Warum gute Tipps bei der Wohnungssuche nicht greifen Das magere Wohnungsangebot in den Schweizer Grossstädten bringt Wohnungssuchende zur schieren Verzweiflung, dies wissen Immobilienfirmen auszunützen. Von den Interessenten und Interessentinnen werden daher vermehrt sehr persönliche Dokumente verlangt. Liegen der Wohnungsbewerbung solche Dokumente nicht bei, werden diese ungeprüft zurückgesendet, wenn überhaupt. Marianne Fürst van der Quast Bei der Diskussion in diesem Papier geht es um die Fragestellung, wie es möglich ist das tausende Menschen freiwillig und ohne dass dies notwendig wäre, sehr private Dokumente an Immobilienvermieter abgeben. Indess von Letzteren weder eine Information über Handhabung dieser Daten noch sonst irgend eine gesetzliche Regelung an die Bewerber abgegeben wird. In Anbetracht zu den Rechtshilfeverfahren bei kriminiellen Handlungen, ist die Einsicht in Beweismittel die den Geheimbereich betreffen, wie z.B. Bankdokumente, selbst für die Staatsanwaltschaft nur unter bestimmten Bedingungen möglich (Bundesamt für Justiz, 2016). Man muss anhand dieses Vergleichsbeispiels feststellen, dass die Überwachung der gesetzlichen Bestimmungen offensichtlich nicht funktioniert, da Immobilieninhaber ohne weiteres an hoch persönliche Dokumente ihnen nicht bekannter Menschen herankommen und zwar in grossen Mengen! Danebst macht es auch den Anschein, dass Wohnungssuchende grundsätzlich als eher potentiell kriminell eingestuft werden denn solvent. Ebenso elegant wird auch das Steuergesetz umgangen. Das Steuerregister ist in der Schweiz kantonal geregelt. In den meisten Kantonen ist das Register nicht öffentlich, so ist die Einsicht resp. Auskunft zu den Steuerfaktoren [heisst: steuerbares Vermögen und steuerbares Einkommen] nur in besonderen Fällen möglich und dies entweder mit dem schriftlichem Einverständnis des Steuerpflichtigen zur Aufhebung des Steuergeheimnisses oder wenn eine gesetzliche Grundlage des Bundesrechts dazu besteht (ESTV, 2014). Also auch hier scheint klar, dass die Vermieterinnen mit der Freiwilligkeit und der Unwissenheit von Wohnungssuchenden kalkulieren. Regelverstösse – Ausnützen der Situation Nach den gemachten Erfahrungen und Recherchen für dieses Papier, gehen tatsächlich viele Wohnungssuchende davon aus, dass die Abgabe oben genannter Dokumente von Vermietern herausverlangt werden dürfen, das ist falsch. Der Mieterverband sowie der schweizerische Beobachter diskutieren die Regeln zu Mietergesuchen -beinahe in regelmässigen Abständen- in der Öffentlichkeit und geben wichtige Informationen heraus, welche Dokumente und Informationen aufgrund gesetzlicher Vorgaben von Vermietern überhaupt gefordert werden dürfen (Mieterverband, 2016; Beobachter, 2016). Die Problematik ist jedoch, dass Wohnungssuchende trotzdem die unzulässig eingeforderten Informationen an die Vermieter abgeben. Die Vermieter wissen das und deshalb stellen diese weiterhin ungeniert auch Fragen, welche den besonders schützenswerten Bereich eines Menschen betreffen, z.B. die Frage nach der Konfession (Datenschutzgesetz, 1992). Sicherheit ist gesetzlich geregelt Es gibt keinen Grund Menschen zu nötigen persönliche, den Geheimbereich einer Person zuzuordnende Dokumente, an eine Immobilengesellschaft resp. einem Eigentümer einer Liegenschaft auszuhändigen. Dazu wurde der Artikel 257e, Abs. 2 im Obligationenrecht der Schweiz geschaffen, dieser lautet wie folgt: 'Bei der Miete von Wohnräumen darf der Vermieter höchstens drei Monatszinse als Sicherheit verlangen.' (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2016). Damit sind Vermieter in Spezialfällen finanziell abgesichert. Handhabung von Daten und Dokumenten durch Private Bei der Wohnungsvermietung handelt es sich um ein eigentliches Bewerbungsverfahren ähnlich der Stellenbewerbung, so darf davon ausgegangen werden, dass als rechtliche Grundlage der 'Leitfaden für die Bearbeitung von Personendaten im Arbeitsbereich – Bearbeitung durch Private', herausgegeben vom Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, beigezogen werden kann. Aufgrund dieses Leitfadens, Punkt 3.1.9, Nichtanstellung resp. Nichtvermietung, ist es den Immobilienvermietungen zwar gestattet das ausgefüllte Formular zu behalten, weil es ihnen gehört, es muss aber vernichtet werden. Persönliche Dokumente gehören den Bewerbern und Bewerberinnen und müssen an diese zurückgesendet werden (EÖDB, 2002). In der Praxis wird gerade mal, wenn überhaupt, der Betreibungsauszug zurück gesandt, nicht aber z.B. der Handelsregisterauszug oder die Ausweiskopie. Im Weiteren gilt laut dem Leitfaden des EÖDB (2006:17), 'Nur mit der Zustimmung der Bewerbenden dürfen Unterlagen für eine bestimmte, im Voraus festgelegte Dauer aufbewahrt werden, wenn anzunehmen ist, dass sie demnächst wieder gebraucht werden'. D.h. hat die Immobilienvermietung im Sinne weitere Wohnungen an die Bewerbenden, die noch ohne Vertrag sind, persönlich zu offerieren, darf sie in Absprache mit diesen, die Unterlagen während des erneuten Bewerbungsprozesses behalten, ansonsten ist ein Zurückbehalten persönlicher Dokumente (auch Kopien) nicht zulässig (EÖDB, 2016). Das Geschäft der Wohnungsvermietung, das darf gesagt werden, ist ein reiner Sumpf. Kaum eine Immobiliengesellschaft hält sich an die gesetzlichen Regeln, ein Paradox in Anbetracht deren Misstrauen gegenüber den Wohnungsinteressenten und -interessentinnen. Beispiele aus der Praxis Weigern sich Wohnungsbewerberinnen und -bewerber nachdem diese das Formular mit allen gewünschten Unterlagen abgegeben haben, auf nachträgliche Anfrage der Vermieterin zusätzlich auch noch einen Steuerausweis abzugeben (nicht als Beilage im Formular gefordert!), wird diesen ziemlich abrupt erklärt: 'Dann können wir Sie halt nicht berücksichtigen!'. Den Hörer am Ohr glaubt man nicht richtig gehört zu haben, man realisiert, dass es sich hier klar um einen der Nötigung ähnlichen Sachverhalt geht. Was gilt, wenn im Strafgesetzbuch steht im StGB (2016:75), 'Wer jemandem durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile...nötigt etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden…'? Es wird weder mit Gewalt gedroht noch findet eine Androhung statt, aber die Terme 'ernstliche Nachteile' und 'Nötigung etwas zu tun, was keiner gesetzlichen Grundlage unterliegt' bleiben im Raum stehen. Dies sind klare Indizien, dass eine Wenn-Dann-Situation, eine der Nötigung ähnliche Situation also, gegeben ist. Wer als Mietinteressent missbräuchlich eingeforderte Dokumente nicht abgibt, hat keine Chance einen Mietvertrag zu kriegen, was dementsprechend zu einem ernstlichen Nachteil führen kann. Wenn nicht gar existenzielle Konsequenzen die Folge sind, nämlich dann wenn der aktuelle Mietvertrag aus berechtigten Gründen vom Vermieter kündigt werden sollte. Ganz interessant ist die Tatsache, dass die Immobiliengesellschaften praktisch nie die angegebenen Referenzen nutzen und Auskünfte über das Zahlverhalten und zur Persönlichkeit eines Mieters oder einer Mieterin einholen! Wo gibt es wertvollere Indikatoren zur Solvenz von Mietern denn durch solche Quellen? Fachschule für Immobilien verweigert Stellungnahme Anhand des Diskutierten ist kaum nachvollziehbar, was es auf sich hat von Mietinteressenten z.B. einen Steuerausweis zu verlangen, wenn dessen Solvenz durch die legale Nachfrage der Referenzen über sein Zahlverhalten festgestellt werden kann und der Betreibungsauszug auch keine negativen Einträge aufweist. So ist auch die finanzielle Sicherheit, die Mieterkaution auf sicher. Was also hat es auf sich, warum wollen die Vermieter seit zwei drei Jahren etwa (ist diese Praxis doch eher neueres Phänomen) Steuerausweise, Lohnausweise oder amtliche Ausweise sehen? Die Nachfrage bei einer Fachschule für Immobilien bezüglich zu dieser unzulässigen Praxis wurde mit dem Kommentar: 'Unsere Schule nimmt zu solchen Themen gegenüber Dritten keine Stellungnahme ein', beantwortet. Die Ausführlichkeit dieser Erklärung steht somit selbstsprechend für die unzumutbare Situation auf dem Wohnungsmarkt. Fazit Aktuell werden Wohnungssuchende mit unzulässigen Fragen, welche ihren Privat- und Geheimbereich betreffen, durch Immobilienvermieter konfrontiert. Trotzdem beantwortet die Mehrheit der Interessenten diese Fragen, gleiches gilt auch für Abgabe von Dokumenten. Wer weder solche Fragen beantwortet noch die unzulässigerweise geforderten Dokumente dem Bewerbungsformular beilegt, hat keine Aussicht auf einen Mietvertrag, was eindeutig als ernstlicher Nachteil deklariert werden kann. Diese Tatsache führt zur Feststellung, dass eine Form von Nötigung gegeben ist, jedoch kaum, oder nur schwierig, nach StGB, Art. 131, geahndet werden kann. Eine Verbesserung der Situation kann mit der strikten Verweigerung der Beantwortung von unzulässigen Fragen und der Abgabe von unzulässig eingeforderten Dokumente erzielt werden, allerdings funktioniert dies wohl nur, wenn alle Wohnungssuchenden sich daran halten würden. Eine Lösung auf der politischen Ebene wäre, dass dieser Unsitte des Regelverstosses ein Riegel geschoben würde, z.B. mit einem einheitlichen Bewerbungsformular für Wohnungen, und mit Bestrafung der verantwortlichen Immobiliengesellschaften bei Nichteinhalten der bestehenden gesetzlichen Regelungen. Übersicht über zulässige und unzulässige Information der Verfasserin dieses Textes zum Fragen (Beobachter, 2016): Thema Mietzinsdepot: Zulässig Name und Vorname Geburtsdatum Schweizer oder Ausländer aktueller Wohnort Anzahl Kinder Verwendung der Wohnung als Familienwohnung Einkommen (in 10'000er Schritten oder 'Einkommen' beträgt das 3-fache der Wohnungsmiete') Betreibungsauszug Handelsregisterauszug (Selbständigerwerbende) Haustiere Anzahl Autos besondere Lärmverursachung wurde die bisherige Wohnung gekündigt? Referenzangaben Unzulässig Konfession Mitgliedschaft bei einer Mieterschutzorganisation Angaben z. finanziellen Situation (Leasing, Schulden etc.) Bürgerort Zivilstand bei Ausländern/Ausländerinnen: Nationalität, Art der Bewilligung, Aufenthaltsdauer u.v.w. Fragen sind unzulässig oder nur dann, wenn entspr. statutarische Zielsetzungen der Verwaltung vorliegen. Sollte Ihnen der Ex-Vermieter die Sicherheit in Form des Mietzinsdepots nicht binnen einem Jahr zurückerstatten, Ihnen gegenüber aber auch keinen Anspruch geltend gemacht haben, dürfen Sie unter Anwendung von OR, Art. 257e, Abs. 3, direkt bei der Bank die Rückerstattung der Sicherheit verlangen. Dafür müssen Sie als Beweis die Kündigung der Wohnung oder der Geschäftsräumlichkeit vorlegen, so dass die Verjährung des Anspruches des Vermieters einer allfälligen Geltendmachung, festgestellt werden kann. Bleiben Sie stur, da der Bank diese gesetzliche Option nicht unbedingt geläufig ist. Nach Erkennen jedoch wird die Bank die Auszahlung Ihres Mietzinsdepots spätestens nach 30 Tagen auslösen. Bei unzulässigen Fragen steht die Bildung von Vorurteilen im Vordergrund. Schnell ist die Nationalität, die Hautfarbe, der Glaube oder das Geschlecht von Bewerbern und Bewerberinnen eines der Hauptkriterien, warum deren Gesuche abgelehnt werden (Gilovich, Keltner, & Nisbett , 2006). Literaturhinweise Beobachter Beratungsteam (2016) Bewerbung um eine Wohnung SiebenTugenden und sieben Todsünden, www.beobachter.ch/wohnen/umzug/artikel/bewerbung-um-eine-wohnung_sieben-tugenden-und-sieben-todsuenden/, (Aufruf am 25. Mai 2016). Bundesamt für Justiz (2016) Beweiserhebung, www.bj.admin.ch/bj/de/home/sicherheit/rechtshilfe/strafsachen/beweiserhebung.html (Aufruf am 26. Mai 2016) Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, EÖDB (2002) Leitfaden für die Bearbeitung von Personendaten im Arbeitsbereich – Bearbeitung durch private Personen, www.edoeb.admin.ch/datenschutz/00763/00984/index.html?lang=de, (Aufruf am 25. Mai 2016). ESTV (2014) Die Öffentlichkeit der Steuerregister, Bern: Schweiz. Steuerkonferenz SSK. Gilovich, t., Keltner, D. & Nisbett, R.E. (2006) Stereotyping, Prejudice, and Discrimination. In T. Gilovich, D. Keltner & R.E. Nisbett (ed), Social Psychology, New York: Norton, www.equal.ethz.ch/about/20_y_Equal/poster_blau, (Aufruf am 25. Mai 2016). Mieterverband (2016) Ratgeber Mietrecht, www.mieterverband.ch/mv/mietrecht-beratung/ratgeber-mietrecht/topthemen/anfangsmietzins.html#tab-3-content, (Aufruf am 25. Mai 2016). Schweizerisches Datenschutzgesetz 1992 (235.1, 2014), Bern: Bundesamt der Schweizerischen Eidgenossenschaft.* Schweizerisches Obligationenrecht 1911 (220.0, 2016), Bern: Bundesamt der Schweizerischen Eidgenossenschaft.* Schweizerisches Strafgesetzbuch 1937 (311.0, 2016), Bern: Bundesamt der Schweizerischen Eidgenossenschaft.* * Für die Gesetzestexte gibt es leider keinen Direktlink. Sie können diese via www.admin.ch - Bundesrecht – Systematische Rechtssammlung aufrufen. Im rechten Balken finden Sie dann unter 'Ausgewählte Erlasse' alle aktuellen Gesetze, welche Sie kostenlos herunterladen können. 2016. Copyright by Marianne Fürst van der Quast, Schweiz. Sicherheits- und Risikomanagerin, Fachweiterbildung in Bankenrecht und Compliance.
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