Jesus - unser Friede... für unsere Gemeinde (Eph 2,11

Christustag 2016 – Schwäbisch Gmünd (Schönblick):
Jesus – unser Friede
Friede für die Gemeinde
Frieden für die Gemeinde ist das Thema. Kein einfaches, wie ich finde. Ich habe
gewiss noch nicht so viele unterschiedliche Gemeinden kennen gelernt, wie mancher
von Ihnen oder mancher meiner Pfarrerskollegen. Aber ich habe doch sehr
unterschiedliche Situationen an Gemeinden vor Augen. Angefangen von meiner gut
pietistischen Heimatgemeinde, in der ich gerade nach mehr als 10 Jahren
Wanderschaft wieder wohne. Oder die eher charismatische Gemeinde auf einer
lateinamerikanischen Missionsstation, auf der ich mein Jahr nach dem Abitur
verbracht habe. Später im Studium habe ich viele Gemeinschaften und Gemeinden
erlebt: im Bengelhaus, in Tübingen, im Osten Deutschlands in völlig atheistisch
geprägter Umgebung, dann eine Stadtgemeinde in Böblingen im Vikariat, später das
wieder eher fromm geprägte Remstal. Ganz unterschiedliche Gemeindehorizonte, ganz
tolle Gemeinden habe ich erlebt. Dennoch ganz ehrlich: Ausnahmslos „Frieden in der
Gemeinde“ habe ich bislang noch nirgends erlebt.
Eine Gemeinde ohne jegliche Missverständnisse, Probleme, Auseinandersetzung,
Spaltung oder gar Trennung? Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich das verneinen. Die
Realität, die ich erlebt habe, sieht eher anders aus.
Statt Frieden kann man in christliche Gemeinschaften leider
genauso häufig wie in säkularen Gemeinschaften Zwietracht,
Streit und Uneinigkeit erleben. Ist das Thema also mehr eine
Wunschformulierung als eine Tatsachenbeschreibung? Wenn
wir in die Bibel schauen – in die Zeit der ersten Gemeinde –
dann sehen wir, dass es eigentlich schon von Anfang an ein umstrittenes Thema war.
Gerade zu Anfang musste sich ja die Gemeinschaft derer neu sortieren, die zur
Gemeinde dazugehörten. Da waren die Jünger Jesu oder vielmehr schon deren Kinder
und Enkel. Juden also, die wie Jesus auf eine lange Tradition und Geschichte mit
Gottes Bund zurückblickten. Juden, die dann aber Jesus als die Erfüllung des Bundes
erkannt haben, ihm folgten und schließlich zu Christen wurden. Und dann – nach und
nach – wurde das Evangelium weitergetragen. Plötzlich wollten auch Menschen zu
Jesus gehören, die vorher aus völlig heidnischem Hintergrund kamen. Und da haben
wir schon den ersten Konflikt:
Pfarrerin Elisabeth Berner
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Christustag 2016, Schwäbisch Gmünd
Vermutlich fehlte den ehemaligen Heiden jegliches Verständnis dafür, dass die
Judenchristen sich immer wieder auf ihre Tora bezogen und ihre Tradition
hochhielten. Und den Judenchristen muss es unglaublich schwer gefallen sein, dass
alles alte nicht mehr zählen sollte. Immer wieder mussten sie neu buchstabieren, was
die Botschaft Jesu bedeutete, dass er das Gesetz abgelöst hatte und in ihm allein Friede
mit Gott möglich wird.
Genau das beschreibt die Situation, in die der Epheserbrief hinein geschrieben ist.
Ich will mich jetzt mit Ihnen gemeinsam auf die Suche machen:
1. Erstens: Ich will mich mit Ihnen gemeinsam verstehen, was Paulus an die
Epheser schreibt.
2. Zweitens würde ich dann gerne überlegen, was häufig Gründe für Unfrieden
bei uns oft sind.
3. Drittens will ich entdecken, was wir heute hier tun und mitnehmen könnten,
um diesen Frieden erlebbar zu machen bei uns und in unseren Gemeinden.
Erstens: Der Epheserbrief
Was waren also die Erfahrungen der Gemeinde in Ephesus. Man muss sich dazu
vergegenwärtigen, an welchem historischen Punkt wir uns befinden. Es ist der
Übergang von der Judenmission zur Heidenmission, also auch der Übergang von einer
rein jüdischen Gemeinde, die nun Jesusgläubig ist zu einer Gemeinde, in der sich
sowohl jüdische Christen als auch ehemals heidnische Christen wiederfinden. Eine
neue Zusammensetzung, in der Fragen auftauchen:
Wo wird da nun Gottesdienst gefeiert? In der Synagoge? Braucht es etwas Neues, eine
Kirche? Vermutlich war dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, denn die Trennung
war immer noch deutlich zu spüren. Deshalb predigt Paulus der Gemeinde nun
Folgendes. Und jetzt will ich gemeinsam mit Ihnen den Text einmal lesen.
Eph. 2,11-22
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Darum denkt daran, dass ihr, die ihr von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene
genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind,
12
dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart,
ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und
Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung;
daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt.
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Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut
Christi.
14
Denn er ist unser Friede, der aus beiden "eines" gemacht hat und den Zaun abgebrochen
hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft.
Durch das Opfer seines Leibes 15 hat er abgetan das Gesetz mit seinen Geboten und
Satzungen, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden
mache 16 und die beiden versöhne mit Gott in "einem" Leib durch das Kreuz, indem er die
Feindschaft tötete durch sich selbst.
17
Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart,
und Frieden denen, die nahe waren.
18
Denn durch ihn haben wir alle beide in "einem" Geist den Zugang zum Vater.
19
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und
Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus
der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen
Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im
Geist.
Paulus erinnert zunächst einmal die Heiden in der Gemeinde daran, dass sie die
hinzugekommenen sind. Die Heiden wurden also in den Bund Gottes eingegliedert, zu
welchem die Juden schon seit dem alttestamentlichen Verheißungsbund dazugehörten.
Äußeres Zeichen dieses Bundes war dafür die Beschneidung, welche die Juden
auswies, welche die Heiden nicht vorweisen konnten. Es ist also ein Hinweis darauf,
dass sie in der Reihenfolge nicht die ersten waren, sondern dass sie eingegliedert
werden in eine Gemeinschaft, die bereits schon da war. Und zugleich – das kann man
sich sofort vorstellen – wird eine Gemeinschaft immer
auch anders, wenn Außenstehende dazukommen. Ein
Beispiel erleben wir ja gerade auch in unserem Land,
dessen Erscheinungsbild und Gesellschaft sich verändert,
weil viele Menschen anderer Herkunft hier Zuflucht
suchen. Da braucht es viel gegenseitige Rücksicht. Und
damit beginnt Paulus auch. „Denkt daran, dass ihr einmal ausgeschlossen wart vom
Bürgerrecht Israel…“ Es gab also zuvor eine Trennung, eine Mauer, einen Zaun.
Was will Paulus damit sagen? Es gibt also ein „Prä“ Israel. Sie waren zuerst das
erwählte Volk Gottes. Ihnen gilt der besondere Bundesschluss Jahwes. Paulus
bezeichnet es auch als das „Bürgerrecht Israels“. Da gehörten die Heiden schlichtweg
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nicht dazu. Der Bund Gottes mit seinem Volk Israel ist exklusiv. Das ist und bleibt
herausfordernd – auch in unserem heutigen Umgang mit dem jüdischen Volk.
Und zugleich macht Paulus ein zweites deutlich: Es gibt ein damals – einen alten Bund
– und es gibt ein „Jetzt“. V.13 heißt es: „Jetzt aber in Christus“. Mit Jesus ist also eine
neue Zeit angebrochen, ein neuer Bund, durch den diejenigen, die zuvor ferne waren,
nahe geworden sind. Welch schönes Bild: die aus der Ferne werden herbeigerufen.
Jesus ruft in erster Linie nicht die Nahen, sondern er bringt die Fernen herbei. Er ruft
die Sünder, die Heiden, die Fremden.
Das wiederum fordert nun aber auch Verständnis und Rücksicht derjenigen, die schon
immer dabei waren. Während Paulus die Heiden daran erinnerte, dass Israel zuerst da
war, gilt diese Botschaft jetzt also eher den Juden: Hört mal her, sagt er, ihr seid das
auserwählte Volk Gottes. Aber ich habe den Bund erweitert, erneuert. Jetzt ist der
Zugang zu Gott für jeden frei und zugänglich. Das wird gar nicht so einfach zu
verdauen gewesen sein für die Judenchristen. Bislang konnten sie sich immer darauf
berufen, dass sie eine besondere Geschichte mit Gott hatten, dass ihnen seine
besondere Verheißung galt. Sie waren ausgesondert, abgetrennt. Und nun gab es keine
Abgrenzung mehr zu anderen?
Auch in unseren Gemeinden kennen wir vielleicht solche Situationen: Da kommen
Leute von außen hinzu – sie ziehen zu oder sie finden neu zum Glauben und suchen
den Anschluss an die Gemeinde. Aber sie kennen die Traditionen gar nicht, die wir
haben. Ihnen sind unsere Gottesdienste, die Lieder des Gesangbuches fremd.
Wer muss sich nun anpassen und unterordnen? Welche Regeln gelten nun in der neuen
Gemeinschaft? Macht man alles so, wie es schon immer war oder ist es möglich, sich
in den äußeren Formen zu wandeln und anzupassen, solange der Kern der Botschaft
erhalten bleibt? Und was genau ist denn der Kern?
Und da sind wir schon wieder bei Paulus. Denn diese Herausforderungen, die er an
beide Parteien stellt, die haben einen guten Grund. Denn die Zusammengehörigkeit
wird in Vers 13 beschrieben mit: „Jetzt aber in Christus Jesus…“. Das ist
entscheidend. Jesus Christus steht im Zentrum dieser neuen Gemeinschaft. Er ist das
Bindeglied zwischen Heiden und Juden. Er ist Bindeglied auch für uns zwischen
Jungen und Alten, zwischen Alteingesessenen und Neulingen, zwischen Deutschen
und Menschen mit Migrationshintergrund.
Paulus führt dann weiter aus, wie das geschehen ist und welche Konsequenzen es hat.
Wie ist es geschehen?
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Jesus hat die Feindschaft beendet. Er hat den Zaun, die
Mauer abgebrochen. Was ist damit gemeint? Es wird in
Vers 15 näher erläutert. Es meint das Gesetz, die Tora. Sie hat
zuvor Am Kreuz hat er das Gesetz mit seinen Geboten und
Satzungen abgetan.
Das ist für jüdische Ohren eine Herausforderung, denn es meint, dass das alte Gesetz,
die Erfüllung der Tora mit ihren vielen Geboten nicht mehr der Zugang zu Gott ist.
Sondern durch den Tod Jesu die Sünde aus der Welt geschafft ist und damit auch die
Feindschaft des Menschen gegenüber Gott weggeschafft ist. Es gibt einen neuen
Zugang zu Gott – und der heißt Jesus. Dieser Weg ist für beide – Heiden und Juden –
zugänglich und der einzige Weg zum Vater.
Für uns ist das Evangelium im Wortsinn, also eine frohe Botschaft für uns. Jesus hat
beiden – den Fernen und den Nahen – Frieden verkündigt.
Hören wir darin noch das Besondere? Das Neue? Das „Jetzt aber“ ist er unser Friede?
Oder klingt es für unsere Ohren schon fast abgedroschen, altbekannt.
Wenn wir uns wieder einmal bewusst machen, was das bedeutet, dann wird das auch
Auswirkungen haben auf die Gemeinde, auf unser Leben!
• Weil Jesus der Friede ist, darf die Feindschaft auch zwischen uns nicht mehr
herrschen.
• Weil Jesus uns verbindet, darf uns nichts mehr trennen.
• Weil Jesus uns die Fernen nahe bringt, dürfen wir anderen den Weg nicht
versperren oder schwer machen.
Es ist allerdings auch allein das Werk Jesu, der die Voraussetzungen dafür schafft.
Denn auf menschlicher Seite steht immer noch die Feindschaft, die aufgerichteten
Zäune und Mauern und Jesus tötet diese Feindschaft und reist den Zaun ab, bricht
Mauern ein.
Dann stehen sich plötzlich Feinde gegenüber, zwei Gruppen sind nun plötzlich eine.
Das braucht zunächst Versöhnung, so heißt es. Und dann sind sie ein Leib. Dieses Bild
kennen wir aus den paulinischen Briefen. In 1. Kor 12 entfaltet er das Bild der
Gemeinde von den vielen Gliedern an einem Leib. Der Leib ist Christus. Wir alle sind
geeint in seinem Leib. Das Abendmahl erinnert uns daran, wenn wir alle an diesem
Leib teilhaben.
Am Ende unseres Bibelabschnittes malt uns Paulus ein Bild vor Augen, wie die neue
Gemeinschaft aussehen könnte: Es ist das Bild von einem Haus.
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Das Bild vom Hausbau hat also verschiedene Aspekte, an denen deutlich werden kann,
wie Gemeinde sein sollte und was sie ausmacht.
Es ist
1. der Zugang zum Vater,
2. die Hausgenossenschaft und
3. Jesus als Eckstein.
1. Zugang zum Vater: Das altorientalische Bild vom
Haus verbindet damit nicht nur das Gebäude,
sondern immer auch die Zugehörigkeit einer
Familie, einer Sippe zu diesem Haus. Eine tragende
Rolle spielt dabei der Hausvater. Er steht dem Haus vor und wer zu diesem Haus
gehört, hat Zugang zum Hausvater. Entscheidend ist der Zugang zum Vater. Diesen
Zugang zum Vater, von dem Paulus in V. 18 schreibt, dieser Zugang ist nun für
alle frei: egal ob jüdischer Herkunft oder heidnischer Herkunft. Gott wird zum
Vater für alle.
2. Hausgenossen: Deshalb werden alle diejenigen, die zu diesem Vater gehören
plötzlich Geschwister. Er bezeichnet die Heidenchristen der Gemeinde nun neu als
Hausgenossen. Sie haben nicht mehr den Gästestatus, sind nicht mehr Fremdlinge,
sondern sie gehören dazu so wie jemand, der in diesem Haus aufgewachsen ist.
3. Christus = Eckstein: Grundlage dafür ist die Bauart dieses Hauses. Dieses Haus
„Gemeinde“ ist eben nicht mehr auf den Grund der Tora aufgebaut, sondern es hat
einen besonderen Eckstein – Jesus Christus selbst.
Der Eckstein hatte seinen Platz und seine Funktion sogar noch unter dem
Fundament. Er bestimmt, wo Länge und Breite eines Hauses zusammenkommen
und damit die genaue Ausrichtung des Hauses. In Christus wird also die Kirche aus
Juden und Heiden gegründet und zusammengehalten.
Ein Problem allerdings hat das Bild vom Haus. Es wirkt ganz statisch. Eben so wie
unsere Gebäude. Sie stehen da, sind unverrückbar. Da verändert sich nichts.
Das Interessante allerdings an dem Bild, das hier gezeichnet ist, finde ich eines:
Das Haus scheint gar nicht fertig gebaut zu sein.
Denn hier heißt es: der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen
Tempel in dem Herrn. Die Kirche, die Gemeinschaft aller Glaubenden, ist niemals
statisch.
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Das heißt doch auch, dass Gottes Dimension von Kirche immer größer ist als das,
was wir äußerlich sehen. Wir denken vielleicht an ein Kirchengebäude, Gott aber
sieht einen „heiligen Tempel“. Tempel bezeichnet zwar auch ein Gebäude, meint
aber viel mehr als das: der Tempel ist der Ort, wo Gottesbegegnung stattfindet. Die
Stiftshütte im Alten Testament, also der Vorläufer des Tempels war ein Ort, wo
Gott sich niederließ und wohnte. Übrigens: Überhaupt nicht statisch! Ein Ort, an
dem er sich nahbar macht und sich uns zeigt. Das ist ein Tempel und dieser Tempel
ist dort, wo es keine Feindschaft mehr gibt, wo Mauern niedergerissen sind und wo
Menschen unterschiedlicher Persönlichkeiten und Herkunft miteinander Gott loben
und feiern. Das ist die Neubestimmung.
Das alles, den Zugang zum Vater, die neue Hausgenossenschaft und den Bau eines
„heiligen Tempels“ können wir nicht selbst machen! Erinnern wir uns: ER ist unser
Friede! Das ist der zentrale Satz in dem Text. ER ist der Eckstein. ER ist das
Bindeglied. Und er HAT bereits die Feindschaft getötet und den Frieden gebracht. Wir
müssen ihn nur entdecken und möglichst verhindern, selbst wieder Mauern zu bauen.
Das ist die Verheißung, die Zielvorgabe für uns. So soll Friede bei uns sein.
Warum aber ist es denn so oft nicht so?
Zweitens: Gründe für UnFrieden
Zunächst einmal darf es uns eigentlich nicht verwundern, dass es in der Gemeinde Jesu
Christi nicht anders zugeht, als auch sonst in dieser Welt. Warum?
Wir haben es hier und heute bei dieser Veranstaltung vermutlich mit einer recht
homogenen Gruppe zu tun. Immerhin haben Sie alle heute hier das
Durchhaltevermögen drei Bibelarbeiten zu hören. Für den Durchschnittsmenschen ist
das an einem Feiertag durchaus ungewöhnlich.
Aber dennoch würde ich mal behaupten – obwohl wir uns hier vermutlich in vielem –
unserer Prägung, unserer theologischen Haltung, unseres Alters (gut, da gibt’s schon
Unterschiede), unserer geistliche Ausrichtung sehr ähnlich sind, bleiben wir dennoch
sehr unterschiedlich. Unsere Persönlichkeiten sind mindestens genauso unterschiedlich
wie sie es unter Nichtchristen sind.
Wir Menschen können so unglaublich unterschiedlich sein: Das merkt man zum
Beispiel nach dem ersten Ehejahr oder wenn es mal so richtig ans Arbeiten und
Schaffen geht, nach 2 Wochen gemeinsamem Zelten in der Wildnis, in
Extremsituationen und Krisen oder wenn es Veränderungen gibt. Eben dann, wenn
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man eine intensive Gemeinschaft erlebt und eng zusammen lebt oder zusammen
arbeitet. Dann kommen die Unterschiede deutlicher zur Geltung. Dass es also auch in
Gemeinden solche Konflikte gibt und nicht nur Frieden, ist keine Überraschung,
sondern vielleicht sogar ein Kennzeichen dafür, dass eng zusammen gelebt und
gearbeitet wird.
Bsp.: Gemeinde will Gottesdienstzeiten ändern So wie in Streithausen. Die Gemeinde überlegt, ihre Gottesdienstzeiten zu ändern.
Bislang gab es immer einen Frühgottesdienst um 8.30 Uhr und den
Normalgottesdienst um 9.30 Uhr. Nun wird über eine Verlegung des späteren
Gottesdienstes auf 10 Uhr nachgedacht. Pfarrerin Schläferich würde liebend gerne
den Frühgottesdienst ganz streichen, damit sie nicht auch noch am Sonntag um 6.30
Uhr aufstehen muss. Kirchengemeinderat Ausflugsfreudig allerdings fand bislang den
Frühgottesdienst so geschickt, weil er dann im Sommer mit seiner Frau dann
spätestens um 10 Uhr zu seiner Radtour aufbrechen konnte. Gudrun Lammfromm
möchte ungern vom 9.30 Uhr Gottesdienst abweichen. Denn dann wäre der
Sonntagsbraten nicht um 12 Uhr auf dem Tisch und überhaupt war es doch schon
immer so in ihrem Ort gewesen, dass um halb 10 Uhr Gottesdienst war. Warum
Altbewährtes über Bord werfen? Melanie Ausgelastet wünscht sich hingegen schon
lange, dass sie den Sonntagmorgen mit ihren Teeniekindern ausschlafen und danach
gemütlich brunchen kann. Gottesdienst – wenn überhaupt – hätte da vor 11 Uhr nichts
zu suchen. Und Ben Brummelig würde mit seinen 15 Jahren am liebsten eh erst am
Abend Gottesdienst feiern, weil es da eh viel hipper ist und gechillter als sonntagsfrüh.
Tja, da haben wir sie alle beieinander: Unterschiedlichste Interessen und
Lebenssituationen. Wohlgemerkt, hier geht es nur um eine vielleicht banale Frage,
wann der Gottesdienst stattfinden soll.
Nun sollte man meinen, dass wir uns durch die Einheit in Jesus auf eine klare Lösung
einigen können müssten. Doch wie schwer das sein kann, brauche ich Ihnen
vermutlich nicht zu erzählen: So unterschiedlich sind die Lebenssituationen und
Persönlichkeiten. So unterschiedliche sind die Milieus und Lebenswelten, zu denen
Menschen gehören. Das eine sind sicherlich die unterschiedlichen Lebenssituationen.
Das merke ich gerade selbst neu, seit unser 1 ½ jähriger Sohn auch sonntags um halb 8
auf der Matte steht, hätte auch ich nichts mehr gegen einen zeitigen Gottesdienst
einzuwenden. Das wird dann vielleicht wieder anders nach der Kleinkindphase.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch bleibende Unterschiede.
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Persönlichkeitstypen (nach: Riemann-­‐Thomann-­‐Modell, Grundformen der Angst) Es gibt zahlreiche Beschreibungen unterschiedlicher Persönlichkeiten. Zur
Verdeutlichung, wie unterschiedlich wir sein können, möchte ich einen kleinen
Abstecher machen: ich finde ein einfaches Modell recht hilfreich: Es ist eine Art
Koordinatenkreuz, in dem man sich selbst verorten kann:
Demnach gibt es Persönlichkeitstypen, die sich nach vier Richtungen einteilen lassen.
Es gibt Menschen, die Nähe lieben und brauchen. Sie fühlen sich in Gemeinschaft
wohl, sind kontaktfreudig, teambereit, ausgleichend,
harmoniebedürftig. Entgegengesetzt sind
Distanzmenschen: sie brauchen ihre Ruhe, Freiheit.
Sie zeichnen sich durch rationales Denken aus, dabei
können sie unnahbar und kühl wirken.
Auf der anderen Achse befinden sich die Pole Dauer
und Wechsel. Während der eine Dauerhaftigkeit,
Stetigkeit und Stabilität braucht, liebt der andere Spontanität, Kreativität und hat viele
Ideen und immer mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft.
Na, wo würden Sie sich verorten auf den Achsen? Und wenn Sie jetzt an einen
Konflikt, an „Unfrieden“ denken, den sie erleben: könnte es auch an unterschiedlichen
Persönlichkeiten hängen?
Ich bin sicher, dass heute Morgen alle diese Persönlichkeitstypen hier vertreten haben.
Manchmal, ja oft sind solche konträren Typen miteinander verheiratet und sitzen nicht
selten alle in Gremien der Gemeindeleitung beisammen. Wundert es uns da noch, dass
es ganz schön schwierig ist, auf einen Nennen zu kommen?
Ermutigend ist: Jeder Persönlichkeitstyp hat also seine Stärken und Schwächen und
nur gemeinsam im Team kann man mehr erreichen und alle Stärken nutzen. Dass die
Unterschiede aber Sprengkraft bergen, ist offensichtlich.
Theologische Unterschiede Neben den zwischenmenschlichen Konflikten, sind die theologischen Unterschiede
herausfordernd. Da, wo es um das „Eingemachte“ geht, da wo es unsere
Herzensanliegen betrifft und das, was wir für uns als Wahrheit erkannt haben.
Wer hat das richtige Bibelverständnis? Wer ist gerettet und wer nicht? Wer ist noch
unter Gottes Gnade und wer hat die Gnade Gottes verspielt?
Pfarrerin Elisabeth Berner
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Christustag 2016, Schwäbisch Gmünd
Wie oft ziehe ich selbst klare Grenzen zu „den anderen“. Baue Mauern und Zäune.
Genau wie damals.
Aber denken wir noch einmal an die Epheser. Die Parteien schienen unversöhnlich
und zerstritten. Und doch stellt Gott sie zusammen. Gott verbindet Menschen in einem
Leib, in einer Gemeinde. Alle haben Zugang zum Vater. Er hat Mauern niedergerissen,
Feindschaft abgebrochen.
Vielleicht müssen also unterschiedliche theologische Haltung und Sichtweise nicht
zwangsläufig immer trennend sein. Für uns ist die Brisanz des Konfliktes aus Ephesus
heute vielleicht nicht mehr nachvollziehbar. Unsere Grenzziehungen und
Konfliktlinien verlaufen an anderen Linien, zum Beispiel zwischen der wörtlichen
Bibelauslegung und der symbolischen, zwischen Befürwortern und Gegnern einer
Trauung Homosexueller. Jesus selbst ist Menschen mit Klarheit und Liebe begegnet.
Er hat seine Botschaft niemals lieblos vertreten. Kann er uns darin ein
friedensstiftendes Vorbild sind?
In manchen Konflikten überwiegen die unterschiedlichen theologischen Ansichten, bei
anderen genügen bereits die Persönlichkeitsunterschiede. Bei beidem sind wir
herausgefordert, die Mitte zu suchen, das Gemeinsame, das Verbindende.
ER ist unser Friede, er verbindet die getrennten Parteien zu einem Leib. Er will die
Fernen zu sich holen und fordert dafür Verständnis von uns, die wir nahe sind. Also
lassen Sie uns nicht diejenigen sein, die Mauern bauen und Zäune ziehen, wenn Jesus
sie niederreißt.
Wir brauchen ihn als das Verbindende. ER IST UNSER FRIEDE!
Drittens: Wie ist Frieden in der
Gemeinde möglich und Was können wir
dafür tun?
Pfarrerin Elisabeth Berner
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Was ich begeisternd finde: Paulus macht wunderschön klar, dass der Friede Gottes
mitten hineinkommt in eine zerstrittene und schwierige Situation. Und zwar in einer
Person – ohne unser Zutun.
Jesus schafft nicht nur Frieden, sondern er selbst ist in Person (!) Frieden.
Frieden wird möglich, wenn wir uns an ihm als „der Friede“ höchstpersönlich
orientieren. Das hört sich aber zugegebenermaßen einfacher an, als es ist. Denn wenn
es mal Zoff gegeben hat oder wenn Personen sich aneinander reiben, dann entstehen
auch schnell Verletzungen. Da braucht es dann bei uns eben auch oft Versöhnung.
Der Friede ist und bleibt also „extra nos“, unverfügbar. Zum Glück ist das so, denn so
ist er immer vorhanden und hängt nicht von unserer richtigen Anwendung, von
unserem Tun, von unseren Team-Konstellationen oder Persönlichkeiten, nicht einmal
von theologisch differenten Positionen ab.
Andererseits mögen wir die Unverfügbarkeit bedauern. Wir haben ihn nicht als
Werkzeug in der Hand. Auch wenn Christus selbst der Friede ist, so ist der Friede in
der Gemeinde und zwischen den Christen selten einfach da, sondern meistens
erarbeitet.
Das heißt also auch, dass Unterschiede auszuhalten bleiben. Wir sind verschieden und
es gibt eben auch in vielen Dingen unterschiedliche Meinungen.
Diesen Unterschieden – auch der Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft – gilt es
gerecht zu werden. Ausgehend von der Einheit, dem Frieden in Christus, darf und
muss es eine Vielfalt an Formen und Ausdrucksweisen von Glauben und Gemeinde
geben. Häufig wird „Frieden in der Gemeinde“ so missverstanden, als müsse sich
dieser sonntagmorgens um 10 Uhr in dem Miteinander aller Generationen unter einer
einzigen agendarischen Gottesdienstform, zeigen. Auch das ist mehr und mehr ein
Wunschtraum, wo ich mir gar nicht sicher bin, ob
es gut ist, dem weiter nachzustreben.
„Fresh expressions of church“ ist eine aus England
kommende Bewegung. Beeindruckend ist, dass die
Anglikanische Kirche – übrigens vorwiegend aus
finanzieller Not heraus – begann, bewusst das
„Andere“ zuzulassen und zu fördern. Also andere
Pfarrerin Elisabeth Berner
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Gottesdienst- und Gemeindeformen neben den parochialen. So entstanden
Gottesdienste in Kneipen, Schulen und Fitnessstudios. Absolut nicht konform mit
unseren Gottesdiensten. Aber alles Gottesdienste, die zu Jesus führen.
Einheit in Christus ist nicht zu verwechseln mit einer einheitlichen Gottesdienst oder
Gemeindeform für alle. Es ist gut, dass es verschiedenes gibt, solange Christus im
Zentrum steht.
Es könnte also dem Frieden in Gemeinde Streithausen zuträglicher sein, dass man
sich im Bezirk um ein gemeinsames Frühgottesdienstangebot für Ausflugsfreunde
bemüht und daneben einmal im Monat eine Familienkirche mit Theater, Band und
Brunch im Anschluss anbietet und sonntagsabends zur Teeniekirche einlädt.
So könnte Gemeinde wachsen und zu einem „heiligen Tempel“ werden.
Zum Schluss:
Frieden in der Gemeinde – wir dürfen
gewiss sein, dass dieser Friede nicht von
uns gemacht werden muss, sondern dass er
uns verheißen ist trotz unserer
Streitigkeiten, Unterschiede und
Mauern.
Jesus hat die Mauern durchbrochen,
stellt uns als Geschwister zusammen und
ist selbst als Friede gegenwärtig.
Darum lasst und diesen Frieden suchen, darum beten, das Unterschiedliche in Liebe
aushalten und immer wieder uns erinnern, dass wir einen guten Grund für Frieden in
der Gemeinde haben. Denn: „Einen andern Grund kann niemand legen, als den der
gelegt ist: Christus.“
Pfarrerin Elisabeth Berner
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