Clubtrainer Björn Uhlmann: «...immer wieder den perfekten Schlag suchen» Im Bootshaus auf der Kraftwerkinsel Birsfelden fühlt sich Björn Uhlmann zu Hause. Seit 9 Jahren wirkt Björn Uhlmann auf der Birsfelder Kraftwerkinsel − wo der Ruderclub Blauweiss Basel zu Hause ist − als Cheftrainer. Die geschätzt aufgewendete Zeit für seine Trainertätigkeit würde ohne Weiteres einem 60%-Pensum entsprechen - aber Björn wirkt ehrenamtlich. Die Begeisterung für den Rudersport im Allgemeinen und den Regattasport im Besonderen sind für ihn Triebfeder genug, um sich zu engagieren. Nicht nur die sportlichen Aspekte sind für ihn von Bedeutung; auch die Persönlichkeitsentwicklung seiner Schützlinge ist ihm ein zentrales Anliegen. Hand in Hand: Training und Dissertation Den grossen Aufwand für den Club zu leisten ist Björn nur in der Lage, weil er zur Zeit als Doktorand − die Dissertation handelt von der politischen Koordinierung in der Medikamentenpolitik in der Schweiz und Australien − seine Arbeitszeit flexibel einsetzen kann. Nachvollziehbar, das ein gewichtiger Teil der Einsatzzeit auf den Abend und die Wochenenden fällt. Dennoch kann Björn nicht ganz verhehlen, dass die Konstellation nicht einfach ist: «Während der Regattasai- 26 | rudern aviron canottaggio 1 | 16 son und vor den Schweizer Meisterschaften ergeben sich zeitliche Belastungen, die neben der sonstigen Arbeit grenzwertig sind. Da muss man schon motiviert sein und Erfolg und Freude auch in kleinen Dingen sehen», führt Björn aus. Seinen Tätigkeitbereich sieht Björn nicht nur im rein sportlichen Sektor. «Rudern ist ja nur ein Teilbereich des Lebens, neben Familie, Freunden, Schule oder Arbeitgeber. Neben Trainingsplanung und -steuerung sowie Coaching auf dem Wasser gehören auch Elterngespräche, Kontakte zu Schulen und Arbeitgebern dazu» teilt Björn seine Verständnis mit. Um hinzuzufügen: «Manchmal gehört auch ein Gespräch oder ein Rat in besonderen Lebenssituationen dazu.» Damit die Betreuung im RC Blauweiss funktioniert, unterstützen Björn auf den Regattaplätzen auch die Seniorenruderer sowie die erfahreneren Junioren. «Eigenverantwortung und Zusammenarbeit, Mitdenken und Mithelfen sind nicht bloss Schlagworte, sondern müssen bei uns im Club gelebt werden, sonst geht es nicht» weiss Björn zum Thema zu erläutern. Wenn Björn über die schönsten Erfolge als Clubcoach spricht, fällt immer wieder der Name von Nora Fiechter, die er seit Anfang der 2000er Jahre begleitet und zu zahlreichen Titeln und Auszeichnungen führen konnte. Ruderphilosophie «Technisch sehr gut zu rudern, immer und immer wieder den perfekten Schlag zu suchen; im Training den Trainingsgeist zu zeigen und im Rennen den Renngeist. Im Rudern gibt es keine Abkürzungen», fasst Björn seine Vorstellungen zur Ruderarbeit zusammen. Sein Verständnis beinhaltet auch den Athleten in seiner Entwicklung zu fördern, ihn zu begleiten, Erfolge − auch im Kleinen − ermöglichen, sich mit der Ruderin, dem Ruderer daran zu freuen; in Niederlagen oder schwierigen Situationen den Athleten zu stützen, Perspektiven und Wege aufzuzeigen. «Wenn das gelingt», so Björn, «entwickelt sich die Freude am Rudern, am Leistungsund Spitzensport nachhaltig, das ist das Wichtigste. Sportliche Erfolge sind eine Konsequenz davon und mit einer guten Technik rudert man bis ins hohe Alter mit Genuss.» Aktivkarriere Seine ersten Schritte als Ruderer unternahm Björn bereits im RC Blauweiss Basel. Er erinnert sich: «In diesem Club habe ich angefangen, von hier aus habe ich für den SRV gerudert.» Der Titel im Achter an der JWM 1994, der 6. Rang an der JWM 1993 im 4x (mit Christian Stofer, Felix Hess und Stéphane Brasey) und der 4. Rang an der U-23 WM in Mailand 1997 (mit Florian Ramp, Felix Morger, Christian Bieri, Stm. Mauro Strub) im 4+waren die grössten Erfolge als Aktiver. Auf Grund von Studium − als Politikwissenschafter und Ethnologe − und Arbeit zog es ihn dann weg aus heimatlichen Basler Gefilden. Björn lebte und ruderte so in Malmö, Zürich, Lille, Luzern, Lausanne und Melbourne. Und vergisst nicht dabei auf die weltweit geltenden Gepflogenheiten der Ruderszene hinzuweisen: «Das schöne beim Rudersport ist ja, dass egal wo auf der Welt man in ein Bootshaus tritt, man sich immer wieder von neuem Zuhause und auch willkommen fühlt. Dies sind enorm schöne Erfahrungen, die ich auch weitergebe. So ist der RC Blauweiss Basel für Austauschstudenten oder für Zuzüger immer eine gute Adresse. Wir sind sehr offen.» clubtrainer Wegbegleiter Wenn die Diskussion auf die Björn und seine Karriere prägenden Personen fällt, erinnert er sich lebhaft. Der Reihe nach erwähnt er die ersten Clubtrainer, Jürg und Rolf Bögli, dann Matt Draper, den Club-Leistungssport-Verantwortlichen Peter Bolliger, die Nationaltrainer Harry Mahon, Marty Aitken und Duncan Holland. Und streicht dabei besonders heraus: «Bei Harry habe ich sehr viel gelernt und mitgenommen. Sein Technikverständnis hat auch heute noch Gültigkeit.» Und um weiter zu erläutern: «Bei allen habe ich trainiert oder mit ihnen zusammengearbeitet; die Prägung oder das Lernen war bei den einen mehr fokussiert auf das Projektmanagement, bei anderen mehr auf Trainingsplanung und -steuerung ausgerichtet.» Beeindruckend waren die Erfahrungen, die Björn während seiner Aufenthalte in Frankreich und Australien machen konnte: «Die Einblicke in andere Verbands- und Trainingssysteme interessieren mich immer besonders. Besonders spannend fand ich Gespräche mit Trainern in Canberra und dem Australian Institute for Sport oder dem Victoria Institute for Sport. Zu sehen und zu erleben wie die Australier Nachwuchsförderung betreiben oder biomechanisch arbeiten, ist sehr beeindruckend und lehrreich.» Björn Uhlmann persönlich Geboren: 20. März 1976 Grösse/Gewicht: 184 cm, 98 kg Beruf: wissenschaftlicher Mitarbeiter/Doktorand Politikwissenschaft zum Thema politische Koordination im Medikamentensektor Clubs: RC Blauweiss Basel (Stammclub), Lausanne-Sport Section Aviron, GC Zürich Trainerausbildung: J+S Trainer, Sportleiterkurs in Magglingen, SRV-Projekttrainer, Studium sportwissenschaftlicher Literatur Engagement als SRV-Projekttrainer Wiederholt wurde und wird Björn für den SRV als Projekttrainer berufen. Björn nennt den Gewinn der Leichtgewichts-SkiffSilbermedaille von Nora Fiechter an der U23-WM 2003 in Belgrad. 2004 resultierte − als Co-Trainer − an der WM in Banyoles der 4. Rang des Leichtgewichts-Doppelvierers (Pamela Weisshaupt, Ariane Bänninger, Lea Fluri, Nora Fiechter). Auch 2006 war Björn in der selben Funktion an der Olympia-Qualifikationsregatta in Posen für den sechstplatziert abschneidenden Frauen-Doppelzweier im Einsatz. 2012 schliesslich nahm er das Frauen-Doppelzweier-Projekt an der Olympia-Qualiregatta in Luzern unter seine Fittiche. Weiter führt Björn aus: «Daneben war ich als Trainer an diversen Weltcup-Anlässen und internationalen Regatten im Einsatz. Jedes dieser Projekte hatte seine Erfolgsseiten und Reize und wir haben teilweise in sehr kurzer Zeit sehr viel erreicht. Gerade bei den Qualifikationsregatten hat aber der längerfristige Aufbau gefehlt; da sind dem Trainer, aber auch den Athleten, bis zu einem gewissen Grad natürlich die Hände gebunden. Trotzdem waren die Projekte gut und ich konnte viel umsetzen und auch viel lernen.» Blick auf die aktuelle Rudersportszene Positiv gestimmt ist Björn was die Entwicklung der Schweizer Ruderszene generell anbetrifft. Die Spitzensportszene ist aus seiner Warte auf dem richtigen Weg. Um anzufügen: «Die Medaillen an den letzten EM und WM sowie die Finalplatzierungen sind toll. Wenn ich an die Erfolge der Gebrüder Gier, Xeno Müller, den Doppelzweier Bodenmann/Schwerzmann oder an die Juniorenweltmeistertitel 1994 im JW2x und JM8+ denke, sind wir aber noch nicht dort, wo wir als Verband, mit weniger Mitgliedern und evtl. weniger Mitteleinsatz, bereits schon mal waren. Auch sind wir bei den Frauen kategorisch an internationalen Titelkämpfen untervertreten; da würde ich mir einen nachhaltigeren Aufbau und Förderung wünschen.» Auf der Breitensportseite stellt Björn fest, dass sich in gewissen Kreisen der Rudersport schon beinahe zum Lifestyle-Sport entwickelt, wovon die gutbesuchten Einführungskurse in den Clubs zeugen. Und bemerkt zudem: «Es gibt auch im Breitensport mehr Ruderer, die ambitioniert und mit guter Rudertechnik rudern wollen. Die Grenzen zum Leistungssport sind da teilweise fliessend. Wie lange dieser Trend anhält, wird sich weisen.» Jürg Trittibach Grösste Erfolge... ...als Coach: −Diverse Grossbootprojekte: Head of the Charles in Boston, Head of the River in London, Henley Royal Regatta, Roeivier kamp Amsterdam − Diverse Weltcup-Teilnahmen − Weltcup Final Luzern 2003 LW1x, 6.Rang − U-23-Vize-WM-Titel 2003 BW1x N. Fiechter − WM 2004 LW4x, 4.Rang (Co-Trainer) − Olympia-Qualifikationsregatta 2008 W2x, 6.Rang (Co-Trainer) −Vize-Studentenweltmeistertitel 2008 LW1x −SM-Titel 2009, 2010, 2011 −Gewinn BaselHead Trophy 2012 − Olympia-Qualifikationsregatta 2012 W2x − Australischer Meistertitel 2013 W2x ...als Athlet: −Junioren Weltmeister JM8+1994 in München − 6. Rang JWM im JM4x 1993 in Årungen − 4. Rang U-23 WM BM4+ 1997 in Mailand −mehrfache Teilnahmen U-23-WM, mehr fache Teilnahmen Studenten-WM, mehr facher Schweizer Meister Junioren und Elite Welches Rennen ist Dir persönlich am stärksten im Bewusstsein geblieben? Der Vorlauf im LW1x an der U-23 WM in Belgrad 2003 von Nora Fiechter. Bei 1200 m lag Nora eine Länge hinter der führenden Ruderin; nur der erste Rang qualifizierte für das direkte Weiterkommen in den A-Final. Nora hat die Ruderin auf den restlichen 800 m eingeholt, überholt und noch distanziert. Hört sich simpel an, ihr Vorgehen war aber äusserst eindrücklich und legte den Weg für den Gewinn der Silbermedaille. Welche Regattastrecke ist für Dich die schönste? Der Rotsee, Henley, London, Basel. Der Rotsee aufgrund seines Beckens; Henley aufgrund des gesellschaftlichen Rahmens und der Austragung im Cup-System; das Head of the River Race in London wegen seiner unglaublichen Stimmung von 420 Achtern auf der Themse und das BaselHead aufgrund seiner einmaligen Ambiance auf dem Rhein durch die Innenstadt und vor dem Münster zu rudern. rudern aviron canottaggio 1 | 16 | 27
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