PDF - Chile Grüze

Fairnünftig leben?!
Teil 1: Welt - einfach wegschauen?“
Chile Grüze, Christoph Candrian, 29. Mai 2016
Vermutlich kennst du diese Schilder „Bitte nicht
stören“. Die kann man beim Hotel vor die Tür hängen und dann weiss das Personal: Der schläft
heute aus! Man hat damit seine Ruhe. Eine tolle
Sache im Hotel!
Aber in unserer neuen Gottesdienstserie wollen wir
uns von Gott stören lassen. Er will uns zwar Frieden
und Ruhe schenken. Aber ich meine jetzt meine
Gleichgültigkeit. Das Verschliessen meiner Augen.
Ich sage Gott: Es ist o.k. wie es ist, bitte nicht
stören.
Für den Start heute morgen habe ich mich persönlich aufwühlen lassen von zwei Bibeltext. Eigentlich
einer der Texte die ich überhaupt nicht liebe. So
düster irgendwie. Diese Story mit Sodom und Gomorrah. Diese beiden Städte die heute noch ein
Synonym sind für eine Gesellschaft die total aus
dem Ruder gelaufen ist. Gott wendet sich radikal
von diesen Städten ab. 1. Mose 18 und 19. Es ist
im Text von einem „abscheulichen Verhalten“ der
Bewohner die Rede. Aber was ist es denn
eigentlich? Sodom steht auch sexuelle Sünden.
Gerade Christen kommt das ja oft als erstes in den
Sinn… Aber im Text ist das hier als Grund warum
Gott so traurig über diese Stadt ist gar nicht erwähnt.
Erst viel später beschreibt der Prophet Hesekiel in
Kapitel 16,49, warum Gott sich von dieser Stadt
Sodom abgewendet hat: „Sie sahen hochmütig auf
andere herab, sie lebten im Überfluss und in sorgloser Ruhe, ohne den Armen und Hilflosen zu
helfen.“.
Hesekiel zählte drei Dinge auf, die mich als
heutigen Leser aus der Ruhe schütteln:
- „Sie sahen hochmütig auf andere herab“: Sie
haben sich umgesehen, gesehen dass die anderen nicht so erfolgreich sind und waren
überzeugt: Wir müssen was besseres sein! Wer
hochmütig ist, hat immer sich selbst im Zentrum.
Wie oft vergesse ich, dass ich ein kleiner Teil
eines grossen Systems auf diesem Planeten bin
und habe den verblendeten Eindruck, die Welt
drehe sich irgendwie um mich und ich hätte es
verdient, dass es mir gut geht… Die Folgen sind
heute zum Beispiel moderne Sklaverei. Mein
Hunger nach Konsum wird oft gestillt, indem an
-
-
einem anderen Ort der Welt einer um seine
Ernte, seinen Lohn oder seine Gesundheit
beschissen wird.
„Sie lebten im Überfluss“: Wörtlich heisst es im
hebräischen „Sie hatten Fülle an Brot“. Die
Regierung befahl zu dieser Zeit sogar, NICHT
mit den Armen und Bedürftigen zu teilen. Diese
Stadt hatte ein Problem: Sie hatten mehr als sie
brauchten. Unser Überfluss ist gewaltig: In
Deutschland wirft man 30 Prozent der Lebensmittel weg, bevor es beim Käufer auf dem Tisch
steht. In der Schweiz sicher genauso.
„Und in sorgloser Ruhe“: Nicht einfach nur Ruhe
sondern sogar sorglose Ruhe! Den Menschen in
Sodom war alles andere gleichgültig. Der Nächste war ihnen egal. Ich will mich nicht stören
lassen mit Bildern von hungernden Kindern oder
Flüchtlingen oder wem auch immer. Die Insel
Kos hat da ja ein Problem. Die Flüchtlinge
kommen mit Booten an den Stränden an, wo
sich die Europäer mal etwas Ferien gönnen…
Gott konnte die diese Kombination von Hochmut,
Leben im Überfluss und sorglose Ruhe nicht mehr
ertragen. Das hat mehr mit mir und meinem Handeln zu tun, als ich es wahrhaben möchte. Ich
glaube da sind wir uns alle einig - es ist nicht attraktiv, Bewohner von Sodom zu sein. Wenn ich
ausziehen will, dann muss ich mich in meiner Ruhe
stören lassen. Dann muss ich dieses Thema mal
zulassen. Ich möchte zulegen an Sensibilität wie
mein Handeln hier einen Einfluss auf meinen Nächsten hat an einem anderen Ort der Welt.
Vielleicht haben wir dieses Thema noch nie thematisiert, weil wir Angst hatten, dass man das nun
falsch verstehen kann. Es geht aber nicht um um
ein schlechtes Gewissen, es geht nicht um Marken
oder Ernährungskonzepte. Es geht einzig darum,
dass ich mich von Gott stören lasse in meiner sorglosen Ruhe. Ich möchte uns alle ermutigen mit
ganz, ganz kleinen Veränderungen in unserem Alltag etwas Grosses zu bewirken und Teil von Gottes
gutem Plan für diese Welt zu werden:
Gerechtigkeit! Das Hauptthema unseres Gottes!
Vor zweitausend Jahren hat Jesus Christus damit
begonnen, eine neue gerechte Welt aufzubauen.
Jesus lädt uns ein, uns in dieses grosse Projekt
einzuklinken und Teil davon zu werden. Jesaja 61,
1-4:
„Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der
HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den
Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den
Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass
sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein
gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der
Vergeltung unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt
Trauerkleid, Lobgesang statt eines betrübten
Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden
»Bäume der Gerechtigkeit«, »Pflanzung des HERRN«, ihm zum Preise. Sie werden die alten Trümmer wieder aufbauen und, was vorzeiten zerstört
worden ist, wieder aufrichten; sie werden die verwüsteten Städte erneuern, die von Geschlecht zu
Geschlecht zerstört gelegen haben.“
Ich entscheide mich ganz bewusst, dass Gott und
die Bibel mich stören dürfen in meiner sorglosen
Ruhe. In meiner Gleichgültigkeit. Für alle die das
auch möchten, habe ich ein Schildchen mitgebracht. „Bitte stören!“ Ihr könnt es nachher vorne
bei mir abholen oder hinten beim Kreuz hats auch
ein paar.
Wir werden uns in den nächsten Wochen intensiv
mit ganz konkreten Themen zu einem „Fairnünftigen Lebensstil“ auseinandersetzen: Was sagt
eigentlich die Bibel zu Reichtum und Armut? Wie
sieht Mission aus die mehr ist als Predigen? Was
kann ich hier und heute tun? Wie konsumiere ich
fair? Und schliesslich: Wie kann ich meine
Gesellschaft in der ich lebe, gerechter gestalten?
Ich habe vorhin gesagt, dass ich beim „fairnünftigen Lebensstil“ noch ganz am Anfang stehe. Einer
der damit schon lange Erfahrungen sammelt, ist
heute hier. Rolf Kleiner, Gymi-Lehrer in Winterthur,
Christ, lange Regionalleiter von „StopArmut“, Mitgründer der Homepage „faireseiten.ch“ und nicht
zu letzt Vater von Manuel aus unserer Gemeinde.
Danke, dass du heute hier bist um mit uns im Interview ein wenig dein Herz zu teilen.
Interview mit Rolf Kleiner.
Stellt euch vor, es würden morgen 100 Boeing 747
abstürzen. Eine furchtbare Tragödie, 26’000 Menschen sterben. Alle Regierungschefs der Welt würden sich zusammentun und miteinander überlegen, wie sie verhindern können, dass so etwas
jemals wieder passiert. Das passiert jeden Tag.
26’000 Kinder sterben an den Folgen von Armut.
Ich will lernen, meinen kleinen Teil für eine
gerechtere Welt, einzusetzen. Ich will mich von
Gott stören lassen. Und es wird mich was kosten.
Wenn du das auch möchtest, dann kannst du beim
Kreuz oder hier vorne im Anschluss so ein Lesezeichen „Bitte Stören“ mitnehmen.
Ich bete mit einem alten Gebet von Clemens
von Rom, aus dem ersten Jahrhundert:
„Wir bitten dich, Herr, uns zu helfen und zu
beschützen.
Erlöse die Unterdrückten, erbarme dich der Bedeutungslosen.
Richte die Gefallenen auf, zeige dich den Bedürftigen.
Heile die Kranken, bringe die Verirrten zurück,
gib den Hungrigen zu essen, richte die Schwachen
auf,
nimm die Ketten der Gefangenen weg.
Möge jede Nation erfahren, dass du alleine Gott
bist,
dass Jesus Christus dein Sohn ist und dass wir
deine Menschen sind,
die Schafe, die du weiden lässt.
Amen.“
Movie Night „We feed the World“ ein Dokumentarfilm über die Nahrungsmittelindustrie, anschliessende Gesprächsrunden, Dienstag, 7. Juni,
19.30 Uhr Bistro Riläx