Student aus Münster fast sechs Tage ohne konsularische

German Television
Anstalt des öffentlichen Rechts
HA Chefredaktion Fernsehen
Abteilung Inland
Redaktion REPORT MAINZ
Am Fort Gonsenheim 139
55122 Mainz
Telefax bitte sofort weiterleiten!
Telefon:
06131 / 9293-0
Durchwahl: 06131 / 9293-3351
Telefax:
06131 / 9293-3050
17.05.2016
Presseinformation
REPORT MAINZ, 17.05.2016, um 21.45 Uhr im Ersten
In der Türkei werden immer öfter Deutsche festgehalten und
abgeschoben
Student aus Münster fast sechs Tage ohne konsularische Betreuung in
Gewahrsam
Omid Nouripour (B‘90/Grüne): Große Panne auf Kosten eines deutschen
Staatsbürgers
Mainz. In der Türkei werden offenbar zunehmend deutsche Staatsbürger kurzzeitig
festgehalten und dann des Landes verwiesen. Das berichtet das ARD-Politikmagazin
REPORT MAINZ (heute, 21 Uhr 45 im ERSTEN). Das Auswärtige Amt bestätigte dem
Magazin in einer schriftlichen Stellungnahme, dass der deutschen Botschaft in Ankara
Fälle bekannt seien, in denen Deutsche „kurzzeitig in Gewahrsam“ genommen wurden.
Wörtlich heißt es: „Die Betroffenen erhalten in der Regel eine Ausreiseaufforderung der
türkischen Behörden oder werden abgeschoben.“ Die deutschen Staatsbürger hätten
sich „beispielsweise in ausgewiesenen Sicherheitszonen oder Sperrgebieten
aufgehalten und dort unzulässige Foto- oder Filmaufnahmen gemacht.“ Eine Statistik
werde nicht geführt. Nach Recherchen von REPORT MAINZ sind die Fälle in den
letzten Monaten häufiger aufgetreten. Demnach soll es um bis zu 20 Fälle seit Anfang
2015 gehen.
REPORT MAINZ berichtet über den Fall Olaf Götze. Der Student aus Münster wurde im
März dieses Jahres für fast sechs Tage von den türkischen Sicherheitsbehörden in
Ankara festgehalten, verhört und dann abgeschoben. Anlass der Festnahme war
offenbar ein Selfie, das er und sein türkischer Bekannter zufälligerweise in der Nähe
einer Polizeistation gemacht hatten. Im Interview mit REPORT MAINZ sagte der 36jährige: „Dann kam ein Mann, ein Polizist in Zivil an und der sprach dann auf Türkisch
Seite 1 von 2
uns an und es gab wohl offensichtlich ein Problem und wir sollten mal mitkommen. Das
ging sehr schnell.“ Nach Angaben des Studenten wurden er und sein Bekannter
schließlich in der Anti-Terror-Abteilung des Polizeihauptquartiers in Ankara in
Handschellen vorgeführt und mehrfach verhört. Sein Handy sei beschlagnahmt worden.
Darin hätten die Beamten nach persönlichen Kontakten und Fotos gesucht. Ein genauer
Grund der Festnahme sei ihm nicht genannt worden. Olaf Götze: „Es ist kein Problem
mit dem Selfie, haben die Beamten gesagt und später auch gesagt, es ist kein Problem
mit den Fotos, es ist ein Problem der gesamten Situation. Die haben uns gesagt, wir
sind verdächtig.“ Nachdem er weitere Zeit in einem Abschieberaum des
Polizeihauptquartiers habe zubringen müssen, habe er sechs Tage nach seiner Haft die
Türkei mit seinem regulär gebuchten Rückflug verlassen.
Die türkische Botschaft in Berlin hat sich dazu trotz mehrfacher Nachfrage bisher nicht
gegenüber REPORT MAINZ geäußert. Das Auswärtige Amt und die Bundespolizei
bestätigten den Fall. Nach REPORT MAINZ-Recherchen wurde die Botschaft am Tag
nach der Festnahme von einem türkischen Bekannten des Studenten über den Fall
informiert. Das Auswärtige Amt teilt schriftlich mit, man habe daraufhin Kontakt mit der
türkischen Polizei aufgenommen und nachgefragt, „ob der Betroffene konsularische
Betreuung wünsche“. Sie verfolgte den Fall dann aber über das Osterwochenende
offenbar nicht selbst weiter und wurde erst wieder über die bevorstehende Abschiebung
am darauf folgenden Mittwoch von den türkischen Behörden informiert. Olaf Götze
erlebte die Situation so: „Ich habe immer wieder gehofft, dass von der Botschaft da jetzt
jemand kommt, aber das ist nicht passiert. Man versucht die Verzweiflung zu
verdrängen, aber die ist da.“
Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, der für die Linken im Auswärtigen
Ausschuss sitzt, kritisiert im Interview mit REPORT MAINZ das Vorgehen der
deutschen Botschaft: „Dieser Fall ist auf jeden Fall eine ganz große Nachlässigkeit. Es
darf nicht passieren, dass jemand ohne konsularische Hilfe sechs Tage im Knast sitzt.“
Der außenpolitische Sprecher von B‘90/Die Grünen im Bundestag, Omid Nouripour,
spricht von einer „großen Panne“. Wörtlich sagt er: „Es ist nicht überraschend, dass von
der zunehmenden Repression in der Türkei auch Touristen betroffen sind, nämlich
Deutsche, die willkürlich von der Straße aufgepickt werden. Da ist es umso wichtiger,
dass man sensibler hinschaut, dass man eine Bereitschaft hat, die funktioniert, und die
Informationsketten im Auswärtigen Amt funktionieren, damit man in Zweifelsfällen ganz
schnell konsularische Betreuung anbieten kann.“
Weitere exklusive Informationen finden Sie auf unserer Internet-Seite
http://x.swr.de/s/h3w
Zitate gegen Quellenangabe frei
Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion REPORT MAINZ an
unter: 06131/929 3 3351
oder den Autor Eric Beres unter 01520/16 03 107
***********************
Seite 2 von 2