Warum große Vermögensverwalter immer häufiger kleine Boutiquen

Übernahmefieber
Warum große Vermögensverwalter immer häufiger kleine Boutiquen kaufen
Es ist eine Anfrage von einer Vermittlungsagentur, die den Gesellschaftern der Fondsboutique auf den
Tisch flattert. Der Inhalt: Würden Sie Ihr Unternehmen verkaufen? Die Gesellschafter setzen sich
zusammen, um den Wert zu berechnen.
Das ist jetzt drei Jahre her, und immer wieder fragen große Gesellschaften bei kleinen Spezialisten
nach, ob sie sie kaufen können. In den vergangenen Monaten gab es zwei derartige Abschlüsse, die
hervorragen: Allianz Global Investors (AGI) kauft den Londoner Anleihemanager Rogge Global Partners
und holt sich damit 36 Milliarden Dollar an Rentenfonds ins Haus. Und der Schweizer
Vermögensmanager Bellevue Asset Management kauft die deutsche Gesellschaft Starcapital und mit
ihr zwei der bekanntesten Köpfe der deutschen Fondslandschaft: Peter E. Huber und Markus Kaiser.
Ein neuer Trend? Tatsächlich verzeichnet die Unternehmensberatung PWC im vergangenen Jahr 82
Übernahmen von Vermögensverwaltern in den USA. Doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr
2013. „In Deutschland ist das noch nicht so stark ausgeprägt“, sagt Elmar Schobel, Partner bei der
Wirtschaftsberatung KPMG. „Aber Investmentgesellschaften versuchen insbesondere, ihre verwalteten
Vermögen zu ergänzen und über mehr Anlageklassen zu verteilen.“ Der Vorteil: Das Geschäft wird
widerstandsfähiger gegenüber Krisen.
Absicherung gegen konjunkturelle Schwankungen und Krisenzeiten
Es gibt noch weitere Gründe, weshalb sich große Investmenthäuser kleinere Anbieter einverleiben. Sie
greifen ineinander. So ziehen die Anbieter von kostengünstigen Indexfonds (ETF) und quantitativen
Strategien den klassischen Fondsmanagern seit Jahren Geschäft ab. Zugleich können Kunden im
Internet Fonds besser vergleichen und einfacher wechseln. „Früher war die Fondsbranche noch sehr
durch den Vertrieb dominiert. Heute herrscht transparenter Wettbewerb“, sagt Marcel van Leeuwen,
Geschäftsführer der Deutschen Wertpapiertreuhand. „Kleine Fondsboutiquen tauchen plötzlich in
Listen weit oben auf, obwohl sie kaum Vertrieb haben.“ Die Großen müssten deshalb aufrüsten und
kauften vor allem Know-how. Um Geschäftsvolumen gehe es dabei gar nicht so sehr, so van Leeuwen.
Und letztendlich werden wohl die Behörden die eine oder andere Fondsboutique in die Arme eines
Großanbieters treiben. Wenn es ganz dicke kommt, müssen sie irgendwann die Fonds mit Eigenkapital
unterlegen. Dieser Blödsinn ist teuer – und dürfte schwach rentierliche Anbieter kippen lassen.
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Das Jahr 2015 wird in der Retrospektive gerne als das Jahr der Übernahmen betrachtet. Es passierten
weitaus mehr Fusionen und Akquisitionen von multinationalen Großkonzernen als die meisten
Wirtschaftsanalysen- und Prognosen im Voraus vermuten ließen. Auch Vermögensverwalter scheinen
sich seither zunehmend oft kleine Fonds-Boutiquen einzuverleiben und ziehen daraus Vorteile unter
anderem in der Absicherung gegen konjunkturelle Schwankungen und Krisenzeiten. Nur bleibt die
Frage nach dem Kaufpreis einer solchen Fondsboutique und wie dieser verhandelt wird.
Preis hängt von von Know-how und Umsätzen ab
Der Kaufpreis bleibt meist geheim und ist Verhandlungssache. Zweifellos ist allerdings: In erster Linie
hängt er von Know-how und Umsätzen ab, erst in zweiter Linie vom verwalteten Vermögen. „Es geht
um den Ertrag“, sagt der Münchner Vermögensverwalter Hannes Peterreins. Also nehme man häufig
die künftigen Jahreserträge und zinse sie mit einem üblichen Diskontsatz ab. Nach dem Motto: Geld,
das ich erst nächstes Jahr verdiene, ist heute weniger wert.
Selbst wenn man präzise rechnet und Wachstumsraten unterstellt, bekommt man nur einen
Anhaltspunkt. Ebenfalls vorhanden ist der Wechselschwund: Manager verlassen das Unternehmen und
nehmen Kunden und Geld mit. „Aber auch das ist reine Schätzerei“, meint Peterreins.Gibt es
Daumenregeln? „Nein“, sagt van Leeuwen. „Jeder Deal ist anders und hängt von der Frage ab, was
man kauft – Bestände, Know-how, Einnahmen.“ Rolf Tilmes, Professor bei der EBS Business School,
meint: „Je spezieller das Geschäft ist, desto höher ist der Ertrag.“ Anleihehäuser seien häufig größer
als Aktienhäuser, verdienten aber prozentual weniger.
Am besten bezahlt werden alternative Investments, hier werden die Fonds aber nie sehr groß. Es ist
kompliziert. Neben der Rechnerei ist da noch die psychologische Komponente, die Thomas Gross ins
Feld führt. Der KPMG-Kollege von Elmar Schobel berät Protagonisten bei deren Übernahmeplänen und
weiß, dass auch strategische Gedanken einen Preis treiben oder drücken können. „Wenn ein Markt
einem Interessenten besonders wichtig ist, kann der Preis weit höher steigen”, sagt er. „Umgekehrt
kann es den Preis drücken, wenn ein Besitzer unbedingt verkaufen will oder muss.“
Die Gesellschafter der eingangs erwähnten Fondsboutique ermittelten einen hohen zweistelligen
Millionenbetrag als Unternehmenswert. Das befanden sie selbst für zu teuer, schüttelten die Köpfe und
verkauften nicht. Aber das wollten sie sowieso nicht.
Dieser Artikel erschien am 27.05.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/bernahmefieber-teil-1-warum-grosse-vermoegensverwalter-immer-haeufiger-kleine-boutiquen-kaufen-1464
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