1 Biosensoren

1. Biosensoren
1
4
Biosensoren
Es gibt verschiedene Methoden, um supramolekulare Wechselwirkungen an Grenzflächen
nachzuweisen. In dieser Arbeit haben wir uns mit der Entwicklung einer geeigneten
Sensortechnik beschäftigt, die es erlaubt, die in der Einleitung beschriebenen Systeme zu
charakterisieren. Im ersten Kapitel der vorliegenden Art wird deshalb zunächst eine
Definition des Begriffs „Biosensor“ und eine kurze allgemeine Einführung in die Biosensorik
gegeben.
Biosensoren sind miniaturisierte Meßsysteme, bei denen biologische Erkennungsstrukturen
räumlich eng mit einem geeigneten Signalwandler (Transducer) gekoppelt sind. Durch
Wechselwirkungen zwischen Analyten und selektiven Erkennungsstrukturen wird ein
physikochemisches Signal erzeugt, das durch den Transducer in elektrisch auswertbare
Meßwerte umgewandelt wird [5]. Anwendung finden Biosensoren insbesondere in der
klinischen Diagnostik, der Umweltanalytik, der Militärtechnik, der Lebensmittelanalytik und
der Prozeßkontrolle. Von Bedeutung sind auch Anwendungen in der Grundlagenforschung,
z.B. zur Entwicklung von Modellen auf molekularer Ebene oder zum Nachweis von
Makromolekülen und deren Interaktionen in physiologischen Medien.
Abbildung 2: Schematische Darstellung eines Biosensors
Typische Probleme bei der Entwicklung von Biosensoren treten durch die Immobilisierung
der Biokomponente (Erkennungsstrukturen) und bei der Selektivität der Erkennung des
Analyten aus einem Probengemisch wegen der Effizienz der Signalübertragung zum
Transducer bzw. bei der Kalibrierung und Datenverarbeitung auf. Allgemein werden an
Biosensoren die gleichen Anforderungen wie an herkömmliche kommerzielle Sensoren
gestellt [6]. Die Verwendung von Biosensoren hängt aber neben der Qualität der analytischen
Ergebnisse ( Empfindlichkeit, Reproduzierbarkeit, Stabilität) letztlich auch von der Akzeptanz
der Anwender (Handhabung, Preis, Service) ab.
Maik Liebau
1. Biosensoren
1.1
5
Einteilung von Sensorsystemen nach den Prinzipien der Signalübertragung
Es gibt zwei fundamentale Wirkprinzipien von Biosensoren. Zum einen katalysieren Enzyme,
Mikroorganismen oder auch Organellen chemische Reaktionen, das bedeutet, daß durch
nachgelagerte Reaktionen die Massebilanz an der Sensoroberfläche verändert wird. Zum
anderen kommt es, z.B. bei immunologischen Reaktionen, zu spezifischen Adhäsionen des
Analyten wobei normalerweise ausschließlich die direkte Ankopplung an eine Grenzfläche
untersucht wird. Entsprechend den biochemischen Wirkungsmechanismen müssen die
Signalwandler für ein bestimmtes biologisches System ausgewählt werden. Derzeit stehen
eine Vielzahl geeigneter Wandler zur Verfügung, die nachfolgend zusammengefaßt sind.
1.1.1 Kalorimetrische Sensoren
Thermistoren [7] registrieren die bei enzymatischen Reaktionen freigesetzte Wärmemenge,
die sich umgekehrt proportional zur Konzentration des Substrats verhält. Eine Spezifität wird
durch die geeignete Auswahl der Enzyme erreicht. Die verwendeten Sensoren erfassen bis zu
80% der bei der Umsetzung frei werdenden Energie und haben eine thermische Auflösung
von bis zu 10-4 K. Damit sind Substratkonzentrationen bis zu 0,1 mmol/l detektierbar [8].
1.1.2 Elektrochemische Sensoren
Elektrochemische Methoden sind nach wie vor der Schwerpunkt der wissenschaftlichen
Veröffentlichungen im Bereich Sensorik. Man verwendet potentiometrische, amperometrische
und konduktometrische Sensoren.
Potentiometrische Sensoren messen das Potential zwischen zwei Elektroden. Die
Elektrodenoberflächen werden beschichtet, um die Anordnung selektiv für bestimmte Ionen
zu gestalten. Sie werden entweder direkt in die Probelösung getaucht oder durch eine
Membran von der Analytlösung getrennt. Allgemein wird eine Elektrode als Referenz- und
die andere als Arbeitselektrode genutzt. Die Abhängigkeit des Aktivitätskoeffizienten (bzw.
der Konzentration) ai vom Potential E wird durch die Nernst-Gleichung beschrieben:
(1.1)
RT
ln ⋅ a i
zF
0
E – Standardpotential; R – Gaskonstante; F – Faraday-Konstante; z –
Ladungszahl; T - Temperatur
E = E0 +
Vielfach werden potentiometrische Elektroden als pH-Sensoren angewendet. Eine moderne
Version potentiometrischer Elektroden ergibt sich durch die Nutzung der Halbleitertechnik.
Sogenannte Ionenselektive Feldeffekt-Transistoren (ISFETs) werden zum Nachweis
bestimmter Ionenkonzentrationen eingesetzt. ISFETs haben vor allem den Vorteil, daß man
sie auf einem Chip integrieren kann und somit die Möglichkeit besteht, Arrays herzustellen
[9].
Der Wechsel des Oxidationszustandes bei biochemischen Reaktionen wird von
amperometrischen Meßtechniken genutzt. Man mißt den Stromverlauf während
Oxidations- oder Reduktionsvorgängen an den Elektroden unter Beibehaltung eines
Maik Liebau
1. Biosensoren
6
konstanten Potentials [10]. Die Messung erfolgt entweder mit Hilfe der Zwei-ElektrodenTechnik (Meß- und Gegenelektrode) oder mit der Drei-Elektroden-Technik (Meß-, Gegenund Referenzelektrode). Die Drei-Elektroden Technik wird verwendet, um den durch den
Stromfluß innerhalb der Lösung bedingten Potentialabfall zu kompensieren. Der
Zusammenhang zwischen der Stromstärke I und der Geschwindigkeit der Redoxreaktion
dn/dt ergibt sich nach Faraday aus Gl 1.2:
dn
dt
z – Ladungszahl; F – Faradaykonstante (96485,31 As/mol)
I = zF
(1.2)
Angewendet werden amperometrische Methoden z.B. zur Untersuchung von
Adsorptionseffekten [11], zum Nachweis von Sauerstoffverbindungen [12] oder für
Testsysteme zum Glucosenachweis [13].
1.1.3 Optische Sensoren
Optische Analyseverfahren haben sich seit langem in der experimentellen Praxis bewährt. Die
Anwendung optischer Prinzipien, d.h. die Charakterisierung chemischer Substanzen anhand
der Absorption elektromagnetischer Strahlung kann auch für sensorische Zwecke genutzt
werden. Dazu ist es notwendig, geeignete Transducer zu verwenden, die in direktem
räumlichen Kontakt mit der zu untersuchenden Substanz stehen. Die eigentlich für die
Telekommunikation entwickelten optischen Fasern sind geeignete Signalwandler, die in
verschiedenen Modifikationen als photometrische Sensoren eingesetzt werden können [14].
Die Ausbreitung des Lichtes erfolgt durch Totalreflexion an den Grenzflächen eines
Lichtleiters. Angewendet werden präparierte Lichtwellenleiter, z.B. zum Nachweis von
Penicillin [15], Glucose [16] Lactat [17] und Immunosensoren [18].
Neben den faseroptischen Verfahren
etablierte sich in den letzten Jahren vor
allem die Surface Plasmon Resonance (SPR)
als ein neues optisches Verfahren zur
Untersuchung von Adhäsionsvorgängen an
fest/flüssig Grenzflächen. Derzeit werden
drei
verschiedene
Apparaturen
in
Deutschland
[19]
angeboten
und
entsprechend groß ist auch die Anzahl der
Veröffentlichungen auf diesem relativ neuen
Gebiet. Bei dieser Methode wird ein Abbildung 3: Ausbildung eines Plasmons an der
Lichtstrahl durch ein Prisma unter Grenzfläche von Medien mit unterschiedlichen
Totalreflexion
auf
einen
an
der Dieelektrika (ε1 und ε2)
Prismengrenzfläche
aufgedampften
Metallfilm gelenkt (Abbildung 3). Dabei kommt es zur Ausbildung eines Plasmons, d.h. einer
energiereichen Welle an der Grenzfläche Metall/Umgebung (bzw. Metall/Probe). Im
Maik Liebau
1. Biosensoren
7
Resonanzfall (Resonanzwinkel Θ) stimmen die Energie und der Impuls der eingestrahlten
Photonen und die Energie des Plasmons überein. Die Übertragung der Energie der
Lichtquanten auf das Plasmon ist anhand eines starken Abfalls der Intensität des reflektierten
Lichtes erkennbar. Dieser Intensitätssprung wird als sensorisches Signal verwendet [20].
Damit steht eine Technik zur Verfügung, die es gestattet, Grenzflächenreaktionen on-line zu
verfolgen.
1.1.4 Akustische Sensoren
Zur Verfolgung von Adhäsionen an Grenzflächen in Realzeit stehen neben der SPR-Technik
noch verschiedene akustische Methoden zur Verfügung, die die Ausbreitung akustischer
Wellen in einem piezoelektrischen Substrat oder entlang der Oberfläche eines
piezoelektrischen Substrats messen. Die akustischen Wellen werden durch Belegung mit
Fremdschichten, durch Adsorption von Analyten an Substratgrenzflächen und durch
verschiedene Eigenschaften des umgebenden Mediums beeinflußt. Als sensorisches Signal
erhält man entweder Verschiebungen der Resonanzfrequenz (proportional zu
Massebeladungen) oder Änderungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit der akustischen Welle
[21; 22; 23; 24]. In einer Arbeit von Kößlinger et.al. [25] werden die SPR- und die
Quarzmikrobalance- (QMB) Technik anhand der spezifischen und unspezifischen Adsorption
von Antikörpern miteinander verglichen. Kößlinger et.al. kommen zu dem Schluß, daß beide
Verfahren ähnlich gute Meßergebnisse liefern. Entscheidend ist die Sensorkonfiguration, d.h.
die Immobilisierung der Biokomponente und das Design des Sensors. In Kapitel 2 dieser
Arbeit wird das Funktionsprinzip akustischer Sensoren ausführlicher beschrieben. Außerdem
wird versucht, diese Sensoren anhand der Prinzipien der Wellenausbreitung zu klassifizieren.
1.2
Biochemische Erkennungsprinzipien
Die Klassifizierung von Biosensoren kann auch nach der Art der biologischen bzw.
chemischen Wechselwirkung an der Sensoroberfläche erfolgen. Prinzipiell unterscheidet man
enzymatische Sensoren, Immunosensoren, rezeptorvermittelte Sensoren, Sensoren zur
Sequenzanalyse von Nukleinsäuren und Sensoren die bestimmte Kohlenhydrate erkennen.
Diese Einteilung erscheint sinnvoll, da sie die Schwerpunkte der gegenwärtigen
Forschungsarbeiten umreißt. Daneben gibt es natürlich eine Vielzahl von Kombinationen der
verschiedenen Sensorprinzipien. Beispielsweise kombiniert man Methoden der
Immunochemie mit denen der enzymatischen Analyse, die die Bestimmungen von Antigenen,
Antikörpern und Haptenen ermöglichen.
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Wirkprinzipien von Biosensoren, die
meist verwendeten Transducer und einige aktuelle Beispiele.
Maik Liebau
1. Biosensoren
8
Tabelle 1: Substanzen zur biologischen Erkennung, Signalwandler und Anwendungsbeispiele von Biosensoren
(Bio-)Chemische
Wechselwirkung
Transducer
Beispiele
Enzym/Substrat
elektrochemische Sensoren
ISFETs
Thermistoren
optische Sensoren
Review [26]
Formaldehyd-Nachweis [27]
Spaltung von Saccharose [28]
Pyruvat-Optrode [29]
Antigen/Antiköper
piezoelektrische Sensoren
amperometrische Elektroden
Thermistoren
optische Sensoren
Hepatitis-Antikörper [30]
DNP- und PQQ*-Antikörper [31]
Peritonitis-Antikörper [32]
2,4-D† Antikörper [33]
Rezeptoren/Toxin;
Pharmaka
amperometrische Elektroden Keuchhusten-Toxin [34]
potentiometrische Elektroden Schalten von K+-Kanälen [35]
DNA; RNA
elektrochemische Sensoren
potentiometrische Elektroden
optische Sensoren
piezoelektrische Sensoren
kohlenhydratbindende Proteine
amperometrische Elektroden Galactosenachweis [40]
ISFETs
Glucosekonzentrationen [41]
*
†
DNP-Dinitrophenol; PQQ-Pyrrolchinolin-Chinon
2,4-D-(2,4-Dichlorphenoxy)essigsäure
Maik Liebau
Review [36]
sequenz-spezifischer DNA-Nachweis[37]
Detektion von DNA-Einheiten [38]
DNA-Sequenzanalyse [39]