62-16 Vorlage EuGH Gewährleistungsrecht

Presse
Landgericht Hannover
23.05.2016
LANDGERICHT HANNOVER:
Landgericht legt Gerichtshof der Europäischen Union
Frage zu sekundären Gewährleistungsrechten vor (17 O
43/15)
Mit am 22. April 2016 verkündetem Beschluss hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts
Hannover durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Michael Frankenberger als
Einzelrichter das Verfahren 17 O 43/15 bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union zu der Frage ausgesetzt, ob Artikel 3 Absatz 5 zweiter Spiegelstrich der
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu
bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ein
Grundsatz des europäischen Verbraucherrechts dahingehend zu entnehmen ist, dass es bei
allen Geschäften mit Bezug auf Verbrauchsgüter zwischen Nichtverbrauchern und
Verbrauchern für die Geltendmachung sekundärer Gewährleistungsrechte - insbesondere
Schadensersatz - ausreichend ist, dass der gewährleistungspflichtige Nichtverbraucher nicht
innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat, ohne dass es insoweit der
ausdrücklichen Setzung einer Frist zur Mangelbeseitigung bedarf und dass die Vorschriften
des nationales Rechts dazu bspw. auch im Falle eines Verbrauchsgüterwerkvertrags
entsprechend auszulegen und ggf. zu reduzieren sind.
Die Parteien streiten über Mängel eines Werkes. Der Ehemann der Klägerin beauftragte als
Verbraucher den Beklagten mit der Sanierung eines Gartenpools. Das Werk wurde 2011
durch Zahlung abgenommen. Der Ehemann der Klägerin hat dieser mit auf den
3./4. November 2011 datiertem Vertrag seine Gewährleistungsrechte abgetreten. In
unverjährter Zeit betrieb die Klägerin als Grundstückseigentümerin wegen der
streitgegenständlichen Mängel ein selbständiges Beweisverfahren und hat inzwischen
Zahlungsklage wegen behaupteter Beseitigungskosten erhoben. Der Beklagte hätte daher
ausreichend Zeit zu einer Nachbesserung gehabt. Alle möglicherweise auf den Fall
anwendbaren nationalen Vorschriften (§§ 280, 281, 323, 398, 634, 634a, 636, 637 BGB)
erfordern aber die ausdrückliche Setzung einer Nachfrist zur Mangelbeseitigung oder deren
Entbehrlichkeit. Beides liegt im konkreten Fall nicht vor. Eine Nachfristsetzung erfolgte in
unverjährter Zeit nur durch den Ehemann der Klägerin - nämlich mit anwaltlichem Schreiben
Nr. 62/16
/ Dr. Stephan Loheit
Pressestelle
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vom 16. November 2011. Die Fristsetzung durch einen Nichtberechtigten ist aber nach
nationalem Recht unwirksam.
Die Klage wäre daher ohne weitere Beweisaufnahme abzuweisen, es sei denn, dass
entsprechend Artikel 3 Absatz 5 zweiter Spiegelstrich in Verbindung insbesondere mit den
Erwägungsgründen 7 und 10 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der
Garantien für Verbrauchsgüter entgegen dem nationalen Recht nach dem europarechtlichen
Grundsatz der Vertragsmäßigkeit der Leistung eine Fristsetzung durch den Verbraucher
keine Anspruchsvoraussetzung für sekundäre Sachmängelgewährleistungsrechte ist,
weswegen es für die hiesige Entscheidung des vorstehend skizzierten Falles auf die
Auslegung des europäischen Rechts ankommt.
Die Rechtssache trägt beim Gerichtshof der Europäischen Union das Aktenzeichen
C-247/16.
(Az.: 17 O 43/15)
(Stichwort: „Vorlage EuGH“)
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu
bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter:
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf
Artikel 95,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses,
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags, aufgrund des vom
Vermittlungsausschuß am 18. März 1999 gebilligten gemeinsamen Entwurfs,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(…)
(7) Waren müssen vor allem vertragsgemäß sein. Der Grundsatz der Vertragsmäßigkeit
kann als gemeinsames Element der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtstraditionen
betrachtet werden. Im Rahmen bestimmter einzelstaatlicher Rechtstraditionen ist es
möglicherweise nicht möglich, sich allein auf diesen Grundsatz zu stützen, um ein
Mindestmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten. Insbesondere im Rahmen solcher
Rechtstraditionen könnte es nützlich sein, zusätzliche innerstaatliche Bestimmungen
vorzusehen, um den Verbraucherschutz für den Fall zu gewährleisten, daß die Parteien
sich entweder nicht auf spezifische Vertragsklauseln geeinigt haben oder aber
Vertragsklauseln vorgesehen oder Vereinbarungen getroffen haben, aufgrund deren die
Rechte des Verbrauchers unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt
werden. Soweit sich diese Rechte aus dieser Richtlinie ergeben, sind solche
Vertragsklauseln oder Vereinbarungen für den Verbraucher nicht bindend.
-2-
(…)
(10) Bei Vertragswidrigkeit eines Gutes muß der Verbraucher das Recht haben, die
unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Gutes zu verlangen, wobei
er zwischen einer Nachbesserung und einer Ersatzlieferung wählen kann; andernfalls muß
er Anspruch auf Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung haben.
(…)
Artikel 3
[Rechte des Verbrauchers]
(…)
(3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des
Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht
unmöglich oder unverhältnismäßig ist.
Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen
würde, die
- angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,
- unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und
- nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche
Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,
verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.
Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muß innerhalb einer angemessenen Frist und
ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des
Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte,
zu berücksichtigen sind.
(…)
Dr. Stephan Loheit
Richter am Landgericht
Medienmanager
-3-
Das Landgericht Hannover - allgemeine Informationen (Februar 2016):


Bedienstete insgesamt:
davon Richterinnen und Richter:

Landgerichtsbezirk:
o Amtsgerichte Burgwedel, Hameln, Neustadt a. Rbge., Springe, Wennigsen

Strafrecht:
o 11 große Strafkammern
 1 Schwurgericht, zugleich auch allgemeine Strafkammer
 8 allgemeine Strafkammern
 3 Jugend- und Jugendschutzkammern
o 7 Strafvollstreckungskammern
o 7 kleine Strafkammern, davon 1 zugleich als kleine Jugendkammer
o 3 Kammern für Bußgeldsachen, davon 2 als Jugendkammern

Zivilrecht:
o 23 Zivilkammern (erste und zweite Instanz)
o 7 Kammern für Handelssachen

Zahlen und durchschnittliche Verfahrensdauer am Landgericht:
o Strafsachen:
2013
Neueingänge insgesamt :
1.597
davon 1. Instanz:
185
davon Schwurgericht:
25
davon 2. Instanz:
857
davon Beschwerden:
555
216
89
Erledigungen (ohne Beschwerden):
1. Instanz:
davon Schwurgericht:
Erledigungsdauer (Monate):
davon Schwurgericht:
2. Instanz:
Erledigungsdauer (Monate):
o Zivilsachen:
Neueingänge insgesamt :
davon 1. Instanz:
davon 2. Instanz:
davon Beschwerden:
Erledigungen (ohne Beschwerden):
1. Instanz:
Erledigungsdauer (Monate):
2. Instanz:
Erledigungsdauer (Monate):
2014
1.662
191
21
812
659
2015
1.701
169
20
823
709
2013
181
20
7,3
3,5
803
5,7
2014
186
24
9,4
4,2
812
5,9
2015
158
13
7,4
3,4
832
5,7
2013
8.557
6.122
1.089
1.346
2014
8.011
5.585
1.211
1.215
2015
8.689
6.441
1.122
1.126
2013
6.548
11,3
1.164
5,3
2014
5.871
10,6
1.131
5,1
2015
5.817
10,6
1.177
5,3
Die Medieninformationen des Landgerichts Hannover finden Sie auch im Internet auf der
Internetseite
des
Landgerichts
Hannover
unter
der
Rubrik
„Aktuelles
und
Medieninformationen“:
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