu Füßen gelegt werden. Zuckerbergs ein in die Riege der superreichen geldwerte Information, weil eine ganz andere berg eine gewisse Vorbildrolle für deutsche Macher einer besseren Welt. Sie haben in Community, die Händler und Verkäufer dieser Unternehmer nicht absprechen, deren „ehrloAn den Anfang ihrer guten Nachricht stel- ihrem Alltag die Qualität des Geldes als Kom- Welt die veröffentlichten Bekenntnisse für len die beiden Weltverbesserer ein dickes mandomittel über den materiellen Reichtum persönlich zugeschnittene Werbung nutzen, se Erben“ immer nur versuchen, möglichst steuerfrei ihr Vermögen in der Familie zu hal„thumbs up!“ für die moderne Welt. Wenn man der Gesellschaft wie über den Willen anderer um einander im Konkurrenzkampf um den sich nämlich mal nicht von den schwarzma- Leute schätzen gelernt, und wie anderen Gro- Warenabsatz Marktanteile abzujagen. Face- ten: lenden Medien runterziehen lässt, sondern ßen im amerikanischen Charity-Wesen ist book ist als Datenlieferant zum Bindeglied optimistisch aus dem Fenster seiner Villa in ihnen diese Privatmacht ihres Geldes so zu zwischen dem globalen Verbraucher und der „Superreiche wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spenden Milliarden für wohltätige ProPalo Alto blickt, merkt man, dass die Welt Kopf gestiegen, dass sie nicht nur meinen sich Konsumgüterindustrie geworden, und dann schon von selbst immer besser wird: „Health davon die Welt, sondern gleich eine bessere, gleich selbst zur größten virtuellen Werbeflä- jekte. Das ist gut.“ (SPIEGEL online, 3.12.15.) is improving. Poverty is shrinking. People are von allen Nöten bereinigte Welt kaufen zu che für den zielgenauen Kundenfang, die sich Auch wenn einer, der gerade ein Kind connecting.“ Einfach dem Lauf der Dinge können. Das Geschäft, das er betreibt und das Industrie und Handel etwas kosten lassen. Die bekommen hat, in seiner Sorge um die wollen die gut meinenden Milliardäre den ihn stinkreich macht, drückt er genau umge- eigentliche Reichtumsquelle Zuckerbergs sind Zukunft des Planeten zutiefst glaubwürdig ist, Menschheitsfortschritt dann aber doch nicht kehrt aus: Es ermöglicht ihm seine hohe Mis- aber noch nicht einmal die Gebühren, die er überlassen. Zu wenig zielorientiert würden sion: von kommerziellen Nutzern der Plattform kas- kann die kritische Würdigung des moralischen Werts der Spende doch die Quellen bisher „unsere Ressourcen auf die größten siert, sondern die Börsenspekulation, die sich Probleme der nächsten Generation gerichtet“. „Der Aufbau von Facebook hat die Ressourcen oben drauf setzt und seinen Vernetzungs- nicht ignorieren, aus denen ein derart großzüDen ewigen, nie bewältigten Dauernöten der gestiftet, die Welt für die nächste Generation Algorithmus zu einem der teuersten Unterneh- giger Spender schöpft. kapitalistischen Welt bzw. den ebenso langle- zu verbessern. Jedes Mitglied der Facebook- men der Welt hochjubelt. Die Investoren setbigen guten Vorsätzen, die sie begleiten – Gemeinde leistet seinen Beitrag für dieses Vor- zen auf die Netzmacht, die sie dem Firmen- „Zuckerbergs Vermögen ist auch deshalb so hoch, haben.“ gründer genau durch ihre wahnwitzige Speku- weil Facebook jeden Tag trickreich Steuern vermeidet. Er entzieht der Welt, die er dann wielation ermöglichen: Dass immer höhere Preise der besser machen will, überall die finanziellen Dabei meint er nicht bloß das Geld, das ihm für seine Aktien bezahlt werden und immer Facebook abwirft, die Plattform selbst ist die mehr Geld in sein Unternehmen fließt, befä- Grundlagen... Noch mal: Mark Zuckerberg, Respekt vor dieser Spende. Aber das Ziel, die Welt bessere Welt und das große Instrument ihrer higt ihn zur beständigen Expansion und damit zu verbessern, lässt sich am besten erreichen, Beförderung. Zuckerberg setzt sich nicht nur zum Kampf gegen Google, Amazon etc. ums wenn Facebook Steuern zahlt, ohne Tricks und wie andere Großspender getrennt von dem Monopol auf diesem Feld. Ein Internetportal Geschäft mit dem in ihm gemachten Geld ein bzw. Informationsnetzwerk ist umso nützli- weltweit.“ Denkmal, er verbessert die Welt direkt mit cher, geschäftlich umso profitabler, je mehr Da sieht der große Wohltäter schon ein seinem Produkt. Seine Kommunikationsplatt- Nutzer ihm angeschlossen sind und je weniger form für Verabredungen, wechselseitigen Anbieter wie Nachfrager um diesen Kommu- Stück kleiner aus, wenn er das Geld erst auf halblegale Weise dem Steuertopf vorenthält, „Eliminierung von Hunger und Armut“, Austausch und Selbstdarstellung mit heute 1,7 nikationskanal herumkommen. Außerdem „Sicherung medizinischer Grundversorgung“, Milliarden Nutzern präsentiert er als die wirk- spekulieren Investoren auf das Zukunftsge- dem es zusteht, um es dann generös zu ver„Förderung von friedlichen und verständnis- lich gewordene weltumspannende „welco- schäft mit Big Data, die bei Facebook neben- schenken. Er verweigert der Instanz, die fürs vollen Beziehungen der Völker aller Nationen“ ming community“ guten Willens und – mit her anfallen und fleißig gesammelt werden, allgemeine Wohl zuständig ist und dafür alle Bürger in die Pflicht nimmt, die nötigen Mit– fügen die Zuckerbergs einen eigenen berufs- dem stolzen Verweis auf ‚Facebook-Revolutitel, und – nicht weniger problematisch – setzt spezifischen Spleen hinzu: Neben den übli- onen‘ während des arabischen Frühlings – als Kritik und Anregungen an: sich als privates Individuum an die Stelle der chen Problemgruppen – Frauen, Kinder und Instrument der Umgestaltung des Globus. [email protected] Allgemeinheit: Migranten – entdecken sie noch einen armseli- Sein Web-Portal, das stolz darauf ist, personagen Menschenschlag, der ihrer Betreuung lisierte news feeds, nämlich posts von Freunbedarf: „the unconnected“! Das Unglück, ein den, Fan-Seiten und nach Nutzerdaten vorsor- und bei dem noch gar nicht feststeht, was sich „Selbst wenn es keine moralischen oder praktischen Argumente gegen die Vernunft der RisiDasein ohne Internet fristen zu müssen, aus- tierte Nachrichten zu bieten, so dass der aus dem monopolistischen Besitz dieser Daten kophilanthropie gibt, so ist sie doch ein weiterer geschlossen zu sein von „Ideen, Personen und umsorgte User in seinem individualisierten alles machen lässt. Den Kampf ums Monopol Möglichkeiten“, bewegt die kalifornischen Informations-Kokon von der Welt garantiert treibt Zuckerberg mit dem an der Börse einge- Schritt in eine politische Parallelwelt ohne Kontrollmechanismen.“ (SZ, 2.12.15.) Wohltäter besonders: Was den Armen fehlt, nur noch mitkriegt, was er hören möchte, sammelten Geld voran – und zugleich besteht damit auch sie Teil von „inclusive and welco- inszeniert der Chef als Medium der verant- er darauf, dass er eben damit in Sachen WeltDie Verbesserung der Verhältnisse und das ming communities“ sein können und eine wortlichen Wahrnehmung der Welt und ihrer verbesserung aktiv ist. Z.B. hat er angeboten, „Förderung des menschlichen Potentials und Probleme. Er möchte sein Netzwerk, das weit- dem ganzen internetmäßig schlecht erschlos- Gemeinwohl überhaupt dürfen – jedenfalls hierzulande und nach Meinung seiner ideellen Stiftung von Chancengleichheit“ erfahren, ist hin für Tratsch und für die Inszenierung der senen indischen Subkontinent die nötige Hüter in den Medien – nicht zum Privatverklar: Ein soziales Netzwerk und ein Zugang User-Persönlichkeit vor einem gleichgesinn- Hardware zu schenken, um die Menschen mit gnügen eines amerikanischen Jünglings verdazu. Die Zuckerbergs führen in ihrem kriti- ten Publikum genutzt wird, als Quelle von free basics zu versorgen. In letzter Minute hat kommen, der sich bloß aufgrund seines Gelschen Rundblick vor, wie man alles Elend der Wissen und Know-How verstanden sehen, die undankbare Regierung in Neu Delhi das des die Definitionshoheit über das weltweite Welt in beliebiger Aneinanderreihung zitieren und tut gleich so, als sei die virtuelle Präsenta- Geschenk ausgeschlagen, weil das gestiftete kann, ohne dass ein Vorwurf an sie daraus tion von technischen Lösungen, Medikamen- Internet Zugang nur zu Facebook und weni- Elend und die nötige Abhilfe anmaßt. wird, oder wenigstens ein Anlass, sich den ten etc. schon ein Beitrag dazu, dass die bisher gen anderen Diensten gewähren sollte. Aus: GegenStandpunkt 1-16. Gründen der aufgelisteten Übel zuzuwenden. VERSUS Nr. 56 – Juni 2016 „Öl...“ (Forts. von S. 1) Kosten-Gewinn-Rechnung der Produzenten ein. Für die gemäß dieser Logik neulich als möglichst billige Arbeitskräfte Gebrauchten bedeutet der derzeitige Niedergang von großen Teilen der Ölindustrie gemäß derselben Logik zwar das vollständige Streichen des Lebensunterhaltes. Vom Standpunkt der Freiheit des privaten Kalkulierens ist das aber die denkbar vernünftigste Art der Entsorgung nicht gebrauchter Produktionsfaktoren – auch das macht die Marktwirtschaft so unschlagbar effizient. Und das enthält für die inzwischen millionenfach entlassenen Ölarbeiter in aller Welt ja immerhin auch die Möglichkeit, bei der nächsten Ölbonanza – wenn sie die erleben sollten – vielleicht wieder angestellt zu werden; eine Chance, die sie in keinem anderen Wirtschaftssystem bekämen. Auch die Methode des Abbaus von Überkapazitäten zeichnet dieses Wirtschaftssystem gegenüber allen nicht existierenden Alternativen aus. Nur einem hoffnungslos rückständigen Denken käme es sinnvoll vor, bei festgestellter Überreichlichkeit die Förderung eines Guts koordiniert zurückzufahren, das tendenziell zudem als ökologisch problematisch gilt. Dieses Resultat wird in der globalen Marktwirtschaft in einer viel trickreicheren Form erreicht, wie sich derzeit studieren lässt, nämlich als eine Art Wettkampfspiel auf dem weltweiten Ölmarkt. In dessen Rahmen kämpfen im Moment die traditionellen Ölförderer v.a. in Arabien gegen die amerikanischen Fracker. Der Kampf geht darum, auf jeden Fall die eigene Förderung aufrechtzuerhalten, also den jeweils anderen aus dem Markt zu drängen, auf dem ja sowieso schon viel zu viel Öl schwimmt. Kampfmittel ist, man ahnt es schon: den Preis senken und den Preisverfall durch Mehrverkauf kompensieren. Gewonnen hat, wer die Produktion von noch mehr von dem, was es schon zu viel gibt, und den durch diesen Anbieterkampf immer weiter sinkenden Ölpreis am längsten aushält. Faszinierende Dialektik: Die Produktion von Reichtum an der einen Stelle findet statt mit dem erklärten Zweck, sie an anderer Stelle zu zerstören. Die Katastrophe: Einbildungen gehen kaputt! Die eigentliche Fortschrittlichkeit der Marktwirtschaft beweist sich allerdings erst da so richtig, wo Subjekte auf den Plan treten, die mit der Produktion von Öl, seinem Transport, seiner Weiterverarbeitung zunächst überhaupt nichts zu tun haben, dafür aber umso mehr in die Preisgestaltung eingreifen. In der Marktwirtschaft bleibt es nämlich nicht dabei, dass nicht geplant wird. Die für keinen einzelnen Konkurrenten planbaren Entwicklungen von Produktion und Preis sind ihrerseits der Gegenstand der überaus rationellen wirtschaftlichen Betätigung namens Spekulation. Sie ist, wie es sich gehört, auf das Verdienen von Geld ausgerichtet. Statt mit Öl zu handeln – das machen ja schon andere –, handeln die Vertreter dieses ehrenwerten Gewerbes mit Anrechtstiteln auf Öl, die sie kaufen und verkaufen, weil mit dem Bedarf anderswo der Ölpreis steigt oder fällt – und damit auch der Wert ihrer Titel. Also versuchen sie vorherzusehen, wie sich die Preise entwickeln; natürlich nicht, um doch noch das marktwirtschaftliche Prinzip außer Kraft zu setzen, dass Produktion und Reproduktion der Gesellschaft als private Konkurrenz stattfinden. Umgekehrt: dass die ganze Gesellschaft ihrem eigenen wirtschaftlichen Treiben so fassungslos gegenübersteht wie dem Wetter, ist ihre Geschäftsgrundlage. Im Unterschied zu Meteorologen hoffen nämlich die in Öl investierenden Spekulanten, dass ihre Vorhersagen möglichst niemand anders teilt. Zumindest erst einmal nicht. Denn Gewinn machen Spekulanten auch am Ölmarkt so, dass sie als erste eine Tendenz aufspüren, die nachher aber auch eintreten muss, was sie dann und in dem Maß tut, wenn bzw. wie alle anderen dann doch in die gleiche Richtung spekulieren. Das sieht nur auf den ersten Blick ein wenig wie Irrenhaus aus; auf den zweiten Blick sieht man nämlich, dass sich damit gigantische Gewinne machen lassen, und darauf kommt es ja schließlich an. So dass es wiederum nur Ausweis höherer marktwirtschaftlicher Vernunft ist, dass es von den einschlägigen in der Zukunft liegenden Kontrakten über Kauf und Verkauf von Öl ein Vielfaches mehr gibt, als Öl überhaupt vorhanden ist. Vor allem hat es die einzigartige marktwirtschaftliche Konsequenz, dass die Preisänderungen fürs Öl nach Aussagen der zuständigen Insider durch die Spekulation auf sie überhaupt erst das Ausmaß erreichen, das im Moment für ganze Nationen eine ziemliche Katastrophe bedeutet. Der Kampf der Nationen um das Abwälzen der Überproduktionskrise Apropos Nationen: Moderne Völker haben sich ja bekanntlich dazu entschlossen, sich unter der Herrschaft von Nationalstaaten zu versammeln. So aufgestellt wiederholen sie die schöne ökonomische Praxis, dass es Kooperation nur als Konkurrenz gibt, eben weil sie so schön ist, auf inter-nationaler Ebene: Gerade beim Kampf um die marktwirtschaftliche Ausnutzung des Öls bewähren sich die staatlichen Administratoren der Nationen als diejenigen, die das marktwirtschaftliche Gegeneinander aller Beteiligten erst so richtig anheizen: Die einen fördern ihre heimische Fracking-Industrie mit staatlichem Kredit, widerlegen kapitalismuswidrige Bedenken in Sachen Umwelt per Gesetz und machen sich beim Rest der Welt dafür stark, dass der das richtige Öl und nicht das falsche kauft; und um die Sicherung der Ölrouten und Pipelines quer durch die Staatenwelt kümmern sie sich gleich mit. Die anderen nutzen ihre staatliche Direktion über die nationale Ölproduktion, ihren staatlichen Kredit und ihr Kommando übers Volk dafür, dass kein Ölhahn trocken bleibt. Manche von ihnen haben im Verkauf von Öl eine wichtige, einige wenige sogar ihre wichtigste staatliche Einnahmequelle. Und so sorgt die derzeitige Verwerfung an den Ölmärkten noch ganz anders für ein ordentliches Maß an Abwechslung im Leben der Völker. Weil mit den centgenau notierten Ölpreisen momentan die Haushalte ganzer Staaten kaputtgehen, sorgen die dafür, dass die Lebensverhältnisse der Leute, die sie mit diesen Haushalten regieren, ihren gerechten Teil vom Schaden abbekommen – manche Kenner raunen inzwischen von der Möglichkeit sozialer Unruhen, politischer Instabilität und dergleichen. Das Öl sorgt also mit dafür, dass den Staaten der Ordnungsbedarf nach innen und außen nicht ausgeht. Schon gleich, wenn global wieder mal Krise ist. Nicht zuletzt darum wächst in manchen dieser Staaten ausgerechnet mit dem Schwund der entsprechenden Finanzierungsmittel der Bedarf an Gewaltmitteln. Laut Aussagen von Leuten, die es mit ihrer Expertise immerhin bis ins Fernsehen schaffen, verleiht die zunehmend ruinöse Konkurrenz ums Öl insbesondere dem sowieso schon kriegsträchtigen Machtkampf zwischen den beiden Ölgiganten Saudi-Arabien und Iran ein paar neue spannende Momente. Die expertenmäßigen Begründungen sind im Einzelnen zwar nicht immer ganz klar, aber so viel ist ➙Fortsetzung Seite 4 Seite 3 GEGENSTANDPUNKT 1-16 Politische Vierteljahreszeitschrift „Ich sag’ nur Köln!!“ Der Staat des Islamischen Kalifats (IS) Ein Störfall für die imperialistische Weltordnung und seine ordnungsgemäße Verarbeitung Die Niederlande Ein Gründungsstaat der EU wird kritisch gegen sein supranationales Produkt Finnland Ein europäisches Musterland wird zum eurokritischen Krisenfall „Historisches Agreement“ auf der Pariser Weltklimakonferenz Ab sofort im Buchhandel erhältlich: STUTTGART: •Steinkopf, Rotebühlplatz 10 •Pressecenter im Hbf. bei Gl. 5/6 & Klett-Passage (S-Bahn-Zugang) •Eckert, Theodor-Heuss-Passage (S-BahnStation Stadtmitte, Büchsenstr.) ESSLINGEN: •ProvinzBuch, Küferstr. 26 TÜBINGEN: •Osiandersche Buchhandlung, Wilhelmstr. •Bahnhofsbuchhandlung REUTLINGEN: •Osiandersche Buchhandlung, Wilhelmstr. •Bahnhofsbuchhandlung Darüber hinaus in vielen Bahnhofsbuchhandlungen oder direkt beim GS-Verlag: [email protected] oder 089/2721604 Verdi-Streiks bei Amazon: Großer US-Onlinehändler beutet seine Arbeiter aus – das hat Deutschland nicht bestellt! Mit Facebook die Welt verbessern: Zuckerberg spendet Schönheiten unseres Wirtschaftssystems: Das billige Öl VERSUS Jour Fixe Wenn Du Interesse bekommen hast, Dich mit unseren Themen und Argumenten weiter zu befassen, bist Du eingeladen, an unseren regelmäßigen Diskussions terminen teilzunehmen: Tübingen Diskussionstermine dienstags, 20 Uhr c.t. im Clubhaus (Wilhelmstr. 30, gegenüber der Neuen Aula), linker Eingang, 1. Stock. Stuttgart Diskussionstermin jeweils am ersten Dienstag des Monats, 19.30 Uhr im Falkenbüro, Stgt.-Ost, Wagenburgstr. 77 Alle Termine und Themen in: w ww.versus-politik.de „Klimakonferenz...“ (Forts. von S. 1) programms herausgewachsen und zur Realität Deutschland hat diese Umstellung der Ener- geworden ist, wie „unumkehrbar“ also diese Energiewende inzwischen als feste globale gieerzeugung auf eine neue, industrielle Konkurrenzlage etabliert ist und die einschläGrundlage deshalb schon länger im Programm gigen Rechnungen der entscheidenden Staaten und vorangetrieben; weniger um dem Klima mit CO2-Einsparung zu dienen, als um ihre – bestimmt. Die Konkurrenz der erklärten erklärtermaßen – unerträgliche fossile Roh- „Vorreiter“ und eher spät berufenen Klimaschutzmächte um Technologieführerschaft, stoffabhängigkeit zu bekämpfen und ihren Kapitalstandort mit einem zunehmend „sau- also um das Geschäft mit den Energieerzeuberen“ Energiemix in seiner Energiebewirt- gungsalternativen hat dazu geführt, dass die neuen Energiegewinnungsverfahren immer schaftung konkurrenzmäßig aufzurüsten und zum Vorreiter im Weltgeschäft mit der ein- billiger werden und sich – erst recht an sonnenund windreichen Standorten – zunehmend schlägigen Technologie aufzusteigen. Diese auch ohne staatliche Subventionierung unter Wende in der Energieerzeugung stellt also nicht nur die Energiewirtschaft in den betref- Kostengesichtspunkten als konkurrenzfähige fenden Ländern auf neue Grundlagen, son- Alternativen rentieren und damit für kapitalisdern sie ist eine internationale Konkurrenzaf- tische Standorthüter attraktiv sind, die um färe, darauf berechnet, das globale Energiege- Autonomie in der elementaren Versorgungsfrage ihres Wirtschaftswachstums bemüht schäft, das vorrangig auf „der Verbrennung sind. Die ganze Welt hat deswegen wachsenvon Kohle, Öl und Gas“ beruht, umzuwälzen. den Bedarf nach diesen energietechnologiIn dieser Hinsicht stellt das „Paris Agree- schen Konkurrenzmitteln, was zu Lasten der ment“ einen Fortschritt auf der Ebene der Dip- ‚alten‘ Energiequellen und ihres Geschäftslomatie dar, die diese politökonomische Kon- wachstums geht. Die alternativen Energiequellen versprechen also nicht erst für die kurrenz auf dem entscheidenden Feld der Energieversorgung begleitet. Die Überein- Zukunft boomende Geschäfte, sie sind dank jeder Menge öffentlicher Anschubfinanziekunft zu globalem Klimaschutz erhebt diese rung und privatem Kredit längst zum großen Energiestrategie und ihr Geschäft in den Rang Weltmarktgeschäft avanciert, um dessen natieines allgemein anerkannten Anliegens und onale Aneignung die entwickelte kapitalistischreibt es völkerrechtlich fest – auf Drängen und unter Führung der ehemaligen „Blockie- sche Welt mit ihren Energiekapitalen kämpft und um deren Zuspruch die kapitalistisch rer“, der ‚historischen‘ und der aktuellen unterentwickelten Nationen konkurrieren, um Hauptemissionsmächte USA und China. Dass in Paris „so wenig Veto-Gegenmacht zu spü- sich zu einem Teil und damit Teilhaber dieses ren war, nicht einmal mehr von Saudi-Arabi- klimaschonenden Weltenergiegeschäfts hin entwickeln zu lassen. Am Ende hat sich sogar en“ (Schellnhuber, Klimaschutzberater von Saudi-Arabien, der Ölstaat schlechthin, für Papst und Bundesregierung), zeugt nicht etwa den diese neue Energieversorgung der Welt davon, dass sich zu guter Letzt auch beim einen Anschlag auf seine fossile Reichhartnäckigsten „Bremser“ mit seinen bekannt „kurzfristigen Interessen“ die zukunftsweisen- tumsquelle und damit auf seinen ganzen politde Einsicht in die Notwendigkeit der Energie- ökonomischen Status darstellt, zu dem Standpunkt hindrängen lassen, aus dieser globalen wende durchgesetzt hat, so dass alle Staaten nach Paris mit der Umstellung auf klimascho- Energiewende für sich das Beste zu machen. Es setzt selber auf erneuerbare Energien, um nende Wege der Energiebeschaffung endlich langfristig seine einseitige Rohstoffökonomie so richtig loslegen können. Nein, nicht „der zu ‚diversifizieren‘ und kurz- und mittelfristig Vertrag von Paris ändert die Energiepolitik zumindest in seiner fossillastigen Strom- und der Welt“ (SZ, 13.12.15); es verhält sich genau umgekehrt. Der Konsens ist ein einziger Beleg Wassergewinnung weniger abhängig vom dafür, wie weit die neue Energiestrategie aus kostspieligen und wachsenden Eigenverkommerziellen Gründen längst aus dem Sta- brauch seiner für den Export bestimmten tus eines bloßen vielversprechenden Zukunfts➙Fortsetzung Seite 4 Seite 4 VERSUS „Öl...“ (Forts. v. S 3) es als Völkergemeinschaft die entsprechenden Garantien politisch zu stiften. Darin liegt – offenbar Konsens: Das Grundprinzip des laut der „policy makers“ – die Bedeutung des friedlichen Geschäftsverkehrs der Staaten und ihrer Weltordnung, dass auch und gerade die „historischen Agreements“, der ganze Sinn Produktion des Gebrauchswerts Öl ihren letz- und Zweck der globalen Klimaschutzvereinbarung: ein „klares Signal“ und „die Botschaft ten und höchsten Zweck in der Reproduktion an die internationalen Märkte und Investoren der staatlichen Gewalten übers Produzieren zu senden, nun verstärkt auf erneuerbare hat, schließt ein, dass sich Staaten, wenn es an Energien zu setzen“ (Kerry). Das sollen und dieser Quelle ihrer Macht hapert, keinesfalls zurücknehmen, sondern sich darauf besinnen, können sie, weil es der globale politische Wille ist, nämlich die Übereinkunft der konkurdass Gewalt ihr ultimatives Mittel ist. rierenden kapitalmächtigen Staaten, dass der Und der Die moderne Welt ist oben- neuen Energieerzeugung die geschäftliche Zukunft gehört und sie sich das unter Führung drein demokratisch: Auch einfache der USA als Selbstverpflichtung auf eine entder einfache Mensch steht Mensch? sprechende nationale Energiepolitik, i.e. auf bei diesem bunten Treiben nicht abseits. Geistig wird er von den moder- ‚ehrgeizige Klimaschutzziele‘ vertraglich vernen Medien in all die knisternden Zusammen- sprechen. hänge eingeführt: ausführlich, kompetent, Einzelne besorgte Stimmen gibt es allerfacettenreich, mit Einfühlungsvermögen für dings noch bezüglich eines zu schnellen jeden der widerstreitenden Standpunkte und Interessen. Und wenn er das nicht will, macht Wachstums dieser Klimarettung. Die kommen von den Hütern der finanzkapitalistischen Stadas, wie gesagt, auch nichts. Denn praktisch bilität in diesem System, wie z.B der britiwird er spätestens an der Tankstelle mit jedem Cent, den er zahlen muss, daran beteiligt. schen Notenbank. Deren Chef gibt zu bedenken, die neuen „grünen“ Investoren wie die Aus: GegenStandpunkt 1-16. deutsche Allianz sollten es mit einer zu schnellen „Dekarbonisierung“ ihrer spekulativen Anlagen nicht übertreiben, also bei der „Klimakonferenz...“ (Forts. von S. 3) Umschichtung ihrer finanzkapitalistischen Engagements Umsicht walten lassen, damit Bodenschätze zu werden, diese stattdessen für nicht am Ende die Investments in die den Export zu ‚schonen‘. ‚Zukunftstechnologien‘ „stranden“... Gerade weil die beiden größten „KlimasünNoch ein Dienst an der der“, nämlich die Wirtschaftsmächte und Rivalen USA und China, ohne deren Beteiliklimageschädigten Menschheit gung bekanntlich kein globaler Klimaschutz Ach ja, in einem Vertragsteil hat „das DokuSinn macht, dieses neue Energieerzeugungsgeschäft mit seinen „zum größten Investiti- ment zur Rettung der Welt“ (FAZ, 12.12.15) onsprogramm der Menschheitsgeschichte“ wirklich nichts mit diesem Jahrhundert-Ener(US-Außenminister Kerry) ausgerufenen Per- giegeschäft, seiner völkergemeinschaftlich spektiven als nationale Wachstumsräson adoptiert haben und deswegen diese neue VERSUS im Internet: Energiekonkurrenz vorantreiben, stand dem http://www.versus-politik.de ‚Wunder von Paris‘ kein maßgebliches Interesse mehr entgegen. Insofern darf sich die ‚Menschheit‘ endlich berechtigte Hoffnungen vereinbarten Förderung und der Konkurrenz auf die Bremsung des globalen CO2-Aussto- um den nationalen Nutzen aus dieser wichtißes machen. gen Abteilung Weltmarkt zu tun: Dort nämlich, wo es um die „Kompensation“ der eingeJa, wenn die neuen Energiequellen Quellen tretenen „Verluste und Schäden“ und die von privatem und nationalökonomischem „Anpassung“ an die unvermeidlichen Folgen Gewinn sind, dann gibt es in diesem famosen des Klimawandels auf Seiten der „am Wirtschaftssystem „keinen Widerspruch zwi- schlimmsten“ betroffenen ‚Menschheit‘ in schen Wachstum und dem Bewahren des Pla- Gestalt der Armenhäuser des Weltmarkts geht. neten“, wie der amerikanische Präsident sei- Für deren Betroffenheit erklären sich die ‚reiner Klimaschutz-Völkergemeinschaft erklärt; chen Industrieländer‘ zuständig, „die nicht nur dann ist schlagartig „die Sicht, wir könnten ihre Rolle beim Entstehen des menschengeunsere Wirtschaft nicht weiterhin wachsen machten Klimawandels anerkennen, sondern lassen, wenn wir gleichzeitig das Klima schüt- sich ihrer Verantwortung stellen, dagegen zen wollen, veraltet“ (Obama). Wenn sich so etwas zu tun“ (Obama). Sie versprechen zu Ökologie rechnet, dann braucht der erfinderi- helfen – und zwar mit einem weiteren polische Geschäftssinn des globalen Kapitalismus, tisch gestifteten Zukunftsgeschäft anderer der in Amerika laut dessen Chef sein natürli- Art, mit „Klimarisikoversicherungen für arme ches Zuhause hat, auch keine bindenden Ver- Länder“. Das versprechen die für globale Hilpflichtungen zum Klimaschutz. Er macht sich fe Zuständigen nach ersten vielversprechenvielmehr ganz freiwillig dazu auf, Energie- den Pilotversuchen in den Dürregebieten quellen, die die ‚natürlichen Lebensgrundla- Afrikas finanziell anzuschieben und den gen‘ weniger verwüsten, zu produzieren und „Ärmsten der Armen“ „die Versicherungen so in Betrieb zu nehmen – neben all dem anderen, zu verbilligen, dass sie erschwinglich werden“, Gewinn einspielenden energiewirtschaftli- um ihnen damit endlich Zugang zu dem bischen Fortschritt vom Fracking angefangen bis lang versperrten globalen Versicherungsgehin zur Atomkraftnutzung, die, weil CO2- schäft mit ihnen zu verschaffen. Da können emissionsarm, in der Klimaschutzdiplomatie die großen Klimaschutzmächte mit überals hochwertiger ökologischer Beitrag zur schaubarem finanziellem Aufwand viel Gutes Temperaturabkühlung des Planeten zählt. bewirken, nämlich dafür sorgen, dass so um die 400 Millionen Klimawandelopfer mit PoliDamit diese allseits zur Klimarettung in cen versorgt werden. höchster Not berufenen produktiven Kapitalanleger und ihre finanzkapitalistischen Kredi- 1) Zu den Prinzipien und Fortschritten der energiepoliteure in ihrem guten Werk voranschreiten und, tischen Konkurrenz der Staaten siehe die Artikel wie politisch verlangt, die weitere Globalisie- „Was das Klima so alles von ‚uns‘ verlangt“, GegenStandpunkt 2-07 und „Weltklimagipfel ‚gescheitert‘: rung des energiewirtschaftlichen Fortschritts Der Kampf der Nationen um die globale Energiewenals wachsendes neues Weltenergiegeschäft de, ihre Erträge und ihre Geschäftsordnung wird wahrmachen, benötigen sie natürlich Vertrau- grundsätzlich“, GegenStandpunkt 1-10 en in die Sicherheit ihrer Investments. Schließ- Aus: GegenStandpunkt 1-16. lich ist allseits bekannt und in diesem Fall auch öffentlich durchaus gebilligt, dass sie „nicht aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit aus den fossilen Energien aussteigen, sondern weil sie keine guten Anlagen mehr sind.“ (tagesschau.de, 13.12.15) Also gilt Nr. 56 – Juni 2016 VERSUS & Diskussion Prof. Freerk Huisken: Der Türkei-Vertrag Die nächste Etappe von Merkels Flüchtlingspolitik: Zurückrudern oderimperialistische Offensive mit Hindernissen? Im Vertrag der EU mit der Türkei zur Flüchtlingspolitik entdecken Anhänger der „Willkommenskultur“ vom letzten Herbst ein „Zurückrudern“. Merkel habe sich auf den Standpunkt des „Abschottens“ der europäischen Außengrenzen zurückgezogen und damit denjenigen Staaten Recht gegeben, die ihre innereuropäischen Grenzen gegen Flüchtlinge abgedichtet haben. Dazu ist festzustellen: Wer in dem Vertrag der EU mit der Türkei allein ein Fernhalten und Abschrecken von Flüchtlingen entdeckt, hat nicht nur den zentralen Gehalt dieses Vertrags verpasst, sondern muss auch schon die „Willkommenskultur“ als Höhepunkt deutscher Menschenfreundlichkeit und das deutsche Asylgrundrecht als Instrument selbstloser Flüchtlingshilfe fehlgedeutet haben. * Dabei lässt die Kanzlerin keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich ihre Absicht, Vortrag mit Diskussion über die Neuregelung der SchengenaußenTübingen: grenze die „Flüchtlingszahlen dauerhaft und Dienstag, 28.06.2016, 19:00 Uhr nachhaltig zu reduzieren“, als ein VertragsUniversität Tübingen, bestandteil in die politische Kontrolle der Neue Aula Hörsaal 14 gesamten Ägäis-Fluchtroute – von Syrien, über die Türkei, die Ägäis bis nach GriechenStuttgart: land – einfügen soll. Sie will Schluss machen Mittwoch, 29.06.2016, 19:30 Uhr mit dem unkontrollierten Einsickern von MasUniversität Stuttgart sen „illegaler“ Flüchtlinge nach Europa, der (Raum ist angefragt und wird auf nationalen Abschottungspolitik von EU-Staa- www.versus-politik.de bekannt gegeben) ten, der Überforderung Griechenlands als Außengrenzstaat, dem Schlepperwesen, dem massenhaften Absaufen im Mittelmeer, dem Durchmarsch von Flüchtlingen durch die Türkei und dem unkontrollierten Lagerwesen in der türkisch-syrischen Grenzregion – kurz, mit all dem, was die deutscheuropäische Merkel-Fraktion an der Massenflucht schon immer gestört hat. * Die Umsetzung des Vertrags mit der Türkei, der zwischenzeitlich sogar wieder ganz zur Disposition steht, geht auf jeden Fall nicht ohne Hindernisse ab: Zum einen, weil europäische „Partner“ wie Ungarn, Polen, Tschechien etc. nicht gewillt sind, sich über das deutsch-definierte Vertragswerk die Hoheit über ihre nationalen Grenzen und über die Frage, ob sie in ihr Staatsvolk Flüchtlinge aufnehmen will, weiter beschneiden zu lassen; und zum anderen, weil die türkische Führung die Einmischung Europas in innen- und außenpolitische Angelegenheiten, die der Vertrag enthält, neuerdings fast schon als feindlichen Akt deutet. * Solche Konfrontationen mit sperrigen Eigeninteressen von Staaten innerhalb und außerhalb Europas schließt eine global angelegte Flüchtlingspolitik à la Merkel zwangsläufig ein. Das heißt aber, dass diese Politik ohne die Reklamation von Aufsichtsinteressen über alle Staaten, die von der „Flüchtlingskrise“ betroffen sind, nicht zu haben ist – was die Kanzlerin Merkel vom Herbst letzten Jahres an gewusst, mitgeteilt, in ihr Programm eingebaut, also gewollt und betrieben hat. freerk huisken abgehauen n en hien rsc eu e Freerk Huisken Abgehauen eingelagert aufgefischt durchsortiert abgewehrt eingebaut – Neue deutsche Flüchtlingspolitik – Eine Flugschrift 144 Seiten | 2016 | EUR 9.80 ISBN 978-3-89965-692-3 eingelagert aufgefischt durchsortiert abgewehrt eingebaut neue deutsche flüchtlingspolitik Wenn die deutsche Bundesregierung die Grenzen für Flüchtlinge öffnet, Tausende unkontrolliert einlässt, aufnimmt und betreut, dann sind die Kritiker der heimischen Flüchtlingspolitik erst einmal überrascht, dann aber des Lobes voll. Endlich, so ihr Urteil, wird dem wahren Sinn des Grundrechts auf Asyl praktisch Rechnung getragen. Dass Politiker, gerade solche vom Schlage der Bundeskanzlerin, die Europa zu mehr Weltgeltung führen will, mit humanitären Aktionen dieser Art ein politisches Interesse verbinden, sollte eigentlich nicht unbekannt sein. Worum es diesmal geht, das könnte man leicht der Neudefinition nationaler Flüchtlingspolitik entnehmen: Es handele sich bei den Fluchtbewegungen um ein »globales Problem«, das auch entsprechend »global« kontrolliert, betreut und den Schleuserbanden aus der Hand genommen werden muss. VSA: eine flugschrift Nichts anderes als eine imperialistische Offensive kündigt Angela Merkel zugleich mit ihrer humanitären Hilfe an, die Deutschland als treibende Kraft angehen will. Von dieser, ihren innenund außenpolitischen Brutalitäten und Widersprüchen handelt Huiskens Flugschrift.
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