Das Buch der Natur. H o l z s t i ch e aus dem xylographischen Atelier von Friedrich Vieweg und S o h n in Braunschweig. der P a p i e r aus der mechanischen Papier-Fabrik G e b r ü d e r V i e w eg zu W e n d h a n s e n bei Brannschweig. Das Buch der Natur, die Lehren der Physik, Astronomie, Chemie, Mineralogie, Geologie, Botanik, Physiologie und Zoologie umfassend. Allen Freunden der Naturwissenschaft^ insbesondere den Gymnasien, Real- und höheren Bürgerschulen gewidmet Divcctor der Großhcrzoglich Hessischen Provinzial'Nealschule i n Mainz. Siebenzeiinte, durcligeseliene Auflage. l ^ I n z w e i T h e i l e n. M i t 976 i n den Text eingedruckten Holzsticheu, Sternkarten, Mondkarte und einer geognostischm Tafel i n Farbendruck. Zweiter Theil: Mineralogie, Geognosie, Geologie, Botanik, Physiologie und Zoologie. M i t 615 i n dm Text eingedruckten Holzstichen und einer geognostischeu Taft! in Farbendruck. Vraunschweig,' Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. 18 6 8. Die Herausgabe einer Uebersetzung i n englischer und französischer Sprache, sowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten. V o r w o r t zum zweiten T h e i l e der elften Auflage. Reber Anlage, Zweck und Weiterbildung des Buches der N a t u r habe ich mich in der Vorrede zum ersten Theile desselben am 31. October 1859 ausführlich ausgesprochen. Hierauf verweisend, habe ich dem vorliegenden Theile nur wenige Worte vorauszuschicken, welche vornehmlich die Verzögerung seines Erscheinens berühren. Dieselbe ist darin begründet, daß in der neuen Bearbeitung die drei Gebiete der Naturgeschichte eine auf das Doppelte ausgedehnte Vermehrung erhalten haben. Diese gänzliche Umarbeitung und Erweiterung verursachte mir einen größeren Aufwand von Zeit und Mühe, als ich selbst erwartet hatte. Ueberdies erforderten die zahlreichen neuen Abbildungen viele Zeit, was bei der vorzüglichen Ausführung derselben wohl erklärlich ist. Ich wünsche und hoffe, daß die Freunde des Buches der Natur durch die erstrebten Verbesserungen einen Ersah für das lange Ausbleiben desselben finden werden. Was die erwähnte Vermehrung betrifft, so erstreckt sich dieselbe sowohl auf den allgemeinen, wie auf den speciellen Theil der drei Reiche. Am meisten begünstigt erscheint hierbei die Zoologie. Es geschah dieses aus besonderem Grunde. Die Thierknnde bildet in der Regel den Anfang des naturwissenschaftlichen Unterrichts und es erschien darum wünschetiswerch, dem jüngeren Schüler etwas mehr zu bieten als ein systematisches Namensverzeichniß der Thierwelt. Es wurde daher von einzelnen Thieren eine ausführlichere Beschreibung gegeben, gehoben durch höchst gelungene Abbildungen. Das durch die Anstrengungen des Herrn Verlegers hierin Geleistete, dürste wohl kaum zu übertreffen sein und wird zuverlässig aller Anerkennung sich zu erfreuen haben. Indem dieses Verfahren nicht auf alle Thiere ausgedehnt wurde, ist allerdings eine gewiffe Ungleichheit in der Behandlung vorhanden. Allein ich denke mir daß einestheils der Lehrer, anderentheils die dem Leser gegebene Anregung die wünschenswerthe Ergänzung übernehmen werden. Wenn der Verfasser seine Absicht erreicht hat, so wird die M i n e Talogie in Verbindung mit der Chemie dazu dienen, den Lernenden VI Vorwort zum zweiten Theile der elften Anfinge. in die Gefetzmäßigkeit der Krpstallgestalten einzuführen, ihn mit den wichtigsten einfachen Mineralen bekannt zu machen, endlich ihm die in Massen auftretenden Felsarten vorzuführen, sammt einem Bilde der allmählichen Gestaltung und Umgestaltung der Erdrinde. I n der B o t a n i k wird sodann gezeigt, wie die von der Pflanzenzelle ausgehende Lebensthätigkeit eine Fülle eigenthümlicher Formen hervorbringt, indem sie die unorganische Materie aufnimmt und dieselbe organisirt. Es wird daher der Zelle, als dem Grundorgan alles Pflanzenlebens, eine eingehende Betrachtung nach Form, Inhalt und Verrichtung gewidmet und hieran die für den Ackerbau so bedeutende Erörterung über die Ernährung der Pflanzen gereiht. Nachdem so ein Verständniß des Wesens der Pflanze im Allgemeinen gewonnen ist, wird zu der Mannichfaltigkeit der Formen übergegangen, in welcher dieselbe sich darstellt und wonach die vielen Gewächse in systematischer Reihenfolge eingetheilt und die wichtigeren mehr aufgezählt, als beschrieben sich finden. Doch wird der Annehmlichkeit, des Nutzens, sowie des Schadens vieler Pflanzen insofern gedacht, als die Bedürfnisse und Begegnisse des Lebens dies nothwendig erscheinen lassen. Auch die Zoologie beginnt mit der allgemeineren Betrachtung des Tbierkörpers und des Thierlebens. Letzteres, bereichert durch die Vermögen der Empfindung und Bewegung, bedarf jedoch einer größeren Mannichfaltigkeit der Organe, als die beschränkte Ernährungsthätigkeit der Pflanze. Wir begegnen daher im vollkommenen Thierkörper sehr verschiedenen Organen für entsprechende Zwecke und betrachten dieselben mit um so mehr Interesse, als wir mit dem eigenen Körper diesem Reiche uns einzureihen haben. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der für unser Wohlergehen so wichtigen Frage der Ernährung. Es beruht auf dieser reicheren Organisation, daß die Reihe des Thierreichs in einer größeren Anzahl von strenger geschiedenen Klassen vorübergeführt wird, als dies bei den Pflanzen der Fall ist. Möchte mein Bestreben in rechter Darlegung dieser VerhNtnMsich nicht weniger erfolgreich erweisen, als i n der Behandlung der Astronomie, Physik und Chemie des ersten Theils, welcher bereits eine weitere Austage erfährt, bevor noch dieser zweite Theil vollendet ist. M a i n z , 12. Februar 1862. Friedrich Schödler. Vorwort zur sechszehnten Auflage. <3n dem Augenblicke, wo wir uns anschicken, die fechszehnte A u f lage des Buches der Natur mit einigen Worten zu begleiten, erhalten wir den Pädagogischen Jahresbericht für 1866, von Herrn Sennnardirector Lüben in Bremen. Unter den in diesem Jahre erschienenen Lehrbüchern für die gesammte Naturkunde zählt derselbe auch »Das Buch der N a t u r « in fünfzehnter Aussage auf und nach Anführung des vollständigen Titels läßt sich jener bewährte Schulmann vernehmen wie folgt: »Was dies Buch enthält, giebt der Titel an. Der Inbegriff der gescmunten Naturkunde wird darin dargeboten, und zwar so, daß in jeder einzelnen Wissenschaft das Wichtigste in zusammenhängender, wissenschaftlicher Weise, aber in durchaus populärer Darstellung gegeben und durch ganz vorzügliche Abbildungen versinnlicht wird. I n allen Theilen entspricht der Text dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft. Um aber äußere Veränderungen dieses beliebten Schulbuches möglichst zu verhüten, hat der Verfasser bei der vorliegenden Auflage den Tert selbst nicht wesentlich gestört/l>ie neuen Entdeckungen aber als Anhänge in jeder einzelnen Abtheilung hinzugefügt, was volle Anerkennung verdient und dem Buche seine bisherige ehrenvolle Stellung in der Literatur auch ferner sichert.« Diese freundliche Anerkennung, für die wir hier unseren Dank aussprechen, bestärkt unser Vorhaben, auch diese Austage im Wesentlichen unverändert zu lassen, da die Gründe, welche wir bei der fünfzehnten viii Vorwort zur stebmzehnten Auflage. Austage als maßgebend ausgesprochen haben, in der kurzen Frist eines Jahres keine Veränderung erfahren haben. Es beschränkt sich daher die Verbesserung der sechszehnten A u f lage auf einen Nachtrag zur B o t a n i k , welcher eine Reihe bemerkmswerther Thatsachen, sowie einige Berichtigungen enthält. M a i n z , den 1. December 1866. Friedrich Schödler. Vorwort zur siebenzehnten Austage. N i e Gründe, welche mich abgehalten haben in der vorhergehenden Auflage erhebliche Aenderungen vorzunehmen, sind auch in diesem Augenblicke noch maßgebend, so daß die vorliegende siebenzehnte Ausgabe als eine wesentlich unveränderte zu betrachten ist. M a i n z , den 10. J u l i 1868. Friedrich Schödter. Inhalt. Seite Vorwort zur elften, sechzehnten undfiebenzehntmAustage M i n e r a l o g i e . I. . D i e Lehre von den einfachen M i n e r a l e n . V . . . . . . . . . . i Oryktognosie . 3 K. Gestalt der Minerale. Krystallographie Neberficht der Krystallsyfteme . . . . . . . . . . . . . . . . Reguläres System 9. Rhombisches System 11, Heragonales System 12. Klinorhombisches System 13. Klinorhomboidisches System 14. 2. Physikalische Eigenschaften der Minerale Zusammenhang 16. Dichte 17. Verhalten zum Licht 17. Verhalten zu Elektricität und Magnetismus 20. Verhalten zu Geruch, Geschmack und Gefühl 20. 3. Ehemische Eigenschaften der Minerale Verhalten zur Wärme 21. Löthrohrprobe 23. Eintheilung der Minerale « . Beschreibung der Minerale I. Klasse der M e t a l l o i d e . . . i . Gruppe, Schwefel 30. — 2. und 3. Selen und Tellur 31. — 4. Arsen 31. — s. Kohlenstoff ZI. — s. Silicium 34. — Familie des Quarz 34; des Opals 36. — 7. Bor 36. ll. Klasse der leichten M e t a l l e 8. Gruppe, Kalium37. —9.Natrium37.—10.Ammoniak36. — 11. Calcium 38. — 12. Barium 41. — 12. Strontium 42. — 14. Magnesium 42. — 1 s. Aluminium 43. m . Klasse der S i l i c a t e . . . . < 16. Gruppe, Zeolithe 45. — 17. Thone 46. — 13. Feldsftathe 47. -— 19. Granate 49. — 20. Glimmer 50. — 21. Serpentin 51. — 22. Nugit 51. — 23. Edelsteine 33. 3 9 16 21 25 29 30 37 45 Inhalt. Seilt IV. Klasse der schweren Metalle 54 24. Gruppe, Eisen 54. — 25. Mangan 56. — 26. Chrom 57.— 27. Kobalt 57. — 28. Nickel 58. — 29. Zink 59. — 30. Zinn 59. — 31. Blei 60. — Z2. Wisnmth 61- — 33. Antimon 6 1 . — 34. Kupfer 62. — Zs. Quecksilber 63. — 3«. Silber 64. — 37. Gold 65. — Z8. Platin 65. V. Klasse der organischen Verbindungen . . , 66 39. Gruppe, organische Salze 66. — 40. Erdharze 66. II. D i e Lehre von den Gesteinen und i h r e r L a g e r u n g ; Geognosie und G e o l o g i e . . . 68 Elemente der Geognosie H.. Gesteinslehre, L i t h o l o g t e , P e t r o g r a p h i e Einteilung der Gestnne 1. Einfache oder gleichartige Gesteine. 2. Gemengte oder ungleichartige Gesteine Thonschiefer 73. Glimmerschiefer 74. Gneiß 74. Granit 74. Syenit 75. Grünstem 76. Porphyr 77. Melaphyr 78. Basalt 78. Monolith 79. Trachyt 80. Lava 80. Breccie 60. Conglommerat 81. Sandstein 61. Schutt. Kies. Sand. Grus 82. Mergel 83. Thon 83. Walkerde 84. Tuff 64. Dammerde 84. V. Formenlehre Innere Gesteinsformm 85. Schichtung der Gesteine 66. Aeußere Gesteinsformen 89. 0. Lagerungslehre D. Versteinerungslehre, Paläontologie, Petrefactologie . . . 71 71 72 72 73 85 91 92 Geologie 97 Bildungsgeschichte der E r d e . . . . . . . « « « ° . . . 97 Uebersicht der geologischen Systeme 108 ».. Wasserbildungen; neptunische Bildungen; Flötzgebirge . . . . .110 I . System, Schiefer 110. — I I . Grauwacke 111. — H I . Steinkohle 116. — I V ' Zechsteitt 123. — V. Trias 125. — VI. Jura 128. — V I I . Kreide 134. — V I I I . Molaffe oder Tertiärsystem 136. — I X . Dialuvium; Quartärsystem 141. d. Feuerbildungen; Plutonische und vulkanische Bildungen; Maffengebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Gruppe, Granit 146. — 2. Grünstem 148. — 3. Serpentin 149. — 4. Porphyr 149. — 5. Basalt 150. — 6. Vulkane 151. Schluß Artesische Brunnen 153. Bergbau 153. B o t a n i k » . « 152 157 A. A l l g e m e i n e B o t a n i k .160 !. Gewebelehre oder Histologie . . « . . - , . . . < « . . . . . 161 Inhalt. xi Seite Die Zelle 162. Die Gefäße 169. Die Milchsaftgefäße 170. Zellstoff und Zelleninhalt 170. Das Zellengewebe 172. V. tl. Gestaltungslehre oder Morphologie .174 1. Die Wurzel . 177 2. Der S t a m m 179 Innerer Bau des Stammes 182. Stamm der Akotylcdonen 183. Stamm der Monokotyledonen 183. Stamm der Dyfotyledonen 184. 3. D i e Knospe 190 Das Oculiren 192. Das Pfropfen 192. 4. D i e B l ä t t e r . . . 194 Stellung der Blatter 200. 3. D i e B l ü t h e 202 i . Der Kelch 204. 2. Die Krone 205. 3. Die Staubfäden 207. 4. Der Stempel 208. Gegenseitiges Verhalten der Blüthentheile 209. Zufällige Blüthentheile 211. Blüthenstand 211. s. Die Frucht 214 Aeußere Fruchtformen 215. Der Samen 216. III. Die LebenÄehre oder Physiologie 219 Von den Lebenserscheinungen im Allgemeinen 219. Die Lebenserscheinungen der Pstanze 222. E r n ä h r u n g der Pflanze . . . . . . . . . . . 223 Verrichtung des Zellgewebes 223. Die Nahrungsmittel der Pstanze 225. Aufnahme des Kohlenstoffs 227. Aufnahme von Wasserstoff und Sauerstoff 231. Aufnahme des Stickstoffs 232. Aufnahme des Schwefels 233. Aufnahme der mineralischen Bestandtheile 233. Einfluß der Wärme, des Lichtes und der Elektricität 238. Schmarotzer 239 Lebensdauer und Umfang der Pflanzen 240 Ackerbau 241 Dünger 242. Brache 244. Wechsetwirthschaft 245. Besondere oder specielle B o t a n i k . - . . . . . . . . . . Verbreitung der Pflanzen, Pftanzengeographie .246 247 Einteilung der Pflanzen, Systematik. 249 Das künstliche oder Linnä'sche Pflanzensystem 250. Das natürliche System nach I u s s i e u u. A. 254. Beschreibung der Pflanzen . . . .255 H.« ^ k o t ^ i S ä o i i s u . . . . . . . . . . . . . . . . . . ° . . 256 I. Klasse: Lagerftflanzen; M a i i o K M 257 i. Familie, Algen 257. 2. Flechten 258. 3. Pilze 259. I I . Klasse: Laubkryptogamen; Or^xtoZ'amI.O kQiio82.6 . . .261 4. Familie. Moose 261. — 5. Schachtelhalme 262. — s. Farnkräuter 262. — ?. Värlavven 262. XU Inhalt. Seite N. M O n o k o t ^ i G ä o n s n . . 262 M . Klasse: Einsamenlappige P f l a n z e n ; Nonooot^isäouyZ 263 s. Familie, Graser 263. — 9. Scheingraser 263. — io. Rohrkolben 269. — ii« Aroiden 269. — 12. Palmen 269. — 13. Lilien 270. — 14. Zeitlosen 271. — 15. Snnlaceen 271. — is. Narcissen 271. — 1?. Schwertlilien 271. —13. Bromelien 272. — 19. Bananen 272. — 20. Gewürzlilien 272. — 21. Orchideen 272. — 22. Altsmen 273. O. Di^ot^iV<1c>u.Oii 273 I V . Klasse: Nftetalen; ^ S t k i a s . . . . . . . . . . . . . 273 23. Familie, Zapfenträger 273. — 24. Pfefferpstanzen 274. — 25. Weiden 274. — 26. Birken 274. — 27. Nußträger 274. — 28. Nesseln 275.— 29. Artocarpen 2 7 6 . - 3 9 . Musken 276.— 31. Euphorbien 276. — 32. Knöteriche 277. — 33. Chenopodien 278. — 34. Seidelbaste 278. — 3 s. Lorbeeren 276. — 36. Österlichen 273. V. Klasse: Monopetalen; Nonoxstaiae. . . . . . . . . .279 37. Familie: Compofiten 279. - 3s. Glockenblumen 281. — 3 9. Caprifolien 281. — 4 0. Karden 362. — 41. Baldriane 282. 42. Cmchonen 282. — 43. Sternkräuter 283. — 44. Heiden 284. — 4ö. Schlüsselblumen 284. — 46. Oliven 284. — 47. Winden 28.4. — 48. Solanen 285. — 49. Enziane 287. — so. Apocinen 267. — si. Borragen 287. — s 2. Lippenblumen 233. — 53. Scrophularien 288.' VI. Klasse: Polypetalen; ^ o i ^ M H l a s . . 289 54. Familie, Kreuzträger 283. — 55, Violen 290. — ss. Mohne 290. — 57, Droserien 291. — 53.. Seerosen 291. — ss. Ranunkeln 291. — so. Magnolien 292. — 6i. Reben 292. — 62. Rauten 292. — 63. Nelken 292. — 64. Leine 292. — ss. Camellien 293. — ss. Büttnorien 2 9 3 . - 6 7 . Malven293. — 63. Storchschnabel 294. —69. Orangen 294. — 70. Ahorne 295. — 71. Cacteen 295. — 72. Drosseln 296. — 73.Dbldmträger 296. — 74. Kreuzdorne 300. — ?s. Kürbisse 300. — 76. Fettgewachse 301. — 77. Terebmttzm 301. — 78. Onagrarien 302. — 79. Myrten 302. — 80. Rosen 302. — 81. Apfelträger 303. — S2. Steinobftträger 303. — 33. Hülsentrager 303. Z I. 0 0 l 0 g i e . . . . . . . . . . . . 309 D i e O r g a n e u n d i h r e V e r r i c h t u n g e n . . . . . . . . . . 311 (Anatomie und Physiologie.) Eintheilung des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Eintheilung der Organe .314 Inhalt« xiu Seite I. Bewegungsorgan . . « . . < . « < . . « . . - . . . 314 1. Die Knochen 314. — Die Bander 323. — 2. Die Muskel 324. — 3. Die Nerven 326.— Geistige Thätigkeit des Gehirns 330. — Die Bewegung 333. - I I . Sirmorgane 336 1. Die Haut 338. — 2. Die Zunge 340. — 3. Die Nase 341. — 4. Das Ohr 342. — s. Das Auge 343. I I I . Die Ernährungsorgane 345 1. Organe der Verdauung 345. 2. Die Organe des Blutumlaufs 351. Das Blut 351. — Schlagadern oder Arterien 354. — Blutadern oder Venen 355. — Lymphgefäße und Saugadern 355.— Kreislauf des Blutes 356. 8. Die Organe des Athmens 360. Veränderung des Blutes durch das Athmen 362. Ernährung 365 I I . E i n t h e i l u n g und Beschreibung der Thiere Uebersicht des Thierreichs ^.. Wirbelthiere; V6rt6wa.tN. . . . Erste Klasse: Saugethiere; Na.niuMi3. 373 375 377 . . 376 1. Ordnung, Zweihänder 380. — 2. Vierhänder 383. — 3. Flatterthiere 386. — 4. Raubthiere 388. — 5. Beutelthiere 401. — 6. Nagethiere 403. — 7. Zahnlose 411. — 8. Vielhufer 412. — 9. Einhufer 417. — 10. Zweihufer 419. — 11. Floffenfüßer 426. — 12. Walthiere 429. Zweite Klasse: V ö g e l ; ^V63 430 1. Ordnung, Singvögel 432. — 2. Schreivögel 439. — 3. Klettervögel 442. — 4. Raubvögel 445. — s. Tauben 450. — 6. Hühner 450. — 7. Laufvögel 455. — 8. Watvögel 456. — 9. Schwimmvögel 461. D r i t t e Klasse: Amphibien; ^.wMbia. . . . 467 1. Ordnung, Schildkröten 463. — 2. Eidechsen 470. — 9. Schlangen 472. — 4. Frösche 475. Vierte Klasse: Fische; I>i8068 . . 479 1. Ordnung, Rundmäuler 480. — 2. Quermäuler 481. — 3. HafMefer 482. — 4. BüscheMemer 482. — 5. Weichfloffer 463. — 6. Stachelfloffer 489. V. Gliederthiere; ^i-tkrosoa... 492 Fünfte Klasse; Insekten; In86ota. . 493 1. Ordnung, Hornstügler 495. — 2. Hautflügler 499. — 3. Schuppenflügler 501. — 4. Zweiflügler 505. — s. Netzflügler 507. — ß. Halbstüaler 509. Sechste Klasse: S p i n n e n ; ^raokniäg. . 516 1. Ordnung, Skorpione 511. — 2. Aechte Spinnen 511. — 3. Milben 513. — 4. Zecken 513. XlV Inhalt. Seite Siebente Klasse: Krustenthiere; OrnstHoeg. . . . . . . . 513 i . Ordnung, Schalenkrebse 514. — 2. Ringelkrebst 515. — 3. Schildkrebst 316. — 4. Schmarotzerkrebst 516. — 5. Muschelkrebse 516. Achte Klasse: W ü r m e r ; ^nnniatg. 516 i. Ordnung, Rmgelwürmer 517. — 2. Saugwürmer 518.— 3. Eingeweidewürmer 519. 0 . Bauchthiere; 628^0202 521 Neunte Klasse: Weichthiere; NoUuZoa. . . 522 1. Ordnung, Kopffüßer 523. — 2. Schnecken 524. — Z. Flosstnfüßer 525. — 4. Armfüßer 525. — s. Muscheln 526. — s. Mantelthiere 527. Zehnte Klasse: S t r a h l t h i e r e ; RaÄmta 528 1. Ordnung, Sternwürmer 528. — 2. Stachelhäuter 528. — 3. Quallen 52I. Gifte Klasse: Pflanzenthiere; ! > 0 l M . . . . . . . . . . 531 1. Ordnung, Vlumenkorallen 531. — 2. Mooskorallen 533. — 3. Schnörkelkorallen 533. Z w ö l f t e Klasse: U r t h i e r e ; P r o t o n . . .533 1. Ordnung, Infusorien 534. — 2. Schwämme 536. Mineralogie, » I n das ew'ge Dunkel nieder Steigt der Knappe, der Gebieter Giner unterird'schen Welt. Gr, der stillen Nacht Gefährte, Athmet tief im Schooß der Erde, Den kein Himmelslicht erhellt. Neu erzeugt mit jedem Morgen Geht die Sonne ihren Lauf. Ungestört ertönt der Berge Uralt Zauberwort: G l ü c k a u f ! « Theodor K ö r n e r . httlf» m i l t e l Kopp, H., Einleitung in die Kristallographie. Mit 22 Kupfertafeln und 7 lithografthirten Tafeln. 2. Nust. gr. 8. Braunschroeig, Fr. Virweg u. Sohn. 2 Tlilr. 20 Sgr. N a u m a n n , Prof. C. F., Elemente der theoretischen Krystallographie. Mit SS Holzschnitten, ^r.«. Leipzig, W. Engelmann. 1856. g Thlr. V l u m , I . N. Lchrbnch der Oryktognosie;^nnt »«3 krysiattographischen Figuren, gr. 8. Stuttgart. Schwei^erbart. »te Auflage. 1854. 2 Thlr. 15 Sgr. Nammelsbera, Lehrbucb der Krystallographie. i«b2. 2 Thlr. 20 Sgr. Tuenstedt, F. A., Handbuck, der Mineralogie. i-2te Äuft. Mit vielen Holzschnitten, gr. <?. Tübingen, Laupp. 1855. 4 Thlr. Za Sgr. B l u m , I . N., Handbuch der Litholugie oder Gesteinölohre. Mit 50 Figurrn. gr. 3. Erlangen. Gnke. 1860. 2 Thlr. ssotta, B., Leitfaden und Vademccum der Geognosie ?c. Dresden, Arnold. l«49. 2 Thlr. i^Sgr. V o g t , E., Lehrbuch der Geologie und Pctrefattenknndc. 2 Vde. Äe Aufl. Mit 113V in den Text eingedruckten Holzschnitten u. 16 Kupfertafeln, gr. S. Vraunschweig, Fr. Vieweg und Sohn. V o g t , C.,'Grundriß der Geologie. Vraunscbweig, Fr. Nieweg und S'hn. i«6tt. 2 Tl,lr. istSgr. De la Beche, Eir H., Vorsckule der Geologie. Mit üb« 300 Holzschnitten. Vraunschweig, Fr. Le onharb, K. C. von^'eologie oder Naturgeschicl'te der Erde auf allgemein faMche Weise ab« gehandelt. Mit Stalilstichen. - «. Ctuttgarr, Lchwei^erl'art. is^e — 44. 15 Thlr. Vach, H., Geologische Karte von Ecntralcuropn. Ttuttgart, I95l». 2 Thlr. W Sgr. V r o n n , Letli^e^ z»eossnc)»Uel>., oder Abbildung und Beschreibung der Versteinerungen. 2te Auss» Vollständig mit Atlas. 43 Thlr. ^>ie Mineralogie ist die Wissenschaft von den in ihrer Masse gleichartigen Ge- I Anständen der Erde, die wir M i n e r a l e nennen. 2 Mineralogie. — Einleitung. Dieselben erscheinen insofern gleichartig, als am Minerale ein Theil dem anderen vollkommen gleich ist« Niemals trifft man an demselben jene eigen/ thümlichen Gebilde, welche O r g a n e heißen, und bei Pflanzen und Thieren gewisse Zwecke erfüllen, die nothwendig sind, damit der Gegenstand als solcher bestehe. Daher heißen auch die Minerale unorganische Körper. Esistdarumin der Hauptsache einerlei, ob wir große oder kleine Massen eines Minerals betrachten. Ein faustgroßes Stück Sandstein giebt uns eine ebenso gute Vorstellung von dessen besonderen Eigenschaften als ein großer Block, als ein Sandsteingebirge« Ein Bergkrhstall, der eine Linie lang ist, erscheint ebenso vollkommen, als ein anderer, der die Länge eines Zolles oder Fußes hat. ! Wir haben in §. 7 der Chemie gesehen, daß die ganze Erdmasse die Summe von nur sechszig einfachen Stoffen oder Elementen ist. I n Folge der jenen Stoffen einwohnenden chemischen Verwandtschaft find diese in mannichfachster Weise mit einander verbunden, und nur selten als einfache Stoffe anzutreffen. Von dieser Betrachtung ausgehend, ist die Mineralogie zunächst nichts Anderes, als die Lehre von den in der Natur vorkommendenchemischenVerbindungen. I n der That ist dieses auch theilweise der Fall, und in der Chemie haben wir bereits eine Anzahl solcher natürlicherchemischerVerbindungen näher kennen gelernt, und auf andere hingewiesen« Doch in der großen Werkstatt der Natur wirkte auf die Elemente und ihre Verbindungen nicht allein die chemische Anziehung. Eine Menge von Kräften und Einflüssen traten mit oder nach derselben auf, und so treffen wir denn auf Reihen mineralischer Gebilde, die sich vomchemischenGesichtspunkte allein weder an sich, noch im Verhältniß zu anderen auffassen und erklären lassen. Die Minerale erscheinen demnach in zwei Hauptgruppen, die sich wohl von einander unterscheiden. Ein Theil derselben hat alle Eigenschaften vollkommen ausgebildeter chemischer Verbindungen, was sich namentlich durch ihre bestimmtechemischeZusammensetzung und Krystallform ausspricht. Man nennt dieselben die eigentlichen oder einfachen Minerale, und ihre Wissenschaft M i n e r a l o g i e im engeren Sinne oder Oryttognosie» Eine andere Reihe von Mineralen hat dagegen eiuen wesentlich verschiedenen Charakter. Sie sind entweder geradezu wohlerkcnnbare Gemenge einfacher Minerale, oder, wenn.sie auch in ihrerchemischenZusammensetzung jenen äbn^ lich sind, so ist doch niemals die Kryftallfsrm an ihnen vollkommen ausgebildet. Sie treten nicht als abgegränzte Einzelheiten auf, sondern in Massen. Dieselben werden mit dem Namen der gemengten M i n e r a l e , Gesteine odci F e l s a r t e n bezeichnet, und da sie nicht allein an sich, fotckerwHuch in ihrem Verhalten gegen einander und zur Erdmasse, sodann in ihrer Entstehung und Bildung der Betrachtung werth erscheinen, so macht dies den zweiten Theil dieser Wissenschaft, die Geognosie mit der G e o l o g i e aus. ' Oryktogiwsie. I. 3 Die Lehre von den einfachen Mineralen. Oryktognosie. Die erste Anforderung, die wir an die Mineralogie machen, ist die, daß sie 4 uns sichere Merkmale angebe, woran die Minerale sich erkennen und als besondere Arten bestimmen lassen. Von jeher hat man verschiedene Kennzeichen aufgestellt, wonach dieselben unterschieden und geordnet werden. Solche sind vorzugsweise: 1. die G e s t a l t ; 2. die physikalischen und 3. die chemischen Eigenschaften der Minerale. Erst nachdem man sich über diese verständigt hat, kann man beginnen, mit ihrer Hülfe die Beschreibung der Minerale zu versuchen. !. Gestalt der Minerale. Wir haben sowohl in der Physik §. 24 als in der Chemie §. 24 gesehen, 5 daß die kleinsten Theilchen derchemischenVerbindungen sich in bestimmten Richtungen anziehen und ordnen, so daß regelmäßige Körper entstehen, die man Krystalle nennt. Da nun ein and dasselbe Mineral stets in einer bestimmten Form krystallisirt, so ist diese ein sehr wichtiges und sicheres Erkennungsmittel der Minerale. Aber wie mannichfaltig find diese Krystallformen? Man betrachte nur eine Sammlung hon Mineralen und Hunderte verschiedener Formen werden dem Auge sich darbieten. Indessen lassen sich alle diese abweichenden Gestalten auf sechs sogenannte G r u n d f o r m e n zurückführen, und diese bilden mit den daraus abgeleiteten Formen sechs Krystallfamilien oder Systeme, die das Bereich einer besonderen Lehre, der K r y s t a l l o g r a p h i e , ausmachen. Vewundcrnswerth ist die Regelmäßigkeit der von der Natur gebildeten 6 Krystallformen. So zeigt uns z. B . Fig. 1 die Abbildung eines aus Kieselsäure (Chemie §. 67) bestehenden Minerals, des sogenannten B e r g k r y s t a l l s . Wir erkennen denselben als eine regelmäßige sechsseitige Säule, die oben und unten durch eine sechsseitige Pyramide zugespitzt ist. Je zwei benachbarte Säulenflächen dieses Krystalls schneiden sich in einem Winkel von 120", und je zwei neben einander liegende Pyranudenstächen in einem Winkel von 133" 44". Solcher Beispiele höchst regelmäßiger Gestaltung könnten wir noch manche anführen. Allein weit häufiger begegnet man Krystallen, bei welchen eine solche Vollkommenheit nicht vorhanden ist; mehr oder weniger erscheint dieselbe gestört, entweder durch mechanische Hindernisse, die geradezu die Ausbildnng'des 4 Oryktognosie. Krystalls nach gewissen Richtungen nicht zu Stande kommen ließen, was z. B. immer der Fall ist an der Stelle, wo derselbe auffitzt, oder es haben unbekannte Ursachen Abweichungen hervorgerufen, die wie eine Verzerrung der eigentlichen Gestalt erscheinen. Eine solche erblicken wir in Fig. 2 , die ebenfalls einen Bergkrystall darstellt. Doch herrscht selbst in den verzerrten Bergkrystallen noch das ursprüngliche Bildungsgeseh, denn es behalten die Winkel benachbarter Flächen die oben angegebene Größe bei. Bei Betrachtung der Krystalle sieht man ab von aller etwaigen Störung in ihrer Ausbildung, m m hält sich an die ideal-vollkommene Krystallgestalt. Der Krystall ist sin Vieleck, nmgränzt von ebenen Flachen, die in K a n t e n und Ecken sich begegnend, mit diesen die sogenannten B e g r ä n zungselemente desselben bilden. Kein Krystall hat weniger als 4 Flüchen, 4 Ecken und 6 Kanten; die meisten haben deren eine größere Anzahl. Die Flachen bieten eine große Mannichfaltigkeit je nach Zahl und Größe ihre? Seiten und Winkel. Wir begegnen dem regelmäßigen Dreieck, dem Quadrat, der Raute, aber auch häufig den unregelmäßigen Dreiecken und Vierecken. Eigenthümlich ist es, daß das rechtwinkelige Dreieck und das regelmäßige Fünfeck niemals an Krystallen austreten. Gleichwerthige oder entsprechende Begränzungselemente find solche, die in allen Stücken Uebereinstimmung zeigen und die insbesondere in gleicher Entfernung von dem M i t t e l p u n k t des Krystalls sich befinden. Legen wir durch dessen Mittelpunkt Linien, welche zwei gegenüberliegende Begränzungselcmente, also zwei Ecken, oder die Mittt zweier Flächen oder Kanten des Krystalls verbinden, so haben seine Flachen eine symmetrische Lage gegen diese Linien. Man nennt L M e n die Achsen des Krystalls und legt sie bei der Beschreibung und Gintheilung d ^ gestalten zu Grunde. Die Verhältnisse der meisten Krystalle werden durch drei Achsen bestimmt; eine Reihe derselben hat jedoch 'vier Achsen. 8 Wir sehen in Fig. 3 den regelmäßigen Achtflächner oder, wie er in der Folge genannt wird, das reguläre Octa8der. Dasselbe hat 8 Fläche 6 Ecken und 12 Kanten; Fig. 4 stellt das Achsensystem vor, welches diese: Krystallgestalt zu Grunde liegt. Es sind dies die drei gleichen und in ihrem Mittelpunkt m rechtwinkelig sich schneidenden Linien ao,bck und /^. Sie bilden auf diese Weise ein sogenanntes Achsenkreuz, welches die Zeichnung, Krystallographie. 5 insofern unvollkommen darstellt, als die Achse / Z verkürzt erscheint. Zum Studwm dieser Verhältnisse setzt man sich aus Stäbchen oder Drähten Modelle zusammen. Denken wir uns die Endpunkte des vorstehenden Achsenkreuzes durch Linien verbunden — was am Modell durch gespannte Fäden geschehen kann — so stellen diese die Kanten des Octasders vor, welche, wie man sieht, acht gleiche und regelmäßige Dreiecke begränzen; alle Ecken dieses Octasders sind einander vollkommen gleich und dasselbe ist die Grundform des regulären Krystallsystems. Man sieht leicht ein, daß diese Regelmäßigkeit sofort verschwindet, wenn in der Länge einer oder mehrerer Achsen oder in den Winkeln am Mittelpunkt die geringste Aenderung eintritt. Man giebt bei Betrachtung einer Krystallform einer ihrer Achsen die senkrechte Stellung und nennt dieselbe die Hauptachse. Da im regulären System alle drei Achsen gleich sind, so ist es einerlei, welche man als Hauptachse nimmt; die übrigen Achsen werden alsdann Nebenachsen genannt. I n Fig. 4 ist sonach a s die Hauptachse; öci und/Z? sind Nebenachsen. I n den folgenden Systemen wo ungleiche Achsen vorkommen, wählt man als Hauptachse meist diejenige, welche größer oder kleiner ist als die Nebenachsen. Letztere liegen in einer Ebene, welche die B a s i s oder Grundebene des Krystalls heißt. I n Hinsicht auf die Benennung der Begränzungselemente ist noch zu bemerken: Die Seitenflächen sind parallel der Hauptachse; die Scheitelflächen laufen in den Endpunkten der Häuptachse zusammen; Endflächen sind solche, in deren Mittelpunkt die Endpunkte der Hauptachse liegen; Flächen, die ein und derselben Achse parallel find, bilden zusammen eine Zone. Die Linien, in welchen zwei Flächen sich schneiden, heißen K a n t e n ; sie bilden mit einander den K a n t e n w i n k e l . DieScheitelkanten laufen in den Endpunkten der Hauptachse zusammen und bilden daselbst die Scheitelecken; die S e i t e n kanten find der Hauptachse parallel; die übrigen Kanten heißen Randkanten. Man unterscheidet einfache Krystallformen, welche nur gleichnamige oder 9 doch nur wenige ungleichnamige Flachen haben — und zusammengesetzte Formen, deren Flächen verschieden sind und zwei oder mehr Gestalten angehören; letztere werden auch C o m b i n a t i o n e n genannt. Die abgeleiteten Formen entstehen aus den Grundformen, indem Theile der ersteren nach be- 6 Orpktognoste. stimmten Gesetzen durch Schnitte hinweggenommen werden. Es geschieht dieses durch Hinwcgnahme der Ecken oder Kanten, oder durch Zuspitzung und Zu, schärsung derselben. Fig. 5 zeigt uns die Enteckung, Fig. 7 die Entkantung des Octasders. Wird m beiden Fällen mit dcrHinwegnahme fortgefahren, bis zum gänzlichen Verschwinden der Octa6derstächen, so bleibt im ersten Falle ein W ü r f e l übrig, während aus der Entkam tung das Rhombendodecaeder (Rauten-Zwölfflächner) Fig. 8 hervorgeht, eine der schönsten Krystallgestaltcn. Auch erkennt man, wie aus Fig. 5 , durch Wachsen oder Ausdehnung der Abstumpfungsstäche, bis zur gegenseitigen Dülchschmidung der Würfel, Fig. 6, entsteht. Würfel und Rhombosder sind also einfache, vom Octasder abgeleitete und zum System desselben gehörige Gestalten; zugleich stellt Fig. 5 eine Combination des Octasders mit dem Würfel dar. Stumpfen wir umgekehrt die acht Ecken des Würfels ab, so geht aus demselben wieder einQctaFder hervor« Es fördert das Verständniß ungemein, wenn man sich aus Seife, Kartoffeln oder sonst passendem Material diese Gestalten schneidet und daran die erwähnten Schnitte ausführt. Auch lassen sich solche Versuche an Mineralen anstellen; es gelingt in der That, aus einem Krystallwürfel des Flußspaths ein Octaeder herauszuschlagen und das innere Gefüge der Minerale entspricht diesen Beziehungen ihrer Krystallsysteme so daß sie nach den entsprechenden Richtungen, welche S p a l t u n g s f l ä c h e n , Blätterdurchgänge heißen, sich vorzugsweise leicht trennen lassen. !l) Jedes Octatzder läßt sich betrachten als eine vierseitige Doppelpyramide; denken wir uns bei dem Octaeder Fig. 9 die Fläche o und die ihr entsprechende Hintere Fläche der oberen Pyramide nach allen Seiten sich ausdehnend, so werden dieselben in der Kante ab sich begegnen und schneiden. Wenn gleichzeitig dasselbe bei der Fläche n und ihrer entsprechenden Hinteren Fläche der unteren Pyramide stattfindet, so werden sich diese vier wachsenden Flächen in den sechs Kanten a b , a s , a<H und i>6, ecl, <öb schneiden und eine dreiseitige Pyramide, Fig. 1 0 , das sogenannte Tetraeder Merflächncr) bilden. Auf Krystallographie. 7 solche Weise abgeleitete Gestalten werden Halbflächner oder Hemisder genannt, zur Unterscheidung von den Vollgestalten oder H o l o e d e r n . Die Namen der Krystallgestalten werden dmchgehends aus dem griechisHen 1 i Worte "Ksära,«", das Sitz oder SitzfiäKe bedeutet, in Verbindung mit Zahlwörtern gebildet und bezeichnen somit die Anzahl der vorhandenen Flächen,z.B. Tetraeder (Vierflächner), Hexaeder (Sechsfiächner), Octasder (Achtflächner), Dodecasder (Zwölfftächner). Oefter wird den also gebildeten Namen die Bezeichnung der Art der vorhandenen Krystallsiächen vorgesagt, z. B. Pentagon-Dodecaeder (Fünfeck-Zwolfstächner), Rhomben-Dodecaeder (Rauten-gwölfflächner). Mitunter werden auch aus der Stereometrie entnommene kürzere Namen gebraucht, wie fast immer W ü r f e l für Hexasder; ödet Namen, die von einem Mineral entlehnt sind, an welchem die betreffende Krystallform besonders ausgezeichnet auftritt, wie G r a n a t o s d e r für Rhomben-DodecaSder, da der Granat dessen Gestalt, hat. Auch sind zu noch kürzerer Bezeichnung der Krystallformen Zeichen eingeführt worden. Zunächst drückt Man das gegenseitige Verhalten der Achsen der gegebenen Form durch Buchstaben aus und hält dabei fest, daß ein mit denselben gebildetes Kreuz die Lage der Flächen der Krystallgestalt bestimmt. Wir erinnern, daß das reguläre Octatzder drei gleiche, rechtwinkelig, sich schneidende Achsen hat und daß jede OctaVderfläche jede dieser Achsen in einem Punkte schneidet; setzen wir eine derselben gleich «, so ist auch jede andere gleich a , sie verhalten sich folglich wie a zu a zu «. Das reguläre Octasder wird daher ausgedrückt durch die Formel <» : c» : cr, wofür man jedoch das kürzere Zeichen 0 gesetzt hat. Beim W ü r f e l finden wir zwar dasselbe Achsenverhältniß, allein die Endpunkte seiner Achsen liegen in der Mitte seiner Flächen. Daher schneidet jede Würfelstäche nur eine Achse; die beiden anderen Achsen würden sie erst in unendlicher Entfernung schneiden, d. h. sie ist mit denselben parallel. Man setzt deshalb das Zeichen der Unendlichkeit (<w) vor die Achsen, welche von den Flächen der Krystallgcstalt nicht berührt werden. Der Würfel erhält demnach die Formel: a : co <U: 20 a oder das Zeichen <n 0 «o « Bei den Systemen mit ungleichen Achsen werden diese mit verschiedenen Buchstaben bezeichnet, wozu noch CoMcienten für die Hauptachsen und Nebenachsen kommen. Die Halbflächner werden in der Gestalt von Brüchen dargestellt. -^ ist dcr Halbstächner des OctaLders, das Tetraeder. Als Hülfsmittel des Studiums der Krystallographie dienen zunächst die 12 Zeichnungen der Krystallgestalten. Die Ausführung derselben hat manche Schwierigkeit. Es liegt in der Natur der Sache, daß in der Zeichnung gewisse Theile verkürzt erscheinen und andere, nämlich die Hinteren Flächen, verdeckt sind. Man verzichtet daher in der Regel auf eine durch Licht und Schatten gehobene, körperliche Abbildung und zeichnet die Krystalle, als ob sie vollkommen 8 Oryktognosie. durchsichtige Körper wären, so daß auch die Kanten der Rückseite durch punktirte Linien angedeutet werden. Dabei stellt man die Hauptachse senkrecht, richtet eine Nebenachse auf den Beschauer, giebi ihr dann eine gewisse Drehung nach links und zeichnet hierauf die Gestalt nach den Regeln der Projectionstehre. Dieselbe lehrt auch die Entwerfung der sogenannten Krystallnetze. Fig. 11 Zeigt das Netz des Octatzders. Man legt dasselbe auf weißen Karton, sticht mit einer Nadelspltze die Eckpunkte durch und trägt die Zeichnung über. Die ausgezogenen Linien werden ganz durchgeschnitten, die punktirten zur Hälfte. Die acht Flächen lassen sich jetzt aminanderlegen und verkleben, und bilden das K r y s t a l l m o d e l l eines Octaeders. Das S . 1 angeführte Werk von Kopp enthält 57 solcher Netze zur Anfertigung der wichtigsten Krystallgestalten. Sammlungen von KrhstallmodeUen aus Holz oder Pappdeckel können durch die §. 36 bezeichneten Handlungen bezogen werden. Die Papiermache-Fabrik von Fleischmann in Nürnberg liefert das Stück zu 2 Groschen. Für den Unterricht vorzüglich geeignet sind die von F. Thomas in Siegen gefertigten und zu beziehenden Glaskrystallmodelle. ^ Für die Bestimmung eines Krystalls ist die Kenntniß der Größe der an ihm auftretenden Winkel nöthig. Bei größeren Krystallen können dieselben durch Anlegung eines Winkelmessers oder Handgoniometers gemessen werden. Bei sehr kleinen Krystallen geschieht dies vermittelst des Reflexionsgoniometers. 13 Die Krystalle sind erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts' der wissenschaftlichen Betrachtung unterworfen worden. H a u y , ein Franzose, stellte das erste Krystallsystem auf. Eine wesentliche Weiterentwickelung erhielt die Krystallographie durch deutsche Mineralogen, von welchen Weiß, M o h s , Rose, Naumann und Hausmann vorzugsweise zu nennen sind. I n vorherrschender Geltung ist,das nachfolgende von Weiß aufgestellte System, mit mehrfachen Krystallographie. 9 nachträglichen Modificationen und Ergänzungen in Benennung und Bezeichnungsweise. Uebersicht der Krhstallshsteme. H.. Systeme mit horizontaler Basis (s. §. 8). n.. D r e i Achsen, die sich sämmtlich unter rechten Winkeln schneiden. 1. 2. 14 Alle Achsen find gleich: N s F i i l ä r s s 8 M 5 O i n ; oder tessulates, auch Tesseral-, d. i. Würfelsystem. Nur zwei Achsen sind gleich: Z w e i - und einachsiges oder CNkÄrÄtigokSs System. 3. Alle Achsen sind ungleich: E i n - und einachsiges oder rkoiu.» digokes System. b. Vier Achsen; drei gleiche Nebenachscn schneiden sich unter Winkeln von 60" und sind senkrecht zur Hauptachse, die größer oder kleiner ist. 4. D r e i - und einachsiges oder k.sxQ3QNQiss System. N. Systeme mit schiefliegender Basis. Alle drei Achsen sind ungleich; eine oder beide Nebenachsen schneiden die Hauptachse schiefwinkelig. 5. Zwei Achsen schneiden sich schiefwinkelig und beide werden von der dritten Achse rechtwinkelig geschnitten. Z w e i - und e i n gliedriges oder monoklinometrisches, auch k l i n o r k o m diso!iS8 V^gtsin. 6. Alle Achsen schneiden sich unter schiefen Winkeln: G i n - und e i n g l i e d r i g e s oder t r i k l i n o m e t r i s c h e s , auch NinOrtzoiu.-' d o i d i g o k s g System. Das r s s n i ä r s .8?35siu. bietet den größten Reichthum von Gestalten. 15 Als Beispiele führen wir einige der wichtigeren mit Beifügung ihrer Zeichen, sowie bekannterer Minerale an, die i n diesen Formen krystallisiren. 1. Das Octasder, 0 , Fig. 12. (Magneteisen; Alaun; Rothkupfererz; Salmiak; Spinell; Flußspath). 2. Der W ü r f e l oder das Hexaeder, n 0 w , ffig. 13. (Vleiglanz; Flußspath; Kochsalz; Schwefelkies). 3. Eine Combina- 10 Oryktognosie. tion beider, in der sich der Kobaltkies findet, ist Fig. 5 abgebildet; Fig. 14 zeigt die Combination derselben im Gleichgewicht, 0 . <n () <n die beim Bleiglanz und salpetersauren Bleioxyd vorkommt. 4. Das RhombendodecaLder, < n 0 , Fig. 15. (Granat). 5. Seine Combination mit dem Octaedcr, O.co 0 (s. Fig. 7 ) , findet sich beim Alaun und Rothkupfererz. 6. Das Icositetrasder Merundzwanzigflächner), auch Trapezoödcr oder Leuzitoeder genannt, 2 0 2, Fig. 16, (Leucit und Analcim). 7. Das Tetraeder, - Fig. 17, und Combinationen desselben treten häusig beim Fahlerz und Boracit auf. (S. S . 63). 16 Die Grundform des HuMrabisoliSii I ^ g t s n i s ist das Q u a d r a t Octaeder, Fig. 18, welches aus zwei Pyramiden mit quadratischer Grundfläche gebildet ist und mit V bezeichnet wird. Man geht hierbei von einem Octasder aus, dessen Hauptachse gleich 1 angenommen wird und auf welches die stumpferen und spitzeren Octaeder, Fig. 19 u. 20, sich beziehen, deren Hauptachsen kürzer oder länger sind als 1, jedoch in einem einfachen, rationalen Verhältnisse zu derselben stehen; ihre Zeichen sind daher ^ - ? und -^-I>. Als /2 ^ Beispiele des Vorkommens der Grundform an Mineralen sind anzuführen: das Schwarz-Manganerz und das Hartmanganerz. Krystallographie. ^ Denkt man sich ein QuadratoctaLder mit unendlich langer Hauptachse, so werden die durch Berührung seineroberen und unteren Pyramidenstächen gebildeten Kantenwinkel gleich 0 und es entsteht die quadratische S ä u l e n ? , Fig. 21 (auch quadratisches P r i s m a genannt), deren Seitenflächen parallel der Hauptachse sind. Da dieselben weder oben noch unten zusammenlaufen, so bilden sie eine sogenannte offene Krystallgestalt, die erst durch das Hinzutreten von Combinationsflächcn ihre Begränzung erhält. Die Hauptachse kann jedoch auch unendlich verkürzt, d. i. gleich 0 sein und entsteht alsdann die sogenannte gerade Endfläche 0 ? , Fig. 22, die natürlich nicht für sich allein, wohl aber an Krystallen dieses Systems auftritt.. (S. Fig. 24). Man hat ferner bei Krystallgestalten dieses Systems das Vorkommen von Säulen beobachtet, bei deren Betrachtung nicht eine Kante (wie bei Fig. 21) nach vorn gerichtet erscheint, sondern eine Fläche; die Achsen derselben verbinden auch nicht die Kanten, sondern die Mittelpunkte gegenüberliegender Flächen. Sie werden quadratische Prismen zweiter O r d n u n g genannt und erhalten das Zeichen n I > n . ^ Combinationsformen des quadratischen Systems treten auf am Zinnstein, Honigstein, Zirkon; ferner am arsensauren Kali, Fig. 2 3 , und Blutlaugensalz, Fig. 24. Die Halbflächner der QuadratI> octaödcr werden Sphenoi'de -^ genannt und finden sich am Kupferkies. Das r k o m b i g o k s L^stsiu. hat 17 als Grundform das Rhombenocta 6der, !>,.Fig. 25, dessen drei Achsen , ungleich, aber rechtwinkelig zu einander find. Achnlich, wie beim vorhergehenden System werden hier spitzere und stumpfere Octaöder und rhombische Säulen abgeleitet und bezeichnet. Da hier jedoch alle Achsen ungleich sind, so kann eine beliebige als Hauptachse gewählt werden; an Krystallen nimmt Ü3 Oryktognofle. man hierzu diejenige, welcher die meisten Flächen desselben parallel gehen. Bei Betrachtung dieser Formen stellt man die Hauptachse senkrecht; die längere Nebenachse, Macrodiagonale genannt, wird quer vor den Beobachter gehalten, die kürzere oder Brachydiagonale, gegen denselben gerichtet. Der durch die Nebmachstn gelegte basische Hauptschnitt ist ein Rhombus (Raute). Man unterscheidet bei diesem System verticale P r i s m e n , <»I>, Fig. 2 6 , und horizoNtale P r i s m e n , ^ < » . Letztere entstehen, wenn die querliegende Macrodiagonale unendlich ist und werden auch M m e n (von Doma, Dach) genannt (s. Fig. 27). Bei einer großen Anzahl von Mineralen undchemischenVerbindungen finden wir die Formen des rhowbischen Systems, so die Grundform vorzüglich beim Schwefel; Combinationen verschiedener Art beim: Kupferglanz, Arsenikkies, schwefelsauren Kali, Salpeter, Glauberfalz, Schwerspath, Weißbleierz, Arragonit, Zinkvitriol, Bittersalz, Höllenstein, Topas, Harmotom, Staurolith u. a. m. 18 Die Grundform des kSXNFonQisn I ^ s i n g ist das HexagonalDodecaeder oder die sechsseitige Doppelpyramide I>, Fig. 28. Auch hier unterscheidet man, je nach dem Verhältniß der Hauptachse zu den Nebenachsen, spitzere und stumpfere Pyramiden, und bei unendlich vertan- Krystallographie. 13 gerter Hauptachse entsteht die sechsseitige S ä u l e ao l>, Fig. 29, die in Combination mit der Pyramide eine der gefälligsten Krystallformen bildet (Fig. 1), welche häusig am Quarz, sowie beim Apatit beobachtet w.ird. Eine wichtige hemiödrische Form dieses Systems entsteht, wenn die wechselnden Flächen 7», s, n der Doppelpyramide Fig. 30, sowie die drei entsprechenden Flächen der Hinteren Seite wachsen bis zur gegenseitigen Dmchschneidung; es entsteht das angedeutete, von sechs congruenten Rhomben begränzte Rhombo6der R, Fig. 3 1 , das vorzüglich am Kalkspath für sich und in Combinationen auftritt. Zum hexagonalen System gehörige Formen haben die Krystalle vom Nasser. Eisenglanz,, Eisenspath, Zinkspath, Saphir, Apatit, salpetersauren Natron u. a. m. Die Krhstallgestalten des MwoMollidigc3ii.SN 8^Otsm.g beziehen sich 19 auf drei ungleiche Achsen, von welchen zwei unter schiefen Winkeln sich schneiden, die dritte aber rechtwinkelig zu den beiden anderen steht. Man wählt jedoch bei Betrachtung derselben nicht diese Letztere als Hauptachse, sondern eine der schiefwinkeligen Achsen, well die Krystalle häufiger in der entsprechenden Richtung prismatisch sich ausgebildet vorfinden. Stellt man eine also gewählte Achft senkrecht, so ist der basische Hauptschnitt, d. h. eine durch die Nebenachsen gelegte Ebene schiefwinkelig zur Hauptachse geneigt; seine Form ist rhombisch. Construiren wir durch Anlegung von Flächen an ein Achsenkreuz dieses Systems ein Octasder, klinorhombische P y r a m i d e , ^ ? , genannt, Fig.32, so entsteht die ideale Grundform desselben, die jedoch an Krystallen nicht vorkommt. Ihre Begränzungselemente sind sehr verschiedenartig, da an derselben dreierlei Kanten und Ecken und zweierlei Flächen vorhanden find, nämlich vier größere und vier kleinere, so daß eine solche Pyramide als aus zwei halben, sogenannten H e m i p y r a m i d e n , zusammengesetzt erscheint. Die KrystallgHalten dieses Systems sind vorzugsweise klinorhombische Prismen und Domen (schiefe rhombische Säulen), combinirt mit den Flächen einer Hempyramide, und eine große Anzahl von Mineralen undchemischenVerbindungen gehören demselben an, wie z. B. der Gyps, Fig. 3 3 , der Eisenvitriol, Fig. 34 (s. f. E.), der 14 Oryktoguosie. Zucker, Fig. 35, die Soda, Fig. 36, der Mdspath, der Augit, die Horn blende u. a. m. Das Zeichen det klinorhombischen Pyramide ist ^ I > , indem die vordere Hemipyramide mit - i - ? , die Hintere —1> bezeichnet wird. M Da dem ^1wOck0indOMi8<3iz.srl. Z^gtsmo drei Achsen unterlegt werden, welche sämmtlich ungleich sind und schiefwinkelig sich schneiden, so entsteht daraus eine, große Unregelmäßigkeit der hierher gehörigen Krystallgestalten, sowie eine nicht geringe Schwierigkeit in der Bestimmung, Zeichnung und Beschreibung derselben. Sie kommen im Ganzen selten vor und als ein bekannteres Beispiel führen wir den Kupfervitriol, Fig. 37, an. 21 ' Z w i l l i n g s k r y s t a l l e entstehen, wenn zwei Krystalle in gewisser Weise mit einander verwachsen, indem z. B> zwei Krystalle in einer Fläche der Art vereWgt sind, daß sie zu einander und zur Verwachsungsstäche eine gleiche und symmetrische Lage haben. Dabei kommen die Krystalle jedoch meist nicht vollständig zur Ausbildung, indem sie theilweise gleichsam ineinanderstecken; der Zwilling gewinnt daher häusig den Anschein, als ob ein Krystall halbirt und die Hälften so auseinander gelegt worden wären, wie wenn ein in der Hälsce geöffnetes Buch bis zur Berührung der Decken rückwärts aufgeschlagen wird. Krystallographie. 15 Fig. 38 zeigt uns diesen Fall beim Gtzps vorkommend. Auch durchwachsen sich die Krystalle förmlich und kreuzen sich, wie bei Fig. 3 9 , in der wir einen Durchkreuzungszwilling des S t a u r o l i t h s erblicken. ( S . S . 45). Mit der Iwillingsbildung ist nicht zu verwechseln eine Zusammenhäufung von Krystallen, welche in der Mineralogie als Krystalldruse oder Druse bezeichnet wird. Sehr kleine, insbesondere die nadclförmigen und blätterigen Krystalle bilden hausig sehr eigenthümliche Gruppirungm, indem sie oft strahlig kugelförmig gelagert sind, oder allerlei Gestalten bilden, worunter die baumförmigen, dendritisch genannt und die blumenartigen am Eise der Fensterscheiben beobachtet werden. Als Regel gilt, daß ein und derselbe Körper, fei er nun ein einfacher 22 Stoff oder einechemischeVerbindung aus mehreren, stets in solchen Gestalten krystallistrt, die einem und demselben Krystallsystcm angehören. Verschiedene M i nerale, die in denselben Gestalten krystallisiren, werden isomorph, d . i . gleichgestaltig genannt, und schon in der Chemie §. 95 und 136 ist der I s o morphismus besprochen worden. Isomorphe, dem rhombischen Systeme angehörige Minerale sind z. B. der Arragonit, Witherit, Strontianit und das Weißbleierz. Es fehlt jedoch nicht an Beispielen, daß Körper in Formen auftreten, die zwei verschiedenen Krystallsystemen angehören und daher dimorph genannt werden. Dhr natürlich vorkommende und aus Auflösungen krystallifirende Schwefel z. B. bildet rhombische Pyramiden, während alle bei Abkühlung des geschmolzenen Schwefels entstehenden Krystalle dem künorhombischen Systeme angehören. P o l y m o r p h e Stoffe sind solche, deren Krystalle auf mehr als zwei Grundformen zurückführbar sind und kommen selten vor. Eigenthümliche Erscheinungen des Mineralreichs sind die Pseudockorphosen oder AfterkryftaUe, bei welchen die Krystallform demchemischenGehalte nicht« entspricht. Sie entstehen auf verschiedene Weise. Der Eisenkies (Zweifach-Schwefelciscn, 1^82) krystallisirt in Würfeln und wandelt sich durch äußerst langsame Zersetzung um in Eisenoxydhydrat, ^ ^ ' l l O , ohne daß die Form hierdurch im mindesten geändert erscheint, obwohl das Letztere dem rhombischen System angehört und keineswegs dimorph ist. Andere Pseudomorphosen entstehen mehr auf mechanischem Wege, indem Krystalle von einer erhärtenden Mineralmasse umhüllt und nachher durch ein Lösungsmittel entfernt werden. Füllt sich die alsdann bleibende hohle Form der früher vorhandenen Krystalle mit einer fremden Substanz, so nimmt diese eine ihr nicht entsprechende Gestalt an. Die Pseudomorphosen sind daran kenntlich, daß ihr inneres Gefüge,Hre Spaltungsflachcn, der äußeren Form nicht entsprechen. Schon in z. 6 wurde gesagt, daß die Krystalle selten in ganz regelmäßiger 23 Weise ausgebildet sind, und in der That begegnet man bei den Mineralen häufig den unvollkommenen K r y s t a l l f o r m e n . Entweder sind bei diesen gewisse Flächen vorherrschend geworden, oder andere durch Auslagerung und Verwachsung nicht zu Stande gekommen, oder es ist die Krystallisation Überhaupi 16 Oryktognosie. so unvollkommen, daß sie zwar ersichtlich ist, jedoch bestimmte Krystallgestalten nicht erkennen läßt. Man bezeichnet diesen Fall als den krystallinischen Zustand und es erscheinen krystallinische Minerale als eine Anhäufung von kleinen, unvollkommen ausgebildeten Krystallen, die körnig, platt oder länglich sind, welchem entsprechend die leicht verständlichen Bezeichnungen von grob- oder feinkörnigen Mineralen, von Blättern, Schuppen, Spießen, Nadeln, Haaren u. a. m. angewendet werden. Mitunter kann der krystallinische Zustand erst mit Hülfe des Vergrößerungsglases erkannt werden und wo dies nicht der Fall ist, haben wir ein unkrystallinisches oder dichtes Mineral vor uns. ßo z. B. findet man den kohlen« sauren Kalk (Chemie z. 86) vollkommen krystallisirt als Kalkspath; krystallinisch als M a r m o r und unkrystallinisch oder dicht als Kreide. 2. Physikalische Eigenschaften der Minerale. 24 Da die Form nicht immer ausreicht, um ein Mineral zu bestimmen, so hat man noch andere Merkmale zu Hülst genommen, wie namentlich den Z u - ^ sammenhang, die Dichte und die Farbe der Minerale und ihr weiteres^ Verhalten zum Lichte, sowie zur E l e k t r i c i t ä t und zum Magnetismus. Man versteht hierunter die physikalischen Eigenschaften des Minerals. Zusammenhang (Cohärenz). 25 Nur äußerst wenige Minerale sind flüssig oder weich; die große Mehrzahl derselben ist fest, und an diesen hat man besonders die Spaltbarkeit, den Bruch und die Härte zu berücksichtigen. S p a l t b a r ist ein Mineral, wenn es eine krystallinische Bildung hat. I n diesem Falle sind seine Theile in bestimmter Weise gelagert, so daß sie nach ^ einer Richtung weniger Zusammenhang zeigen als nach der anderen, etwa so! wie Holz der Länge nach sich leichter spalten läßt als in der Quere. Man unterscheidet sehr verschiedene Stufen der Spaltbarkeit, denn es läßt sich z. B. der G l i m m e r in die dünnsten Blättchen spalten. Durch die Spaltung ent-^ stehen immer mehr oder minder ebene Flachen. Der B-ruch oder die Bruchstäche kommt da zum Vorschein, wo ein unspaltbares Mineral oder ein spaltbares, der Spaltungsrichtung entgegen, gewalt-' sam zerbrochen wird. Er hat bei vielen Mineralen ein sehr charakteristisches Ansehen, denn er ist entweder eben oder uneben, oder muschlig, wie z. B. beim Feuerstein. Auch ist er s p l i t t e r i g , hakig, oder zackig und endlich ist er sehr oft erdig, wie bei der Kreide und vielen anderen. Die Härte der Minerale wird bei ihrer Beschreibung besonders berücksichtigt. Manche find so hart, daß die beste Feile sie nicht angreift, andere so wenig hart, daß man sie mit dem Fingernagel ritzen kann. Dazwischen liegen viele Stufen, die sich nicht wohl beschreiben lassen. Von zwei Mineralen ist natürlich dasjenige das härtere, welches fähig ist, das andere zu ritzen, ohne von diesem selbst geritzt zu werden. Man hat nun zehn bekanntere Minerale zu einer sogenannten Härtescala in der Weise neben einander gestellt, daß jedes Kennzeichenlehre. '1? derselben sein vorhergehendes ritzt, von seinem folgenden aber selbst geritzt wird. Hierdurch erhält man vom weichsten Mineral, dem Talk, bis zum härtesten, dem Diamant, 10 Härtegrade, die durch die entsprechenden Nummern bezeichnet werden. Diese sind nun: Härte 1. — Talk; 6. — Feldspath; < 2. — Gyps, oder Steinsalz; 7. — Quarz; 3. — Kalkspath; 8. ^n Topas; 4. — Flußspath; . 9. ^ K o r u n d ; 5. — Apatitspath; 10. — Diamant. Heißt es nun z. B., ein gewisses Mineral hat die Härte 7, so wissen wir, daß es die des Quarzes ist. I m Allgemeinen ist es leicht festzuhalten, daß eine niedere Zahl eine geringe, die höhere Zahl die größere Härte bezeichnet. Auch merke man sich als praktische Regel, daß die Minerale bis zum Grade 8 von der englischen Feile angegriffen werden, bis 6 von einer Stahlklinge geritzt werden, über 6 mit dem Stahle Funken geben und bis zu 3 mit dem Fingernagel sich ritzen lassen. Die Dichte der M i n e r a l e. Die Dichte oder das specifische Gewicht eines Körpers ist, wie die Physik 26 §. 19 lehrte, das Gewicht eines Raumtheiles desselben, verglichen mit dem Gewicht eines gleichen Raumtheiles Wasser. So ist die Dichte des Bleies — 1 1 , da ein Kubikzoll Blei 11 mal so viel wiegt, als ein Kubikzoll Wasser. Es wurde dort bereits der Werth der Kenntniß der specifischen Gewichte angedeutet, denn da unter gleichen Umständen ein Körper stets eine und dieselbe Dichte hat, so ist sie ein sehr wesentliches Merkmal, namentlich der Minerale. Man hat deshalb mit der größten Sorgfalt und wiederholt die Bestimmung ihrer Dichten und zwar in der Regel bei -s- 14<>R. vorgenommen. Aus den Angaben der Chemie können wir jetzt schon im Allgemeinen entnehmen, daß Minerale, welche eine größere Dichte besitzen, schwere Metalle enthalten. D a s V e r h a l t e n d e r M i n e r a l e z u m Licht. Als eine große Mannichfaltigkeit verschiedener Körper besitzen die Minerale 27 ein sehr ungleiches Verhalten zu den Lichtstrahlen, indem manche sie durchlassen und zugleich ablenken oder brechen, und andere dieselben in besonderer Weise zurückwerfen. Dahin gehören die Durchsichtigkeit, das Brechungsvermögen, der Glanz und die Farbe der Minerale. Die Durchsichtigkeit ist entweder vollkommen, was namentlich bei wohl ausgebildeten Krystallen der Fall ist, und wenn sie an einem Mineral zugleich mit Farblosigkeit auftritt, so wird dasselbe wasserhell genannt. Geringere Grade der Durchsichtigkeit bezeichnet man durch die Ausdrücke: halbdurchII< 2 Qrpktognosie. 1ö sichtig, durchscheinend, an den K a n t e n durchscheinend, bis undurchsichtig. Das Lichtbrechungsvermögen (Physik §. 168) kann natürlich nur an vollkommen durchsichtigen Krystallen beobachtet werden. Es ist sehr verschieden, indem z. B. die Edelsteine das Licht sehr stark brechen, während dies bei anderen Mineralen nur in geringem Grade der Fall ist. Eigenthümlich ist die sogenannte doppelte S t r a h l e n b r e c h u n g . Viele Minerale brechen nicht allein den einfallenden Lichtstrahl, sondern trennen ihn in zwei Theile, die in besonderen Richtungen weiter gehen, st daß man von einem schwarzen Strich, den man in gewisser Richtung durch den Krystall betrachtet, zwei Bilder sieht. Der Kalkspath ist das bekannteste Mineral, bei welchem die doppelte Strahlenbrechung besonders deutlich fichtbar ist. Die doppelte Strahlenbrechung findet sich niemals an Mineralen, welche im regulären System krystallisiren. Auch findet sie bei anderen Krystallen nicht in jeder Richtung statt. Wählt man solche, die dem quadratischen und hexagonalen Systeme angehören, so läßt sich an denselben eine gewisse Linie nachweisen, parallel welcher keine doppelte Brechung stattfindet, und diese Linie heißt die optische Achse des Krystalls. Sie hat Beziehung zur krystallographischen Achse desselben und die hierher gehörigen Krystalle werden optisch-einachsige Krystalle genannt. Die übrigen Krystalle sind optisch-zweiachsig, da an ihnen zwei Linien aufzufinden sind, welchen parallel hindmchgcsehcn ein Strich nicht doppelt erscheint. Beim Kalkspath fällt die optische Achse.zusammen mit der Hauptachse des Krystalls. Schleift man an einem solchen, wie bei Fig. 40 angedeutet ist, die stumpfen Ecken hinweg und legt die entstandene Schnittstäche auf einen schwarzen Strich, so erscheint derselbe nicht verdoppelt. Eine wichtige praktische Anwendung wird von dünnen Plättchen gemacht, die man parallel zur Hauptachse aus den Krystallen eines Mineralsgfschnitten hat, das T u r m a l i n genannt und später beschrieben wird. Solche Plättchen besitzen nämlich die Eigenschaft, das Licht zu p o l a r i s i r e n (Physik §. 183), und zwei derselben, wie Fig. 41 zeigt, umdrehbar in Drahtringe gefaßt, bilden als sogenannte T u r m a l i n z a n g e einen kleinen Polarisationsapparat. Zwei solche Plättchen, «boc? und s/F/z, Fig. 42, erscheinen durchsichtig, wenn sie so auf einander gelegt werden, daß ihre Kry- Kennzeichenlehre. 29 stallachsen, welchen die Schraffirung entspricht, parallel sind. Dreht man hier« auf die eine Platte so lange, bis beide Achsen zu einander rechtwinkelig find, Fig. 43, so nimmt die Durchsichtigkeit fortwährend ab, bis sie zuletzt ganz verschwindet. Schiebt man nunzwischen die gekreuzten Platten den Krystall eines M i nerals, so bleibt die Dunkelheit, wenn das Mineral nicht doppelt brechend war; sie verschwindet dagegen, wenn es doppelt brechend ist. Optisch einachsige Mineralplättchen zeigen zwischen den gekreuzten Plättchen kreisrunde farbige Ringe mit einem dunklen Kreuz; optisch zweiachsige Krystalle geben elliptische Farbenringe mit zwei dunklen Streifen. Man hat demnach in der Turmalinzange ein wesentliches Hülfsmittel bei krystallographischen Bestimmungen. Ebenso befindet sich im Zusammenhang mit der Krystallform die eigenthümliche Erscheinung, daß man beim Betrachten einfarbiger Krystalle nach gewissen Richtungen v ersch iedene Färbungen wahrnimmt; man bezeichnet dieselbe als D i c h r o i s m u s . Reguläre Krystalle haben keinen Dichroismus; an quadratischen und hexagonalen treten zweierlei, an denen der anderen Systeme sogar dreierlei Farben auf. Der Glanz der Minerale ist abhängig von der Beschaffenheit ihrer Ober- 28 stäche. Er ist um so vollkommener, je mehr diese sich der Beschaffenheit eines Spiegels nähert. Feine Risse, Unebenheiten:c. bedingen jedoch besondere Eigenthümlichkeiten des Glanzes, daher dieser nach Art und Stärke eine besondere, leicht verstandliche Bezeichnung erhielt. So unterscheidet man: M e t a l l g l a n z , D i a m a n t g l a n z , G l a s g l a n z , Wachs- oder F e t t g l a n z , P e r l m u t t e r g l a n g und Seidenglanz. Man bezeichnet ferner die Minerale als starkglänzend, glänzend, wenig g l ä n zend, schimmernd und matt, welch Letzteres z. B. beim erdigen Bruch der Fall ist. Die Farbe wird bei den Mineralen durch die Ausdrücke angegeben, deren wir uns gewöhnlich zu ihrer Bezeichnung bedienen. Als sogenannte Hauptfarben sind Weiß, G r a u , Schwarz, B l a u , G r ü n , Gelb, Roth, B r a u n angenommen, zwischen welchen nun eine Menge von Mischfarben in allen mög» lichen Abstufungen liegen. Man hat für diese eine sogenannte Farbenscala, ähnlich wie die Härtescala entworfen, indem man die Farbe eines bestimmten Minerals mit einem besonderen Namen bezeichnete. Besonders bemerkenswert!) erscheint noch der Strich eines Minerals, d. h. diejenige Farbe, die zum Vorschein kommt, wenn man dasselbe mit einem härteren Körper ritzt, oder wenn man es auf einem weißen Körper streich:. Dieser Strich ist in der Regel Heller als die Farbe des Minerals, wie z. B. der Mangamt fast schwarz ist, auf Papier aber einen braunen Strich giebt. Oefter 2* 20 Orykwgnoste. stimmt die Farbe des Minerals mit der seines Striches überein, häusig abcr geben lebhaft gefärbte Minerale ganz blaffe oder selbst farblose Pulver. Manche andere Farbcnerscheinungen, wie das S c h i l l e r n oder O p a l i siren und das Spielen in Regenbogenfarben oder I r i s i r e n kommen weniger häusig vor. Das farbige und das bunte A n l a u f e n der Minerale, bei welchem man häufig die schönsten taubenhalsigen, pfauenschweisigen Farbenspiele wahrnimmt, rührt davon her, daß die Oberfläche des Minerals einen fremdartigen dünnen Ueberzug, meist durch beginnende Oxydation erhalten hat. Einige Minerale haben die Eigenschaft, unter gewissen Umständen, z. B. wenn sie etwas erwärmt oder längere Zeit von der Sonne bestrahlt werden, im Dunkeln einen schwachen Lichtschein zu verbreiten, was man das Phosphoresciren nennt. Verhalten der M i n e r a l e zu E l e k t r i c i t ä t und Magnetismus. W Die Physik lehrt uns (§. 194), daß alle Körper zwei Gruppen bilden, von welchen die eine solche Körper enthalt, die beim Reiben elektrisch werden, während dies bci den anderen nicht der Fall ist. Die ersteren werden daher selbstelektrische, die letzteren unelektrische Körper genannt. Die elektrischen Körper sind Nichtleiter, die unclektrischen dagegen Leiter der Elektricität. Zu welcher Gruppe nun ein Mineral gehöre, läßt sich leicht durch Reiben desselben und Annäherung an das elektrische Pendel nachweisen. I m Allgemeinen gehören die Minerale, die schwere Metalle enthalten, zu den unelektrischen Leitern, während die Nichtmetalle und die Verbindungen der leichten Metalle solche Minerale bilden, die beim Reiben elektrisch werden und Nichtleiter oder Halbleiter sind. ^ Magnetische Eigenschaften zeigen vcrhältnißmäßig nur wenig Minerale. Es sind dies, wie aus §. 184 der Physik hervorgeht, vorzugsweise diejenigen, welche Eisen enthalten. Die Annäherung des Minerals an die Magnetnadel giebt sein Verhalten leicht zu erkennen. V e r h a l t e n der M i n e r a l e zu Geruch, Geschmack und Gefühl. M Bei weitem die Mehrzahl der Minerale ist ohne besonderen Geruch« Bci einigen ist derselbe jedoch vorhanden und sehr bezeichnend. Er rührt . meist von eingcmcngten Stoffen, namentlich von Steinöl (Chemie §. 218) her, und wird mitunter erst fühlbar, wenn das Mineral geschlagen oder gerieben oder angehaucht wird. Beim Erwärmen verbreiten mehrere, wie arsen- und schwefelhaltige, einen eigenthümlichen Geruch in FolgechemischerVeränderung. Geschmack haben natürlich nur die in Wasser löslichen Minerale, welche dic Minderzahl bilden. Er hängt von denchemischenBestandtheilen ab, und er ist daher rein salzig beim Steinsalz, bitter bei den Magnesia- oder BitterNdesalzen, kühlend bei den salpetersauren Salzen u. s. w. Kennzeichenlehre. 2l. Beim A n f ü h l e n verhalten sich manche Minerale eigenthümlich, indem sie entweder rauh sich anfühlen, wie namentlich Lava-Gestein, oder f e t t i g , was beim Speckstein oder Talk der Fall ist. Einige, wie z. B. die Edelsteine, fühlen sich kalt an. Manche Minerale besitzen die Eigenschaft, Wasser mehr oder minder einzusaugen, und es giebt deren, die Letzteres mit solcher Stärke thun, daß sie am befeuchteten Finger oder an der Zunge hängen bleiben oder kleben, wenn sie damit berührt werden, was hauptsächlich die Thone thun. 3. Chemische Eigenschaften der Minerale. Da wir die Minerale als in der Natur gebildet vorkommendechemische31 Verbindungen bezeichnet haben, so müssen sie folgerichtig die ihren Bestandtheilen angemessenen Eigenschaften haben, die sich namentlich bei der Zersetzung zu erkennen geben. Wenn also Gestalt und physikalische Kennzeichen nicht ausreichen, um. ein Mineral zu erkennen und zu bestimmen, so nimmt manchemischeEinwirkungen zu Hülfe. Die Fragen, die der Mineralog an die Chemie stellt, sind nun zweierlei: erstlich: welch? Stoffe sind in dem Minerale enthalten, und dann, wie v i e l ist von jedem vorhanden. Die Beantwortung der letzteren Frage erfordert eine vollständige Zerlegung des Minerals in seine Bestandtheile und genaue Wägung der letzteren, welche Operation als q u a n t i t a t i v e Analyse bezeichnet wird. Sie erfordert stets einen großen Aufwand von Zeit und Sorgfalt. Die q u a l i t a t i v e Analyse ist das Verfahren, das nur beantwortet, welche Stoffe irgend ein Körper enthält, und ist in der Regel rascher ausführbar, namentlich für den Mineralogen, der ja noch andere Hülfsmittel der Erkennung hat.' Er bedient sich deshalb so viel als möglich nur der einfachsten' chemischen Hülfsmittel, die er leicht überall hin mitnehmen und handhaben kann, und wählt vorzugsweise die zersetzende Eigenschaft der Wärme, und die auflösende des Wassers und der S ä u r e n . Die Zuziehung der ersteren heißt eine Untersuchung auf trockenem, die der letzteren auf nassem Wege. Verhalten der M i n e r a l e zur Wärme. Die Wärme wird in verschiedenen Graden der Steigerung, vom bloßen 32 gelinden Erwärmen bis zurstärkstenGlühhitze, angewendet. Um letztere hervorzubringen, dient das L ö t h r o h r , Fig.44(a.f.S.). Es ist aus Messing und besteht aus dem längeren Theile ai>, gewöhnlich mit einem'Mundstück von Horn oder Elfenbein bei a versehen; sodann aus dem erweiterten Lustbehälter sck, der auch zur Aufnahme der beim Blasen mitgeführten Feuchtigkeit dient, und aus der Spitze /<?, die eine kleine Platinhülse ^ mit seiner Oeffnung hat. Die Handhabung des Löthrohrs ist aus Fig. 45 ersichtlich. Indem man vermittels des 22 Oryktoguosic. Löthrohrs in die Flamme eines Talglichtes oder einer Oellampe bläst, erreicht man im Kleinen, was der Schmied durch den Blasebalg bezweckt, nämlich die Erzeugung einer starken Hitze auf einem beschränkten Raume. Die Lichtflamme erhält durch das Löthrohr eine kegelförmig zugespitzte Gestalt, und in diese Löthrohrflamme bringt man jetzt kleine Stückchen oder sogenannte Löthrohrproben des zu untersuchenden Minerals. Entweder wird die Probe in einer kleinen Zange mit Platinspitzen gehalten, oder man legt sie auf ein Stück wohl ausgebrannter Holzkohle. Bei^ gelindem Erwärmen legt man häufig die Probe in eine Glasröhre und erwärmt diese ohne Hülfe des Löthrohrs an einer Weingeistlampe. Bei diesen Versuchen wendet man nun seine Hauptaufmerksamkeit auf die Schmelzbarkeit und Flüchtigkeit der Probe und darauf ob sie der Löthrohr» stamme eine besondere Farbe ertheilt. Die Schmelzbarkeit der Minerale ist sehr verschieden. Während einige schon bei gelinder Wärme an der Lichtflamme schmelzen, wie manche Salze, sind andere erst in der stärksten Hitze und manche gar nicht schmelzbar. Man bezeichnet dieses durch die Ausdrücke: sehr leicht — leicht — ziemlich schwer — schwer — sehr schwer schmelzbar und unschmelzbar. Beim Schmelzen treten noch manche beachtenswerthe Erscheinungen auf, indem einige Minerale ruhig schmelzen, andere kochen, spritzen u. s. w. Die geschmolzene Masse ist entweder glasig oder schlackig, porzellanartig, oder sie bildet ein Kügelchen oder Korn, was namentlich die Metalle thun. Flüchtige S t o f f e werden beim Erwärmen der Minerale sehr häusig ausgeschieden. Namentlich geben dieselben fast immer Wasserdampf ab, und es ist Kennzeichenlehre. 23 darauf zu achten, ob dieses Wasser bloß durch Anziehung oderchemischgebundenes (Krystall- oder Hydratwasser, Chemie §. 33) war. Manche Minerale entwickeln Gasarten, wie z. B. der Kalk Kohlensäure, der Braunstein Sauerstoff. Zugleich entstehen unter Mitwirkung des Sauerstoffs der Luft beim Glühen manche neue Verbindungen. So überziehen sich die Bleierze leicht mit einem gelben Ueberzug von Bleioxyd, die antimonhaltigen mit weißem Antimonoxyd, die schwefelhaltigen geben die am erstickenden Geruch leicht erkennbare schweflige Säure und die arsenhaltigen die nach Knoblauch riechenden Dämpfe von arseniger Säure. D i e Farbe der Löthrohrflamme ist häusig ein vortreffliches Merkmal. Strontian ertheilt ihr eine purpurrothe, Kalk eine morgenrothe, Kali eine violette, Natron eine hochgelbe, Bor und Kupfer eine grüne Flamme u. s. w. Bis jetzt wurden die Proben nur hinsichtlich ihres Verhaltens in der Hitze 33 betrachtet. Häufig nimmt man jedoch noch die Einwirkung chemischer Stoffe zu Hülfe, die besondere Erscheinungen veranlassen. Solche find: der Sauerstoff der Luft, die als Unterlage dienende Kohle, die Gase des inneren Theils der Löthrohrflamme, das kohlensaure Natron, der Borax, das phosphorsaure NatronAmmoniak und das Cyankalium. Den Einfluß des Sauerstoffs der Luft haben wir bereits im §. 32 als einen oxydirenden kennen gelernt. Zum Verständniß der Anwendung des Löthrohrs muffen wir erinnern an die im K. 64 der Chemie gegebene Beschreibung und Erklärung der Flamme. Hiernach findet eine Verbrennung nur an ihrem äußeren Saume und an der Spitze Statt, während im Inneren derselben sich wasserstoffhaltige und kohlehaltige Gase und Dämpfe befinden. Diese Gase, geneigt mit Sauerstoff sich zu verbinden, können daher leicht zur Entziehung desselben — Desoxydation oder Reduction genannt — verwendet werden. Es folgt hieraus, daß bei der Behandlung einer Probe vor dem Löthrohr es nur die Spitze der Flamme ist, die dem Sauerstoff Zutritt gestattet, und die daher auch die O x y d a t i o n s f l a m m e des Löthrohres heißt. Wird dagegen die Probe in den breiteren, inneren Theil der Flamme gebracht, der nicht leuchtend ist, so wirkt dieser reducirend, wenn die Probe eine Sauerstoffverbindung enthält. Dieser Theil der Flamme wird die innere oder Reductionsflamme genannt. So kann z. B. ein Stückchen Zinn an der äußeren Flamme leicht in weißes Oxyd verwandelt und in der inneren Flamme alsbald wieder zu einem metallischen Korn reducirt werden. Die eigentliche Oxydationsflamme wird her« vorgebracht, wenn man die Spitze des Löthrohrs in die Flamme einführt. Fig. 46; sie ist spitz, blau und schwach leuchtend. Zur Hervorbringung der Reductionsflamme, Fig. 47, wird das Löthrohr dem Saum der Flamme ge« 24 Oryktognoste. nähert und etwas schwächer geblasen. Sie ist breit, gelb leuchtend und bei weitem weniger Hitze gebend als die vorhergehende. Vorzüglich geeignet zu Löthrohrversuchen find schmale Gasflammen. Nei Reductionsversuchen wird die Probe auf ein Stück Holzkohle gelegt, die eine wesentliche desoxydirende Mitwirkung äußert. 34 Zusätze von Soda und Borax zur Löthrohrprobe werden F l u ß m i t t e l genannt, dasiezunächst die Herstellung leichter schmelzbarer Verbindungen bezwecken. Bei Versuchen der Art wird die Probe im Ohre eines umgebogenen Platindrahtes, Fig. 4 8 , gehalten. Das kohlensaure Natron bewirkt dies hauptsächlich bei kieselreichen Verbindungen, indem es mit denselben leicht flüssiges Natronglas bildet, oder es dient auch, um Schwefel, Arsen, Mangan u. a. m., die beim Glühen in Säuren übergehen, i n die Form löslicher Salze überzuführen. Das Cyankalium wirkt als vorzügliches Reduktionsmittel. Beim Borax (borsaures Natron, Chemie §.80) ist es die feuerbeständige Borsäure, welche mit den Metalloxyden zu eigenthümlich gefärbten glasartigen Verbindungen zusammenschmilzt, deren Farben so ziemlich mit denen der Glasflüsse übereinstimmen, die wir im §. 83 der Chemie kennen gelernt haben. Die Wirkung und Anwendung des Phosphorsalzes ist der des Borax ganz ähnlich. Hierbei ist es von Einfluß, in welchem Theile der Flamme die Schmelzung geschieht, da die Oxydule häufig andere Farben geben als die Oxyde, wie die folgenden Beispiele zeigen: Farbe der Oryde. in der Orydationsflarnme. Chromoryd. Manganoryd. Antimonoryd. Wismuthoryd. Zinkoryd. Kobaltoryd. Nickeloryd. Kupfcroryd. Smaragdgrün. Violett. Hellgelblich. Farblos. Farblos; bei viel Zink porzellanweiß. Farblos. Gelb; erkaltet farblos. Duukclroth; beim Erkalten Heller bis farblos. Vlau. Röthlich, gelb; erkaltet Heller. Grün. Gilberoryd. Erkaltet milchweiß. Zinnoryd. Bleioxyd. Eisenoryd. 33 Vorargläser in der Reductionsstamme. Gelbbraun; erkaltet farblos. Ungefärbt. Unklar und graulich. Grau und trübe. Verflüchtigt sich. Farblos. Neducirt zu MetMügelchen._. Flaschengrün, blaugrün. Vlau. Graulich. Farblos; erkaltet zinnoberroth und undurchsichtig. Graulich. Nehmen wir endlich Wasser und Säuren als Austösungsmittel der Minerale zu Hülfe, so begeben wir uns vollständig in das Bereich der chemische - Kennzeichenlehre. . 25 ! Erscheinungen, die in ihrer Mannichfaltigkeit auszuführen besondere Werke, unter dem Namen der analytischen Chemie, sich die Aufgabe gestellt haben. Es sei deshalb hier nur bemerkt, daß man diese Lösungsmittel gewöhnlich in einer gewissen Reihenfolge anwendet, nämlich zuerst Waffer, dann Salzsäure, ^ dann. Salpetersäure und endlich ein Gemenge dieser beiden (Chemie §.45). Am ^ häufigsten wendet man die Salzsäure in der Absicht an, zu erfahren, ob ein damit betupftes Mineral aufbraust, d. h. ob es Kohlensäure enthalt, die. in diesem Falle entweicht. ! So hätten wir uns denn mit allen Vorkenntnissen ausgerüstet, um sofort 36 ! die Beschreibung der Minerale selbst zu beginnen. Allein wir müssen gestchen, daß mit der Beschreibung allein, auch mit der allerbesten, nirgends zum Erkennen weniger geleistet ist, als bei der Mineralogie. Hier ist eigene Anschauung durchaus nothwendig, denn es handelt sich nicht darum, einen rein im Denken entwickelten Begriff aufzunehmen, sondern durch sinnliche Auffassung die Summe jener verschiedenen Eigenschaften eines Minerals in ein Bild zu vereinigen, welches uns eine bleibende Vorstellung von demselben gewährt. Daher möge denn ein Jeder, der mit der Mineralogie sich beschäftigt, zu Hülfe nehmen, was seine Gegend an Mineralen bietet. Auch die ärmste gewährt doch Einiges, und die Anschauung dessen vermittelt wenigstens die Vorstellung des übrigen. Das Wichtigste allmälig durch Tausch oder Kauf hinzuzufügen, und so eine kleine Sammlung von Mineralen zu bilden, ist nicht allzu schwierig. Das Mineralcomtoir in Heidelberg und Mincralhandlungen in Berlin und Freiberg in Sachsen, sowie die Handlungen chemischer Requisiten, geben Gelegenheit zum billigen Ankauf sowohl einzelner Stücke, als auch kleiner und großer vollständiger Sammlungen. Eine Lehranstalt aber, welche diesen Theil der Naturwissenschaft in ihren Unterricht aufnimmt, muß vor allen Dingen durch Hülfe einer Sammlung der wichtigsten Minerale demselben lebendiges Interesse verleihen. I n den Naturwissenschaften ist die beste Beschreibung doch nur eine Krücke, die man wegwirft, sobald man mit eigenen Augen gesehen hat. G i n t h e i l u n g der M i n e r a l e . Als eigene Mweralart oder Species erkennen wir das, was durch seine 37 chemische Zusammensetzung und seine Eigenschaften als ein Besonderes sich unterscheiden läßt. Die Zahl der auf diese Weise bestimmten Minerale ist außerordentlich groß und wird noch fortwährend vermehrt, und es bietet die Anordnung und systematische Eintheilung der Minerale nicht geringe Schwierigkeiten dar. Die Pflanzen und Thiere besitzen durch die große Mannichfaltigkeit ihrer Organe meist deutlich hervortretende Merkmale der Unterscheidung, wonach sich Klassen, Ordnungen, Gattungen und Familien bilden lassen, so daß z. B. ein Anfänger in der Botanik, der mit dem System vertraut ist, selbst bei noch geringer Bekanntschaft mit der Pstanzenwelt doch im Stande sein kann, eine neue, ihm gänzlich unbekannte Wanze mit Sicherheit zu bestimmen. I n beiden 26 Oryktognosie. Gebieten ergeben sich aus dem Fortschritt von den unvollkommenen zu den vollkommenen Gebilden fast immer wesentlich trennende Anzeichen. Bei den Mineralen ist dieses keineswegs der Fall; alle Minerale sind gleich vollkommen. Als wesentliche Eigenschaften zu ihrer Unterscheidung hat man ihre K r y f t a l l f o r m , ihre Dichte und H ä r t e berücksichtigt, ohne daß nach einer derselben allein odn allen zusammen eine befriedigende Anordnung zu treffen wäre. Daher hat denn auch die älteste Eintheilung der Minerale heute noch eine gewisse Berechtigung und mehrfache Geltung behalten. Man unterschied dieselben i n vier.Klassen, nämlich: 1. S a l z e , oder lösliche Minerale; 2. S t e i n e , oder unlösliche, erdige Minerale; 3. Erze, oder Minerale der schweren Metalle; 4. Brenze, oder brennbare Minerale. Seitdem man jedoch erkannt hat, daß die Eigenschaften der Minerale bedingt werden durch ihre chemische Zusammensetzung, so hat diese einen bedeutenden Einfluß auf die Eintheilung derselben gewonnen. I n der That, wir setzen voraus, daß der Beschäftigung mit der Mineralogie, die Bekanntschaft mit der Chemie vorhergegangen ist. Ohne diese bleibt die Mineralogie meist nur eine Spielerei mit bunten Steinen. Das Studium der Chemie macht uns aber gelegentlich schon mit vielen Mineralen bekannt und erleichtert später ungemein die Erkennung derselben. Wir legen daher bei Beschreibung der Minerale diechemischeEincheilung zu Grunde. Ihre Reihenfolge ist, wie die nachstehende Uebersicht zeigt, ungefähr dieselbe, wie in der Chemie die einfachen Stoffe mit ihren Verbindungen sich angeordnet finden. I. Klaffe der Metalloide. II. Klasse der leichten Metalle. Gruppe: 1. Schwefel. 2. Selen. 3. Tellur. 4. Arsen. S. Kohlenstoff. 6. Silicium. 7. Vor. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Gruppe: Kalium. Natrium. Ammonium. Calcium. Barium. Strontium. Magnesium. Aluminium. III. Klaffe der S i licate. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. Gruppe: Zeolithe. Thone. Feldspathe. Granate. Glimmer. Serpentine. Augite. Edelsteine. IV. Klasse der schweren Metalle. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 33. Gruppe: Eisen. Mangan. Chrom. Kobalt. Nickel. Zink. Zinn. Blei. Msmuth. Antimon. Kupfer. Quecksilber. Silber. Gold. Platin. V. Klaffe der organischen Verbindungen. Gruppe: 39. Organische Salze. 40. Harze. Eintheilung der Minerale. 27 Oefter findet man auch die gasförmigen Körper und das Wasser unter 38 die Minerale aufgenommen; wir haben dieses unterlassen, die Bekanntschaft mit denselben voraussetzend. Wenn wir die vorstehende Anordnung für wohl geeignet halten zum S t u dium der Minerale, so entspricht sie dagegen weniger dem Zweck, ein unbe-, kanntcs Mineral hiernach einzuordnen und zu bestimmen. Kennt man aber denchemischenCharakter der Elemente und ihrer Verbindungen bereits, so wird man doch bald An Stande sein, ein Mineral seiner Klasse und Gruppe zuzuweisen. So werden von den Mineralen der ersten Klasse die Gruppen 1 bis 5 leicht durch ihre Brennbarkeit und den Geruch der Verbrennungsproducte erkannt. Das Vorkommen des Bors als Borsäure ist selten und an wenige Oertlichkeiten gebunden. Das Silicium bildet, als Kieselsäure unter dem Namen Quarz, eine der verbreiteren Mineralgruppen, die durch ihre Unlöslichkeit und Härte sich auszeichnet. Zur Klasse der leichten Metalle gehören Minerale, deren specifisches Gewicht nicht über 5 geht; sie find meist ungefärbt und einige derselben lösen sich leicht in Wasser; es sind dies Salze des Kaliums, Natriums und Magnesiums; schwerlöslich ist der Gyps. Von den Uebrigm lösen sich einige mit Aufbrausen in Salzsäure, nämlich die C a r b o n a t e (d. i. kohlensaure Salze) des Kalks, Baryts, Strontians und "der Magnesia. Der in Säuren ganz unlösliche Schwerspath ist sowohl durch sein großes specifisches Gewicht, als auch die grüne Färbung erkennbar, die er der Löthrohrstamme ertheilt, wählend der Strontianspath sie purpurrot!) färbt. Die dritte Klasse begreift die große Anzahl der unlöslichen S i l i c a t e (d. i. kieselsaure Salze) meist aus Doppelsalzen der Thonerde mit anderen Basen bestehend. Auch hier bieten manche Gruppen sehrcharakteristischeMerkmale dar, wie die Austöslichkeit und das Gelatmiren in Salzsäure, das Aufschäumen beim Erhitzen der Zeolithe, die dunkle Färbung der Augite, der eigenthümliche Glanz der spaltbaren Blätter des Glimmers, insbesondere sind es aber hier die KrtzstaÜgestalten, welche dis hervorragendsten Charaktere verleihen. Minerale, deren specifisches Gewicht über 6 ist, die dann auch weist durch lebhafte und charakteristische Färbung oder entschiedenen Metallglanz sich auszeichnen, gehören unzweifelhaft zur Ordnung der schweren Metalle. Häufig giebt dann schon die Färbung eine genügende Andeutung, in welcher Gruppe ein betreffendes Mineral zu Hause ist. Während die edlen Metalle durch die Seltenheit ihres Borkommens ohnehin weniger Beschwerde machen, zeigen die leichtreducirbaren Metalle, wie Zinn, Blei, Wismuth und Antimon ein sehr charakteristisches Verhalten vor dem Löthrohr, und lassen sich hiernach unterscheiden. Endlich geben Minerale, die beim Erhitzen sich schwärzen und nachher theilweise oder ganz verbrennen, zu erkennen, daß sie zur Klasse der o r g a n i - 28 Oryttognoste. schen V e r b i n d u n g e n gehören, wo man auch die ohnehin leicht kenntlichen harzigen Minerale zu suchen hat. 39 Zur Bezeichnung der Minerale bedienen wir uns mit Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit der chemischen Formeln. Es ist uns daher von Vortheil, schon mit der Chemie bekannt geworden zu sein, auf die wir hier fast bei jedem Schritte hingewiesen werden. Zur Vereinfachung derchemischenFormeln der Minerale hat man gewisse Zeichen eingeführt. Bei weitem die meisten Minerale enthalten Sauerstoff oder Schwefel, verbunden mit einem nMmetalltschen oder metallischen Radical. Man bezeichnet nun ein Aequivalmt Sauerstoff durch einen Punkt, ein Aequivalent Schwefel durch einen Strich, angebracht über dem Zeichen des Radicals. So z. B. ist X — 1 ^ 0 — K a l i u m o x y d ; 8 i - 8 i 0 g -Kieselsäure; ? d - - ? d 8--Schwefelblei; 3d (oder 8d) — KdZz — fünffach Schwefelantimon u. s. w. Wenn zwei Aequivalente des Radicals vorhanden sind, so macht man einen Querstrich durch sein ZeicheA, folglich R s - P s - z ^ Z — Eisenoxyd; M --- ^ 2 Og — Aluminiumoxyd oder Thonerde. I m Uebrigen wird im Anschreiben der Formeln nach den § . 1 9 der Chemie gegebenen Regeln verfahren; daher ist X 8 - j - M Zs — 150,8 0g -s- ^ 2 ^ 3 , 3 8 0g — Alaun. Wie man sieht, fallen bei Verbindungen erster Ordnung die Komma hinweg und es werden mehrfache Aequivalente durch Zahlen rechts oben bezeichnet. M Bei der Beschreibung des A l a u n s , im §. 95 des chemischen Theiles, wurde bereits die merkwürdige, auf dem Isomorphismus (§. 22) beruhende Thatsache angeführt, daß die Basis einer Verbindung, theilweise oder gänzlich ersetzt werden kann durch gewisse andere Basen, ohne daß der..Hauptcharakter dieser Verbindung, insbesondere ihre Krystallform, wesentlich verändert wird. I n der Mineralogie finden sich hierfür noch eine Menge von Beispielen, namentlich bei der großen Reihe der kieselsauren Doppelsalze. So bilden einerseits Kali, Natron, Ammoniak und Kalk, andererseits Kalk, Magnesia, Eisenoxydul und Manganoxydul, sowie ferner das Eisenoxyd, Chromoxyd und die Thonerde Gruppen von Metalloxyden dieser Art. Man nennt dieselben alsdann die sich vertretenden oder vicarirenden Bestandtheile einer Verbindung und bezeichnet dies, indem man ihre Zeichen in eine Klammer einschließt, oder unter einander reiht. Eins der auffallendsten Beispiele der Art bietet die Zusammensetzung des G r a n a t s , welche der folgenden Formel entspricht: (da, ^ 5 , 5 s , llln)3 8 i 0 - j - ( A , k s , 6 r ) 8 i . Wir haben demnach hier ein Doppelsilicat vor uns, bestehend einerseits aus 1 Aequivalent Kieselsäure, verbunden mit 3 Aeq. der sich vertretenden Bastn Kalk, Magnesia, Eisenoxydul oder Manganoxydul; andererstits aus 1 Aeq.! Beschreibung der Minerale. 29 Kieselsäure, verbunden mit 1 Aeq. der Basen Thonerde, Eisenoxyd Oder Chromoxyd. Man bedient sich auch, um die Zusammensetzung derartiger Verbindungen kurz auszudrücken, allgemeiner Formeln, wie z.B. für den Granat der folgenden: Ks A - 1 - 3 8 1 , indem K. eins der erstgenannten, 3 eins, der letzteren Metalloxyde vorstellt. Bei Aufstellung dieser Formeln kommt es wesentlich darauf an, daß in dem Sauerstoffgehalt der Säuren zu dem der Basen ein bestimmtes Verhältniß stattfindet, wie es am deutlichsten aus der Betrachtung der allgemeinen Formel iiZ Zi hervorgeht. Hiernach kommen auf die 3 Aeq. Sauerstoff der Kieselsäure 3 Aeq. Sauerstoff in der mit ihr verbundenen Menge von Basis, gleichviel ob letztere nur aus einem einzigen Metalloxyd, oder aus einem Gemenge der oben genannten besteht. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß es für eine große Reihe von Mineralen unmöglich ist,sienach ihrer metallischen Basis im System einzureihen, und man zieht daher'vor, die sämmtlichen S i l i c a t e in einer besondern Klaffe zusammenzustellen. Beschreibung der Minerale. Es ist uns nur gestattet, die wichtigsten Minerale in gedrängter Weise 4 1 hier aufzuführen. Bei mehreren, wie z. B . bei den Kohlenartön, ist bereits im chemischen Theile eine ausführliche Darstellung gegeben worden, so daß mitunter die bloße Andeutung genügt. Die meisten der einfachen Minerale treten im Raume nur in untergeordnetem Verhältnisse auf. Doch bilden manche, in großen. Massen gehäuft, bedeutende Theile der Erdrinde, weshalb ihrer nochmals bei den Gesteinen oder Felsarten gedacht wird. I n der folgenden Beschreibung bedeutet H. die Härte und D. die Dichte oder das specifische Gewicht der Minerale. Die Benennung der Minerale ist eine im Laufe der Zeit, ohne wissenschaftliche Grundlage entstandene und darum ziemlich mangelhafte. D a finden wir die sonderbarsten Namen durcheinander, die theils aus der Volkssprache entliehen sind, während zugleich einige Minerale nach ihrem Fundorte, andere nach berühmten Naturforschern und nur wenige nach ihren Eigenschaften oder chemischen Bestandtheilen benannt sind. Eine Aenderung ist hierin jedoch nicht zulässig und würde die größte Verwirrung anrichte«. Haben wir doch i n der Chemie die Namen Wasser, Salzsäure und Soda beibehalten, anstatt die der Wissenschaft entsprechenden von Wasscrstoffoxyd u. s. w. einzuführen. Orpktognosie. 30 I. Klasse der 1. 42 Metalloide. (3-ri2.pp6 ÄS3 Zoll.'VV'Gt'Olg. 1 . .Gediegener Schwefel. Krystallsystem: rhombisch. Die Grundform, das Rhomben-Octasder, kommt mit mehrfachen Enteckungen und Entkantungen vor (Fig. 48, 49 u. 50). Häufig findet sich auch krystallinische: oder körniger und erdiger Schwefel, seltener der faserige. Seine Spaltbarkeit ist unvollkommen; der Bruch muschelig bis uneben; H. — 1,5 bis 2,5; spröde, zerbrechlich; D . — 1,9 bis 2,1. Die übrigen, namentlich chemischen Eigenschaften des Schwefels und seine Anwendung sind in §. 40 der Chemie be" schrieben worden. Der wichtigste Fundort des Schwefels ist Sicilien, wo> er in tertiären Bildungen, namentlich von Kalkspath und CNestin begleitet, beiMrgenti, Fiume u. s. w. gewonnen wird. Vorzüglich schöne Schwefelkrystalle finden sich iu ConiUa bei Cadix. Bedeutend sind ferner die Lager von erdigem Schwefel bei Czarkow und Swoszowice in Polen. Außerdem giebt es in Deutschland un? dem übrigen Europa, sotvie auch in den anderen Welttheilen noch viele Orte, wo Schwefel sich findet, besonders als Anflug, in der Nähe von Vulcanen unl Schwefelquellen, die jedoch sämmtlich, i n Europa wenigstens, an Reichhaltigkeit und Reinheit ihres Minerals dem sicilischen weit nachstehen. I. Kl. 2. u.. 3. Selen. Tellur. Arsen. Kohlenstoff. 31 <3-rnpp6Q ÄG3 8si6u.8 rl.n.6. «H.68 I?s1!u.r8. Das S e l e n ist ein einfacher, in seinen chemischen Eigenschaften dem 43 Schwefel höchst ähnlicher Körper, von grauer, nach dem Schmelzen braun werdender Farbe. Es findet sich äußerst selten gediegen und verbreitet beim Verbrennen einen unangenehmen Geruch nach faulem Rettig. Selen-Schwefel, von orangegelber Farbe, kommt auf der Insel Volcano vor. Das T e l l u r , ebenfalls eins der seltneren Elemente, kommt gediegen, in Gestalt von weiß metallglänzenden, krystallinischen Blattchen und Tafeln vor; es verbrennt mit eigenthümlichem Geruch. H. — 2,5; D . — 6,4, Oefter findet es sich in Verbindung mit Metallen, insbesondere mit Gold. Dieses giftige Metall kommt in ziemlich zahlreichen metallischen Verbin- 44 düngen vor, wie z, B. das Arsenik-Nickel, Arsenik-Kobalt u. a. m. Die arsenhaltigen Minerale geben vor dem Lothrohr einen weißen, stark nach Knoblauch riechenden Dampf, der aus giftiger, arseniger Säure besteht. Zu bemerken sind: , Das Gediegen-Arsenik, welches selten und nur in kleinen, nadelförmgen Krystallen, öfter in rundlichen derben und dichten Stücken angetroffen wird, u.A. im Erzgebirge und im Harz. Es hat zinnweißen bis grauen Metallglanz, läuft jedoch an der Luft bald schwärzlich an; H. — 3,5; D. — 5,7. Zehr häufig ist demselben Antimon oder Silber beigemengt. Als ein Erzeugnis aus dem vorhergehenden ist die A r s e n i k b l ü t h e , ^ s O g , (arsenige Säure), anzusehen, die jedoch nur in unbedeutender Menge erscheint, meistens in unregelmäßiger Form, mit diamantartigem Glanz und von weißlicher Farbe. " Realgar (^.382) oder rothes Rauschgelb ist das niedere Schwefelarsen, welches als aber auch in derben Maffen erscheint. Es hat Fettglanz, eine lebhafte rothe Farbe und giebt einen gelben Strich. Man wendet es als Malerfarbe und zu Weißfeuer an. Fundorte häufig, z. B. Andreasberg am Harz. Das A u r i p i g m e n t (^.583) oder Operment ist das höhere Schwefelarsen, das selten krystallifirt, sondern meist in Massen von rundlichen Bildungen, meist in Gesellschaft mit dem Vorhergehenden vorkommt, hat Fettglanz und eine lebhaft citronengelbe Farbe, weshalb es zum Malen benutzt wird (vergleiche Chemie §. ZI). ' ' 1. D i a m a n t . Derselbe findet sich krystallisirt i n verschiedenen Formen 4 3 des regulären Systems. Die Flächen der Krystalle sind meist rauh, streifig und gekrümmt. Er hat die größte Härte — 10; D . — 3,5 bis 3,6; ist meist spaltbar-, durchsichtig, meistens ungefärbt, von stärkstem Glanz und Licht« 32 Oryktoglwsie. < brechungsvermögen und der werthvollste Edelstein. Sein Vorkommen ist vor«' zugsweise aufgeschwemmtes Land oder Trümmergestein der neueren Bildungen, in Ostindien, wo die größten Diamanten aufgefunden worden sind (in Bündelkund, Golconda), — in Brasilien, das gegenwärtig die meisten Diamanten lie-! fcrt (Minas Geraes, Tejuco) — und in letzter Zeit wurde er auch am Ural aufgefunden. Meistens wird er aus dem Sande der Flüsse gewaschen. DasHandelsgewicht für Diamanten ist das K a r a t , wovon 74 — 1 Loth sind; oder 1 Karat — 205 Milligramme. 1 Karat kleiner Diamanten, die gepulvert zum Schleifen oder Poliren der größeren, oder zum Glasschneiden :c. verwendbar sind, kostet 14 bis 17, schleifbarer Rohdiamant aber 48 Gulden. 1 Karat geschliffener Diamant (Brillant) kostet 100 bis 135 Fl., dagegen steigt mit dn zunehmenden Größe der Preis in quadratischem Verhältniß so rasch, daß ein Brillant von 5 Karat schon 2- bis 3000 F l . kosten kann. Als Seltenheiten von fast unbezahlbarem Werthe befinden sich in den Schatzkammern verschiedener Herrscher Diamanten von 200 bis 136 Karat. Der berühmte Diamant des Groß-Moguls Ko-hi-nur, d. i. Lichtberg genannt, wog, als er in Besitz der englischen Krone kam, 186 Karat; der in Fig. 51 in wirklicher Größe abgebildete Brillant wiegt 136. Er wird der Regent genannt, weil er von dem Herzog von Orleans, Regent von Frankreich, für 21/2 Million Franken angekauft wurde; im Jahre 1848 iß derselbe unter dem Werthe von 6 Mil" lionen Franken ins Kroninvcntar einge^ tragen worden! 2. G r a p h i t l R e i ß b l e i ^ i u m d ^ o ! findet sich in tafelartigen, dem hexagonalen System angehörenden Krystallen, meist jedoch in Schuppen und Blättchen. H. — I b i s 2; D . — 1,8 bis 2,4; spaltbar, stahlgrau bis schwarz, abfärbend, fettig anzufühlen. Man trifft denselben vorzugsweise eingewachsen in verschiedenen Gesteinen, wie zu Passau in Baiern, Borrowdale in England u. a.O. m. Die geringeren Graphitsorten werden zu Dfenschwärze und Schmelztiegeln, die feineren zu Bleistiften verwendet. 3. A n t h r a c i t , aus derben Massen von muscheligem Bruch bestehend; H. — 2 bis 2,5; D. — 1,4 bis 1,7; graM lassung von wenig Asche. Findet sich in Lagern, mitunter von bedeutendet Mächtigkeit, in den älteren Gebirgsbildungen, wie z. B. in Sachsen, am Harz. Wird mit starkem Gebläsefeuer öder Zug zu den größeren Feuerarbeiten benutzt. 4. Schwarzkohle oder Steinkohle, von derber Masse, schieferig, faserig, dicht oder erdig; Bruch muschelig, uneben, selten eben; Farbe schwarz, glänzend, schimmernd bis matt. H. — 2 bis 2,5; D — 1,15 bis 1,5. Voi dem Löthrohr mit bituminösem Geruch und Hinterlassung von Asche verbren- I. K l . Kohlenstoff. Stewkohle. Braunkohle. 33 nend. Die Schwarzkohle enthält bis gegen 90 Procent Kohlenstoff, außerdem Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff in wechselnden Verhältnissen; ferner mineralische Beimengungen bis zu 20 Procent, worunter namentlich Eisenkies. Unterscheidet sich von der nachfolgenden Braunkohle, indem sie der Kalilauge keine braune Farbe ertheilt; auch läßt sie nur selten ihre pflanzliche Abkunft erkennen. I n Rückficht der verschiedenen Absonderung unterscheidet man: Schieferkohle (Blätterkohle), derb mit blätterigem oder schieferigem,Gefüge, oft bunt angelaufen; Grobkohle, dickschieferig, auf dem Bruch uneben, grobkörnig; Faserkohle, faserig, der Holzkohle ähnlich, besonders ausgezeichnet bei Kusel in Rheinbaiern vorkommend; Kännelkohle, dicht mit großmuscheligem Bruch und schwachem Fettglanz; Pechkohle oder Gagat, leicht zersprengbar, von unvollkommen muscheligem Bruch, starkem Fettglanz und pechschwarzer Farbe, daher zu solcher häufig verwendet, auch zu kleinen Schmucksachen verarbeitet; Nußkohle, erdig, zerreiblich, stark abfärbend. Die genannten Kohlenarten finden sich meist in verschiedenen Schichten derselben Kohlenlager, öfter wechselnd und mannichfaltige Uebergänge in einander bildend; Vorkommen und Verbreitung derselben wird im geologischen Theile angeführt. 5. B r a u n k o h l e oder L i g n i t . Die Braunkohle zeigt meistens eine holzartige, ihrem Ursprung entsprechende Bildung, kommt auch blätterig, dicht und erdig, mit muscheligem Bruch vor. H. — 1 bis 2,5; D. — 0,5 bis 1,7. Ihre Farbe geht, von Schwarz, Braun bis zu Gelblichbraun; giebt mit Kalilauge behandelt eine braune Lösung; verbrennt mit brcnzlichem Geruch und mehr oder weniger Aschenrückstand., Der Kohlenstoffgehalt der Braunkohle geht bis 70, höchstens 80 Procent, mit wechselnden Mengen von Sauerstoff und Wasserstoff. Arten derselben sind: bituminöses Holz oder fossiles Holz, mit ganz erhaltener Holzstructur; gemeine B r a u n k o h l e , theilweise holzartig, theilweise derb, besonders häufig mit Ueberresten von Blättern, Samen, Früchten, in der Wetterau (Hessen) vorkommend; M o o r k o h l e , derbe, eckig zerklüftete Masse-, Papierkohle, aus papierdünnen Blättern bestehend, kommt bei Bonn mit Abdrücken von Fischen und Blättern vor und wird zur Paraffinfabrikation benutzt; Pechkohle, kohlenschwarze, derbe geborstene Masse, der Steinkohle ähnlich und selten Holzgefüge erkennen lassend, durch Druck und die Einwirkung basaltischer Durchbrüche aus gemeiner Braunkohle entstanden, wie am Meißner in Hessen; Erdkohle, staubartig erdig, zerreiblich, hellbraun bis schwärzlich, zum Theil als kölnische Erde oder Umbra zu Farbe verwendet; Alaunerde, auch Alaunschiefer/Kohlcnschiefer und Alaunerz genannt, aus erdiger und grobschieferiger, derber Masse bestehend, viel Eisenkies und Thonerde führend, und daher zur Fabrikation von Vitriol und Alaun dienend, z. B. in Buchsweiler (Elsaß). Ueber weitere kohlige Bildungen, wie T o r f und Humus, sowie über die vorstehend beschriebenen Minerale der Kohlenstoffgruppe, sind zu vergleichen z. 52, 211 bis 215 der Chemie. 34 - Otyktognone. G. 46 (3-rnpps ÄG8 8il.winrll.s. Das Silicium findet man im Mineralreich nur in Verbindung mit Sauer- ^ stoff, als Siliciumsäure 81, von den Chemikern jedoch Kieselsäure oder Kie-! selerde genannt, nach dem bekannten Kiesel. Derselbe ist nämlich Kieselsäure, > die außerdem noch in Verbindung mit Metalloxyden eine große Reihe von M i neralen bildet, die unter dem Namen der S i l i c a t e in eine besondere Klaffe', vereinigt werden. Minerale, die aus reiner Kieselsäure bestehen oder nur noch . kleine Mengen färbender Oxyde enthalten, werden Quarze genannt und bilden , eine Familie. Aus wasserhaltiger Kieselsäure bestehen der O p a l und die ihm l angereihten Familienglieder. l F a m i l i e des Q u a r z , 8 i . 4? ^ i Kristallsystem: hexagonal; am häusigsten kommen die in Fig. ! und Fig. 2 abgebildeten Gestalten vor. Oefter findet sich jedoch der Quarz als krystallinische, als derbe oder körnige Masse. Sein Bruch ist muschelig; H . — 7 ; D . — 2,5 bis 2,8. Er ist entweder wasserhell oder weiß und kommt in allen Farben in dm verschiedensten Abstufungen vor. M i t Ausnahme der Fluorwas- ^ ferstoffsäure (Chemie z. 48) ist er in keiner Säure auftöslich; am Löthrohr! schmilzt er mit Soda zu durchsichtigem G l a s ; mit dem Stahl giebt er lebhafte Funken. Seine verschiedenen Arten sind die folgenden: 1. Der B e r g k r h s t a l l , der in schönen, wasserhellen sechsseitigen Säulen von beträchtlicher Größe in den verschiedensten Gcbirgsbildungen gefunden wird. Besonders ausgezeichnet sind die aus den Höhlen des S t . Gotthard kommenden Krystalle, und von außerordentlicher Größe und Reinheit hat man auf Madagascar Blöcke von 15 bis 20 Fuß im Umfange angetroffen. Man benutzt den Krystall zu Schmuck und als Zusatz von reinen Glasflüssen. Oefter ist er schwach gefärbt, und häufig enthält er verschiedene fremde Minerale als Blättchen und i n anderen Formen eingeschlossen. 2. Der Amethyst ist durch etwas Manganoxydul mehr oder wenig dunkel violett gefärbter Quarz, der weniger in vollkommen ausgebildeten, als vielmehr in drusig verwachsenen Krystallen vorkommt. Er findet sich vorzugsweise in Nlasenräumm des Porphyr- und Mandelsteins u.A. bei Oberstein im Nahethal, und da er nicht selten angetroffen wird, so ist er ein häufig zu Schmuck verwendeter Stein von geringerem Werth. I m Alterthume hielt man ^.M ^ M ; gen eines Amethysts für ein Mittel gegen die Trunkenheit. 3. Gemeiner Q u a r z heißt der Kiesel, wenn er nicht mehr in reinen Krystallen, sondern nur krystallinisch, derb, körnig oder in Stücken, Geschieben, Körnern in der Form von Sand auftritt. Der körnige Quarz bildet theils ein bedeutendes Massengestcin, den Q u a r z f e l s , theils bildet er mit anderen Mineralen gemengte Gesteine, wie z. B. den Granit. Er ist sehr verbreitet und I. K l . Quarz. Chalcedon. Achat. 35 seine reineren Arten werden M Glas, Porzellan u. s. w. angewendet. Meistens ist er weiß gefärbt, durchscheinend, doch erhalten einige Abänderungen desselben besondere Namen, wie der rosenrothe Rosenquarz, der blaue S i d e r i t , der Schillerquarz oder das Katzenauge, wegen eines eigenthümlichen SchiUerns so genannt, der A v a n t u r i n , welcher gelbe und röthliche Schuppen von Glimmer eingemengt enthält und dadurch ein artiger Schmuckstein ist. Der Eisenkiesel, ein thonhaltiger, durch Eisen roth oder braun gefärbter, derber oder krystallisirter Quarz, öfter aus einer Anhäufung von kleinen Krystallsäulchen bestehend, besonders schön bei S t . Iago unter dem Namen der Hyacinthen von Compostella vorkommend. Auch die F u l g u r i t e oder Blitzröhren seien hier erwähnt, welche durch das Einschlagen des Blitzes in Quarzsand aus an einander geschmolzenen Körnern bestehen, die zu röhrenförmigen Bildungen vereinigt sind. 4. Der Chalcedon ist ein undurchsichtiger, in kugel-, traubcn- oder nierenförmigen Massen vorkommender Quarz, der die verschiedensten Farben und häufig allerlei Zeichnungen enthält. Der roth- oder gelbgefärbte heißt Carneol, der grüne Chrysopras oder H e l i o t r o p , wenn er blutrothe und gelbe Punkte eingesprengt enthält. Der schwarz und weiß gestreifte Chalcedon wird O n y x , der roth und weiß streifige S a r d o n y x genannt. 5. Der Achat ist ein Mineral von schöner, mannichfaltiger Färbung und Zeichnung, das aus einem Gemenge mehrerer Quarzarten, insbesondere aus Amethyst, Chalcedon'und Jaspis besteht Die vorstehend genannten Steine werden geschliffen und polirt und zu Gegenständen des Schmuckes, Perlen, Ringsteinen, sowie anderen Kunstwerken verarbeitet. Auch werden aus dem Achat Neibschalcn zum Zerreiben harter Körper, sowie Polirsteme und Glattsteine verfertigt. Der Onyx gab schon im Alterthum das geschätzte Material zum Schneiden der Cameen, indem man seine streifig wechselnde Färbung benutzte. I n Oberstein bei Creuznach, wo diese Steine sich vorfinden, bildet ihre Verarbeitung eine sehr bedeutende Industrie; doch werden die schönsten Steine von auswärts bezogen. Auch versteht man dieselben künstlich zu färben, indem man sie monatelang in Honig kocht und nachher in Schwefelsäure legt. 6. Der Feuerstein, dessen Eigenschaften bekannt sind, findet sich in größeren, unregelmäßigen Massen, namentlich bei Paris und in der Champagne. Seit Einführung der Zündhütchen und Reibzündhölzer hat er an Wichtigkeit bedeutend verloren. 7. Der Hornstein ist ein dem Feuersteine etwas ähnlicher, jedoch im Bruch splittrigcr, dem Hörne auffallend gleichender Quarz. Hierher gehört auch der Holzstcin, der ganz die Structur des Holzes zeigt, indem dasselbe durch Eindringling von Kieselsäure versteinert worden ist. 8. Der J a s p i s ist durch größeren Gehalt von Thonerde und Eisenoxyd undurchsichtig, oft matt und von geringerem Glänze, als die vorhergehenden. Er kommt in allen Farben vor, unter welchen jedoch Gelb, Roth und Braun vorherrschen. 36 Oryktognosie. 9. Der Kieselschiefer ist ein durch Kohle' schwarz gefärbtes, aus Quarz, Thonerde, Kalk und Eisenoxyd gemengtes Mineral, das als Wetzstein und Probirstein (Chemie §. 107) benutzt wird. F a m i l i e des O p a l s , 8 i H . 48 Der Opal bildet eine besondere Gattung des Quarz, die Wasser in chemischer Verbindung enthält, nicht krystaüisirt, sondern meistens in derben glasartigen Massen vorkommt, und namentlich dadurch sich auszeichnet, daß einige Arten desselben ein eigenthümliches Farbenspiel zeigen, woher der Ausdruck o p a l i s i r e n , d. i. in Farben spielen, entlehnt ist. Am ausgezeichnetsten hat diese Eigenschaft der edle O p a l , der in grünen, rochen, blauen und gelbcn Farben spielt und deshalb als werthvoller Schmuckstem sehr geschätzt wird. I n geringerem Grade findet es beim H a l b o p a l oder gemeinen O p a l Statt, der stets nur eine Farbe zeigt. Merkwürdig ist der H y d r o p h a n , auch Weltauge genannt, der Durchsichtigkeit und Farbenspiel nur dann erhält, wenn man ihn mit Wasser befeuchtet. Der b y a l i t h oder Glasopal findet sich in Gestalt was. serheller, eis ähnlicher Tropfen, die gehäuft einen niercnförmigen Ueberzug auf « anderem Gestein bilden. Der Kieselsinter und Kieselguhr sind ebenfalls wasserhaltige Quarze, von welchen der erstere sich in mannichfaltigen Gestaltungen aus heißen Quellen, namentlich aus dem Geyser auf Island absetzt. Der Kieselguhr ist ein erdiger Absatz aus kieselhaltigen Wassern und zeigt sich bei der näheren Betrachtung durch das Mikroskop fast ganz M s Kieselpstänzchen, sogenannten Stabalgen oder Vacillarien bMehend. Eine Art desselben wird unter dem Namen P o l i r s c h i c f e r zum Schleifen und Poliren angewendet. 7. Q-ru.pV6 cles Vors. 49 Findet sich selten und nur mit Sauerstoff verbunden als B o r s ä u r e , L N 2 , i n krystallinischen Blättchen und als Ueberzug der Erde in der Nähe vulcamscher Quellen, ist zerreiblich; D. — 1,48, durchscheinend, weiß, säuerlichbitter, schmilzt leicht und färbt die Flamme grün, löslich in Wasser und Weingeist. Die Borsäure setzt sich theils am Rande, theils am Boden vulcanischer Quellen oder Seen a b , wie namentlich i n denen von Sasso (daher Sassolit), Caftelnuüvo u. a. m. in Toscana, Insel Volcano. I I . Kl. Salpeter. Chilisalpeter. Steinsalz. II. 3? Klasse der leichten M e t a l l e . 8. Oru-pps ÄS8 RHiinNS. Die meisten und wichtigsten der kaliumhaltigen Minerale gehören zur 50 Klasse der Silicate. Von den übrigen Kalisalzen werden erwähnt: Der S a l p e t e r , der in rhombischen Säulen krystallifirt, in der Regel jedoch nur als nadelförmiger Ueberzug an sehr vielen Orten vorkommt (vergl. Chemie K. 74). I n größerer Menge wittert er in Ostindien, am Ganges aus dem Boden und wird durch Auslaugen der Erde gewonnen. Auch in Ungarn stellen große Salpetersiedereien in Nagy-Kallo und Debreczin aus der dort vorkommenden Salpetererde den Salpeter dar. Das schwefelsaure K a l i , V I 8 , welches demselben Krhstallsysteme angehört, findet sich zuweilen in vulcamschen Laven. 1. Das salpetersaure N a t r o n ( N a t r o n - S a l p e t e r , Fa§s) krystal« 31 lisirt im hexagonalen System als stumpfes Rhombosder, und kommt in krystallinischer Masse von bedeutende? Mächtigkeit vor, die sich namentlich in Peru in den Districten von Atakama und Tarapaca über 30 Meilen erstrecken in Lagern von wechselnder Dicke, von 2 bis 3 Fuß, die fast ganz aus reinem, trockenem, hartem Salz bestehen und fast unmittelbar unter der Oberfläche des Erdreichs liegen; auch macht er an anderen Orten den Hauptgemengtheil sandiger Ablagerungen aus. Er bildet mehr oder weniger gereinigt unter dem Namen C h i l i s a l p e t e r einen wichtigen Handelsartikel und wird zur Darstellung des Salpeters, der Salpetersäure und als Dungmittel verwendet. 2. Das S t e i n s a l z (natürliches Kochsalz; Chlornatrium; RaOI) krystallisirt im regulären System als Würfel; kommt jedoch meistens in platten sonniger krystallinischer Masse, auch blätterig und faserig vor; sehr spaltbar nach den Flachen der Krystallform; Bruch muschelig; H . — 2 ; D . - 2 , 2 bis 2,3; Farbe meistcus weiß, mitunter auch gelb, roth, grün und blau; diechemischenEigenschaften und Benutzung siehe §. 78 der Chemie. Das Steinsalz kommt in Lagern von verschiedener Mächtigkeit, hänsig in Begleitung von Gyps, Thonqyps und Salzthon vor. Berühmt sind namentlich die Salzwerke von Hallein im Salzburgischen und von Wielizka in Galizien, in welch letzterem das sogenannte Kni'stersalz sich findet, das in Waffer unter einem knisternden Ge- 38 Oryktogtwsic. rausch und Ausstoßung vieler Blasen von Wasserstoffgas und Kohlenwasserstoffgas sich auflöst. Die Gase sind zwischen den Kiystallflächen des Salzes einge- , schlössen. Bei Cardona in Spanien erhebt sich ein schon im Alterthum! berühmter Salzfels 550 Fuß hoch und eine Stunde im Umfang, dessen gletscherartige Spitzen und Zacken aus reinstem Salz bestehen! Besonders ^ merkwürdig ist ferner die Auswitterung des Kochsalzes aus dem damit durch- ^ drungenen Boden mancher Landstriche, so daß Strecken von großer Ausdehnung ! mit einem krystallinisch-körnigen Ueberzug bereift erscheinen, wie die sogenannten Salzsteppen Mittelasiens und ähnliche Vorkommnisse im Atlas in Afrika und in Südamerika. Auch ist der Salzseen zu gedenken, die beim Verdunsten Köchsalz absetzen und deren in der Kirgisensteppe und in der Krim mit 13 bis 24 Procent Salz angetroffen werden. Von anderen Salzen des Natrons, die jedoch von geringerer Wichtigkeit sind, finden sich als Minerale: wasserfreies und wasserhaltiges schwefelsaures Natron, T h e n a r d i t , Na.3, und G l a u b e r i t , ^ g . 8 - ^ - 1 0 1 1 ; kohlensaures N a t r o n mit viel Nasser, Ua ö - j - 10 U, und mit weniger Wasser, T r o n a , I^g,2i)3»s.4il, genannt, welch letzteres im Innern der Barbarei in der Provinz Sukena i n großer Menge als UeberzuZ des Erdbodens, in Armenien und in den Natronseen Aegyptens vorkommt und wie Soda verwendet wird. Es ist zu bemerken, daß diese Salze des Natrons an den genannten und vielen andeTen Orten meist in Gesellschaft sich finden, insbesondere auch gelöst in Mineralquellen. ^ Das boraxsaure Natron, Ä a V -s- 10 U, heißt als Mineral Borax oder T i n k a l , und findet sich in Tibet auf dem Grunde und am Ufer eines SeesSeine Krystalle haben als Grundform die klinorhombische Säule. H. — 2,0 bis 2,5. D. —- 1,5 bis 1,7. 10. GeUOPS clS8 ^.TQNIONiM». 52 e D a die Ammoniakverbindungen, wie in §. 84 die Chemie lehrt, flüchtiger Natur sind, so kommen sie im Mineralreiche zwar nicht eben selten, aber in höchst unbedeutender Masse, meistens als krystallinischer Anflug oder Neberzug ' vor, so z.B. der S a l m i a k und das schwefelsaure Ammoniak in den Höhlen und Spalten von Lava der noch thätigen Vulcane, in Braunkohlenwerken, namentlich in der Nähe brennender oder ausgebrannter Lager. N, 53 (3-rnppG cl.G3 O3.1oiu.ni8. Dieses Metall bildet eine reiche Gruppe von Mineralen, die bei geringer Härte und Dichte eine vorherrschend reine weiße Farbe haben. Zu bemerken find: 1. Der F l u ß s p a t h , O a ^ I , der in den verschiedenen Formen des regulären Systems, besonders häufig als Würfel krystallisirt. Er ist sehr vollkom- II. Kl. Anhydrit. Gyps. Apatit. 39 men spaltbar, hat muscheligen Bruch; H. — 4 ; D. -^- 3,1 bis 3,17; er ist durchsichtig bis durchscheinend, selten weiß, sondern meistens schwach violett, gelb, grün u. s. w. gefärbt; seine chemischen Eigenschaften s. Chemie §. 48. Der Flußspath findet sich häusig, jedoch nicht in größeren Massen; er erhielt diesen Namen von seiner Verwendung als Flußmittel bei gewissen Metall« schmelzungen. Flußstein und Flußerde heißt dasselbe Mineral, wenn es als derbes Gestein oder als erdige Masse vorkommt. 2. Der A n h y d r i t , ^ 8 , oder wasserfreier, schwefelsaurer Kalk, kommt iy der Nähe des Gypses und Steinsalzes, sowohl krystallisirt, als auch strahlig, kömig und dicht vor. 3. Der G y p s , Öa 8 - j - 2 N> ist wasserhaltiger schwefelsaurer Kalk, dessen Krystalle meistens tafelförmig sind und in sehr dünne, biegsame Blättchen sich spalten lassen. Sie gehören dem klinorhombischen System an und Fig. 52 nnd Fig. 53 zeigen Gypskrystalle, wovon der Letztere ein Zwilling ist. H . — 2 ; D. — 2 bis 2,4; er hat doppelte Strahlenbrechung, Glasglanz und meistens eine weiße Farbe. Der also beschaffene Gyps wird Gypsspath, auch Selenit oder Marienglas genannt. Außerdem findet man den Fasergyps, Schaumgyps, den dichten oder körnigen Gyps, der Alabaster heißt, und den erdigen Gyps. Seine Anwendung s. Chemie §. 87. 4- Der A p a t i t , der wegen seiner schönen blaßgrünen Farbe auch Spargelstein heißt, ist ein aus phosphorsaurem Kalk, Fluor- und Chlorcalcium zu!01 sammengesetztcs Mineral, entsprechend der Formel: ZOa.sl' - j - Oa ^ . Dasselbe krystallisirt hexagonal meist in Gestalt kurzer säulenförmiger, bis dick tafelförmiger Krystalle, mitunter von übermäßigem Reichthum der Combiuationsfiächen. Er findet sich öfter eingemengt in verschiedenen Felsarten. Ein erdiger Apatit, Osteolith (Knochenstein) genannt, der in der Wetterau vorkommt, enthält 86 Proc. phosphorsauren Kalk und ist daher als Dungmittel in Vorschlag gebracht worden. 40 Oryktognosie. 5. Der P h a r m a k o l i t h ist arseniksaurer Kalk, ( ^ X s - s - S I I , findet sich in meist farblosen haar- und nadelförmigen Krystallen in der Nachbarschaft des Arsens und arsenhaltiger Erze. ' 6. Kohlensaurer K a l k , C a l c i t , ^ 2 . 0 : 54 Dieses Mineral bietet ein Beispiel des Dimorphismus, indem es in Formen krystallisirt, die zwei verschiedenen Systemen angehören, weshalb seine Arten zwei Familien bilden, nämlich die des Kalkspaths und die des Arragonits. 1. Der Kalkspath krystallisirt im hexagonalen System, vorzugsweise in Abänderungen des Rhombosders, die jedoch so außerordentlich mannichfaltig find, daß man schon an 700 verschiedene Formen desselben beobachtet hat. Glücklicherweise find die übrigen Merkmale des Kalkspaths der Art, daß er fich ziemlich leicht erkennen läßt. Er ist vollkommen spaltbar, hat einen muscheligen, splitterigen, unebenen Bruch; H. ---- 3; D.---2,6 bis 2,17; wird beim Neiben elektrisch; löst sich in starken Säuren unter Aufbrausen der entweichenden Kohlensäure, und wird durch Glühen in ätzenden Kalk verwandelt (Chemie §. 86). Seine verschiedenen Arten sind: k. K r y s t a l l i f i r t e r Kalkspath, auch Doppelspath genannt, weil er in hohem Grade die Eigenschaft hat, eine doppelte Brechung der Lichtstrahlen zu veranlassen. Er bildet meistens tafelförmige, glasglänzende, durchsichtige und ungefärbte Krystalle, die sich häusig und in allen Bildungen, namentlich auch in Drusenräumen finden. Berühmt wegen seiner Schönheit ist der auf Island gefundene Doppelspath. d. Faseriger Kalk, der vorzugsweise als Tropfsteinbildung in den Höhlen der Kalkgebirge vorkommt, o. M a r m o r o'dcr körniger Kalk, der außerordentlich geschätzt wird, wenn er vollkommen weiß, feinkörnig, hart und wenig von gefärbten Adern durchzogen ist. So dient er zur Darstellung der herrlichsten Bildwerke, und die berühmtesten Marmorbrüche sind die von Carara in Italien und Paros in Griechenland. Viel häufiger ist dagegen der gefärbte Marmor, der nicht selten bunt gesteckt, geädert, daher «marm o r i r t « ist und als Baustein zu Platten, Säulen :c. verwendet,-einer der schönsten Baustoffe ist und auch häufig durch gefärbten und polirten Gyps (Stucco) nachgeahmt wird. ä. Schieferspath. 6. Schaumkalk, f. K a l k , stein, dichter Kalkstein, an welchem keine krystallinische Bildung wahrnehmbar ist und der meistens in großen Massen, Kalkgebirgen auftritt. Er kommt in allen Gebirgsbildungen in den mannichfaltigsten Formen und Farben vor, als S t i n k k a l k , Mergelkalk, Rogeustein, Kalktuff u. s. w. Er ist das gewöhnlichste Versteinerungsmittel und schließt häusig Gebilde organischen Ursprungs ein. F. Kalkerde oder Kreide ist das uns wohlbekannte, fcincrdigc weihe Schreibmaterial, welches in weit verbreiteten Gebirgsmassen vorkommt, namentlich in Frankreich (Champagne). Noch lockerer ist die sogenannte Bergmilch oder Montmilch. I I . K l . Anagonit. Schwerspath. 41 2. Der A r r a g o n i t , dessen Krystalle dem rhombischen System angehören und meistens als Säulen mit rautenförmigem Durchschnitt auftreten, bald einzeln, bald mehrfach zusammengewachsen, wodurch mitunter Gruppen entstehen, die der sechsseitigen Säule gleichen (Fig. 54). Derselbe ist spaltbar, im Bruche muschelig bis uneben; H . — 3 bis 4 ; D. — 2 , 9 bis 3 ; durchsichtig, glasglänzend, farblos. Er findet sich nicht selten in Blasenräumen des Basalts und anderen Gesteins. Als sechsseitige Säule gruppirt kommt er bei Valencia in Arragonien vor, woher er feinen Namen erhielt. Außer dem krystallifirten oder Arragonitspath unterscheidet man noch den strahligen und faserigen Nrragonit, aus welchem der Carlsbader Erbsenstein besteht. 12. (3-rn'ppS Äs» Barinnis. 1. Der Schwerspath oder schwefelsaure Baryt, Va 8 , kryftallisirt im 55 rhombischen System als rhombische Säule, die in sehr vielen (bis 73) Abänderungen beobachtet worden ist, wovon die tafelförmigen, Fig. 55 und Fig. 56 häufig sind. Derselbe ist vollkommen spaltbar, hat unvollkommen muscheligen Vruch H. — 3 bis 3,5; D . — 4,3 bis 4,58, welch letztere ihn leicht von ähnlichen spathigen Mineralen unterscheidet; er ist durchsichtig mit doppelter Strahlenbrechungund Glasglanz; die Löthrohrstamme wird von demselben grün ge-. färbt, nnd ein erwärmtes oder geglühtes Stück Schwerspath leuchtet nachher noch einige Zeit im Dunkeln. Der deutlich krystallisirte B a r y t s p a t h findet sich nicht selten, so z. B. in ziemlicher Menge in Baden, im Odenwald, wo er zu weißer Farbe zermahlen wird (Chemie §. 90). Außerdem findet sich jcdoch auch strahliger, faseriger, körniger, dichter und erdiger Baryt. 2. Der W i t h e r i t oder kohlensaure Baryt, Va(), krystallisirt in geraden rhombischen Säulen, und findet sich besonders in England, wo er, seiner giftigen Eigenschaften wegen, zum Vertilgen der Ratten gebraucht wird. 42 Olyktognosic. 13. 56 1 . Der Cylestin oder schwefelsaure Strontian, 3 r Z , krystallisirt im rhombischen System meist als rhombische Säule. Er ist vollkommen spaltbar,! hat muscheligen bis unebenen Bruch; H. — 3 bis 3,5; D. — 3,8 bis 3,96; durchsichtig, doppelt strahlenbrechend, glasglänzend, meistens wasserhell und weiß, die Flamme des Löthrohrs p u r p u r r o t h färbend. Kommt nicht häusig vor. Seine Arten sind: der Cölestinspath, der strahlige Cölestin, der Faser-. cölestin, der bläulich gefärbt ist und bei Jena gefunden wird, und der dichte, Cölcstin, welcher 8 bis 9 Procent kohlensauren Kalk enthalt. Diese Minerale l dienen zur Darstellung der Strontianpräparate (Chemie §. 91). ^. Der S t r o n t i a n i t oder kohlensaure Strontian,8r 5 , in demselben System krystallisirend, ist seltener, als das vorhergehende Mineral. 3.4. 57 Gru.pps ÄG2 ZtrontinuiL. . GrU.PPG ÄS3 MNUNS8INM3. Das Oxyd des Magnesiums, die Magnesia, N ^ , wird von Mineralogen in der Regel Talkerde genannt. Dieselbe findet sich als P e r i k l a s , der fast reine Magnesia, N ^ , ist, und als Magnefiahydrat, N ^ I I . Der B o r a c i t oder borsaure Magnesia, N^^^'4^ H. — 7^ D. ^ n 3 , dem regulären System angehörig, krystallisirt ausgezeichnet schön in Würfeln und Granatoedern; der Hydroboracit besteht aus Magnesia und Kalk in Verbindung mit Vorsäure und Wasser. Diese sämmtlichen Minerale treten nur selten und in geringer Masse auf. Das B i t t e r s a l z , schwefelsaure Magnesia, N 3 8 - j - 7 1 1 , ist zwar häufig, jedoch wegen seiner Löslichkeit nur als dünner Ueberzug oder haarförmiger krystallinischer Anfing in den Spalten der Gesteine anzutreffen. Doch giebt es u. a. in Sibirien Steppen, wo oft ganze Strecken davon überzogen sind. Dagegen ist das Bittersalz in den unter dem Namen der Bitterwasser *. bekannten Mineralquellen, namentlich von Scidlitz, Egcr, Seidschütz und Epsom in großer Menge enthalten. Der Magnesit, kohlensaure Magnesia, N Z 8 , kommt entweder krystallisirt als M a g n e s i t s p a t h (Talkspath) vor, oder als dichter Magnesit. Der erstere gehört dem hexagonalen Krystallsystem an und kommt instumpfenRhombosdern vor; H. — 4 ; D. — 3. I n größerer Masse tritt der B i t t e r k a l k auf, aus Kalk, Magnesia und Kohlensäure bestehend, ((?a-^-N^) 6 . Der krystallisirte heißt N i t t e r f p a t h , auch Braunspath, und kommt als stumpfes Rh.ombosder vor, ist vollkommen spaltbar, hat muscheligen Bruch; H. — 3,5 bis 4 ; D. — 2,8 bis 3. Er ist halbdurchsichtig, hat Glasglanz und ist weiß oder häusig gelb bis braun gefärbt durch Gehalt von Eisen oder Mangan. Er findet sich meistens in Spalten und Aushöhlungen des körnigen Bitterkalks, ! I I . K l . Bitterspath. Dolomit. Thonerde. 43 welcher D o l o m i t heißt, und ein dem kohlensauren Kalke i n seinen verschiedenen Formen sehr ähnliches Gestein ist. Der weiße, krystallinische, gleicht dem Marmor, der gefärbte dem gewöhnlichen Kalkstein, und da er in Massen vorkommt, hat er auch ähnliche Anwendung. 15. <3-ru.VI>6 (368 ^1u.inirnnrN8. ' Das Oxyd des Aluminiums, M , Thonerde genannt, bildet in Verbin- ^ düng mit Kieselsäure die Mehrzahl oer Minerale und ist somit der Masse nach ein Hauptbestandtheil der Erdrinde. Einige Minerale, die nur aus Thonerde ' bestehen, sind durch ihre große Härte ausgezeichnet. 1. S a p h i r oder edler K o r u n d , reine Thonerde, M , zuweilen mit Spuren von Kieselsäure und Eisenoxyd; Krystalle meist pyramidal oder säulenförmig, dem hexagonalen Systeme angehörig; er ist spaltbar, hat muscheligen Bruch; H. — 9 ; D. - 4 ; ist vollkommen durchsichtig, von starkem Glasglanz und schöner blauer Farbe, kommt jedoch auch roth, gelb, grün, weiß vor und ganz besonders schätzt man die mit dem Namen R u b i n bezeichnete rothe Art» Die gelbgesärbten Krystalle kommen im Handel als orientalische Topase, .die violettblauen als orientalische Amethyste vor. Diese ausgezeichneten Eigenschaften machen den Saphir zu einem sehr geschätzten Edelstein, der sich in kleineren Krystallen zwar auch in Deutschland, am ausgezeichnetsten aber im aufgeschwemmten Lande und im Sande der aus solchem entspringenden Flüsse, namentlich in Ostindien findet. 2. Der gemeine K o r u n d findet sich in rauhen, kaum durchscheinenden, meist trüb oder unrein gefärbten Krystallen in Massmgcsteinen eingewachsen, , und wird seiner Härte wegen gepulvert und zum Schleifen und Poliren der ^Edelsteine angewendet. ' 3. Der S m i r g e l bildet dichte oder körnige Massen, die u. a. in Sa-chsen in Glimmerschiefer eingewachsen vorkommen. Er ist wenig glänzend und von blaugrauer Farbe und besteht aus Thonerde, merst verunreinigt mit Magneteiscn, sowie durch einen großen Gehalt von Eisenglanz. Der beste wird schon seit ältester Zeit von der Insel Naxos eingeführt und gepulvert zum Schleifen und Poliren benutzt. 4. K r y o l i t h , 3 N ^ 1 ->- ^ I ^ , oder Eisstein, findet sich in krystal- 39 liuischer Masse mit blätterigem Gefüge, dem hexagonalen System angehörig; H. — 2,5; D . — 2,9. Dieses in West-Grönland auf Lagern vorkommende Mineral wird zur Darstellung von Natron und metallischem Aluminium verwendet. 5. A l u m i n i t , 3 l 8 s - ^ - 9 I I , basisch schwefelsaure Thonerde, wird als weiße erdige Masse, jedoch in geringer Menge gefunden. Die schwefelsaure Thonerde, M 8 ^ - ^ 1 8 1 3 , auch Federalaun genannt, bildet haarförmigen krystallinischen Ueberzug oder poröse und dichte Massen. Der A l u n i t oder 44 . Oryktognofic. ! Alaunstein, der aus Thonerde, Kali und Schwefelsäure besteht, krystallisnt im hexagonalen System als Rhombosder und wird besonders bei Nom gefunden und zur Gewinnung des römischen Alauns benutzt, der kein Eisen enthält und dadurch lange vorzugsweise geschätzt wurde, bis die Fortschritte der Chemie auch, anderwärts eismfreien Alaun darzustellen lehrten. A l a u n , ^ 3 - j - M 82-^-24^' kommt als reguläres Octaöder vor und bietet eins der ausgezeichnetsten Beispiele der VertretungchemischerBestandtheile (§. 40) und des Isomorphismus (§. 22). Entsprechend der in §. 95 der Chemie angeführten Reihe künstlicherAlaune, hat man als Minerale die folgenden beobachtet: Natron-Alaun, Ammoniak-Alaun, ^ Eisen-Alaun, Magnesia-Alaun, Mangan-Alaun, i ^ ' 8 -^ M 8Z - j - 2 4 ^ l . / ^ ^ s 8 - s - M 8^->-2415. ( N ^ , N u ) 8 ->- '^18^ ->- 2411. iVln's ->- '^IZs -s- 2 4 N . ' Fundorte der Alaune find vorzugsweise kohlenschieferartige Gesteine (§. 45) und die Umgebungen der Vulcane. 6. Aus einer Gruppe von Mineralen, die im Wesentlichen aus Phosphor« saurer Thonerde mit einem Gehalt an anderen Metalloxyden und hinzutretendem Fluor bestehen, wie der G i b b s i t , W a v e l l i t , M ? 1 s - j - 3 ( ^ 1 ^ 3 ^ - 1 0 1 1 ) . A m b l y g o n i t , L a z u l i t u. a. m. heben wir den T ü r k i s , auch K a l a l t genannt, hervor. Er findet sich in nierigen traMgen Stücken, von himmelblauer bis hellgrüner Farbe und wird als Schmuckstem geschätzt. Die schönsten Türkise kommen aus Persien und Arabien und heißen ächte oder orientalische Türkise, zum Unterschied von den abendländischen oder Zahntürkisen, Nachahmungen, welche aus Stücken fossiler Thicrzähne, die durch Kupferoxyd gefärbt sind, ge-fertigt werden. M 7. Der S p i n e l l ist eine Verbindung von Thonerde und Magnesia, welche durch die Formel: K Z Ä vorgestellt wird und worin die Thonerde die Stelle einer Säure vertritt; er krystallisirt als reguläres OctaLder und in dessen Abänderungen, und zeichnet sich durch (H. — 8; D. — 3,8) Härte, Glanz und Durchsichtigkeit in hohem Grade aus, weshalb er als werthvoller Edelstein gilt. Man unterscheidet nach der Farbe verschiedene Arten des Spinells> von welchen der rothe, edle S p i n e l l , auch Rubin-Spinell genannt, der geschätzteste ist und in Ostindien vorzugsweise gefunden wird. Außerdem kennt ^ M ^ blauen, grünen und schwarzen Spinell. 8. Der Chrysoberyll, V s Ä , aus Beryllerde und Thonerde bestehend, findet sich in kurzen, säulenförmigen und tafelförmigen Krystallen des rhombischen Systems; H. — 8,3; D. — 3,7, ist durchsichtig, glasglänzend, grün. Wird als Edelstein verwendet. III. Kl. Silicate. Zeolithc. HI. 4b K l a s s e der S i l i c a t e . 16. Gr^ipVS 6.Sr 26o11tlis. Die Zeolithe, d. h. Kochsteine, weil sie sämmtlich Krystallwaffer ent-6i halten, welches beim Erhitzen derselben Aufschäumen verursacht, sind meistens weiß, glasglänzend, durchsichtig und haben eine Härte von 3,5 bis 6,5 und eine Dichte von 2 bis 3. Die Mehrzahl der ZeoDhe sind Doppclsilicate der Thonerde, mit einer oder mehreren sich vertretenden Basen der Alkalien oder alkalischen Erden; die übrigen sind Kalkerdesilicate und einige enthalten noch Norsäure. Während sowohl ihrechemischeZusammensetzung, namentlich aber die Mannichfaltigkeit und Eigenthümlichkeit ihrer Krystallformen viel Interesse erregen, ist kein Glied dieser Familie durch massenhafte Verbreitung oder technische Verwendung wichtig. Wir müssen uns darauf beschränken, nur einige der bekannteren Zeolithe nebst ihren Formeln und Krystallformen anzuführen: Datolith, Apophyllit, Analzim, Harmotom, Stilbit, Chabasit, Nesotypod.Natrolith, Thomsonit, Prehnit, 02stti4^3 0 2 . V ^ 3 N ; ^ l s o a - ^ l h O i - ' j - Z A ; quadratisch. M s Z i 2 ^ 3 M 8 i 2 ^ 6 Ü ; regulär. M8'i^M^ 0a81 ^ M 8is-^6 I I ; rhombisch. (^a,()2.)8i-j-M8i-<-2il; rhombisch. ( 6 a , ^ a , ^ 8 1 - ^ 3 ^ 1 8 1 - 4 - ? I I ; rhombisch. O ^ ^ ^ ^ i ' Z i ^ N ; ^mbisch. Der Harmotom heißt auch Kreuzstein, weil seine säulenförmigen Krystalle fast immer sich durchkreuzend als Zwillinge vorkommen. Fig. 57 giebt uns die Abbildung eines aus drei Zwillingspaaren gebildeten, ausgezeichnet schönen Harmotomkrystalls aus Andreasberg. Derselbe ist somit ein Sechsling. Der Mesotyp ist der gemeinste Zeolith und heißt auch Faserzeolith, weil seine strahlig um einen Mittelpunkt stehenden Krystallsäulen sich in die feinsten Fasern zertheilen. 46 Orpktoguosic. 17. 62' (3-rrl.ppS Äsr ^kons« Wie in der Chemie ß. 9b bereits erwähnt iymde, versteht man untci Thon diechemischeVerbindung von Kieselerde mit Thonerde, weshalb Tho« und Thonerde wohl zu unterscheiden sind. Die Minerale, bei welchen T l M die Hauptmasse ausmacht, sind entweder krystallisirt und haben eine Härte W 7,5, sind durchsichtig, glasglänzend, oder sie sind dicht oder erdig. I n beide« Fällen sind die Thone schWrig oder gänzlich unschmelzbar vor dem Löthrohre. Bemerkenswerth sind: Der A n d a l u s i t , Ä ^ 8 ^ , bildet rhombische Säulen, H.---- 7,5; D. — 3,1 bis 3,2, ist unschmelzbar und meistens fleischroth gefärbt. Dn C h i a s t o l i t h oder Khi-stcin, weil durch ein eigenthümliches Verwachsen von je vier seiner Krystalle auf deren Querschnitt eine dem griechischen Buchstaben M i (X) ähnliche Zeichnung, Fig. 5 8 , entsteht. Der Disthen, ' Ä ^ i ^ ^ in klinorhombischm Säulen krystallisirt, hat die Eigenschaft, mit bläulichem Lichte zu leuchten, wenn er ein wenig erwärmt wird. H. — 5 bls 7 ; D.—3,5 bis 3,6. Die folgenden sind erdige, durch Eisenoxyd oder dessen Hydrat gelb, rot^ oder braun gefärbte Thone, wie die Gelberde, die als Tüncherfarbe, und dn T r i p c l , der zum Poliren und Putzen dient. Der B o l u s , auch Lemnischc« oder Siegelerde genannt, ist ein rother, fettig anzufühlender, an der Zunge klebender Thon, der früher in der Medicin gebrauchlich war. Er dient als roch Farbe, namentlich von Geschirren. Die T e r r a de S i e n a ist ein brauner, als Maler- und Druckfarbe benutzter Thon. , Das S t e i n m a r k füllt in derben Massen die Spalten verschiedener Massengesteine aus, woher,es seinen Namen hat. Am werthvollsten von allen Thonen aber ist die P o r z e l l a n e r d e , auch K a o l i n genannt, A i 3 Z i 4 _ ^ _ 6 ^ M verwittertem Fcldspath entstanden, bil? ddt derbe erdige Massen, die weiß oder nm blaß gefärbt und namentlich frei von Eisen sind. Dieses werthvolle Material zur Verfertigung des Porzellans findet sich in lagerähnlichen Räumen in Granit und anderem Gestein, iedoch nicht allzw häufig. Vorzügliche Erden sind die von A u e , von Schneeberg und bei Meißtt in Sachsen, Passau, Karlsbad, Limoges in Frankreich u. a. m. Daß Chim und Japan im Besitz solcher Erde sind, geht daraus hervor, daß wir von dorl III. K l . Thon. Porzellanerbe. Feldspath. 47 nicht allein zuerst das Porzellan, sondern auch den Namen K a o l i n erhalten haben. Der gemeine T h o n ist freilich für die Mehrzahl der Menschen noch wichtiger als die Porzellanerde. Zum Theil dieser noch sehr ähnlich, wird er Porzellanthon genannt, oder Pfeifenthon, wenn-er weiß ist, Töpferthon, wenn er , gröber und gefärbt ist. Aller Thon fühlt sich fett an und klebt an der Zunge, indem er begierig Wasser einsaugt und zurückhält. Noch stärker saugt er Fette ew, daher er zum Ausziehen der Fettflecke benutzt wird. Auch hat der Thon einen eigenthümlichen sogenannten Thongcruch, was man daher leitet, daß er die Fähigkeit besitzt, Ammoniak aus der Atmosphäre anzuziehen. Der Thon ist unschmelzbar, und Thongesteine dienen deshalb als feuerfeste Steine oder Gestellsteine zum Ausmauern von Räumen, die große Hitzegrade auszuhalten haben, wie Hoch- und Porzellanöfen, Flammöfen, Glasöfen u. s.w. Der erdige Thon wird zu Geschirren verschiedener Art (s. Chemie §. 97) verarbeitet. Durch Beimischung von Kalk verliert der Thon mehr und mehr seine Eigenschaften, namentlich seine Unschmelzbarkeit, indem er in Mergel und Lehm übergeht. Noch sei zum Schluß dieser Familie des B i l d s t e i n s (Agalmatholith) gedacht, eines Thonsteins, aus welchem die Chinesen ihre bekannten kleinen Göt/terbildchen (Pagoden) schnitzen, die nach unseren Begriffen eben keine erhabene Vorstellung von der Göttlichkeit gewähren. 19. (3^npp6 Hsr ?s1Hgi)g.tk9. Der Name S p ä t h ist sehr alt und soll wohl ein spaltbar krystallisirtes 6 3 Mineral bezeichnen. Die hierher gehörigen Minerale haben in ihrer chemischen Zusammensetzung viele Ähnlichkeit mit den Zeolithen, wenn man von dem Wassergehalt der letzteren absieht. Ihre Härte geht bis 7, ihre Dichte bis 3,3. Sie sind meistens glasglänzend, gefärbt und vor dem Löthrohre schwierig schmelzbar. Bemerkenswert!) sind: Der Feldspath oder O r t h o k l a s , ^ 8 i - j - Ä 8 i s , krystallisirt in klinorhombischen Säulen. Er ist sehr vollkommen spaltbar, hat unebenen Bruch; H. — 6 ; D . — 2,5 und ist durchsichtig, glasglänzend, weiß oder flcischroth, auch wohl grün und wird in letzterem Falle Amazonenstein genannt. Er findet sich sowohl in ausgebildeten zusammengehäuften Krystallen, als auch in größeren krystallinischen Massen. Am häusigsten tritt er dagegen als ein Eemengtheil. verschiedener Felsarten, namentlich des Granits, Gneises und Syenits auf und ist dadurch besonders wichtig. I n Hinsicht der Bildungsweise unterscheidet man den gemeinen oder frischen F e l d s p a t h von trüber Farbe und frischfeuchtem Ansehen und den glasigen F e l d s p a t h oder S a n i d i n , der meist ungefärbt, durchsichtig und auf der Oberstäche häufig rissig ist. Man hält Ersteren für eine Ausscheidung aus wässeriger Lösung, während der Letztere aus geschmolzener Masse krystallisirt ist. I n der That findet sich der Sanidin stets 48 Oryktognosie. in vulcanischen Gesteinen, wie z. B. im Trachyt des Siebengebirges. Ein bläulich-grüner Feldspath von eigenthümlichem innerem Perlmutterschein wird Adular oder Mondstein genannt. Der nicht krystallifirte, sondern dichte Feldspath heißt Feldstein oder Felsit. Er ist weniger rein und macht gleichfalls einen großen Theil der Masse mehrerer Felsarten, wie des Porphyrs und Monoliths, aus. Der Feldspath verwittert leicht und indem hierbei das Kälisilicat durch Wasser entzogen wird, bleibt Porzellanerde (§. 62) übrig. Der A l b i t oder Natronfeldspath, ^ Z i - j - M Z i s , weil er Natron anstatt Kali enthält, erscheint auch als ein wesentlicher Bestandtheil mancher Felsarten, insbesondere einiger Granite, Diorite und Trachyt?. Aus der großen Reihe feldspathähnlicher Gesteine führen wir einige an, aus deren Formeln der Wechsel in der Zusammensetzung derselben ersichtlich ist: Oligoklas, Petalit, Spodumen, Labradorit, Anorthit, Leuzit, Nephelin, Sod-alith, Hauyn, ( ^ 2 . , d H , X ) 5 ' i - ^ M 8 i 2 ; klinorhombisch. 3 chi,^)3 8 i 2 ^ - 4 Ä 8 i 3 ; unbestimmt. M , ^ 2 . ) 3 812.^-4(M8i2); klinorhombisch. ( ^ O a . ) 8 i ^ M 8 i ; klinorhomboidisch. ( ^ , <^2)38i^-2 Ä 8 i ; klinorhomboidisch. X3 8 i 2 ^ - 3 M 8 i 2 ; regulär. ( ^ ^ ) 2 8 i - ^ 2 l i 8 i ; heragonal. ^ s 8 i ^ 3 M 8 > ^ ^ 0 1 ; regulär. ' unbestimmt; regulär. Als Bestandtheile des Petalits und Spodumens finden wir das Oxyd des L i t h i u m s (I^i), welches in seinen Eigenschaften dem Kalium und Natrium am nächsten steht und die Lichtstamme roth färbt. Der Labrador ist merkwürdig durch eine Farbenwandlung in blauen, grünen, gelben und rothen Farben, nicht unähnlich, wie man sie am Halse der Tauben und bei manchen Schmetterlingen ficht. Der Lasurstein oder Lapis Lazuli ist ausgezeichnet durch seine herrliche blaue Farbe. Er findet sich in Sibirien, Tibet, China und wird theils zu allerlei Bild- und Schmuckwerk, theils zermahlen als eine kostbare Farbe, Ult r a m a r i n genannt, angewendet. Seitdem man jedoch die Bestandtheile dieses Minerals aufchemischemWege genau ermittelt hat, ist es gelungen, iene Farbe künstlich darzustellen. (S. Chemie §. 98.) Die folgenden Minerale scheinen Gemenge von Kieselsäure mit Feldspath zu sein, .die durch große Hitzegrade meist glasig geschmolzen oder schlackig und schäumig aufgetrieben sind. Ein solches ist der Obsidian oder Vouteillenstein, von schwarz oder grünschwarzer, glasähnlicher Masse, der zu allerlei Gegenständen, wie Dosen, Knöpfen u. s. w. verarbeitet wird. Die Südamerikancr verfertigen daraus ihre schneidenden Geräthe und Waffen. Der III. Kl. Bimsstein. Granate. 49 Bimsstein, der in der Nähe von Vulcanen stromartige Lager bildet, ist schäumig, glasig und dient bekanntlich zum Schleifen und Polircn, namentlich der weicheren Gegenstände, da seine Härte nur - 4,5 ist. Auch der Perlstein und Pechstein gehören zu diesen Bildungen. Wir finden hier Minerale von sehr ausgezeichneter krystallinischer Ausbil- 64 düng, die jedoch nicht in Massen erscheinen und den Gewerben entfernt bleiben. Ihre Härte ist 3 bis 7,5, ihre Dichte 2,6 bis 4,3. Kieselsaure, Thonerde und Kalk herrschen vor, doch gesellensichhierzu so manmchfaltige vertretende Bestandtheile (vergl. §. 40), daß die Aufstellung derchemischenFormeln sehr erschwert und öfter unmöglich wird. Meistens sind sie gefärbt und am Löthrohr schmelzbar, und geben mit Borax ein grünes Glas. Neben dem W e r n e r i t und A x i n i t ist namentlich der T u r m a l i n , auchSchörl genannt, hervorzuheben. Er krystallisirt in sehr verwickelten Formen, die vom hexagonalen System abgeleitet werden und deren Fig. 59 eine darstellt. Seine chemische Zusammensetzung läßt sich nicht wohl durch eine Formel ausdrücken, doch ist zu bemerken, daß er neben Kieselsäure und Thonerde, als Hauptbestandtheilen, noch Borsäure, Magnesia, Eisenoxyd und im Ganzen bis 12 verschiedene Bestandtheile enthält. Besonders merkwürdig ist, daß ein Turmalinkrystall, wenn man ihn erwärmt, an dem einen Ende positiv und am anderen negativ elektrisch wird. Man findet Tmmaline von allen Farben, und verwendet die durchsichtigen grünen und braunen zu den §. 27 angeführten Polarisationsversuchen. Von dem S t a u r o l i t h sei bemerkt, daß seine Krystalle öfter zu einem sehr regelmäßigen Kreuz, Fig. 60, verwachsen sind. II. 50 Oryktognosie. ! Am bekanntesten jedoch ist der G r a n a t , der in schönen Nhomben-Dode, caLdern, Fig. 61 (a. v.S.), krystallisirt, die dem regulären Systeme angehören. Seine« Zusammensetzung ist kieselsaure Thonerde, verbunden mit einem anderen kiesel, 5 sauren Metalloxyd, worin jedoch, wie in §. 41 bereits angeführt und näher l erörtert wurde, eine große Marmichfaltigkeit herrscht, so daß man eine ganze Reihe verschiedener Granate, ähnlich wie du. Alaune (K. 59) hat, die aber in ihren physikalischen Eigenschaften ziemlich übereinstimmen. Die Granate sind unvollkommen spaltbar, haben muscheligen Bruch; H.—6,5 bis 7,5; D. —3,5 bis 4,2; sind meistens undurchsichtig und kommen in allen Farben vor, gewöhnlich eingesprengt in den krystallinischen Gebirgsarten, wie Granit, Gneiß, Glimmerschiefer u. a. m. Von allen wird der schöne dunkelrothe Granat oder Pyrop am meisten geschäht, der zu Halsketten, Ohrgehängen 2c. sehr beliebt ist. Der größte Theil der im Handel befindlichen Granaten kommt aus Böhmen, aus der Gegend von Kulm. Andere bemerkenswerthe Minerale dieser Familie sind noch der I d o k r a s und der grüne Epidot. 20. 65 OrnMs äor l^iiminsi'. Diese Familie ist sehr gut durch ihren Namen charakterisirt, denn ihre Minerale sind meistens als kleine, dünne Blättchen krystallisirt, die einen glimmernden Glanz haben. Diese Blättchen sind sehr spaltbar, biegsam und von geringer Härte, so daß die Glimmerarten sich meistens eigenthümlich glatt anfühlen. Ihre Härte geht nicht über 3, ihre D- — 2 b i s 3 . DiechemischeZusammensetzung läßt sich nicht wohl durch eine Formel ausdrücken; Kieselerde und Thonerde sind vorherrschend, doch enthaltensiehäufig eine beträchtliche Menge von Magnesia. Der Glimmer ist entweder farblos oder verschieden gefärbt, namentlich gelb, grün und schwarz. Der gemeine oder K a l i g l i m m e r , auch zweiaxiger G l i m m e r genannt, weil er optisch zweiaxig (s. §. 27) ist, findet sich außerordentlich verbreitet, besonders in verschiedenen Felsarten, wie er denn z. B. die glänzenden Blättchen in Granit, Gneiß und Glimmerschiefer ausmacht. I n Sibirien kommt er als sogenanntes Marienglas in so großen Blättern vor, daß er zu Fensterscheiben dient. I n dem Lithiongl-immer oder L e p i d o l i t h , der meist eine ' schön psirsichblüthrothe Farbe besitzt, ist das Kali theilweise durch Lithion ersetzt. I n dem einaxigcn oder T a l k g l i m m e r herrscht der Gehalt an Magnesia (Talkerde) gegen das Kali vor.. Eine Art desselben ist der C h l o r r t , der durch eine schöne grüne Farbe sich auszeichnet, und diese Farbe auch den Gesteinen ertheilt, von welchen er einen Gemengtheil ausmacht, wie namentlich dem Chloritschiefer. Der Talk enthält 62 Proc. Kieselsäure und 30 Proc. Magnesia und erscheint meist als Aggregat von undeutlichen Krystallen. H, --- 1 bis 1,5; D. — 2,5 bis 2.7. Er fühlt sich glatt und fett an, ahnlich wie Seife oder III. Kl. Serpentin. Augit. 51 Talg, woher auch seine Benennung kommt; dabei ist er sehr weich und weiß oder blaßgrün gefärbt. Er tritt als Talkschiefer in Masse auf und eine Abänderung desselben/der Topfstein, dersichschneiden und drehen läßt, dient zu Anfertigung von Geschirren. 21. <5rnpp6 äss Bs?pSQtiii8. Man rechnet hierher weiche, meistens schnndbare Minerale, deren Härte 66 höchstens 2,3 ist, und die nicht zu Krystallen ausgebildet, sondern meistens "undurchsichtig, wenig glänzend und schwer schmelzbar sind. Ihre Hauptmasse ist Kieselsäure mit Magnesia, in der Regel gefärbt durch Oxyde des Eisens. Es gehört hierher der fettig anzufühlende Speckstein, der zum Ausmachen von Flecken, als weiches Polirmittel dient,' auch zu allerlei Gegenständen geschnitten wird, und welchem sich der Seifenstein oder S a p o n i t und der bekannte, zu Pfeifenköpfen verarbeitete Meerschaum anreihen. Der S e r p e n t i n , auch O p h i t oder Schlangenstein tzcnannt, wegen seines grünlichen gesteckten Ansehens, das an die Haut mancher Schlangen erinnert, bildet derbe Massen, von körnigem Bruch, die als Felsen auftreten. Seine Härte beträgt 3, und er wird zu sehr verschiedenen Gegenständen, namentlich zu Reibschalen für Apotheker, zu Säulen, Dosen u. s. w. verarbeitet. Von der großen Anzahl serpentinhaltiger Minerale, die hier anzureihen wären, bemerken wir den Schillerspath; er findet sich eingesprengt in serpentinhaltigen Gesteinen, in Gestalt breitblätteriger, krystallinischer Flächen, von schwärzlich grüner und braungelber Farbe mit metallähnlichem, schillerndem Perlmutterglanz. Das B e r g holz (Holzasbest), aus holzbraunen, faserigen, plattenförmigen Massen bestehend, läßt sich ähnlich zerspalten wie Holz; enthält Kieselsäure, Talkerde und Eisenoxyd. ^ 22. (3^HVP6 <3.ss ^.nsitg. Diese Minerale haben eine Härte zwischen 4,5 bis 7 und Dichte — 2,8 67 bis 3,5. Ihre Farben sind vorherrschend dunkel, grün und schwarz und vor dem Löthrohre sind sie schmelzbar. Kieselsäure und Magnesia sind Hauptbestandtheile, doch treten auch andere Oxyde, wie namentlich Eisenoxyd und Thonerde in beträchtlicher Menge hinzu. Die Augite bieten interessante Krystallverhältnisse dar, und erreichen nicht selten für sich eine massenhafte Verbreitung. Zugleich sind sie in vielen gemengten Felsarten enthalten. Die wichtigsten Minerale dieser Familie sind der Augit und die Hornblende, von welcher wieder mehrere Arten mit besonderen Namen vorkommen. 1. Der A u g i t oder Pyroxen krystallisirt meist in kurzen, dicksäulen- 52 Oryktognosie. förmigen, dem klinorhombischen Systeme ungehörigen Krystallen, Fig. 62 und Fig. 63, worunter öfter Zwillinge, Fig. 64. H. - 5 bis 6; D. ---- 3,2 bis 3,5; meist undurchsichtig, glasglänzend, farblos, grün, häusiger braun bis schwarz. DiechemischeZusammensetzung der Augite entspricht der allgemeinen Formel: K5 8i2. ^ ^ . ^ ^ ^ besonderen Arten in folgender Uebersicht näher angegeben: Pyrozen, (öa,N^Fs)3 3i2. Diopsid, (Ns,6a)3 8i2. D i a l l a g od.Schillerspath, (3 N ^ -s- 2 O» -s- ^6)3 612. Vroncit, (3 N ^ - ^ - ^ 8i2. Hypersthen, (N5-j-?6)28i2, . ... ^ N^s) ßi2 (O2.s8i)2 -s> . ^ > ^ Gemeiner Augit, Die KrystallforMw aller gehören deMselben System an. Der gemeine Augit findet sich als Augitfels und als wesentlicher Bestandtheil des Basalts, Porphyrs und der Lava. Der Kokolith ist ein aus körnig, krystallinischer, grüngefärbter Masse bestehendes augitartiges Mineral. 2. Die Hornblende oder Amphibol, krystallisirt ebenfalls w Säulen des klinorhombischen Systems, Fig. 66. Ihre Zusammensetzung entspricht der Formel: Öa 8 i - ^ - N ^ 8i2, doch führen die grünen und schwarzen Hornblende-Arten auch Thonerde. Zu diesen gehört die gemeine allgemein verbreitet ist, eigne Felsarten, das Horn blendegestein und den Hornblendeschiefer bildet, sowie wesentlichen Antheil an der Zusammensetzung des Syenits, Diorits u. a. m. hat. Sie dient als Zuschlag auf Eisenhütten und als Zusatz zu ordinärem Bouteillenqlas. III. Kl. Asbest. Topas. Smaragd. 53 Der G r a m m a t i t kommt in meist blaßviolblauen, gestreiften, stängelichcn Krystallen eingewachsen vor; der S t r a h l s t e i n ist ähnlich, von grüner Farbe. Der Asbest, A m i a n t h und der BergTork sind als Arten von Hornblende zu betrachten, die in außerordentlich feinen Nadeln krystallisirt sind. Man vermischt die biegsamsten Arten des Asbests mit Flachs, verfertigt daraus Gespinnste und Zeuge, aus welchen nachher der Flachs ausgebrannt wird. Es sind dies die sogenannten unverbrennlichen Zeuge, deren man sich bei Feuersgefahr bedienen kann. I m Alterthume wurden die Leichname der Reichen i n solche Zeuge gehüllt und verbrannt, wodurch ihre Asche gesondert blieb. 23. (3WU.PPG Äsr N6.6i8tsuis. Hier finden wir, was außer dem uns bereits bekannt gewordenen Diamant, 68 Rubin und Saphir die Natur noch an krystallnem Schmuck zu bieten vermag. Die Minerale dieser Familie haben eine Härte von 7,5 bis 8,5; die Dichte — 2,8 bis 4,6; sie sind durchsichtig, meistens schön gefärbt und schwierig oder gar nicht schmelzbar. Dieselben bestehen aus Verbindungen der Kieselsäure mit den Erden. 1. T o p a s , lieselsaure Thonerde mit Fluorgehalt^ des rhombischen Systems, Fig. 66. H. — 8 ; D . 5 ^ 3,5; vorherrschende Farbe gelb. 2. S m a r a g d , kieselsaure Thonerde-Beryllerde (K'sXi) 8!2; bildethexagonale Säulen, Fig. 67. H. — 7 bis 8 ; D . --- 2,7," grasgrün, sogenanntes Smaragdgrün. B e r y l l , auch A q u a m a r i n , wird ein meergrüner, blaugrüner Smaragd genannt. Gemeiner B e r y l l findet sich in großen undurchsichtigen/bis mehrere Fuß langen Krystallen in Nordamerika. 3. Z i r k o n oder H y a c i n t h , kieselsaure Zirkonerde, 2 r 8 i , in quadratischen Säulen, Fig. 68, vorkommend. H. — 7,5; D. 4,5; bräuulichroth, sogenanntes Hyacinthroth. 54 Oryktognosie. Hauptfundorte der genannten Edelsteine sind im Ural, in Ostindien, Ceylon, Brasilien. Anzureihen ist: der O l i v i n oder C h r y s o l i t h , kieselsame Magnesia, U ^ s A , findet sich in olivengrünen, kurzen rhombischen Säulen, vorzüglich eingesprengt in Basalt. H. — 6 bis 7 ; D. — 3,4. IV. Klasse der schweren M e t a l l e . 24. 69 (3-ru.ppO äss Ni8SQ8. Das Eisen bildet eine sowohl durch die Mannichfaltigkeit ihrer Formen als auch durch die Mächtigkeit ihres Auftretens bedeutende Gruppe. Seine Minerale haben eine bis 8,0 gehende Dichte und die Härte des Quarzes, sind meistens undurchsichtig und gefärbt. Sie wirken auf die Magnetnadel, und geben mit Borax in der äußeren Löthrohrflamme ein dunkelrothes, beim Erkalten Heller bis farblos werdendes, in der inneren Flamme ein bouteillengrünes Glas. Ueber die Verwendung derselben zur Eisengewinnung giebt die Chemie (§. 99) Aufschluß. Die wichtigsten der hierher gehörenden Minerale sind: 1. Das gediegene Eisen, das nur selten in Lagern von unbedeutender Stärke, sodann in Körnern und Blättchen eingesprengt sich findet. Merkwürdig ist ganz besonders das Meteoreiseu, nämlich Massen von gediegenem Eisen, die aus der Atmosphäre auf die Erde niedergefallen sind nnd die an verschiedenen Orten im Gewicht von 171 Pfund bis 3000, ja 14,000 Pfund gefunden wurden. Auch gehören hierher die Meteorsteine, rundliche Massen, die, mit wenig Ausnahme, gediegenes Eisen enthalten, und außerdem noch erdige Bestandtheile, wie Augit, Hornblende, Olivin u. a. m. Charakteristisch für dieselben ist ein schwarzer, wie von einer theilweisen Schmelzung ihrer Oberfläche herrührender Ueberzug. Meteorsteinfällc sind wiederholt beobachtet worden, wie z. V . 1833 bei Blansko in Mähren. Man ist der Ansicht, daß diese ursprünglich im Weltraum kreisenden Massen sich beim Eintritt in dre Atmosphäre der Erde entzünden. Vergl. Astron. §. 86. 2. Das M a g n e t e i s e n , ? 6 - s - l ^ 6 , findet sich als reguläres Octatzder und ist ausgezeichnet durch seine magnetischen Eigenschaften; es kommt auch in dichten Massen von großer Ausdehnung vor, die Gebirgstheile bilden. Farbe, eisenschwarz; H. 2--- 5 bis 6; D. --- 5. Es ist eines der besten Eisenerze, namentlich zur Stahlbereitung. IV. Kl. Rotheismstein. Eisenkies. 55 3. Das Eisenoxyd, k s , auch Rotheisenerz genannt, hat einen lebhaften Metallglanz und giebt einen rothen Strich, sowie auch ein rothes Pulver. Es findet sich in verschiedenen Formen, nämlich in tafelartigen, rhomboßdrischen Krystallen als Eisenglanz, vorzüglich schön auf Elba; in dünnen Schuppen als Eisenglimmer, sodann als faseriger Rotheisenstein, auch Glaskopf oder B l u t s t e i n genannt, als dichter, schuppiger und erdiger Rotheisenstein, welch letzterer auch Rotheisenocker heißt. Hat derselbe eine Beimischung von Thon, so heißt er rother Thon-Eisenstein, auch Röthel. Diese Minerale sind wichtige Eisenerze und dienen außerdem gemahlen als Polirmittel und rothe Farbe. 4. Das Brauneisenerz oder Eisenoxydhydrat, k s ^ s , kommt nicht im deutlich krystallisirten Zustande vor. Doch hat der faserige Brauneisenstein, auch brauner G l a s k o p f genannt, feine haarförmige Krystalle, die zu traubenförmigen und kugeligen Gebilden vereinigt sind. Man begegnet zwat sehr oft wohlausgcbildeten Krystallen, die aus Brauneisenstein bestehen; allein es erweist sich, daß dieselben Afterbildungen (Z. 22) nach den Krystallen anderer Eisenerze, besonders des Eisenkieses sind. Außerdem kommt dichter und erdiger Brauneisenstein vor, der durch Thongehalt in den braunen und gelben Thon eisen stein übergeht, wovon der als Farbe gebrauchte gelbe Ocker und in gleicher Nnwendung die Umbra zu bemerken sind. Auch das Bohnerz, wegen seiner Absonderung in kleine rundliche Stücke, und das aus Sümpfen sich niederschlagende Rasen-Eisenerz gehören hierher, welch letzteres jedoch zur Eisengewinnung weniger werthvoll ist, als die vorhergehenden. Mit dem Schwefel kommt das Eisen in mehreren Verhältnissen verbunden in meistens schön krystallisirten und messingglänzenden Mineralen vor, die man Kiese nennt. Solche sind: 5. Der Mag'netkies, ^ 6 - s - 5 V^s, wegen seiner tombacbraun angelaufenen Farbe auch Leberkies genannt, meist tafelartig, selten in hexagonalen Säulen krhstallisircnd; schwach magnetisch. 6. Der Eisenkies, Schwefelkies oder P y r i t , I?6, kommt in ausgezeichneten Krystallen des regulären Systems vor als Pentagon-Dodecaöder, Fig. 69, und dessen Combination. Farbe messinggelb, metallglänzend, häufig bunt angelaufen. D. — 5 ; H . — 6 bis 6,5, daher am Stahl lebhafte Funken gebend. Auch findet er sich sehr häufig in derben Massen, sowie in ganz feinen Vlättchen und Körnchen eingesprengt, z. B. in der Steinkohle, und liefert, indem er sich an der Luft, namentlich bei Gegenwart von Wasser, oxyvirt, das schwefel- 56 Oryktognosie. saure Eisenoxydul (Chemie §. 101), das alsdann unter dem Namen Eisenv i t r i o l ebenfalls dem Mineralreich angehört. Zweifach-Schwefeleisen, V'G, kommt auch i n kleinen, speerartig oder kammförmig gehäuften KrystaUgruppen vor, die dem rhombischen Systeme angehören, und heißt daher S t r a h l k i e s , auch Speerkies oder Markasit. Aus beiden Eisenkiesen wird durch Destillation Schwefel gewonnen. Die übrigen Minerale des Eisens, deren es noch eine große Anzahl giebt, sind meistens wenig bedeutend als Massengesteine oder in ihrer Anwendung, weshalb sie zum Theil nur erwähnt werden, wie das Eisenblau (phosphorsaures Eisenoxyd) und der Grüneisenstein (dasselbe, wasserhaltig), sodann die Reihe der Verbindungen des Arsens mit Eisen, die Arsenikkiese, welche einen weißen Metallglanz besitzen. Solche sind das Arsenik-Eisen (Glanz-Arsenikkies), P0H.32, der S k o r o d i t , das Würfelerz, der schwefelhaltige Arsenikkies, Pßg2 ^_ P O H ^ auch Mispickel genannt;siewerden zur Gewinnung von Arsenik benutzt. I n größerer Masse tritt dagegen das kohlensaure Eisenoxydul, V ^ h , auf, das im derben krystallinischen Zustande Eisenspath (Spatheisenstein) genannt wird. Dieses zur Stahlbereitung vorzüglich geeignete Mineral, dessen H. - - 3,5 bis 4,5 und D . — 3,6 bis 3,9 ist, hat eine blaß-gelblich oder röthlich-bräunliche, bis dunkelbraune Farbe. Das kohlensaure Eisenoxydul kommt auch in strahlig kugeliger Bildung als Sphärosiderit vor. Die unter dem Namen von Veroneser Grün als Malerfarbe benutzte Grünerde ist kieselsaures Eisenoxyd mit Kalk und etwas Magnesia. Der W o l f r a m i t , aus Eisenoxydul und Manganoxhdul in Verbindung mit Wolframsäure bestehend ( V > N n ) ^ , ein diamantglänzendes, schwarzgraues Erz, H. --^ 5,5; D. — 7,5; wird zur Darstellung eines wolftamhaltigen Stahls benutzt. 25. 7l) (3-rnppo 6.68 MHNK2.N3. Dieses Metall kommt vorzugsweise als Oxyd vor, und findet sich, außer den Mineralen, deren Hauptbestandteil es ausmacht, in vielen anderen in geringer Menge als färbende Beimischung. Die geschmolzenen Minerale färbt es in der Negel violett, die derben braun bis schwarz. Die wichtigeren find: Der P y r o l u s i t (Mangan-Ueberoxyd; N u ) , gewöhnlich Braunstein genannt, der im rhombischen System krystallisirt, jedoch meistens nur in nadelförmig gehäuften Krystallen erscheint. Seine Farbe und sein Strich sind eisenschwarz; die Härte --- 2 bis 2,5; Dichte — 4,9. Der Name Braunstein, der für dieses Mineral ganz unpassend ist, wurde von einem der folgenden auf dasselbe übertragen. Die werthvolle Verwendung desselben, namentlich bei der Darstellung des Ehlors, lernten wir bereits in der Chemie §. 44 und 103 kennen. IV. Kl. Braunstem. Chromeisenftein. 57 Das M a n g a n o x y d - O x y d u l , N u - j - N u , auch H a u s m a n n i t oder Schwarzmanganerz genannt, krystallisirt in kleinen quadratischen Octatzdern, ist braunschwarz bis schwarz, mit einem braunrothen Strich, und kommt meist mit dem vorhergehenden gemengt vor. Der B r a u n i t oder das H a r t m a n ganerz, N u , ist M a n g a n o x y d , mit derselben KrystaUform, hat eine dunkelbräunlich schwarze Farbe und gleichen Strich. Eine Beimengung dieser beiden Minerale macht den Pyrolusit natürlich weniger werthvoll, weshalb beim Einkauf desselben auf Farbe und Strich sehr zu achten ist. Von geringerer Bedeutung für die Technik sind der M a n g a n i t oder das G r a u m a n g a n e r z , aus M a n g a n o x y d h y d r a t , N n l i , bestehend, und das Wad oder M a n g a n schaum, in fein erdigen, leicht zerreiblichen Massen, als schaumartiger Ueberzug von schwarz-brauner Farbe in Gesellschaft der übrigen Manganerze vorkommend ist ein wasserhaltiges Gemenge derselben, verunreinigt durch Baryt, Kalk und Kali. Ohne Anwendung sind der M a n g a n g l a n z oder Schwefelmangan, der M a n g anspat h (kohlensaures Manganoxydul), das kieselsaure Manganoxydul. 26. (3ru.pV6 ÄG8 Okroins. Es ist auffallend, daß dieses Metall, mit welchem der Chemiker eine große ? I Reihe prachtvoll gefärbter Verbindungen darstellt, nur durch eine sehr geringe Anzahl von Mineralen vertreten ist. Hierin liegt wohl auch der Grund der erst 1797 erfolgten Entdeckung des Chroms. I n größerer Masse findet essichals Chromoxyd in Verbindung mit EisenMoul, F G 6 r , den Chromeisenstein bildend; derselbe kommt in regulären OctaLdem vor, jedoch meist derb, körnig, eisenschwarz und metallisch glänzend; H. — 5,5; D. — 4,5. Strich braun; besonders in serpentinartigm Gesteinen. Er enthält bis 60 Proc. Chromoxyd und dient zur Darstellung der Chromfarben (Chemie §. 194). Das chromsaure B l e i o x y d wird später beschrieben und wir haben hier nur noch des selten und in geringer Menge vorkommenden Chromockers (Chromoxyd, A r ) , zu gedenken. Außerdem haben jedoch manche Minerale einen kleinen G e M t von Chrom als unwesentliche Beimischung. 27. Gruppe Äsg Vlodaitg. Die Minerale dieses seltneren Metalls sind vorzugsweise Schwefel- und 72 Arsenverbiudungen, die undurchsichtig und gefärbt sind und mit Borax am Löthrohr ein schönes blaues Glas geben. Nicht selten verräth ein rosenfarbiger Anflug von Kobaltblüthe den Kobaltgehalt der Erze. Solche sind: Der K o b a l t kies oder Schwefelkobalt, ^ o , der weißen Metallglanz hat und als regel- 58 Oryktognosie. mäßiges Octatzder krystallisirt; H. — 5 ; D. — 6^3. Als vertretende Begleiter führt das Mineral Eisen und Nickel, letzteres mitunter vorwiegend. Der S p e i s kobalt oder Arsenik-Kobalt, O o ^ , der als Würfel krystallisirt und in körniger, dichter Masse mit weißem Metallglanz besonders im sächsischen Erzgebirge sich findet, begleitet von Eisen und Nickel. Der Arsenik-Kobaltkies,Oa^gs. die K o b a l t b l ü t h e , Öos A s - ^ - 8 I I , oder wasserhaltiges, arsensaures Kobaltoxyd, krystallisirt in kleinen Nadeln, bildet jedoch meist einen erdigen Ueberzug von schöner, rosenrother Farbe auf arsenhaltigen Kobalterzm. Der Glanzk o b a l t , Oo 8 2 - j - O o ^ s ^ ^ im regulären System als Pentagon-DodecaSder, Fig. 70, krystallisirend, mit Metallglanz, weiß ins Röthliche. und öfter bunt angelaufen; endlich der E r d k o b a l t , derbe M r erdige Masse von schwarzer Farbe, die ein Gemenge von Kobaltoxyd, mit viel Manganoxyd, sodann Eisen- und Kupferoxyd ist. Alle diese Minerale werden zur Gewinnung des Kobalts, namentlich aber Zur Darstellung des Kobaltglases, S m a l t e genannt, benutzt (Chemie §. 105). 28. 73 OrnppO ÄS8 Nioksis. Die Minerale dieser Gruppe sind nicht häusiger, als die vorhergehenden, mit welchen sie meist unter denselben Verhältnissen vorkommen. Sie geben sich öfter durch einen grünen Anflug zu erkennen. I n der Regel enthalten sie eine kleine Beimengung von Kobalt, so daß sie mit Borax ein blaues Glas geben. Ihre Härte ist 3 bis 5; die Dichte bis 7,7. Zu bemerken sind: Der Schwefelnickel, M l 3 , oder Haarkies, da er haar- oder nadelförmige Krystalle bildet; der Roth-Arseniknickel, M ^ . « , auch Kupfernickel genannt, der selten krystallisirt, sondern meist derbe klMlige oder traubige Massen bildet, die kupferrothen Metallglanz haben; der Weiß-Arseniknickel, N i ^ 8 2 , ^ t zinnweißen Metallglanz. Die Nickelblüthe oder R ^ ^ M e r , M X s - s - 8 1 1 , ist arsensaures Nickeloxyd und erscheint meist als erdiger, apfelgrüner Ueberzug der Nickelerze, seltner in gehäuften Krystallnädelchen. Der Nickelglanz oder Weißnickelerz, N i 8 2 - s - M ^ 8 2 , hat bleigrauen Metallglanz. Außerdem kommt das Nickel in Verbindung mit mehreren Metallen vor, von welchen wir den Antimonnickel, M 2 Z h ^ h ^ Nickel-Antimonglanz, N i 8 2 - j - N i 3 d , den Nickel-Wismuthglanz und den Eisennickelkies bemerken. I V . K l . Zinkblende. Galmey. Zinnstein. 59 Diese sämmtlichen Minerale sind wenig rcinechemischeVerbindungen, sondern enthalten stets bald mehr, bald weniger Beimengungen von Eisen, Kupfer, Kobalt, Blei u. a. m. Die Nickclerze dienen zur Fabrikation des zu Neusilber verwendeten Nickelmetalls. Sie finden sich u. a. im Erzgebirge und besonders bei Riechelsdorf in Hessen. 29. Oru.ppo 6.S8 2ink8 Als Oxyd findet sich das Zink nur selten in Form krystallinischer Massen 74 von rother Farbe, woher es Rothzinkerz heißt. Häufiger ist die Blende oder Zinkblende, welche aus Schwefel und Zink besteht, 2 n 8 , und im regelmäßigen System als Rhombosder und in schönen Abänderungen desselben krystallisirt. Die Blende hat muscheligen Bruch; H. — 3,5 bis 4 ; D. --- 4,1 und Diamantglanz. Die Farbe ist grün, gelb, roth, braun und schwarz. Den Namen hat dieses Mineral von seinem ausgezeichneten Glanz. Es wird zur Gewinnung des Zinks benutzt und kommt auch blätterig, faserig, strahlig und in derben Massen vor. Z i n k v i t r i o l , 2 n 8 - ^ 7 I I , findet sich in unbedeutender Menge, während das kohlensaure Oxyd als Z i n k s p a t h , 2 n Ö, reichlicher auftritt. Derselbe krystallisirt im hexagonalen System als Rhomboeder, hat Glasglanz und ist weiß oder blaß gefärbt. Er wird vorzugsweise zur Fabrikation des Messings verwendet. Der Galmey oder Kieselzink, I ^ n ^ S i - s - 3 V , ist das wichtigste, aus Kieselsäure und Zinkoxyd bestehende Erz dieser Gruppe, welches in kleinen tafelförmigen, von der rhombischen Säule abgeleiteten Krystallen vorkommt, die einen ausgezeichneten Glanz haben und weiß aber doch blaß, meistens gelblich gefärbt sind. Beim Erwärmen werden die Krystalle in hohem Grade polarisch elektrisch und durch Reiben leuchtend. H. — 5 ; D . — 3,5. Gleich den übrigen zinkhaltigen Mineralen vor dem Löthrohr mit Soda einen weißen Nauch von Zinkoxyd gebend. Der meiste Galmey findet sich in derber Masse, von höchst mannichfaltiger, unregelmäßiger Gestaltung, oft zellig und zerfressen, von gelber, brauner und roth er Farbe, letztere von Eisenocker herrührend. Wird zur Ausbringung von Zink verhüttet, bei Aachen, Wiesloch nächst Heidelberg und bei Tarnowitz in Schlesien, dessen Galmcylager eine Mächtigkeit von. 40 bis 55 Fuß erreichen. 30. Grupps 6.63 Nnns. Das Zinn kommt nicht gediegen, sondern vorzugsweise als Z i n n e r z oder 75 Zinnstein vor, der das Oxyd, 8 n 0 2 , ist. Dieses krystallisirt als quadratisches Octatzder, dessen Abänderungen häusig zu Zwillingskrystallen mit einander verwachsen sind. Dieselben sind halbdurchsichtig bis undurchsichtig, von sehr aus- 60 Oryktognofie. gezeichnetem Glanz und vorherrschend dunkelfarbig, braun bis schwarz, dem Kolophonium ähnlich, an den Kanten durchscheinend. H . — 6 bis 7; D. — 7 . Giebt, mit Soda auf Kohle vor dem Löthrohr reducirt, ein ginnkorn. I n viel größerer Masse kommt jedoch das ebenfalls aus Zinnoxyd bestehende faserige Zinnerz als unregelmäßige Stücke von zartfaserigem Ansehen im sogenannten Seifengebirge vor. Zinnwerke von Bedeutung-sind im Erzgebirge (Zinnwald),, in Böhmen (Ioachimsthal, Schlaggenwald); sehr ergiebige und schon von den Römern ausgebeutete in England (Cornwall) und die reichsten in Ostindien (Halbinsel Malacca). 31. G r u p p s äs» Nisios. 76 Selten findet sich diesO Metall gediegen, aber häufig mit Sauerstoff, am meisten jedoch mit Schwefel verbunden in Mineralen von geringer Härte, aber bedeutender Dichte (4,6 bis 8), du vor dem Löthrohr leicht metallisches Blei und gelbliches Oxyd geben. Viele der hierher gehörigen Minerale kommen nur itt unbedeutender Menge vor, wie z. B. Gediegen-Blei, Mennige oder Vleiocker, Schwerbleierz oder Blei-Ueberoxyd, C h l o r b l e i u. a. m. Dagegen ist der Bleiglanz oder das Schwefelblei, ? d 8 , die am häufigsten und in Masse vorhandene Bleiverbmdung, die auch vorzugsweise zur Gewinnung des Metalls benutzt wird. Der Bleiglanz krystallisirt im regulären System, vorzugsweise als Würfel mit vielfacher Abänderung, Fig. 7 1 , erscheint jedoch auch in derben Stücken, die mehr oder weniger feinkörnig bis dicht sind. Immer zeichnen sich diese Minerale durch ihr beträchtliches bis 7,6 gehendes specifisches Gewicht und einen bleigraucn, lebhaften Metallglanz aus. Häufig führt der Vleiglanz Silber, das alsdann ausgeschieden wird (Chemie §. 116); auch Gold, Antimon, Eisen und Arsen sind ihm nicht selten beigesellt. Eine ziemliche Reihe von Mineralen entsteht durch das Zusammentreten von Blei, Antimon und Schwefel in verschicdcncn Verhältnissen, wohin das B l e i - A n t i m o n e r z o d e r Zinkenit, das Federerz, das Schwefelantimonblei u. a. m. gehören, die meist nach ihren Entdeckern benannt sind. Auch finden wir das Blei in Verbindung mit Selen, als S e l e n b l e i und mit Tellur vereinigt, als sogenanntes B l ä t t e r tellur. Von Bleioxydsalzen sind zu bemerken: der B l e i v i t r i o l , ? K 8 , der im T'chombischen System krystallisirt und durch starken Glanz bei weißer Farbe sich IV. K l . Grünbleierz. Wismuth. Spießglanz. 61 auszeichnet; das Weißbleierz, Cerüssit oder kohlensaure Bleioxyd,i^dO, in rhombischen Säulen krystallisirend und ebenfalls durch Diamantglanz und doppelte Strahlenbrechung merkwürdig. Der Pyromorphit ist phosphorsaures Bleioxyd, das jedoch stets Chlorblei und häufig arsensaures Bleioxyd beigemengt enthält. Sein gewöhnlicher Name ist Erünbleierz, von der vorherrschend grünen Farbe; es kommt auch gelb' und braun vor; krystallisirt in schönen hexagonalen Gestalten. H. - 4; D. --2 7. Giebt in der Reductionsstamme eine Bleiperle, die beim Erkalten ein vieleckiges, krystallartiges Korn bildet. I m Rothbleierz (chrornsaures Bleioxyd, I>kör), welches am Ural in rothen Nadeln krystallisirt vorkommt, wurde zuerst das Chrom aufgefunden« 32. Q-ruppG ÄS8 'MignmMs. Die Minerale dieses Metalls sind nach ihrer Verbreitung und Mannichfal- 77 tigkeit von untergeordneter Bedeutung. Man findet unter denselben gediegenen Wismuth in verzerrten RhomboSdern des hexagonalen Systems; es hat einen röthlich silberweißen Metallglanz; H.----2 bis 2,5 und D. — 9,7. Der Wismuthocker oder die Wismuthblüthe ist das Oxyd, M 2 0 3 , ^ d kommt mit dem vorhergehenden namentlich im sächsischen Erzgebirge vor. Der Wismuthglanz oder Schwefelwismuth, M283, ist bleigrau metallglänzend; krystallisirt in rhombischen Säulen oder nadelförmig krystallinisch und derb eingesprengt; H. — 2,5; D. ---- 6,5. Auch finden sich kohlensaures Wismuthoxyd und Wismuthblende, die aus dem kieselsauren Oxyd bestehen. Die genannten Erze dienen zur Gewinnung des Wismuthmetalls (Chemie §. 110). 33. GrnppG Hos K.u.tiru.0Qs. Die Minerale der Antimongruppe erreichen eine Härte bis 6,6 und eine 78 Dichte - - - 4 ; an dem Löthrohr geben sie einen Dampf, der einen weißen Ueberzug auf der Kohle bildet. Die selteneren Minerale sind: Gediegen-Antimon, Antimonblüthe, 8d, auch Weißspießglanzerz genannt, und der Antimonocker, 6d-s-xÄ. Häufiger ist dagegen der Antimonglanz, 8d8^, oder graues Spießglanzerz, eine Verbindung des Metalls mit Schwefel, die im rhombischen System krystallisirt. Die Krystalle sind meist lang, säulenartig, spießig oder nadelförmig zusammengehäuft und von bleigrauem Metallglanz. Dieses Mineral dient zur Darstellung des metallischen Antimons und wird auch für sich in der Medicin angewendet. Die Antimonblende,' auch Roth-Spießglanzerz genannt, ist eine Verbindung von Antimonoxyd mit Schwefelantimon, und zeichnet sich dutch die < 62 Oryktognosie. kirschrothe Farbe und den Diamantglanz seiner spießigen Krystalle aus, und gehört zu den selteneren Erzen. 34. 79 GrnppS äss Au.ptorg. Dieses Metall bildet eine reiche Gruppe von Mineralen, denn es tritt nicht nur in größerer Masse, sondern auch in mannichfaltigen Verbindungsverhältnissen auf. Von diesen wird ftdoch nur die Minderzahl zur Gewinnung des Kupfers benutzt. Die Härte geht in dieser Gruppe von 2 bis 4, die Dichte bis 6 , und an dem Löthrohr läßt sich metallisches Kupferkorn aus denselben darstellen. Als die wichtigeren sind anzuführen: 1. Gediegen Kupfer, das selten Krystallform erkennen läßt, sondern meist in eigenthümlichen, stänglichen, bäum« oder moosartigen Bildungen vorkommt, mitunter in größerer Menge, so daß es zur Metallgewinnung eingeschmolzen wird. I n Ober-Canada sind Stücke gediegenen Kupfers im Gewicht von 2 bis 20 Centnern aufgefunden worden. Das Roth-Kupfererz oder Kupferoxydul, O122 O, krystallisirt als regulärer Achtflächner mit schön rother Farbe und giebt ein sehr vorzügliches Kupser, während die Kupferschwärze (Kupferoxyd) in geringerer Menge sich findet. Der Kupferglanz ist Schwefelkupfer, Ou2ß, das in geraden rautigen Säulen mit schwärzlich-bleigrauem Metallglanz erscheint und zur Kupfergewinnung benutzt wird. Geringe Bedeutung haben dagegen mehrere lösliche Kupfersalze, die in unbedeutender Menge durch Zersetzung mancher Kupfererze, namentlich des Schwefelkupfers, entstehen. Sie finden sich besonders in der Nähe von Vulcanen, aus deren Spalten Dämpfe entweichen, die Salzsäure und schweselige Säure enthalten. Solche Salze sind der K u p f e r v i t r i o l , ( ! i i 8 - j - 5 i l , verschiedene phosphorsaure und arseniksaure Kupferoxyde (Linsenerz), das Khlorkupfererz u. s. w. Zu den schönsten Mineralen gehören aber die beiden folgenden: Der M a lachit oder kohlensaures Kupferoxyd, ö u O - s - Ö u I I , der in klinorhombischen Säulen krystallisirt, die meistens zu faserigen, strahligen Gruppen vereinigt sind, hat eine schöne smaragdgrüne Farbe und Seidenglanz. Er kommt jedoch auch in derben und erdigen Massen vor, und wird theils zu Kunstwerken, Zierrathen, theils als Malerfarbe, und wo er in größerer Menge sich findet, zur Ausbringung von Kupfer benutzt. Die Kupferlasur, kohlensaures Kupferoxydmit Kupferoxydhydrat, 2 O u ( ) - j - ( ) n l i , findet sich in kurzen, faulen- oder vielmehr tafelartigen Krystallen und in unregelmäßiger, derber und erdiger Masse. Dieses Mineral ist durch seine schöne kornblumenblaue Farbe ausgezeichnet und wird deshalb angewendet. Das Kiefelkupfer oder K u p f e r g r ü n , Kupferoryd, hat eine schöne grüne Farbe. IV. Kl. Kupferkies. Fahlerz. Zinnober. 63 Eine weitere Reihe bilden diejenigen Minerale, bei welchen Kupfer mit anderen Metallen verbunden ist, wozu meistens noch Schwefel tritt, wie beim Wismuthkupfererz, A n t i m o n k u p f e r g l a n z , Z i n n k i e s , K u p f e r - V l e i v i t r i o l oder Bleilasur. Das B u n t - K u p f e r e r z besteht aus Schwefeleisen und Schwefelkupfer, ^ u ^ s , erscheint selten in der Form des regulären Octasders; gewöhnlich in derben, messingglänzenden Massen, in rothen und blauen Farben schön angelaufen. Der Kupferkies oder Gelbkupfererz, ^ u l ? s , findet sich krystaUifirt, in kleinen Quadrat-Octaedern und Abänderungen desselben, am häufigsten derb, körnig und dicht; messinggelb, metallglänzend, auch bunt angelaufen. H. — 4 ; D . - - - 4 , 3 . Liefert vordem Löthrohr erhitzt und hierauf mit Borax und Soda geschmolzen, ein Kupferkorn. Dieses sehr verbreitete Erz dient mit dem vorhergehenden zur Gewinnung des Kupfers und des Kupfervitriols. Das Fahlerz krystallisirt in den hemwdnschen Gestalten des regulären Systems, Fig. 72, 73 und 7 4 ; es ist stahlgrau, metallglänzend; H. — 3 bis 4 ; D . - - - 5 . Seine Hauptbestandtheile sind: Kupfer, Antimon, Schwefel und Arsen, zu welchen veränderliche Mengen von Eisen, Zink und Silber hinzutreten, wodurch es Fahlerze von mannichfacher Abänderung giebt. Dieselben werden auf Kupfer und die reicheren auch auf Silber benutzt. 95. Cl^npps äs» yu.6okgi1dGrs. Obgleich flüssig, findet sich das Quecksilber dennoch gediegen und zwar in 8Ü Gestalt von größeren oder kleineren Tropfen in den Höhlungen und Spalten von Schieferthon und Kohlensandstein, wie z.V. bei Moschellandsberg in Rheinbayern. Das meiste Quecksilber erhalten wir jedoch aus dem natürlichen Z i n n o b e r , H ^ L , der in krystallinischen, auch in traubenförmigen und derben Massen sich findet. Seine H. - 2,5; D . - 8. Der ginnober ist undurchsichtig, hat Diamantglanz und carminrothe Farbe, und giebt einen lebhaft scharlachrothen Strich. Beim Erhitzen färbt er sich schwarz, erhält jedoch nach dem Erkalten wieder eine rothe Farbe. Hauptfundorte desselben sind außer 64 Oryktognosie. « dem erwähnten in Rheinbayern, Almaden in Spanien, Idria in Krain, Mexico, l China und Kalifornien. ! Seltener und von untergeordneter Bedeutung ist das natürliche Chlor-. quecksilber, 15^01, oder Quecksilberhornerz. Unter Lebererz versteht! man ein in Idria vorkommendes Gemenge von Zinnober, Kohle und erdigen! Theilen. 36. 81 (3-3MPP6 ÄSS V i l d o r s . I n ziemlicher MannichfMgkeit seiner Minerale erscheint das Silber als eins der häusigeren Metalle, sowohl gediegen, als mit anderen Metallen legirt oder mit Arsen und Schwefel verbunden. Vor dem Löthrohr geben die Silbererze für sich oder mit Soda ein Silbcrkorn. Das Gediegen-Silber bildet entweder kleine, dem System des Würfels zugehörige Krystalle oder krystallinische Gruppen, oder es stellt sich in allerlei sonderbaren, mitunter bäum- oder moosartigen Formen, in Blättchen, unregelmäßigen Stücken und Körnern dar. Seine H . — 2,5 bis 3; D. —10,3. Es hat die gewöhnlichen Eigenschaften des Silbers, ist jedoch meist gelblick) bis braun angelaufen. Es findet sich in den meisten Ländern und wird in Deutschland mit den anderen Silbererzen, namentlich im sächsischen Erzgebirge angetroffen. Die zur Silbergewinnung wichtigeren Erze sind: Der S i l b e r g l a n z , ^ 3 8 , oder das Glaserz findet sich im regulären System krystallisirend, jedoch häufiger in unregelmäßigen Formen, von grauer bis schwarzer Farbe und Metallglanz. Auch kommt dieses Schwefelsilber erdig, unter dem Namen von Silberschwärze vor. Antimonsilber, das 70 bis 80 Procent Silber enthält, findet sich in den Abänderungen der rhombischen Säule. Es hat silberweißen oder gelben Metallglanz, ist jedoch auch sehr häusig dunkel angelaufen. Das Schwarzgültigerz ist eine Verbindung von Schwefelsilber mit Schwefelantimon, K ^ ^ k , ^ d führt an 70 Procent Silber. Es tritt in den Formen der rhombischen Säule und in unregelmäßigen Stücken auf, und hat bei Metallglanz eine eisenschwarze Farbe. Das wichtigste Silbererz ist jedoch l M lll das Rothgültigerz, ^ ^ ^ g ) ^ Elches aus Silber und Antimon mit Schwefel und Arsen besteht. Es krystallisirt in Abänderungen des Nhomboöders, hat Diamantglanz, eine eisenschwarze bis carmoisinroche Farbe, und giebt einen schönen carmoisinrothen Strich. H. — 2,5 bis 3; D. — 5,5 bis 5,8. Es enthält bis 58 und 64 Procent Silber. Man.unterscheidet ein dunkles Nothgültigerz (Pyrargirit), welches Antimon enthält, und ein lichtes (Proustit), in welchem das Antimon durch Arsen vertreten ist. Diese werthvollen Erze finden sich im Erzgebirge, Andreasberg am Harz, Ioachimsthal in Böhmen, Kremnitz und Schcmnitz in Ungarn u. a. m. Der S i l b e r - K u p f e r g l a n z ist eine Verbindung von Schwefelsilber und IV. Kl. Gold. Platin. . 63 Kupferglanz, der bis 52 Procent Silber hat und in schwarzgrauen, metallglänzenden, rhombischen Krystallen vorkommt. Wir führen noch die Namen einiger Minerale an, welche seltener und deshalb von untergeordneter Bedeutung sind, wie das Chlorsilb.er (Silberhornerz), Bromfilber, kohlensaures Silberoxyd, Wismuth-Silbtterz, Sternbergit, Polhbasit und das A m a l g a m , aus ein Drittel Silber und zwei Drittel Quecksilber bestehend. 37« Ornppo H.G3 GoiÄG3. Wir finden das Gold in der Regel gediegen, entweder krystallisirt in ver- 82 schiedenen regulären Gestalten, meist in kleinen und verzerrten Krystallen; öfter in Vlättchen, draht- oder haarförmig und alsdann die mannichfaltigsten Formen bildend, worunter namentlich die moosartigen und baumartig verästelten zu bemerken sind; sodann in unregelmäßigen Stücken und Körnern; endlich als Sand und Staub in vielen Fels arten, wie z. B. im Granit, eingesprengt, durch deren Zertrümmerung es im Sande der Flüsse und im Gerölle des aufgeschwemmten Landes angetroffen wird. Da in diesem Zustande die Dichte des Goldes bis 19,4 geht, so können selbst jene feinen Goldtheilchen gewonnen werden, wenn man den goldführenden Sand mit Wasser aufrührt. Aus diesem setztsichzunächst das specifisch schwerere Metall nieder, und wird also, wie man sagt, ausgewafchen. Am häusigsten ist dem Golde noch Silber beigesellt, und man trifft natürliche Legirungen beider Metalle, die 0,16 bis 38,7 Procmt Silber enthalten, was natürlich Unterschiede in Farbe und Dichte als Folge hat. Außerdem ist noch das S c h r i f t e r z zu bemerken^ das neben Gold und Silber eins der selteneren Metalloide, nämlich das T e l l u r , enthält. Deutschland ist arm an Gold zu nennen, wie überhaupt Europa, das nur in Ungarn, bei Kremnitz, reiche Goldminen aufzuweisen hat. Dagegen sind Ostindien und Südamerika (Brasilien, Peru, Chili, Califomien) reich an diesem Metall und ebenso der Ural. Nubien und Senegambien sind die goldführenden Gebiete Afrikas. Auch in Australien sind in neuester Zeit bei Bathurst reiche Goldlager aufgefunden worden. Als Merkwürdigkeit ist anzuführen, daß man mitunter Stücke Goldes von bedeutender Größe auffindet, wie z. V . im Jahre 1842 in dem Goldsandlager von Alexandrowsk bei Miask eine Masse von 86 Pfund. Stücke von 24 bis 13 Pfund und geringere werden öfter gefunden. Unter den Flüssen Deutschlands sind der Rhein, die Donau, die Isar M d der I n n die bedeutenderen, welche Gold führen. 38. G3MMH Ms MMins. Auch das Platin zeigt sich nur gediegen, und zwar selten von krystalli- 83 nischer Bildung, als Würfel, sondern meistens in rundlichen Stücken und KörII. 5 6s Orpktoguosie. nern. Es sind demselben jedoch stets andere Metalle beigemengt und zwar am reichlichsten Eisen, das 5 bis 11 Procent betragen kann. Die übrigen Begleiter des Platins, das I r i d i u m , O s m i u m , P a l l a d i u m und N h o d i u m , sind edle, dem Platin höchst ähnliche Metalle mit hohem specifischen Gewicht. Die Dichte des Gediegen-Platins ist 1.7 bis 18 und seine Farbe stahlgrau. Es wurde Zuerst im spanischen Amerika entdeckt, wo es nach dem Worte P l a t a . das Silber bedeutet, den Namen Platina, d. i. silberähnlich, erhielt. Reichlich fand man es später am Ural, wo es in aufgeschwemmten Lagerungen, meistens in Geschieben von Serpentingesteinen vorkommt. Man hat dort Massen im Gewicht von 10 bis 23 Pfund angetroffen» Ueber Reinigung und Verarbeitung desselben siehe Chemie § . 1 1 9 . V« Klasse der organischen Verbindungen. 39. 84 G'I'U.PPS ÄS? orSä.NI8OkGU. IN.12S. I n dieser kleinen Gruppe begegnen wir dem H u m b o l d i t , der aus kleesaurem Eisenoxtzdul desteht, und dem H o n i g f t e i n , der die Verbindung von Thonerde mit einer eigenen, aus Kohlenstoff und Sauerstoff (Formel — ( ^ O ^ I bestehenden Säure ist, die nach dem Mineral Honigsteinsäure genannt wird. Letzteres hat seinen Namen von der ihm eigenen honiggelben Farbe und krystallisirt in durchsichtigen, quadratischen Octasdern. Beim Erhitzen schwärzt sich der Honigstein, verkohlt und hinterläßt nach dem Glühen weiße Thonerde. Beide Minerale sind selten und ohne technische Bedeutung. 40. 85 GriiVVS ^Sr VrÄd.g.r2H. Es gehören hierher feste und flüssige organische Verbindungen, deren Charakter in demchemischenTheile, bei den Harzen und flüchtigen Oelcn (§. 188 u. 189), im Wesentlichen geschildert worden ist. Dieselben sind die mehr oder weniger veränderten Producte untergegangener Pflanzenwelten, was in dem Abschnitte über trockene Destillation der Pflanzenstoffe (Chemie, §.216) bereits angedeutet wurde. Sie finden sich nur in den jüngsten Bildungen der Erdrinde. Bemerkenswerth sind: Der Bernstein oder S u c c i n i t , ein fossiles Harz, das hauptsächlich in den Braunkohlenbildungen vorkommt, und zwar meistens mit Braunkohle zu- V. K l . Bernstein. Steinöl. Asphalt. tt? gleich. Er besteht aus unregelmäßigen, stumpfeckigen oder rundlichen Stücken und Körnern, öfter von tropfstein artiger, tmubiger Bildung; der Bruch muschelig, die Farbe honiggelb, braun; durchsichtig bis durchscheinend. H . — 2 bis 2,5; D. — 1. Nimmt gerieben einen angenehmen Geruch an und wird negativ elektrisch. I n heißem Weingeist ist der Bernstein größtenteils löslich; er schmilzt bei 287"C., verbrennt mit Heller Flamme und angenehmem Geruch und Hinterlassung eines kohligen Rückstandes. Er besteht aus 80 Procent Kohlenstoff, 10 Proc. Wasserstoff und 10 Proc. Sauerstoff, mtsprccyend der Formel: O ^ M O . Die größere Menge desselben findet man lose am Mceresufer, von den Wellen ausgeworfen, oder mehr oder weniger entfernt vom Strande, in Sand und Lehm, und das Fischen und Graben des Bernsteins wird besonders an der Ostseeküste Preußens, von Danzig bis Memel lebhaft betrieben. Häufig trifft man Stücke von Bernstein, an welchem noch Holz- oder Rindestücke sitzen, auch schließt er mitunter Ittsecten, Nadeln und Zapfen ein, welche keinen Zweifel lassen, daß er von einer untergegangenen Art der Fichte abstammt. Seine übrigen Eigenschaften und Verwendung s. Chemie S . 424. Seltener sind der R e t i n i t , der. fossile C o p a l , das B e r g - oder E r d wachs, das elastische Erdpech, der B e r g t a l g oder Scheererit und der Idrialit. Das Erdöl, auch Steinöl oder Naphta (Petroleum) genannt, ist wasserhell, gelb, braun, bis dickflüssig-schwarz. D. — 0,7 bis 0,9; es riecht eigenthümlich, bituminös, ist flüchtig, leicht entzündlich und verbrennt mit stark rußender Flamme; unlöslich in Wasser, wenig löslich ip Weingeist, leicht löslich in Aether. Seine Bestandtheile find Kohlenstoff (bis 88 Proc.) und Wasserstoff in schwankenden Verhältnissen zwischen den Formeln O H und O V . Das Steinöl ist ein natürliches Destillationsproduct aus der Steinkohle und durchdringt verschiedene Gesteine, oder quillt für sich oder auf Nasser schwimmend mit diesem aus der Erde, wie bei Lobsann im Elsaß, Tegernsee und Häring in Tyrol; zahllose Näphtaquellen finden sich in der Nähe des Kaspischen Meeres (Baku). Der Asphalt oder B i t u m e n , Iudenpech, bildet pechschwarze, glänzende Massen von rundlicher, oft tropfsteinartiger Gestalt und muscheligem Bruch. H. — 2 ; D. — 1,07 bis 1,2« Geruch eigenthümlich, bituminös. Erweicht beim Erwärmen, schmilzt bei Siedhitze und verbrennt mit starkem Rauch und geringem Rückstand. Findet sich vorzüglich reichlich am Ufer des Todten Meeres; hat vielfache technische Verwendung (vergl. Chemie §. 218). ßß ' Geognosie. ll. Die Lehre von den Gesteinen und ihrer Lagerung. Geognosie und Geologie. 86 I n der großen Reihe der seither betrachteten Minerale sind wir nicht selten solchen begegnet, die neben ihren besonderen Eigenschaften durch ihre massenhafte Verbreitung unsere Aufmerksamkeit erregten. S o sind der Quarz, der Kalk, der Dolomit und viele andere nicht nur als regelmäßige Krhstallgebilde von beschränkter Ausdehnung vorhanden, sondern häufiger in ungeregelter Form und in mächtigen Lagern. Da ist es nicht allein die Gestalt, der Glanz, die Härte, die Farbe u. s. w., die uns als das Wichtigste erscheinen, sondern Verhältnisse ganz anderer Art drängen sich als bemerkenswerth auf^ W i rstehenjetzt nicht mehr vor den kleinen artigen und sorgfältig ausgebildeten Zierrathen des ungeheuren Baues der Erdrinde, sondern vor den mächtigen Fundamenten, Wänden und Säulen, aus welchen er zusammengefügt ist. Zunächst ist nun wichtig, eben das Material dieses Baues zu untersuchen, und erst nachher die Art seiner Fügung. 87 Wir nehmen als erwiesen an, daß die Erde ein kugelförmiger, an den Polen, abgeplatteter Körper ist, dessen Durchmesser von Pol zu Pol 1713 Meilen beträgt. Die Oberstäche dieser Kugel berechnet man auf 9,283,000 Quadratmeilen, wovon ungefähr 7,200,000 mitWasser bedeckt sind und 2,082,000 als Land erscheinen. Nach dem Gesetze der Schwere und der Beweglichkeit seiner Theilchen nimmt das Wasser eine ebene Oberstäche an, die nur in ihrer Gesammtheit betrachtet als Kugelstäche erscheint. Fassen wir dagegen den festen Theil der Erde ins Auge, so stellt dieser i n höchst mannichfacher Weisesichdar. Aus dem Meere vergleichbaren Ebenen erheben sich entweder allmälig-oder plötzlich die Anhöhen, bald in ganzen Massen, bald nur in einzelnen Zügen oder Spitzen, und es gewähren Steppen, Wüsten, Hochebenen, Hügelland, Hochgebirge mit Thälern, Abgründen, steil ansteigenden Wänden und i n den Wolken sich verlierenden Gipfeln einen unendlichen Reiz durch den Wechsel anmuthiger und großartiger Bilder. 88 Doch ist neben der äußeren Gestaltung der Gebirgsmassen eine Verschiedenheit ihrer Gesteine kaum minder auffallend. Wer inmitten unregelmäßiger Innere Erdwärme. 69 Massengesteine und ihrer Gebirgsbiltzungen, unter Granit, Basalt und Porphyren aufgewachsen ist, fühlt sich lebhaft überrascht, wenn er zum ersten Male parallel geschichtete Wasserbildungen sieht mit ihren plattenförmigen Kalk- und Sandsteinen, mit ihren unzähligen Versteinerungen organischer Wesen. Zahllose Beobachtungen wendeten sich deshalb der Kenntniß der Gesteine zu, und bis zu Höhen von 24,000 Fuß und in Tiefen von 1700 bis 3000 Fuß, sowie nach allen Richtungen auf ihrer Oberfläche ist die Erdrinde namentlich in den letzten fünfzig Jahren untersucht worden. Der Hammer des unermüdlichen Geognosten klopfte überall an und allerwärts. sammelte dieser die erhaltenen Antworten, so daß die Wissenschaft allmälig in den Stand gesetzt wurde, sich ein ziemlich bestimmtes Bild vom Bau der Erde und den dabei mitwirkenden Ursachen zu bilden. Freilich ist eine genauere Untersuchung der Gesteine und ihrer Lagerung bis jetzt nur in Deutschland, Frankreich und England und ihren angranzenden Landern vorgenommen worden, doch kennt man von Nordamerika, verschiedenen Punkten Asiens und Südamerikas hinreichend genug, um folgende wichtige Grundsätze aufzustellen: D i e E r d r i n d e besteht aus einer v e r h a l t n i ß m ä ß i g nur geringen A n z a h l verschiedener Gesteine; diese Gesteine sind an den verschiedensten Punkten der Erde einander gleich, sowohl hinsichtlich i h r e r A r t als ihrer Lagerungsweise. Nährend also die Pflanzen- und Thierwelt des Aequators, der gemäßigten Jone und der Polargegend die größten und auffallendsten Verschiedenheiten zeigen, verbreiten sich die Gesteine gleichmäßig über die ganze Erde. Die Granite Südamerikas, Heidelbergs und der Blöcke des höchstens Nordens sind einander gleich. Nächst dieser allgemeinen Betrachtung des Aeußeren der Erde sind einige 89 Blicke nach der inneren Beschaffenheit derselben besonders wichtig. Wir haben oben gesehen, daß es bis jetzt nur eine verhältnißmäßig höchst unbedeutende Tiefe ist, zu welcher man unter die Erdoberfläche eingedrungen ist. Nichtsdestoweniger hatte man hierbei doch Gelegenheit, Beobachtungen zu machen, die zu bedeutenden Schlüssen berechtigen. Wir haben in §. 224 der Physik gesehen, daß die mittlere Temperatur in Deutschland -s- 9 bis 10" E. und näher am Aequator 25o C. beträgt, wobei natürlich die Temperatur der Meeresebene gemeint ist, da Erhöhungen über dieselbe stets eine niedrigere Temperatur haben. Auffallend ist es nun, daß, wenn an irgend einem Orte das Thermometer nur 4 Fuß tief unter der Erdoberfläche i n den Voden eingesenkt wird, dasselbe den Wechsel in der täglichen Temperatur nicht mehr anzeigt, sondern nur Noch den jährlichen. I n der Tieft von 60 Fuß dagegen zeigt das Thermometer beständig eine sich gleichbleibende Temperatur des Erdreichs, ohne daß selbst der heißeste Sommer oder der kälteste Winter hierin eine Aenderung hervorbringen. Diese sich stets gleichbleibende Temperatur ist also die von der Sonne unabhängige, eigenthümliche Erd wärme. Gehen wir von diesem Punkte abermals tiefer, und zwar um etwa 110 Fuß, so steigt das hundertteilige Thermo- 7i) Geognosie. meter um einen Grad. Dieses merkwürdige Zunehmen, der Erdwärmc nach dem M i t t e l p u n k t e der Erde zu, welches für je weitere 110 Fuß je einen Grad beträgt, hat sich an den verschiedensten Punkten der Erde und für alle bis jetzt bekannte Tiefen bestätigt. Wenn nun die, Zunahme der Wärme in gleicher Weise auch in den tieferen, unzugänglichen Theilen fortschreitet, so muß schon in einer Tiefe von 8 Meilen dieGrdwärme 18000C., folglich so hoch sein, daß Eisen schmilzt; in 12 Meilen Tiefe würde eine Temperatur von 2700o C. herrschen, bei welcher alle uns bekannten Körper feurig-flüssig find. Demnach scheint schon einfach aus dieser Betrachtung hervorzugehen, daß die innere Erdmasse feurig-flüssig und außen von einer erkalteten und dadurch erhärteten Rinde umgeben ist. Wir werden später sehen, wie noch manche andere Gründe dafür sprechen, und gedenken hier beiläufig nur der warmen Quellen, die um so heißer sind, aus je größeren Tiefen sie empordringen. Die Dicke der Erdrinde wird zwischen 6 bis 9 geographischen Meilen angenommen, eine Schwankung, die von einer gewissen Unsicherheit in dem Gesetze über die Zunahme der Erdwärme herrührt, indem es wahrscheinlich ist, daß dieselbe in größerer Tiefe rascher zunimmt, als in der bisher beobachteten. Auch erscheint im Ganzen diese Schwankung unwesentlich, da hiernach das Verhältniß der Erdrinde zum Grdhalbmeffer ungefähr wie 1 zu 140 fein, also etwa wie die Schale eines Apfels zum Fleische desselben sich verhalten würde« M Die aufmerksame Betrachtung der Erdrinde ging vorzugsweise von Deutschland aus, wo Werner, als Professor der Bergmannswissenfchaft in Freiberg, zuerst sie anregte. Jene bedeutsame Erfahrung über die Gleichmäßigkeit der Gesteine verdanken wir aber den Reisen unseres unvergleichlichen Forschers Alexander von H u m b o l d t und des unermüdlichen Wanderers Leopold von Buch. 9l Zur richtigen Erkennung eines Gesteins müssen wir dasselbe natürlich zunächst mineralogisch betrachten, d. h. seinechemischenBestandtheile, Härte, Dichte :c. bestimmen. Dann aber ist auf die Form der Gesteine zu sehen, denn obgleich dieselben keine Krystalle bilden, so nehmen sie doch, im Großen betrachtet, je nach ihrer Art sehr eigenthümliche Gestaltungen an. Nachher ist die Art und Weise ihrer Lagerung von großer Bedeutung, und einen höchst wichtigen Beitrag zur Kenntniß und Unterscheidung der Gesteine liefern endlich die in vielen derselben zahlreich eingeschlossenen, versteinerten Pflanzen- und Thierkörper. So bestimmt sich denn die Reihenfolge in der Betrachtung unseres Gegenstandes auf folgende Weise: 1) Gesteinslehre insbesondere. 2) F o r menlehre. 3) Lagerungslehre. 4) Versteinerungslehre. Dies zusammengenommen bildet die Elemente der Geognosie. Nach deren Erläuterung können wir zur Lehre vom Bau der Erdrinde und von den verschiedenen großm Gebirgsbildungen und ihrem Zusammenhang übergehen, welche das System der Geognosie ausmachen. Gestcinslehre. Glemente Z.. der 71 Geognssie. Gesteittslehre. (Lithologie; Petrographie») Indem wir uns bemühen, die Gesteine oder Felsarten kennen zu lernen, M begegnen wir ähnlicher Schwierigkeit, wie sie bei dem Studium der Minerale (§. 37) uns entgegentritt. Ana) hier ist unmittelbare Anschauung, Sammlung, Bearbeitung des Gesteins mit dem Hammer, aufmerksame Dmchwandemng und Beobachtung der Gebirge, Thäler, Fluß- und Straßenbau-Einschnitte, Steinbrüche, Beigwerke u.s.w. nothwendig zur lebendigen Begriffsbildung. Die folgende Beschreibung der Gesteine verdient daher ^richtiger nur eine Andeutung derjenigen genannt zu werden, die vor allen wichtig sind. Eine Sammlung der Felsarten ist leichter anzulegen als eine Mineralsammlung, da jene immer in Massen austreten, und deshalb wohlfeiler sind. Wer es daher versucht hat, die Gesteine seiner Umgegend zu sammeln, wird ohne allzu große Opfer auch die der anderen Gebirgsbildungen sich verschaffen können. Als hülfreich und förderlich sind hierbei die früher erwähnten mineralogischen Institute zu empfehlen. Gestein nennen wir überhaupt D e Mineralmasse, die einen beträchtlichen 93 Theil der Erdkruste.bildet. Diese Massen sind ihrer Zusammensetzung nach zweierlei: entweder bestehen sie aus lauter kleinen Theilen (z. B. KHstallen, Körnchen, Blättchen u. s. w.) eines und desselben Minerals, oder es sind kleine Theile von zwei, drei oder mehr verschiedenen Mineralen mit einander vermengt. Dieselben sind hiernach in zwei Hauptgruppen, nämlich in einfache und in gemengte Gesteine, zu unterscheiden. S o z. B. ist der nur aus Kalkkörnchen bestehende M a r m o r ein einfaches Gestein; der G r a n i t dagegen, in welchem wir Quarz-, Glimmer- und Feldspathkörnchen antreffen, ist ein gemengtes Gestein. Viele Ausdrücke, die sich auf das Gefüge (Structur) beziehen und uns 9 4 bei der Beschreibung der Minerale schon geläufig wurden, wiederholen sich natürlicherweise auch bei den Gesteinen. Körnig, spathig, faserig, blätterig, dicht, erdig u. a. m. find solche bereits vielfach gebrauchte Bezeichnungen. Bei den gemengten Gesteinen ist jedoch in der Art der Mengung manches Eigenthümliche, das vor ihrer Beschreibung zu bemerken ist. Ihre verschiedenartigen Theile sind entweder krystallinisch mit einander verbunden, oder sie werden durch eine nicht krystallinische Masse zusammengehalten, ähnlich wie der Mörtel die Steine einer Mauer verbindet. Bei vielen ist der Zusammenhang sehr stark, bei anderen ist er dagegen nur gering, und man nennt diese lose Gesteine, wie z. B. Gerolle, Grus, Mergel u. s. w. Die Mengung selbst ist entweder deut- 72 Geoguosie.' lich und mit bloßem Auge leicht erkennbar, oder sie ist undeutlich, und wird dann nur mit bewaffnetem Auge oder aufchemischemWege erkannt. Schieferig heißt ein Gestein, das sich nach einer Richtung besonders leicht spalten läßt, was gewöhnlich der Fall ist, wenn einer der Gemengtheile oder alle die Gestalt von Blättchen haben, und diese parallel gelagert sind. O o l i t h i s c h , d.i. rogenartig, wird ein Gestein genannt, das aus runden Körnchen, etwa von der Größe eines Hirsenkorns, besteht, die mit einander verkittet sind und im Innern eine , aus übereinander liegenden Schalen gebildete Structur erkennen lassen; größere derartige Bildungen sind die Erbsensteine. Eigenthümlich ist die porphyrartige Bildung. Man versteht darunter eine gleichartige Gesteinsmaffe, welche einzelne größere Krystalle irgend eines Minerals enthält, so daß sie dadurch ein gestecktes Ansehen hat. Befinden sich in einem Gesteine größere oder kleinere Blasenräume, sogenannte M a n d e l n , die mit einem anderen Minerale ganz oder theilweise ausgefüllt sind, so heißt dasselbe mandelsteinartig; wenn aber jene Blasenräume eckig sind, so nennt man die GesteinsbiWung schlackig. D r u s e n räume sind größere, inwendig mit schönen Krystallbildungen ausgekleidete Zwischenräume in der Gesteinsmasse. Endlich muß noch der z u f ä l l i g e n Gemengtheile der Gesteine gedacht werden, worunter man das Auftreten einzelner Krystalle eines Minerals in einer Gesteinsmasse in so untergeordneter Weise versteht, daß dadurch seine Art im Ganzen keine Aenderung erleidet. So z. B. giebt es Granit, in welchem Granate angetroffen werden, wodurch jedoch der Charakter des Granits keineswegs aufgehoben wird. E i n t h e i l u n g der Gesteine. 95 . Mankann die Gesteine nach verschiedenen Gesichtspunkten, z. B. in körnige, spathige, blättrige u. s. w., eintheilen, doch ist vor Allem darauf zu sehen, daß ihre Anordnung ohne Trennung der hinsichtlich ihrerchemischenZusammensetzung verwandten Gesteine stattfindet. Der Charakter eines Gesteins ist weit schwankender, als der eines Minerals, schon deshalb, weil nicht selten ein Gestein in das andere übergeht, wie z.B. dichter Kalk in körnigen Kalk oder Granit in Gneiß. I m Allgemeinen behalten wir die Abtheilung in einfache und gemengte Gesteine bei, und führen nur die wichtigsten Gesteine unter Beschreibung ihrer auffallendsten Merkmale auf. !. Einfache oder g l e i c h a r t i g e Gesteine. W Dieselben sind in dem ersten Theile der Mineralogie bereits beschrieben worden. Wir beschränken uns deshalb darauf/in entsprechender Neihenfolge die Namen der für die Geognosie bedeutenden mit Hinweisung auf den betreffenden Paragraphen anzuführen. Gesteinslebre. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Q u a r z , Qnarzfels, Quarzit §. ^7. G r a p h i t , Reißblei § . 4 5 . A n t h r a c i t §. 45. Schwarzkohle, Steinkohle§.45. B r a u n k o h l e , Lignit §. 45. Torf §.45. Steinsalz §. 5 1 . Ghps §. 53. Kalkstein §. 54. D o l o m i t , Vittcrkalk §. 57. F e l s i t , Feldspath §. 63. Perlstein §. 63. Thonschiefer. 73 13. Pechstein §. 63. 14. O b s t d i a n §. 63. 15. A u g i t f e l s § . 6 7 . 16. Hornblendegestein §. 67. 17. Talkschiefer §. 65. 18. Chloritschiefer §. 65. 19. S e r p e n t i n §. 66. 20. Magneteisenstein §. 69. 2 1 . Rotheisenstein §. 69. 22. Brauneisenstein §. 69. 23. Spatheisenstein §. 69. 24. Asphalt, Erdpech §. 85. 2. Gemengte oder u n g l e i c h a r t i g e Gesteine. 9.. Krystallinische. Diejenigen Bestandtheile eines gemengten Gesteines, die nothwendig vor- 97 Handen sein müssen, um dasselbe zu bilden, heißen wesentliche Gemengtheile desselben. Quarz, Glimmer und Feldspath find die wesentlichen Gemengthelle des Granits. Das Mengenverhältniß, in welchem dieselben zur Bildung eines Gesteins zusammentreten, ist jedoch außerordentlich verschieden; einzelne Gemengtheile sind mitunter bis zum Verschwinden spärlich vorhanden, während andere vorherrschen. Auch wird zuweilen ein wesentlicher Bestandtheil durch ein anderes Mineral vertreten, das alsdann der stellvertretende Gemengt h e i l von jenem genannt wird. Man beobachtet auf diese Weise höchst merkwürdige Uebergänge von einer Felsart in die andere und entnimmt daraus, daß dergleichen Gesteine nicht durchgehend mehr in ihrer ursprünglichen Weise vorhanden sind, sondern allmälige Veränderungen^ erlitten haben. Man nennt daher Gesteine, an welchen bald mehr, bald weniger tief eingehende Umwand-" lungen in ihrerchemischenZusammensetzung beobachtet werden, metamorphische Gesteine und rechnet zu denselben vorzüglich die krystallinischen Schiefergesteine. Häufig enthalten die krystallinischen Gesteine Minerale eingeschlossen, die zu ihrer Zusammensetzung wesentlich nicht gehören und daher zufällige oder begleitende (accessorische) Gemengtheile genannt werden. Manche dieser Letzteren erscheinen an gewisse Gesteine so vorzugsweise gebunden, daß man sie die bezeichnenden oder charakteristischen Gemengtheile derselben nennt, wie z. B. den Olivin im Basalt, den Turmalin im Granit« 25. LkOH3o3ii6Fsr. Gin undeutliches Gemenge aus höchst feinen Theilen Glimmer, etwas 98 Quarz, Feldspath und Talk, zuweilen mit kohligen Theilen, Hornblende oder Chlorit; meist gleichartig aussehend. Deutlich schiefeng; Bruch splitterig bis 74 Geognosie. erdig. Grau, grünlich grau, bläulich grau, violett,roth, braun, schwarz. Durch Verwitterung zuweilen gelblich» Das Pulver ist meist weiß, bei Gegenwart von viel Kohle jedoch auch schwarz. Zufällige Gewengtheile desselben sind:.CHiastolich, Staurolith, Granat, Turmalin, Eisenkies. A r t e n : Gemeiner Thonschiefer; Orauwackenschiefer und G r a u wacke, ein schieftriges Gestein von überwiegendem Kieselgehalt und zugleich körnigem Gefüge, dem Sandstein ähnlich; Dwchschiefer, schwarzgrau, wird zum Dachdecken und zu Schreibtafeln benutzt; Wetzschiefer; Griffelschiefer; Zeichnenschiefer, enthält so viel Kohle, daß er weich'ist, abfärbt und als natürliche schwarze Kreide benutzt wird; Alaunschiefer, besonders viel Kohle, Eisenkies und Thonerde enthaltend, wird zur Alailnfabrikation benutzt; Kohlenschiefer undBrandschiefer, von kohliger oder bituminöser Masse oft durchdrungen, bis zur Brennbarkeit, 99 Ein deutliches Gemenge aus Glimmer und Quarz, welche lagenweise mit einander wechseln, oft in der Art, daß der Glimmer die Quarzblättchen einschließt. Schieferig, grau, weiß, gelblich, röthlich, bräunlich. Glänzend. Zufällige Gemengtheile, besonders: Granat, Talk, Chlorit, Feldspath, Hornblende Turmalin, Stamolith, Eisenkies, Magneteisenerz, Graphit. Geht über in Gneiß, Thon-, Talk-, Chlorit- und Hornblendeschiefer. Der Glimmer wird zuweilen .durch andere Metalle vertreten, und dann entstehen z. B. folgende Gesteine: Chloritschiefer, meist von grüner Farbe, indem der Glimmer durch Chlorit ersetzt ist; Talkschiefer, worin der Glimmer durch Talk vertreten und dem Gestein eine seifenartige Beschaffenheit und so verminderte Härte gegeben wird, daß es in den Topfstein (siehe S . 51) übergeht; Eisenglimmerschiefer; I t a k o l u m i t oder biegsamer Sandstein vom Gebirge Itakolumi in Brasilien; Tmmalinschiefer« ION Dieses Gestein hat seinen Namen aus der Bergmannssprache erhalten, shne daß demselben eine besondere Bedeutung untergelegt wurde. Man bezeichnet damit ein Gemenge aus Quarz, Glimmer und Feldspath. Quarz und Feldspath bilden körnige Lagen, welche durch Glimmerblätter oder Schuppen von einander getrennt find. Er ist schieferig, grau, weiß, gelblich, röthlich, MMillch, u. s. w. Zufällige Gemmgtheilc: Granat, Turmalin, Epidot, Andalusit, Eisenkies, Graphit u. a. m. Bildet Nebergänge in Glimmerschiefer und Granit., Der Talkgneiß enthält anstatt des Glimmers Talk. 28. INI G-remit. - Das körnige Aussehen dieses Gesteins hat ihm schon früh seinen Namen von Aranum (Korn) abgeleitet, erworben. Der Granit ist ein Gemenge aus Gesteinslehre. Granit. Syenit« 75 5uarz, Fcldspath und Glimmer, worin jedsch die Bläitchen des letzteren nicht parallel liegen und deshalb kein schieferiges Gefüge veranlassen. Der F e l d spath bildet gewöhnlich mehr als die Hälfte der Masse des Gesteins, und seine Färbung ist es daher, welche sich im Ganzen dem Granit mittheilt, der weiß, hellgrau, auch röthlich, gelblich oder grünlich ist. Der Q u a r z ist in Gestalt krystallinischer Körner, selten in Krystallen vorhanden; der Glimmer macht den geringsten Theil des Granits aus. Sein specifisches Gewicht ist durchschnittlich Z,65. Zufällige Gemengtheile: Tmmalin, Hornblende, Andalusit, Pinit, Epidot, Granat, Topas, Graphit, Magneteisenerz, Zinnerz u. a. m. Der Granit bildet Uebergänge in Gnciß, Syenit und Porphyr und hat folgende Arten: P o r p h y r a r t i g e r G r a n i t , mit einzelnen großen Feldspathkrystallen; S c h r i f t g r a n i t , wegen der fchriftähnlichen Zeichen, die der in den Feldspath verwachsene Quarz bildet, kommt unter Anderem bei Auerbach an der Bergstraße vor, ist glimmerfrei; P r o t o g y n , den Alpen angehöriges Gemenge aus Feldspath, Natronfeldspath, Quarz und grünem Talk, daher grünlich und fettig anzufühlen, Glimmer spärlich oder ganz fehlend; G r a n u l i t , meist etwas schieferiges feinkörniges Gemenge aus Felsit und Quarz, fast immer kleine Granate, selten Glimmer führend; Greisen, Gemenge aus Quarz und Glimmer, meist mit Zinnerz und Arsenikkies, Feldspath fehlend oder zurücktretend. Der G r a n i t ist wegen seiner Härte vorzüglich zum Straßenbau, weniger zu Mauerwerk geeignet, da er sich nur schwierig bearbeiten läßt. Er ist jedoch mehrfach in großen Blöcken und Säulen zu Monumenten verwendet worden. Der Verwitterung widerstehen die Granite höchst ungleich, je nach ihrer Zusammensetzung; feldspathreicher Granit verwittert ziemlich leicht und liefert einen thonigen, fruchtbaren Boden. Quarzreiche Granite erweisen sich dauerhafter und hinterlassen, wenn sie zerfallen, unergiebigen Kies. Auch die aus der Verwitterung verschiedener Granite hervorgehenden Formen erweisen sich sehr ungleich; während die Granite der Alpen zackige Hörner und Spitzen zeigen, hat die Verwitterung die Granite des Odenwaldes von außen her abgerundet zu woUsackähnlichen Blöcken, als ob hier ein innerer, größeren Widerstand leistendet Kern vorhanden gewesen wäre. Es entstehen durch ungleiche Verwitterung granitischer Massen mitunter die seltsamsten Massen, die sogenannten Felsenmeere, Teufelsmühlen u. a. m., von welchen der sogenannte Ehe es w r i n g m Cornwallis, Fig. 75 (a. f. S.), eine der auffallendsten und bekanntesten ist. 29. 8z?-oint. Deutliches Gemenge aus Feldspath und Hornblende. Häufig gesellen sich HW dazu auch Quarz und Glimmer, so daß das Ganze dann Hornblende-Gran i t genannt werden könnte. Ganz charakteristisch ist ferner eine Beimischung von sehr kleinen braunen Titamtkrystallen. Er ist körnig, röthlich oder grünlich. Zufällige Gemengtheile wie bei dem Granit. Er bildet Uebergänge in Granit, Hornblendegestein und Porphyr. Als Arten unterscheidet man den p o r p h y r artigen und den schieferigen Syenit. 76 Geuguosie, ! Der Zycmt wird wie Granit verwendet, dem ei jedoch wegen seiner schl- ' nenn Zeichnung und Färbung zu Bauverzierunzm vorgezogen wild. Au« ! 30. VräQstsin. ^ . « « , ' . ^ ^ ^ ^ ° 5 1 " ^ ^ ' ^"ber gehöiigen Gesteine betheiligen sich « ? ? « ? > °«tr°nhalt,gen Feldspathgesteine, derWit, derO igolai ^ < 1 ? s'^"°m '^^ ^°st"ne, «ie insbes nder Hornblmde. sodann Augü, DM»g. Hypersthen. Da« Gemenae derselben i« dentlch bis undeutlich, und entweder körnig «der dicht, schiefe^auch^ ? 2 ! ? m 7 5 ^ ° ^ mandelsteinartig. indem die sMh erftllt find. D« Farbe ist vorherrschend grün bis schwarz, « H dnnk l> Gesteinslehre. Grünstem. Porphyr. 77 grau; zufällige Gemengtheile find: Eisenkies, besonders hausig, außerdem Quarz, Glimmer> Granat, Epidot, Magneteisen. Arten desselben sind: D i o r i t , ein deutliches Gemenge aus Hornblende und Albit, oft mit Eisenkies; dasselbe Gestein von schieferigem Gefüge heißt Dioritschiefer. A p h a n i t , scheinbar gleichartiges dichtes Gemenge aus Hornblende und Albit, zuweilen mandelsteinartig, geht durch das Hervortreten einzelner Albit- oder Hornblendekryftalle in Aphanitporphyr über. D i a b a s , ein krystallinisch körniges Gemenge von Natronfeldspath (Oligoklas) oder Labrador mit Augit und Chlorit, von vorherrschend grüner Farbe; zufällige Ge' mengtheile führt er im Ganzen selten; am häufigsten Eisenkies, auch öfter kohlensauren Kalk, der sich durch Aufbrausen zu erkennen giebt. Diese Grünsteinart ist die bei Weitem häusigere. G a b b r o , körniges Gemenge aus Labrador und Diallag, zuweilen Titaneisen und Serpentin enthaltend. Hypersthenf e l s , / i n krystallinisch körniges Gemenge aus Labrador und Hypersthen; wenig verbreitet. Die Grünsteine werden als Bausteine benutzt; einige derselben, die ins Porphyrartige übergehen, findet man unter dem Namen P o r f i d o verde a n tico zu Kunstgegenständen verarbeitet. 31. DorpkIL. Eine dichte Felsitmasse, enthält einzelne Krystalle von Feldspath, Quarz, 104 seltener Glimmer oder Hornblende, mehr zufällig Granat oder Eisenkies. Bemerkenswerth erscheint es, daßderQuarz hierbei meist um und um krystallisirt ist und Hexagonal-Dodecasder (Fig. 28) bildet. Das Gefüge des Gesteins ist porphyrartig (s. §. 94), die Farbe röthlich, gelblich, bräunlich, vielfarbig. Nicht Alles, was die Bildhauer der Alten unter dem Namen von Porphyr zu Kunstwerken verarbeiteten, stimmt mit unserem geognostischen Gestein überein. Die Porphyre werden vielfach als Bausteine, zum Straßenbau u. a. m. benutzt. Durch Verwitterung geben sie einen kalihaltigm meist sehr fruchtbaren Boden. Arten desselben sind: Der Q u a r z p o r p h y r oder rothe Porphyr besteht aus dichter Felsitgrundmasse mit Quarz- oder Feldspathkrystallen, und ist meist gelb, roth oder braun. G l i m m e r p o r p h y r , dichte Felsitgrundmasse mit Glimmer- und Feldspathkrystallen. S y e n i t p o r p h y r , dichte oder krystallinische Felsitmasse, mit Feldspath- und Hornblendekrystallen. Pechsteinporphyr, hat Pechstein als Grundmasse, schließt Krystalle von glasigem Feldspath und Quarz ein. T h o n Porphyr, mit weicherer, erdig-matter Grundmasse, die leicht verwittert, so daß ein Thon gebildet wird, in dem die Feldspathkrystalle zerstreut liegen. Bemerkenswerth ist, daß mehrere der schön gesteckten Porphyre zu Kunstgegenständen verarbeitet werden, wie namentlich der quarzfreie rothe Porphyr ( P o r p h y r i t , P o r f i d o rosso antico) zu Säulen, Tischplatten, Vasen, Urnen, 78 Geognosie. Schalen u. s. w., mitunter von außerordentlicher Größe. Am berühmtesten sind die Porphyrwerke von Elfdalen in Schweden und Kolywan im russischen Asien. 32. 105 Derselbe kann zugleich Augitporphhr oder schwarzer Porphyr, zum Theil auch Mandelstein genannt werden, und ist ein dichtes oder etwas krystallinisches/ meist undeutliches Gemenge aus Nugit und Labradorfeldspath, oft durch einzelne Krystalle von Labrador und Augit porphyrartig, dabei dunkel, bräunlich, grünlich oder schwarz. Da die genaue Bestimmung der Grundmasse der Melaphyre große Schwierigkeit darbietet, so schwanken die Angaben hinsichtlich ihrer Bestandtheile. Eine neuere, sorgfältige Untersuchung bezeichnet den Melaphyr als ein feines Gemenge aus vorwaltendem Oligoklas mit Augit und etwas Magneteisenerz und Apatit. Die Schwierigkeit der Feststellung des Charakters der Melaphyre wird erhöht durch den Umstand, daß diese Gesteine bereits eine mehr oder weniger weitgehende Umwandlung erlitten haben, was durch ihren Wassergehalt angedeutet wird. Als zufällige Gemengtheile: Glimmer, Eisenkies, niemals Quarz. Als Arten sind der dichte Melaphyr und der p o r p h y r a r t i g e zu unterscheiden, sowie der Mande'lstein. Letzterer enthält in der meist gleichartigen Hauptmasse theilwcise oder ganz ausgefüllte Blasenräume. Diese sind entweder ganz unregelmäßig, kugelförmig, oder alle nach einer Richtung in die Länge gezogen, oder birnförmig mit den spitzen Enden nach unten gerichtet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daßsiedurch Gasentwickelung im Innern des Gesteins entstanden sind. Die Ausfüllung der Blasemäume besteht aus Kalkfpath, Chalcedon, Achat, Quarj, Zeolith, Chabasit u. a. m., welche theils den Wänden parallele Lagen oder Drusen, theils unregelmäßige Massen, gleichförmige Ausfüllungen, oder traubige, tropfsteinartige Körper bilden. Der Melaphyr verwittert leicht und giebt einen fruchtbaren Boden. Nur feste Melaphyre, die der Verwitterung widerstehen, eignen sich zum Straßen« und Hochbau; zu letzterem vorzüglich blasige Mandelsteine, die bei Darmstadt sehr verbreitet sind. 33. W6 M^iNM^. 28,83.15. Das meistens undeutliche, selten deutliche gemengte Gestein besteht aus A u g i t und einem feldspathariigen Mineral, gemeinem Feldspath oder Labrador, oder, wie Einige angeben, Fascrzeolith. Z u den genannten Bestandtheilen gesellen sich in der Regel noch O l i v i n und Magneteisen, welches letztere die vorherrschend schwarze Farbe des Gesteins bedingt. Der Basalt ist dicht, porphyrarjig, körnig, mandelsteinartig, schlackig; schwarz, grünlichschwarz, grauschwarz, brannschwarz; gewöhnlich fest und schwer. D» --^ 3,1. Man unterscheidet den gemeinen Basalt, der dicht und scheinbar gleichartig ist, und den D o l e r i t , ein deutlich gemengtes Gestein, das namentlich Augit und Zlasigm Labrador unterscheiden läßt. Zufällig enthält er neben Olivin und Magneteisen: Nephelin, Leucit, Glimmer und Eisenkies. Der Anamesit (auch GestelnZlehre. Basalt. M o n o l i t h . 79 Trapp genannt) ist ein feinkörniges, zwischen Vasalt und Dolerit die Mitte haltendes Gestein, das als charakteristischen Begleiter kugeligen Spharosiderit führt. Der basaltische Mandelstein hat Blasenräume, in welchen besonders Zeolith u. a. m. enthalten find. Als Wacke werden manche Gesteine bezeichnet, die durch gewisse innere Veränderungen des krystallinischen Zustandes der Basalte, Dolente und Melaphyre hervorgegangen, nicht genau zu bestimmen sind. Die Basaltwacke ist thonsteinartig, dicht bis erdig, Mweilm schlackig, blasig, mandelsteinartig, meist schmutzig grau, braun und bei fortschreitender Zersetzung in Thon übergehend. Charakteristisch für die Basalte ist die stangliche Zerklüftung ihrer Masse, wodurch fünf- und sechsseitige Säulen entstehen, die früher irrigerweise als Erzeugnisse der Krystallisation angesehen wurden. Der Basalt liefert unter allen Felsarten das beste Material zum Straßenbau, doch erweist sich der dichte für Mauerwerk zu schwer, während der schlackige Basalt dazu vortrefflich geeignet ist. Man begegnet diesem letzteren in Deutschland bei erloschenen Vulcanen, namentlich im Siebengebirge, im südlichsten Schwarzwald (Kaiserstuhl), in der Rhön und in Böhmen und verwendet ihn als trockenen Baustein, sowie die leichten Sorten zum Ausfüllen von Kuppeln und Gewölben. Berühmt ist der poröse Basalt, der in der Nähe von Coblenz (Niedermmding) gebrochen und zu vortrefflichen Mühlsteinen benutzt wird. Verwittert geben die meisten Basalte einen fruchtbaren, durch seine dunkele Farbe für die Sonnenwärme sehr empfänglichen Boden. 34. Vkonolitk oder Klingstein heißt dieses Gestein, weil es beim Anschlagen mit dem Ham- 107 mer meist einen hellen Klang giebt. Der Phonolith ist ein scheinbar gleichartiges Gemenge aus Felsit und Natrolith mit etwas Zeolith; dicht, schieferig, porphyrkrtig durch glasige Feldspathkrystalle, selten blasig. Auf dem Bruch ist er splitterig bis muschelig, glasartig bis erdig; grünlich-grau, grau, schwärzlichgrau. Besonders eigenthümlich ist diesem Gesteine eine weiße erdige Verwitterungsrinde, welche fast alle an der Oberstäche liegenden Stücke umgiebt. Zufällige Gemengtheile: Hornblende, Augit, Magneteisenerz, Titanit, Leucit, Glimmer, und in Drusen und Blasenräumen hauptsächlich Zeolithe. Das Gestein geht über in Trachyt und nähert sich auch dem Basalt. Als Arten unterscheidet man den dichten Phonolith, den Porphhrschiefer, den porphyrartigen Phonolith und den zersetzten, der ein weiches, fast erdiges Gestein ist, und ähnlich wie die oben erwähnte weiße Verwitterungsrinde, eine Art Porzellanerde darstellt. Der häufig in Platten sich absondernde Phonolith wird als Baustein, mitunter selbst zum Dachdecken, dagegen weniger zum Straßenbau benutzt. Der aus seiner Verwitterung hervorgehende helle, thonige Boden ist dem Ackerbau günstig. 80 Geognosie. 35. 1W Undeutliche, lichtfarbige, meist etwas körnige, femporöse Grundmasse, Haupt, sächlich aus glasigem Feldspath oder S a n i d i n (§.63) bestehend und fast immer porphyrartig, durch eingelagerte große Krystalle von rissigem, glasigem Feld, spath, gewöhnlich auch Glimmerblättchen und Nadeln von Hornblenden enthaltend. Körnig, porphyrartig, dicht, schlackig, erdig. Die Grundmasse grau, gelblich, rZthlich oder grünlich. Der Trachyt bildet die Hauptmasse der jetzigen und der jüngst erloschenen Vulcane und findet sich vorzüglich wohlcharakterisirt als Trachyt vom Drachenfels im Sicbeugebirge am rechten Rheinufer; er zeichnet sich stets durch eine eigenthümliche Rauhigkeit beim Anfühlen aus, herrührend von dem glasigen Feldspath. Gewisse quarzführende Trachyte geben vorzügliche Mühlsteine. Gewöhnliche Begleiter des Trachyts sind: Bimsstein, Obsidian und Perlstein. Als Baustein ist der Trachyt zwar leicht mit dem Hammer zurichtbar, doch sind mancye wegen ihrer leichten Verwitterung für die Dauer nicht geeignet, wie dies. namentlich an dem Cölner Dom sich nachtheilig erwiesen hat, dessen älterer Theil aus Trachyt des Siebengebirges erbaut ward. Dagegen liefert er dem Ackerbau einen fruchtbar thomgen Lehmboden« 36. 1W ii'NOil^t. I,avg.. Die Lava ist ein ziemlich undeutliches Gemenge aus Augit und Felsit, oft mit Leucit und Magneteisen, seltener mit Glimmer, Olivin u. s. w. Körnig, dicht, porphyrartig, schlackig, dunkelfarbig, braun, grau, röthlich, grünlich, gelblich, auch schwarz. Es werden überhaupt, ohne Rücksicht auf ihre Zusammensetzung, alle stromartigen hcißstüssigen Ergüsse der Vulcane Laven genannt. Arten der Lava sind: die basaltische L a v a , welche dem Basalt sehr ähnlich, jedoch rauher ist; doleritische Lava; Leucit-Lava; porphyrartige Lava; schlackige Lava und endlich die vulcanischen Schlacken, die aus einzelnen losen Schlackenstücken bestehen und L a p i l l i (auch N a p i l l i ) oder vulcanischer Sand genannt werden. Besonders ausgezeichnet ist die Lava durch den bewundernswürdig fruchtbaren Boden, densiebei ihrem wiewohl nur langsam vorgehenden Verwittern liefert. Dies mag theils eine Folge ihrerchemischenZusammensetzung, theils ihrer dunkeln Farbe und bei den noch thatigen Vulcanen der Mitwirkung der von ihnen ausgehenden Ströme von Kohlensäure und Erdwärme sein. Einige Laven mit eckigen Poren eignen sich besonders zu Mühlsteinen, wie solche von ausgezeichneter Güte bei Niedermendmg in Rheinpreußen gebrochen werden. k. Mechanisch gemengte Gesteine; Trümmergesteine. 1. Deutlich gemengte: , 37. V^GOQIG H O oder Tmmmerfels nennen wir eine Verbindung von eckigen Gestein sbruchstückm durch irgend eine andere Steinmasse, welche man Bindemittel, Cament oder Gefteinslehre. Conglomerat. Sandstein. 81 Teig nennt. Die" Breccien erhalten verschiedene Namen, je nach dem Bestände der dann enthaltenen Bruchstücke oder des Bindemittels. S o unterscheidet man z.B. G r a n i t - , P o r p h y r - , K a l k s t e i n - , Knochenbreccie, welch letztere aus mehr oder weniger wohl erhaltenen Knochen und Knochenstücken, auch Zähnen verschiedener Thiere, öfter mit Einschluß von Schalthieren und Gesteinstücken besteht. I n der Voraussetzung, daß einige Breccien durch gewaltsame Reibung eines flüssigen Gesteins an einem festen entstanden sind, nennt man dieselben Neibungsbreccien, wie z. B . Porphhrmasse mit Thonschiefcrbruchstücken. Wenn das Bindemittel der Breccie hinreichend fest ist, so kann sie als Baumaterial benutzt werden. Einige Breccien, die als Gemenge verschieden gefärbter und gestalteter Gesteinsbruchstücke, besonders nachdem sie geschlissen und polirt sind, ein sehr artiges Ansehen haben, werden zu verschiedenen Vauzierrathen verwendet, und haben mancherlei, ihrem Aussehen entsprechende Namen erhalten, wie z. B . die aus Bruchstücken von Granit, Porphyr und Diont bestehende Breccia verbe d ' E g i t t o und die verschiedenen Marmorhreccien als violetta a n t i c a , d o r a t a , pavonazza u. a. m. ^ 33. OOnAoiNSeNi: bedeutet so viel als Zusammengehäuftes, und unterscheidet sich von der Breccie, 111 indem hier die durch irgend eine Steinmasse zusammengekitteten Gesteinsstücke abgerundet sind, also aus Geschieben bestehen. Es kommen jedoch mit den abgerundeten Stücken des Konglomerats auch fast stets scharfkantige gemengt vor, so daß diese Trümmergesteine nicht durchweg bestimmt von einander zu trennen find« Je nach Art der Geschiebe erhalten die Konglomerate verschiedene Namen, z. B . G n e i ß - C o n Z l o m e r a t , B a s a l t - C o n g l o m e r a t , KalksteinK o n g l o m e r a t oder N a g e l f l u h u. s. w. Die Konglomerate können als Bausteine und zum Straßenbau benutzt werden. Sowohl die Breccien als die Konglomerate geben beim Verwittern einen Ackerboden, dessen Beschaffenheit natürlich von den Gesteinen abhängig ist, aus welchen die Masse jener Trümmergebilde zusammengesetzt war. So giebt das Grauwackenconglomerat einen steinigen und dadurch lockeren, thonigen Boden. Das Conglomerat des Rothliegenden hat ein sandiges oder thoniges Bindemittel, mit eingeschlossenen Geschieben von Porphyr, Gneiß, Granit, Glimmerschiefer, Thonschiefer A. s. w., welche meist als unzersetzte Steine m dem thonigen und sandigen Boden liegen bleiben. Basaltconglomerat liefert in der Negel einen sehr fruchtbaren LehM- und Tt)onboden. Dieses sehr allgemein verbreitete und bekannte Gestein ist eine Verbindung 11.2 kleiner, abgerundeter oder eckiger Körner, durch ein mitunter kaum bemerkbares Bindemittel. Der Sandstein ist körnig und kommt in allen Farben vor. Seine Körner bestehen aus Q u a r z , das Bindemittel lst gewöhnlich Thon, Mergel II. ^ " 6 82 Geognoste. oder Eisenoxyd, seltener Hornstein. Man unterscheidet hiernach: thonigen, kalkigen, mergeligen, eisenschüssigen und Kieselsandftein. Das Verhältniß zwischen den Quarzkörnern und dem Bindemittel ist sehr verschieden, doch ist letzteres gewöhnlich in geringerer Menge vorhanden. Finden sich einzelne größere Geschiebe in dem Gesteine, so nennt man es conglomeratartigen Sandstein. Als untergeordnete Gemengtheile gesellen sich zu den Quarzkörnern zuweilen Glimmerblättchen, Feldspath-, Hornblendeoder Grünerdekörnchen. Durch letztere erhält er eine grünliche Farbe und daher . den Namen Grünsandstein. Außerdem kommen noch mancherlei andere Gemengtheile im Sandstein vor, von welchen wir nur der rundlichen Ausscheidungen von Thon gedenken, die T h o n g a l l e n heißen. Manche andere Benennungen des Sandsteins, wie K e u p e r s a n d f t e i n Leiassandstein u. s. w. beziehen sich auf erst später zu entwickelnde Lagerungsverhältnisse. Grauwacke ist ein körniger Sandstein, mit kieselig-thonigem Bindemittel, daher sehr fest und hart, von vorherrschend grauer Farbe, meist Glimmer führend, mitunter bis zur Nildung von schieferiger Grauwacke (vergl. §. 98). Andere Glimmersandsteine sind Psammit und M i c o p sammit genannt worden. Arkose wird ein grobkörniger, aus der Verkittung zerstörter granitischer Gesteine hervorgegangener Sandstein genannt, der deshalb Feldspathkörner einschließt. Molasse und Macigno find kieselige Sandsteine mit einem Bindemittel von kohlensaurem Kalk. I n dem Sandstein besitzen wir eines der werthvollsten Materiale zu mannichfachen Zwecken. Als Baustein ist er ganz vorzüglich geeignet, da er sich sehr leicht mit dem Hammer zurichten läßt. Die feinkörnigen und gleichmaßig gefärbten Arten geben einen vortrefflichen Stoff zur Bildhauerarbeit, und sind namentlich zu den reichen und herrlichen Verzierungen unserer alten Dome verwendet worden. Die Farbe des Sandsteins geht von Weiß, durch Gelb, Grünlichgelb ins Bräunliche und Braune, welch letztere namentlich in Würtemberg von großer Schönheit angetroffen werden. Außerdem kommt hausig auch ganz rother Sandstein vor. Zum Straßenbau ist der Sandstein wenig geeignet, aber die härteren Arten geben Mühlsteine, Schleifsteine, und manche plattenförmige werden zum Dachdecken verwendet. Der aus der Verwitterung des Sandsteins hervorgehende Boden ist einer der unfruchtbarsten, da ihm K a l i / Natron und die Fähigkeit, die Feuchtigkeit zurückzuhalten, fast gänzlich abgehen. Nur Sandstein mit überwiegend thonigem oder mergeligem Bindemittel ist d m Anbau —^ ^ 113 ck<3« OobMtz N s s ; äg-nä; G r u s . Unter Schutt versteht man eine lockere Anhäufung von Gesteinsbruchstücken, gleichsam Breccie ohne Bindemittel, während Kies oder Gerölle eine Anhäufung von Geschieben, also Conglomerat ohne Bindemittel ist. Der S a n d ist eine lockere Anhäufung von Mineralkörnem, meistens aus Quarz, und G r u s Gesteinslehre. -Mergel. Thon. 83 nennt man die unverbundenen Theile irgend eines bestimmten Gesteines, z. B. Granitgrus besteht aus Körnern von Quarz, Glimmer und Feldspath ohne Zusammenhalt. 2. Undeutlich gemengte Gesteine. 41. M O r s s i nennen wir ein scheinbar gleichartiges, unkrhstallinisches Gemenge aus kohlen- 114 saurem Kalk und Thon, welches dicht bis erdig, auch schieferig, selten feinkörnig ist. Die Mergel sind grau, gelblich, röthlich, grünlich, bläulich, schwarz, weiß, bunt, verwittern und zerfallen an der Lust gewöhnlich sehr bald. Mit verdünnter Salzsaure brausensieschwach auf. Je nach dem Vorwalten des einen oder anderen Bestandtheiles und der Einmengung weiterer Minerale unterscheidet man: gemeinen Mergel; K a l k m e r g e l ; T h o n m e r g e l ; Kieselmergel; sandigen Mergel; bituminösen Mergel, der mit Erdpech (Bitumen) gemengt oder oft schiefeng ist; endlich Kupferschiefer, ein bituminöser Mergelschiefer von schwarzer oder dunkelgrauer Farbe, der ausgezeichnet ist durch seinen Reichthum an Kupfererz und der außerdem noch Kobalt-, Nickel- und Silbererze führt. Als Banmaterial laßt sich der Mergel wegen seiner schnellen Verwitterung in keiner Weise gebrauchen. Um so werthvoller ist er für den Landbau, und man schätzt den Mergelboden als den allerfruchtbarsten, wobei jedoch zu bemerken ist, daß er nicht unter 10 und nicht über 60 Procent kohlensauren Kalk enthalten darf. Magere Sand- und Kalkböden verbessert man deshalb durch ' Zufuhr und Ueberdeckung von Mergel. Der kalkreiche Mergel wird auch gebrannt und als hydraulischer K a l k oder Cament (s. Chemie §.87) angewendet. Die Mergel treten besonders in Gegenden mit jüngerer geschichteter Gebirgsbildung, z. B. in Schwaben auf. Unter Hinweisung auf §.96 der Chemie bezeichnen wir den Thon als ein 115 scheinbar gleichartiges Gemenge aus kieselsaurer Thonerde mit etwas Kalk und Kiesel. Er ist dicht, erdig, weich, zeneiblich, in Wasser erweichend und formbar. Er kommt in allen Farben vor, selbst schwarz, durch Erdpech gefärbt. Man unterscheidet neben dem hellen, gemeinen Thon, den gelben Lehm, den Löß, ein lockeres erdiges Gemenge aus Thon,. Kalk und Sand, von gelblich-grauer Farbe und namentlich im Nheinthal verbreitet. Der S a l z t h o n ist mit Steinsalztheilm gemengt und durch Kohle dunkel gefärbt. Als Baumaterial wird nur der zu Thonstein verhärtete Thon älterer Gebirgsbildung verwendet. Ueber die Benutzung des bildsamen Thons haben wir uns in §. 37 der Lhemie ausführlich verbreitet. 84 Geognosie. 43. 116 MNikGräs. Man bezeichnet hiermit eine, wahrscheinlich aus der Zersetzung von Grünstem hervorgegangene weiche, zerreibliche Masse von unebenem Bruch, grob- bis feincrdig und fettig anzufühlen. Die Farbe ist grau, grünlich, gelb bis weiß. Sie bildet mit Wasser einen unbildsamen Brei, der bei der Tuchbereitung zur Entfettung der Tücher benutzt wird. Sie enthält etwa 10 Procent Thon und bis 60 Procent Kalk, und ist dem Bolus.nahe verwandt. 44. 117 LiM. Man begreift unter diesem Namen mehrere nicht scharf bestimmte Gesteine, die ziemlich lockere, zum Theil erdige Verbindungen von thonigen, kalkigen und sandigen Theilen darstellen. Ihre Farbe ist meistens grau oder gelblich, zuweilen schließen sie auch Grus oder Bruchstücke fester Gesteine ein. Es gehören hierher u. a. der T r a ß , ein vulcanischer Tuff, der mit 1 ^ bis 2 ^ Theilen Kalk gemengt eine bedeutende Anwendung als Wassermörtel (Chemie §. 87) findet. I n Deutschland ist am berühmtesten der Traß aus der Gegend von Andernach; auch am Habichtswalde in Hessen und im Riesgau in Baiern findet sich dieses werthvolle Material. Der vulcanische Tuff Italiens, der P a u s i l i p p t u f f und der P e p e r i n oder Pfefferstein sind zum Theil brauchbare Bausteine, und i n der Umgebung Neapels findet man antike Gebäude, Grotten u. s. w. aus diesen Gesteinen, die leicht verwittern und einen außerordentlich fruchtbaren Boden geben. Verbreitet ist der K a l k t u f f , ein schwammig zelliges Kalkgestein, entstanden durch Niederschlagung des kohlensauren Kalkes i n stehenden und süßen Gewässern, häufig SckMhierreste und Abdrücke von Blättern zeigend. 45. Ds.iniu.SMs, 118 Ackererde oder Fruchterde, nennen wir die oberste Schicht der Erdrinde. Sie ist keine mineralogisch bestimmte VodeMrt, sondern das Produet der Einwirkung des gesammten Pflanzen- und Thierlebens auf den aus der Verwitterung irgend eines Gesteins hervorgegangenen Boden. Die Reste der verwesenden organischen Körper (vergleiche Chemie §. 211) sind mit den» zerfallenen Gesteinstheilchen innig gemengt, und ertheilen diesen meistens eine dunklere, müunter schwarze Farbe und die Fähigkeit, das Wachsthum der Pflanzen wesentlich zu befördern. Die Dammerde fehlt jedoch an manchen Stellen der Erde gänzlich. Wo z. B. ausschließlich reine Kalk- oder Quarzgesteine» die Oberfläche bedeckten, da fehlten der Pflanzenwelt die Bedingungen des Lebens, oder sie entwickelte sich nur i n so untergeordneter Weise, daß eine Dammerdebildung nicht möglich wurde. Formenlehre. Innere Gesteinsformen. V. 35 F o r m e n l e hre. Wenn wir irgend eine Gesteinsmaffe vor uns haben, so'können wir sie in 119 Hinsicht ihrer Form-auf zweierlei Weise betrachten, nämlich einmal, wie sie sich in ihrer Gestaltung als Ganzes zu ihrer Umgebung, und dann, wie sie in ihrem Innern sich verhält. Man unterscheidet hiernach innere und äußere Formen der Gesteine. Innere Gesteins formen. Niemals trifft man Gesteinsmaffen von einiger Bedeutung, die vollkommen 129 gleichförmig zusammenhängend sind. Auch an den dichtesten und härtesten nehmen wir Zertheilungen oder Absonderungen wahr, die durch Klüfte oder Spalten gebildet werden. Die Entstehung der letzteren kann man sich sehr deutlich an einer feuchten Thonmasse versnmlichen. Indem diese austrocknet, ziehen sich ihre Theile im Inneren zusammen, es entstehen Nisse und Spalten, was in heißen Sommern in thonigem Boden öfters auch in großem Maßstabe beobachtet werden kann. Diese Gesteine waren also früher weich, sie haben sich beim Erhärten zusammengezogen und dadurch mannichfach zerklüftet, entweder in größere oder kleinere Partien, in welch ersterem Falle die Gesteine unregelmäßig massig, im letzteren dagegen vielfach zerklüftet genannt werden. Nicht selten findet jedoch die Absonderung der Gesteinsthcile mit einer gewissen Regelmäßigkeit statt, die mitunter wahrhaft überraschend ist und dem Gestein den Anblick eines von Menschenhänden bearbeiteten Werkes verleihen kann. So giebt es Gesteinsmassen, die in ihrem Inneren kugelförmige Absonderungen haben, daher rührend, daß die Erhärtung der Masse von einzelnen Punkten ausgegangen ist, um welche dann weitere Schichten schalcnförmig sich anlegten. Häufiger ist das Gestein in Pfeiler zerklüftet, die meistens die Gestalt von sechsseitigen S ä u l e n haben. Solche Säulen finden sich namentlich ausgezeichnet schön am Basalt, wo man deren bei Stolpe« in Sachsen und Unkel am Rhein von 30 bis 8G Fuß Länge beobachtet hat. Berühmt ist auch der aus Basaltsäulen gebildete, sogenannte Riesenweg in Irland. Oefter sind diese Säulen der Quere nach in kleinere Stücke abgesondert, in welchem Falle man sie gegliedert nennt. Mit dem Ausdruck stänglich bezeichnet man kleine Säulen, die zugleich an regelmäßiger Bildung abnehmen. Am gewöhnlichsten ist jedoch die plattenförmige Absonderung der Gesteine. Die daraus entstehenden Platten sind mehr oder weniger regelmäßig von parallelen Flächen begränzt und mitunter so dick, daß sie ungeheure Blöcke bilden, oder sie erscheinen mehr als Tafeln, die bis zum Schieferigen sich verdünnen. 86 Oeöguosie. Schichtung 121 der Gesteine. Die plattenförmig abgesonderten Gesteine sind oft von ganz besonderer Art. Ihre Bildung laßt alsdann erkennen, daß die über einander liegenden Platten nicht gleichzeitig, durch das Festwerden und Zusammenziehen der Gesteinsmasse, sondern daß sie nach und nach entstanden sind. Dies wird namentlich dadurch deutlich, daß inmitten einer solchen Gesteinsschicht öfter dünne Zwischenlagen sich befinden, z. B. Kalksteinschichten, die durch Mergel getrennt sind. Man hat die Gewißheit, daß solche Gesteinsmassen gebildet wurden, indem deren Bestandtheile aus Gewässern vermöge ihrer größeren Dichte allmälig sich absetzten. Verschiedene Thatsachen beweisen diese Entstehungsart der Schichten unwiderleglich.' So findet man häusig in den geschichteten Massen eingebettete Muscheln und Schnecken. Waren es Thiere, die in dem Schlamme oder Sande, woraus die Schicht entstand, lebten, so stecken sie demgemäß in derselben, nämlich senkrecht zur Schichtungsstäche; schwammen sie dagegen auf dem Waffer, aus welchem eine Schicht sich absetzte, so findet man sie nach dem Tode ruhig der Schwere gemäß mit dem breiten Theile abgelagert. Auch Rollsteine finden sich dem entsprechend stets so, daß ihre platte Seite aufliegt, und wo Pftanzengebilde, wie Baumstämme eingebettet wurden, da sieht man ihre Axe senkrecht zur Schichtungsstäche. Es lassen sich ähnliche Schichtenbildungen im Kleinen noch täglich an unseren Bächen und Flüssen nachweisen, und indem wir später auf ihre Entstehung nochmals zurückkommen, betrachten wir einige besondere Eigenthümlichkeiten der Schichten. Die parallelen Flächen, welche eine Schicht einschließen und die Absonderungsstächen von anderen Schichten bilden, heißen die Schichtungsklüfte, und die obere derselben wird E p i c l i v e , die untere H y p o c l i v e genannt. Unter dem Liegenden einer Schicht wird jedoch das zunächst unter derselben Befindliche verstanden, während ihr Hangendes das über ihr befindliche Gestein ist. Die Schichtung eines Gesteins ist nicht zu verwechseln mit der Schiefer u n g desselben. Letztere hat sich nicht während des Absatzes 3er Schicht, sondern nachher gebildet; sie kann der Schichtung parallel sein, häufig kreuzt sie jedoch dieselbe in der verschiedensten Richtung. Ueberdies kann eine geschichtete Masse in ihrem Innern wieder Zerklüftungen darbieten, die nachträglich durch verschiedene Ursachen bewirkt wurden. Wenn geschichtete Gesteinsmassen die bei ihrerBildung eingenommene Lage unverändert beibehalten haben, so liegen dieselben s ö h l i g , d . i . wagencht, also parallel zur Oberstäche der Erde und regelmäßig über einander, vergleichbar den Blättern eines Buches, wie Fig. 76 zeigt. Die Dicke oder Mächtig k e t t M ^ e r einzelnen Schichten ist jedoch höchst ungleich, denn es giebt deren, die kaum V4 Zoll dick zwischen anderen sich hin-ziehen, welche 20 bis 30 Fuß mächtig fein können. Häufig findet man jedoch Formenlehre. Schichtung der Gesteine. 87 die Schichten gegen die Oberstäche der Erde geneigt, Fig. 77, odersiestehen gar senkrecht zu derselben, wie Fig. 7 8 , was man die aufgerichtete Schichtung nmnt. Derjenige Weg, den das auf die Fläche einer geneigten Schicht gegossene Wasser nehmen wird, bezeichnet die Neigung oder das F a l l e n der Schichten gegen den Horizont, und ist in Fig. 77 durch die Pfeile angedeutet. Die Richtung, welche eine Schicht in ihrer Verbreitung in Beziehung auf die Himmelsgegend einnimmt, nennt man das Streichen derselben. Denjenigen Theil einer Gesteinsschicht, welcher an die Oberfläche der Erde 122 hervortritt, wie?nm bei Fig. 76, 77 und 78, nennt man das Ausgehende oder zu Tage Gehende oder Anstehende derselben. Bei aufgerichteten und geneigten Schichten, wie Fig. 77 u. 78, heißen die zu Tage gehenden Theile wohl auch Schichtenköpfe. Die söhlig liegenden Schichten treten meistens dadurch hervor, daß Flüsse Thäler ausspülen, wie Fig. 79, oder daß sie durch Straßenbauten, Steinbrüche oder das Meer bloß gelegt werden, welch letzteren Fall wir in Fig. 80 veranschaulicht sehen. Sehr oft keilen sich die Schichten a u s , d. h. sie nehmen nach einer Richtung hin an Mächtigkeit beträchtlich ab, und verschwinden Entweder ganz oder ziehen sich nur noch als kaum erkennbare Faden zwischen den Gesteinen 88 Geognosie. hin, wie O und b, Fig« 8 1 . SV geht es namentlich bei den Steinkohlen, wo man nicht selten beim Verfolgen einer Schicht von geringer Mächtigkeit die Entdeckung macht, daß sie die Austeilung eines mächtigeren Lagers ist. Es erklärt sich hieraus, wie mitunter an einem Punkt Schichten unmittelbar auf einander zu liegen scheinen, wie z. B. m und n, Fig. 8 1 , die doch an einer anderen, benachbarten Stelle von einander getrennt sind. Offenbar haben die geneigten und aufgerichteten Schichten nicht mehr ihre ursprüngliche Lage, sondern find durch eine spätere einwirkende Ursache aus derselben gebracht worden. Dies ist jedoch nicht die einzige Veränderung, welche die Schichten erleiden, sondern häufig findet man'den regelmäßigen und parallelen Verlauf derselben mehr oder minder gestört, und sie erscheinen alsdann nicht mehr so gleichmäßig wie die Blätter eines Huches über einander gelagert, sondern gebogen, gewunden, wie bei Fig, 82 u. 83. Bei Fig. 82 bezeichnet überdies die Schrafstrung eine später eingetretene Schieferung der gebogenen Schichten, die eine eigenthümliche, von letzteren ganz unabhängige Richtung hat, so daß sie an manchen Stellen (aa) senkrecht zu derselben ist, an anderen (öi>) derselben parallel geht. Solche Verbindungen der Schichten, die bald wellenförmig, bald zickzackartig sind und bis zur Zerbrechung Formenlehre. Aenßere Gesteinsformen. 39 gehen, schreibt man einem starken, von der Seite wirkenden Drucke auf die Schichtung zu. Andere Erscheinungen werden durch den von unten wirkenden Druck her vorgerufen, indem hierdurch nicht nur die geneigten und aufgerichteten Schichten entstehen, sondern letztere können selbst umgekippt oder zersprengt werden» so daß ihre Ränder lippenartig einander gegenüber stehen und durch eine Spalte oder durch eine Ausfüllungsmaffe von einander getrennt sind. Hierbei finden insbesondere die sogenannten V e r w e r f u n g e n der Schichten statt, wenn der von unten wirkende Druck nur auf einen Theil der Schichtung wirkte, wie bei «Fig. 8 4 , wo der Theil ^ . A < ? D verschoben ist, oder es hat eine von unten aufsteigende Masse F ' A , Fiß. 85, einen Theil der Schichten ai><?ci stärker aufgerichtet als den anderen. Es ist klar, daß auch durch Senkung von Schichten ähnliche Erscheinungen hervorgebracht worden still, können. Aeußere Gesteins formen. Eine vergleichende Betrachtung des Baues der Erdrinde belehrt uns, daß ZIZ alles Material, woraus dieselbe zusammengesetzt ist, seiner allgemeinen Natur und Entstehung nach in folgende vier Gruppen sich unterscheidet: 1. Massengestein, auch E r u p t i v g e s t e i n genannt; 2. Schiefergestein, genauer krystallinisch-schieftriges Gestein, auch metamorphisches oder Umwandlungsgestein genannt; 3. Schichtungsgestein, auch sedimentäres oder Flötzgestein genannt; 4. Ganaaeftein. 80 Geognosie. Hiervon treten die drei ersten Gruppen als die vorherrschenden Hauptmassen auf und werden nur in schwächeren Adern von dem Ganggesteine durchzogen. Unverkennbar verdanken letztere ihre Entstehung den Spalten, Sprüngen und Nissen, die beim Erhärten der Hauptgesteine durch Zusammenziehung entstanden und die nachträglich durch eingedrungene Mineralmasse ausgefüllt worden sind. Hieraus erklärt sich eine ziemlich regellose Verbreitung der Gesteinsgänge, die jedoch an gewissen Störungen sich betheiligen, die ihre Hauptgesteine erleiden. Sie haben ungeachtet ihrer geringeren Mächtigkeit doch eine große Wichtigkeit, da gewisse nutzbare Minerale, wie z. B. Schwerspath, insbesondere aber die Erze vorzugsweise in solchen Gängen sich verbreiten, die alsdann M i n e r a l gänge oder Erzgänge genannt werten. Aus einem flüchtigen Blick auf diese Verhältnisse gewinnen wir sofort d.ie Ueberzeugung, daß diese verschiedenartigen Theile der Erdrinde nicht gleichzeitig entstanden, oder nicht gleichzeitig in ihre jetzige Lage gekommen sind, daß wir hier einem geschichtlichen Verlauf, einer Bildungsgeschichte entgegen gehen. Die Massengesteine zeigen niemals eine wirkliche Schichtung, wie sie im Vorhergehenden charakterisirt wurde, sondern nur regellose Zerklüftung oder die in §. 120 erwähnten, eigenthümlichen Absonderungen. Sie sintz fast sämmtlich krystallinisch, mitunter dicht, auch schlackig, porphyrartig, aber nicht schieferig und. enthalten niemals Versteinerungen organischer. Gebilde. Die Art ihres Auftretens läßt erkennen, daß sie in einem erweichten Zustande aus der Tiefe emporgedrungen sind, daß sie dabei andere Gesteine in ihrer ursprünglichen Lage mehr oder weniger gestört haben, in Spalten derselben eingepreßt wurden, und theilweise stromartig überfließend, dieselben überdeckten. Man rechnet hierher hauptsächlich den Granit, Syenit, Porphyr, Grünstein, Trachyt, Basalt und die Lava, welche theils unregelmäßige massige Gebirge oder einzelne Stöcke und Kuppen bilden. Zu dem krystallinischen Schiefergefteine rechnet man den Gneiß, Glimmerschiefer, Talkschiefer, Chloritschieftr, Hornblendeschiefer und einige Arten des Thonschiefers, die nicht nur vielfach Uebergänge unter sich bilden, sondern auch durch den Gneiß in Grämt übergehen, mit dem sie vorzugsweise vergesellschaftet vorkommen, indem nicht selten ein granitischer Kern von einem Mantel krystallinischer Schiefer umhüllt ist. So bilden sie die Hauptmasse einiger der größten Gebirge, z. B. der Alpen. I h r wesentliches Merkmal ist ihre krystallinisch schieferige Bildung, sowie der Mangel irgend welcher Versteinerung. Man hält sie für die ältesten Gesteine, für Bruchtheile der ersten Erdrinde, die zwar ursprünglich von geschichteter Ablagerung gebildet M r ^ welche jedoch nachträglich in den krystallinisch-schieferigen Zustand übergeführt wurde. Die dritte Hauptgruppe wird von den Schichtungsgesteinen gebildet, deren Charakter in §. 121 bereits ausführlich "dargestellt wurde. Regelmäßige Ablagerung aus Wasser erzeugte die parallelen Schichtungen, in welche oft zahllose Reste thierischer und pflanzlicher Gebilde als sogenannte Versteinerungen eingebettet sind. Kalksteine verschiedener Art, Dolomit, Mergel, Thon, Thon- Lagerungslehre. 91 schiefer, Quarzfels, Sandstein, Conglomerate und Tuffe, wechseln mit einander und treten nur dadurch in Gebirgsform auf, daß sie aus ihrer ursprünglichen Lage gehoben, zerbrochen und aufgerichtet, sowie von Gewässern ausgefressen worden sind. Als besonderer Formen von untergeordneter Bedeutung haben wir der Tropfsteinbildungen zu gedenken, die S t a l a k t i t e n heißen, wennsievon einer Wand herabhängen und wachsen, wie vom Dach herabhängende Eiszapfen, oder S t a l a g m i t e n , wenn sie am Boden aufsitzen und durch auffallende Tropfen von unten nach oben wachsen. Sie entstehen meistens in Hohlen aus kalkhaltigem Wasser, das deren Wände durchsickert und, indem es verdunstet, den Kalk zurückläßt, der dann die mannichfachen Formen der Tropfsteine bildet. Krustengebilde ( I n c r u s t a tionen) entstehen, wenn mineralhaltige Gewässer, die irgend einen Gegenstand bedecken, verdunsten und auf diesem einen mehr oder minder dicken mineralischen Ueberzug zurücklassen. B a u m - oder moosartige Zeichnungen, sogenannte D e n d r i t e n , trifft man häufig zwischen Gesteinsplatten. -Ihre Entstehung kann man sehr leicht nachahmen, wenn man zwischen zwei ebene Glas- oder Steinplatten etwas feinen Thonschlamm bringt und ein wenig zusammenpreßt. Man wird so allerlei verästelte Bildungen erhalten, wie ähnliche in der Natur erhärtete vorkommen, die leicht für versteinertes Moos und dergleichen gehalten werben. O. L a g e r u n g s l e h r e. Wenn wir im Vorhergehenden belehrt wurden, daß als Hauptmaterial (l25 des Baues der Erdrinde, massiges, krystallinisch-schiefenges und geschichtetes Gestein verwendet worden ist, durch welches, gleichsam als Zierrath das Gang«gestein sich windet, so fragt es sich jetzt, in welcher Weise sind nun diese Glieder des Baues mit einander verbunden, was bient als Fundament, kurz woran erkennen wir, wie der Bau begonnen und weiter geführt wurde. Da geht es denn allerdings, wie mit manchem uralten Bauwerke aus Menschenhänden, das nachträglich mehrmalige Zerstörungen, Niederherstellung und Umbauung mit Bruchstücken des Urbaues durchgemacht hat, so daß Aelteres uttd Jüngeres oft bis zur Unkenntlichkeit vermengt sich vorfindet. Die Beobachtung ergiebt, daß die Schichtungen unter sich mannichfache Verhältnisse darbieten, indem sie z. B. entweder alle parallel und wagerecht über einander liegen, Fig. 86, oder indem geneigte oder aufgerichtete Schichten von wagerecht gelagerten überdeckt sind, woraus hervorgeht, daß erstere schon in ihrer Lagerung verändert worden sein mußten, ehe letztere sich absetzten, Fig. 87. 92 Geognvsie. Die Massengesteine treten gewöhnlich neben einander stehend auf, und nur selten wird das eine vom anderen in wagerechter Richtung in bedeutender Verbreitung überdeckt. Dagegen sind die stockförmigeu und schollenförmigen Ineinanderlagerungm nicht ungewöhnlich, wo, wie i n Fig. 83, die große Masse eines Gesteins von einem anderen zum Theil oder gänzlich umschlossen ist, wie z. B. Granit vonGneiß, wobei es denn nicht selten vorkommt, daß das innere Gestein, bei seinem Durchbrechen des anderen, Stücke von diesem losgerissen und gänzlich umschlossen hat. Die Gänge verbreiten, sich stets mehr in senkrechter Richtung, nach dem Innern der Erde, als in wagerechter oder wenig geneigter. Häusig sind alle ein Gestein durchsetzende Gänge unter einander fast ganz parallel. Durch Störung der Lage des Gesteins, in dem sie enthalten sind, werden auch die Gänge selbst aus ihrem Zusammenhang gebracht, zerrissen^ oder verworfen, was im Bergbau oft bedeutende Schwierigkeiten im Verfolgen eines erzreichen Ganges macht. Auch'kreuzen und durchsetzen sich die Gänge gegenseitig. Aus einer genauen Erwägung der berührten Lagerungsverhältnisse lassen sich nun die wichtigsten Folgerungen darüber gewinnen, welches der vorhandenen Gesteine älter oder, was gleichviel sagen will, welches derselben am frühesten erhärtet ist. I m Allgemeinen lassen sich in dieser Beziehung mit voller Bcstimmtheit die folgenden Grundsätze aufstellen: Obere Schichtungen sind neuer (jünger) als untere; Gesteine, welche die regelmäßige Schichtung ihrer Nachbarn gestört haben, sind neuer als diese; scharf abgesonderte Stöcke in der Mitte von anderen Gesteinen sind in der Regel neuer als diese; Gesteine, welche Bruchstücke oder Geschiebe einschließen, sind jünger als "die, von denen die Bruchstücke oder Geschiebe herrühren; Gänge sind jünger als ihr Nebengestein und jünger als die von ihnen durchgesetzten Gänge; endlich, wenn ein Gestein jünger ist als ein zweites, und älter als ein drittes, so ist auch das zweite älter als das dritte. D« W e r st e i n e r u n g s 3 e h V e. 126 ^ """ ^ ' ^ Es wurde bereits erwähnt, daß die geschichteten Gesteine Gebilde einschließen, welche Versteinerungen oder Petrefacten heißen und die auf den ersten Blick erkennen lassen, daß sie nicht mineralischen Ursprungs sind, sondern ' früher dem Pflanzen- oder Thierreich angehörten. Es folgt daraus, daß die Entstehung jener Gesteine selbst in eine Zeit fällt, in welcher Pflanzen und Versteinernngslehre. 93 Thiere vorhandey waren. Die Versteinerung dieser ist natürlicher Weise nicht in der Art vor sich gegangen, daß ihre chemischen Bestandtheile sich in mineralische umgewandelt haben, was nach dem in der Chemie Entwickelten unmöglich ist. Es wurden vielmehr bei den an der Erdrinde vorgehenden großen Veränderungen die ihre Oberfläche bedeckenden Pflanzen und Thiere von weicher, schlammiger Gesteinsmasse umhüllt und beim Erhärten derselben in das entstehende Gestein aufgenommen. Es ist klar, daß weiche und zarte Theile sich nicht erhalten konnten, weshalb am häufigsten die gröberen P stanzentheile, gls Rinde, Holz und holzige Früchte und die ohnehin kalkigen Schalen der Korallen, Muscheln und Schnecken, sowie von den vollkomnmeren Thieren besonders die Knochen erhalten worden sind. Ohne Zweifel find die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehenden weicheren Gebilde mehr oder weniger bald Zersetzt worden, man findet sie im Gestein niemals erhalten. Dennoch ist auch von diesen Manches, durch besondere Umstände begünstigt, inmitten der Zerstörung gerettet worden. Zarte Blätter und feingliedrige Insecten findet man in Bernstein eingeschlossen, oder dieselben wurden von erhärtendem Schlamm eingehüllt und ließen in diesem wenigstens Abdrücke zurück, woraus dann ihre Gestalt und Art oft sehr deutlich zu erkennen ist. Bei anderen haben sich die in ihrem Körper befindlichen zahllosen kleinen Zwischenräume mit einer mineralischen Flüssigkeit, in der Regel mit Kieselsäure, allmälig angefüllt, die endlich fest wurde und also ebenfalls" die Form des Körpers bewahrte, dessen organischer Theil der Zersetzung anheimfiel. Die Einbettung organischer Wesen in die geschichtete Masse geschah in vielen Fällen in einer allmäligen und geregelten Weise. Die Thiere lebten in dem Gewässer und lagerten sich nach dem Absterben auf dessen Boden ab und spätere Generationen folgten den vorausgegangenen nach. W n finden, wie auf diese Weise eine unermeßliche Anzahl von Schalthieren ganze Schichten und Bänke von Kalksteinen gebildet hat, und wer z. B. die Steine betrachtet, welche zur Errichtung der Neubauten in Mainz dienen, der wird erstaunt sein, ihre ganze Masse aus Myriaden nadelknopfgroßer Schneckengehäuse bestehend zu finden. Ja wir dürfen sagen, daß die Thierwelt in gewissen Perioden einen bedeutenden Antheil am Bau der Erdrinde genommen hat. S c h a l t h i e r e , in kalkhaltigem Wasser lebend, nahmen aus diesem den Kalk auf und setzten ihn in' Gestalt der daraus gebildeten Schale ab, ein Proceß, der mit der Erschöpfung des Kalkgehaltes der Flüssigkeit oder mit dem Eintrocknen oder Abrinnen derselben ein Ende nahm. Ebenso bildeten zahllose mikroskopische Wesen, die B a c i l l a r i e n , Niederschläge, die aus Kieselerde oder Eisenoxyd entstehen, wie z. B. die sogenannte Infusorienerde bei Berlin. Auch jetzt noch finden derartige Bildungen statt und wir sehen, daß solche Organismen die Fähigkeit besitzen, Spuren von Eisen und Kieselerde, die wir kaum zu entdecken vermögen, aus den Gewässern aufzunehmen und in Form einer Schale zurückzulassen» Nicht immer hatte jedoch die Sache einen so ruhigen Verlauf. Vielen Beispielen begegnen wir, wo eine plötzliche Katastrophe ein vom reichsten Thierleben erfülltes Gebiet überraschte und ein allgemeiner Tod gleichzeitig jedes 94 Geognosie. Wesen erreichte. Sei es nun, daß Ergüsse schlammiger Massen ein Gewässer erfüllten, oder daß eine Aenderung seiner Temperatur eintrat, oder tödtliche Gase oder Salze dasselbe vergifteten — genug, wir sehen unter Anderen die Schichten eines Kalkschiefcrs überfüllt von Fischskeletten und Abdrücken, Fig. 89, deren bis ins Einzelne gehende Erhaltung beweist, daß diese Thiere nicht in gewöhnlicher Weise gestorben sind, in welchem Falle ihre Körper in Fäulniß übergegangen und die Knochen aus ihren Verbindungen gelöst und zerstreut worden wären. 12? So groß anfänglich die Schwierigkeit war, das Vorkommen der Milliarden organischer Reste inmitten von Gesteinen zu erklären, die in großen Tiefen und in Höhen bis 12000 Fuß angetroffen werden, so bedeutungsvoll wurden später diese Versteinerungen als Kennzeichen für die Gesteine selbst. Die genauere Beobachtung ergab ungefähr die folgenden Grundsätze: Versteinerungen finden sich nur in geschichtetem Gestein, das aus Wasser abgesetzt ist, aber niemals im Massengestein; die Anzahl der Arten, sowohl versteinerter Thiere als Pflanzen in den verschiedenen Schichten, ist sehr ungleich; sie nähern sich der jetzt lebenden Pflanzen- und Thierwelt am meisten in den jüngeren Schichten, und nehmen in den älteren Schichten in der Weise ab, daß die vollkommneren Thiere und Pflanzen allmälig verschwinden, die unvollkommneren vorherrschen, die jetzt lebenden immer seltener werden; und in den ältesten Schichten nur noch solche auftreten, die gegenwärtig lebend nicht mehr angetroffen werden. ' „' , ^,, ^- ^^ ^,- ^ ^ /, ' '" "' ""'" ^ ^ Wenn man aus anderen Gründen mit Gewißheit erkannt hat, daß zwei an verschiedenen Orten vorkommende Gesteine in einer und derselben Zeit gebildet worden sind, so enthalten sie auch gleiche Versteinerungen. Umgekehrt schließen wir nachher aus der Gleichheit der in verschiedenen Gesteinen vorkommenden Versteinerungen mit großer Sicherheit auf das gleichzeitige Entstehen jener Gesteine. Hierdurch haben die VersteinernnKen eine außerordentliche Wich- VerstcinentNgslehre. 95 tigkeit für die Bestimmung des Alters der Schichten erlangt, und in vielen Fällen sind sie die leichtesten und mitunter die einzigen Mittel zur Erkennung derselben. Insbesondere gilt dies von den kalkigen Schalen der Weichthiere, die ja vorzüglich leicht zur Erhaltung sich eigneten. Das Vorkommen bestimmter Muscheln ist für gewisse Gesteine so bezeichnend und leitet so sicher zur Erkennung derselben, daß man sie mit Inschriften verglichen und Leitmuschcln genannt hat. Da in verschiedenen Schichten der Erde eine" mehr oder weniger abweichende Pflanzen- und Thierwelt angetroffen wird> so müssen Klima und Beschaffenheit der Erdoberfläche in den verschiedenen Zeiten ihrer Bildung dem entsprechende Wechsel erfahren haben. I m Allgemeinen lassen jedoch die Versteinerungen eine viel gleichmäßigere Verbreitung derselben Thiere über die ganze Erdoberfläche erkennen, als sie gegenwärtig stattfindet, und es scheinen in jener Zeit die großen Unterschiede ihrer Temperatur an den Polen und am Aequator nicht so auffallend gewesen zu sein> wie jetzt. Die Gesammtzahl der Arten versteinerter Pflanzen und Thiere ist außer- 128 ordentlich groß und Gegenstand einer besonderen Wissenschaft, der P a l ä o n t o logie oder Petrefactologie, geworden. Die Beschreibung jener setzt umfassende Kenntniß in der Botanik und Zoologie voraus, und es wird deshalb bei der Abhandlung dieser Wissenschaften auf die Versteinerungen die erforderliche Rücksicht genommen. Es möge jedoch eine kleine Andeutung der Pstanzenund Thierformen, welche als Versteinerungen vorkommen, hier Platz finden, und zwar in der Reihenfolge, daß mit den unvollkommneren begonnen wird. Bei der Beschreibung der Schichtungsgesteine, von welchen wir annehmen, daß sie innerhalb einer bestimmten Periode gebildet wurden, sollen die wichtigeren ' de? gleichzeitig auftretenden Pflanzen und Thiere angeführt werden. Von Pflanzen finden wir versteinert: baumförmige Schachtelhalme (Equisetaceetl), in den ältesten bis mittleren Schichten; Lycopodiaceen und F a r n k r ä u t e r von baumartiger Größe, besonders reichlich und mannichfaltig nur in den alten Schichten; Lilien; P a l m e n , Stämme, Früchte und Blatter; Najaden; Zapfenträger und Nadelhölzer (Comferen); Laubholzbäume; die letztere« kommen nur in den neueren Schichten vor. Versteinerte Thiere: Aufgußthiere ( I n f u s o r i e n ) kommen in vielen Gesteinen v m ; Thierschwämme, P o l y p e n oder K o r a l l e n besonders vorherrschend in den ältesten Schichten^ S t r a h l t h i e r e und Stachelhäuter, worunter Liliensterne, Seesterne und Seeigel; Weichthiere oder Schalthiere, sind von allen am häufigsten und für den Geognosten am wichtigsten. Sie finden sich, in den alten Schichten beginnend, in den mittleren am reichlichsten, sowohl zweimalige Muscheln, als einschalige Schnecken und Kopffüßer; unter den letzteren namentlich mehrere jetzt ganz ausgestorbene wichtige Geschlechter, wie die Ammonshörner und Belenmiten. Wurmartige Ringelthiere sind selten; krebsartige Krustenthiere häufig; Kerbthiere oder Insecten kommen deutlich nur in dm Braunkohlenschichten, namentlich in Bernstein eingeschlossen, wohl erhalten 96 Geognosie. vsr, sind jedoch im Ganzen selten. Fische finden sich außerordentlich zahlreich (bis über 800 Arten) schon in den alten Schichten, bis zu den neuesten. Lurche oder A m p h i b i e n find M m durch froschartige Thiere und Schlangen vertreten, dagegen sehr stark durch große eidechsenartige Thiere, die jetzt nicht mehr angetroffen werden; V ö g e l finden sich niemals in älteren uttd höchst selten in den jüngeren Schichten; Säugethiere kommen nur in den späteren Bildungen vor, darunter jedoch mehrere ausgestorbene Arten von auffallender Form und Größe (Mammuch oder Riefenelephant, Dinothermm Tc.); Assen sind außerordentlich selten. Spuren von menschlichen Resten sind in keiner derjenigen Schichten enthalten, die später nochmals einer allgemeinen Zerstörung unterworfen wurden. Der Mensch betrat also die Erde erst d M n , als ihre Rinde hinlänglich befestigt, keine allgemeine Umwälzung mehr erlitt« 129 Die erstaunenswerthe Menge und Mannichfaltigkeit der aufgefundenen versteinerten Pflanzen und Thiere, sowie die oft überraschend neuen und eigenthümlichen Formen derselben, konnten-nicht verfehlen, einen lebhaften Eindruck auf den Beschauer dieser Gebilde vergangener Schöpfungen hervorzubringen. Eine rege Phantasie suchte das Fehlende in den Gestalten der Thiere zu ergänzen, von welchen uns nur die Gehäuse und die Skelete, letztere häusig nur theilweise überliefert worden sind. Aus Abdrücken einzelner Blätter und Resten von Stämmen gestaltete man Wälder und Landschaften der früheren Bildungsepochen der Erde und belebte sie mit jenen hergestellten Thiergestalten. Je auffallender, ungeschlachter und mißgestalteter diese Phantasiegebilde aussielen, in desto höherem Grade schienen sie zu befriedigen und es ist mehr dem allzugroßen Eifer hierin als der wahren Einsicht zuzuschreiben, daß über die Geschöpfe der früheren Perioden der Erde die Ansicht überhandnahm, als hätte eine noch jugendliche und ungeregelte Schöpfungskraft sich gleichsam versucht in der Hervorbringung der abenteuerlichsten Mißgeburten von riesenhafter Größe. Allein theils zeigte eine besonnene Forschung, daß manche der anfänglich für ungeheuer groß geschätzten vorweltlichen Thiere, in der Wirklichkeit einen kleinem Umfang besitzen mußten — theils lehrte eine vorurtheilfreie Vergleichung mit den jetzt noch lebenden Thierformen, daß diese an. Mannichfaltigkeit, Eigenthümlichkeit, insbesondere aber an Größe, den vorweltlichen keineswegs nachstehen, ja in letzter Hinficht dieselben übertreffen. Denn selbst das Z euglod o n, ein walähnlicher Wasserbewohner der Vorwelt, anfänglich für ein Riesenkrokodil gehalten und mit dem pomphaften Namen des Wasserbeherrschers oder H y drarchos bezeichnet, ist nur 50 Fuß lang und erreicht somit bei weitem nicht die Größe unserer 80 bis 100 Fuß lang werdenden Wale und Pottftfche. — Wenn man bei Petrefakten öfter Namen begegnet, die auf ungewöhnliche Größe hinweisen, wie Riesenhirsch, Riesenfchildkröte, Riesenfaulthier u. a. m., so bezieht sich dies entweder auf einzelne Theile derselben, wie beim Hirsch auf das Geweih; oder es erscheint das vorweltliche, dem Ochsen gleichkommende Faulthier nur dann als Riese, wenn man es lediglich mit dem jetzigen Faulthier vergleicht, das nur die Größe einer Katze hat« KoOmogenie» Theorie'des Laplace, v 97 Geologie. B i l d u n g s g e s c h i c h t e der Erde. Der vom Menschengeschlechte bewohnte Bau erhielt nicht sogleich und auf 1,30 einmal seine jetzige Gestaltung. Versuchen wir es, die Entstehungsgeschichte desselben zu entwickeln und eine bestimmte, auf Erfahrung und Thatsachen gestützte Vorstellung über ihren Anfang und Verlauf zu gewinnen. Die Geschichte der Erde ist zuerst eine kosmische, der Weltbildung angehörige und dann eine tellurische, auf ihren eigenen Verlauf angewiesene. Es hat aber die K o s m o genie, die Entstehung der Welt, von jeher die Geister aller Völker beschäftigt, und wir finden entsprechend ihrem Bildungszustande in den Mythen derselben die ungeheuerlichsten Vorstellungen vermengt mit den nebelhaften Bildern dichterischer Phantasie. Aber weder tiefsinnige Philosophen, noch phantasiereiche Dichter konnten uns befriedigende Darstellungen überliefern, die zusammengehalten mit den Ergebnissen der Naturforschung sich irgend annehmbar erfunden hätten. Erst von dem Augenblicke an, als diese eine genauere Erkenntniß über das Walten der Naturkräfte gewonnen hatte, als man es wagen konnte, die im Bereich unserer Erde und Erfahrung sich offenbarenden Kräfte für von Ewigkeit durch die ganze Welt wirkende zu erklären, begegnen wir Ansichten, die mehr für sich haben, als den Glanz geistreicher Erfindung. So giebt der Physiker Laplace über die Entstehung unseres Planetensystems im Wesentlichen die nachfolgende großartige Ansicht: Die ganze Masse, aus welcher gegenwärtig die Sonne sammt die ihr zugehörigen Planeten bestehen, war ursprünglich aufgelöst in Gasform vorhanden und erstreckte sich noch über die Entfernung unseres entferntesten Planeten. Die Berechnung zeigt, daß diese Dunstmasse noch eine weit geringere Dichte haben mußte als die durchsichtigen Nebel, welche den Schweif der Kometen bilden. Der erste Schöpfungsact beginnt damit, daß im Mittelpunkt jenes ungeheuren Gasbaüs eine Verdichtung eintrat, daß ein Kern sich bildete und in 98 Geologie. Umdrehung verfetzt wurde, welche sich der ganzen D u n M l l e mittheilte. Letztere mußte jetzt, entsprechend der Centrifugalkraft, eine gedrückte, etwa linsenförmige Gestalt annehmen. Eine weitere Verdichtung des inneren Kerns veranlaßte eine immer raschere Notation, so daß endlich an dem Umfang seiner Dunsthülle die Fliehkraft die Oberhand gewinnen und den äußersten Theil derselben in Gestalt eines Ringes ablösen mußte. Dieser Gürtel setzte die Umdrehung in der früheren Richtung fort, verdichtete sich jedoch M n a l i g und rollte sich zu einem selbstständigen Ball zusammen, und- es entstand somit der äußerste oder erste P l a n e t . Eine fortschreitende Verdichtung des Centralkerns hatte als Folge eine vermehrte Umdrehungsgeschwindigkeit und es folgten sich so eine Reihe von Losreißungen äußerer Schichten, aus welchen die Planeten in der S . 260 der Astronomie angeführten Ordnung hervorgegangen sind. Nicht bei allen abgetrennten planetarischen Massen war der nachfolgende Verlauf ein gleicher. Bei einigen derselben wiederholte sich im Kleinen der eben beschriebene Vorgang der durch rasche Rotation bewirkten Losreißung, und es entstanden also die T r a b a n t e n oder M o n d e ; ja bei dem S a t u r n finden wir das auffallende Beispiel abgelöster Ringe, die sich erhalten haben. Auch ist der Fall vorgekommen, daß die vom Hauptkörper gelöste Dunsthülle nicht in einen einzigen Planetensichzusammenballte, sondern in eine große Anzahl von Weltkörpern sich zertheilte, denen wir als Asteroid en, einem Schwärm kleiner Planeten, in ziemlich gleichem Abstande von der Sonne begegnen. M i t dem Hervortreten des jüngstgebornen Planeten, des M e r c u r , hat unser Planetensystem seinen Abschluß erhalten, dessen Kern als S o n n e forthin als untheilbarer Mittelpunkt der Anziehung zu den Planeten sich verhält. Diese Theorie des Laplace ist nur ein erläuternder Ausdruck der im Planetensystem wirklich gegebenen Verhältnisse und insbesondere begründet darauf, daß alle Planeten und Trabanten sich in derselben Richtung bewegen und um ihre Achsen drehen, welche der Achscndrehung der Sonne entspricht, mit alleiniger Ausnahme der Trabanten des Uranus. Eine interessante Nachahmung des eben geschilderten Vorgangs läßt sich in einem Trinkglase vornehmen. I n dasselbe bringt man ein Gemisch von Weingeist und Wasser, genau von der Dichte des Oeles und gießt dann eine kleine Portion von letzterem hinzu. Dasselbe wird in Folge des gleichmäßigen seitlichen Drucks die Form einer Kugel annehmen, welche in der wässerigen Flüssigkeit schwebt. Indem man jetzt einen feinen Draht als Achse durch die Oelkngel einführt und denselben vorsichtig umdreht, gelingt es, die Kugel mit in Umdrehung zu versetzen nnd bei vermehrter Geschwindigkeit sie abzuplatten und einzelne Schichten zur Lostrennung und Bildung kleiner Oelkügelchen zu bringen. 131 Verfolgen wir nun dm als k ü n f t i g e Erde in deren jetzige Bahn geschleuderten Gasball, so tritt allmälig zum Einfluß der geltenden physikalischen Kräfte die chemische Mitwirkung hinzu. Die bisher durch große Entfernung von einander getrennten Atome der Elemente werden einander genähert, sie ziehen sich an, vereinigen sich und es beginnt derchemischeProceß. Wir sehen bei unserenchemischenVersuchen, wie eine jede energische Verbindung von Ele- Vildungsgeschichte der Erde. . 99 menten begleitet ist von großer Wärme-Entwickelung. So mußte der brennende Erdball in allgemeiner Gluth sich befinden, vergleichbar der glühenden Kugel, des auf Waffer verbrennenden Kaliums, die zischend auf demselben rotirt. Die Elemente verewigten sich unter einander zu solchen Verbindungen, die bei jener hohen Temperatur bestehen konnten. Gasförmige Körper bildeten die Atmosphäre, welche als Hülle den dichteren Erdkern umgab, und es gesellten sich zu ihr die Dämpfe einer großen Menge von flüchtigen Verbindungen, die bei jener Hitze im' flüssigen oder festen Zustande nicht verharren konnten. Alles heutige Meer war damals noch Wafferdampf und die Erde erscheint uns in jenen ersten Bildungszuständen als weicher glühender Kern, umgeben von einer ungeheuren, sehr dichten Atmosphäre. Aber beständig Wärme in den unendlichen Weltraum ausstrahlend, erlitt dieser Feuerball eine Verminderung seiner Hitze zumeist an der Oberfläche. Schwer schmelzbare chemische Verbindungen, wie z. B. kieselsaure Thonerde, begannen allmäligsichauszuscheiden und bei fortwährender Abkühlung einen dünnen Neberzug, eine schwache Kruste über den glühenden Erdkern zu bilden, und diesen von seiner Dampfatmofphäre zu trennen. Hiermit war der Anfang' gemacht zur Ent, stehung der Erdrinde, die nun rascher an Stärke zunehmen konnte, da die unmittelbare Einwirkung der inneren Gluth abgehalten war, und die als Dampf vorhandenen Verbindungen wenigstens theilweise als Flüssigkeit sich auf der Erdrinde niederzuschlagen vermochten. Organisches Leben konnte damals nicht bestehen. Die Rinde war noch zu 132 heiß, als daß Pflanzen in ihr wurzeln und wachsen konnten, das Leben d n Thiere aber ist an das Vorhandensein der Pflanzen gebunden. I n der That, die Erdschichten, von denen wir annehmen, daß sie in jener Periode gebildet wurden, enthalten nirgends auch nur eine Spur versteinerter Pflanzen- oder Thierstoffe. War damals bereits Wasser auf der Erdrinde angesammelt, so hatte dasselbe eine größere Wärme, als gegenwärtig der Fall ist; es war dadurch im Stande eine Menge von chemischen Verbindungen aufzulösen, und während das jetzige Meer nur leichtlösliche Salze enthält, mochte das Meer jener Zeiten große Mengen kieselsaurer, schwefelsaurer und kohlensaurer Verbindungen aufgelöst enthalten haben. Auch wühlte es einen Theil der festen Ninde wieder auf, und bildete damit schlammige Flüssigkeit, die jedoch bei fortwährendem Abkühlen der Erdmasse ihre festen Bestandtheile allmälig in körnigen Schichten wieder absetzte. So sehen wir in der Erdrindenbildung eine stetige Wechsel- und Zusam- 133 menwirkung der chemischen Verwandtschaft und der Schwere. Der letzteren folgend bestrebten sich dichtere Körper stets die untere Stelle einzunehmen. Wäre es lediglich bei Ver beschriebenen Krustenbildung geblieben, so müßte die Erdoberfläche eine ziemlich gleichförmige sein. Erhöhungen und Vertiefungen würden sich dem Auge nicht darstellen, den festen Erdkörper würde ein nicht allzutiefes Meer ringsum überdecken und dieses wieder von der Luft umgeben sein. S o ist aber unseke Erdoberfläche keineswegs beschaffen. Wiederholte Stö< 100 Geologie. rungen gaben ihr eine manmchfaltigere Außenseite. Wodurch wurden diese hervorgerufen, wie wurden sie veranlaßt? Durch dieselben Naturkräfte, die nach denselben Gesetzen noch heute walten, die nur unter den damals gegebenen Verhältnissen in einem großartigen Maaßstabe wirkend Erscheinungen hervorbrachten, die wir jetzt kaum zu überblicken, ja kaum uns vorzustellen vermögen. 134 .Indem die erste Erdrinde erhärtete,, zog sie sich zusammen, sie erhielt'dadurch Sprünge, ähnlich wie wir dieses in heißen Sommern an austrocknendem Thonboden oft in sehr bedeutendem Grade wahrnehmen, und gewaltsam wurde die weiche innere Erdmasse durch die Risse ihres zu enge gewordenen Kleides hervorgepreßt. Es drang serner das Wasser begierig in jene Spalten ein, erweiterte sie durch seine auflösende Eigenschaft mehr und mehr und gelangte endlich, die dünne Rinde durchbrechend, nach Innen. Man denke sich nun eine bedeutende Waffermenge plötzlich auf eine große glühende Fläche stürzend. Was wird der Erfolg sein? — Die Bildung von Wasserdampf in ungeheurer Masse, der zugleich durch die hohe Temperatur eine außerordentliche Spannkraft erhält. M i t einer Gewalt, der nichts zu widerstehen vermag, dehnen die Dampfe sich aus. Sie heben die Erdrinde in die Höhe, treiben dieselbe da und dort blasenförmig auf, zerreißen sie endlich mit furchtbarem Krachen, und aus dem gespaltenen Schlünde entströmt mit den entfesselten Dämpfen die emporgetriebene feurig flüssige Masse des Innern und breitet sich an der Oberstäche aus, oder thürmt sich um die Oeffnung des Durchbruchs auf. Werfen wir nach einem solchen Vorgang einen Vlick auf die Erdoberfläche, wie ganz verschieden finden wir sie von der vorhin geschilderten regelmäßigen Gestaltung. Von den in die Höhe gehobenen Stellen der Erdrinde ist das Gewässer nach den tiefer liegenden gestoffen, das Feste ist von dem Flüssigen geschieden, ersteres erscheint als Festland, umgeben von Inseln, letzteres als Meer. Das Festland selbst besteht theils aus geschichtetem Gesteine, theils aus der vom Innern emporgedrunZenen allmälig erstarrten Masse, die als unregelmäßiges Massengestein, als Gebirge erscheint, an welches die gehobenen Schichten sich anlehnen. Die hie und da in beiden Bildungen entstandenen Spalten W e n sich mit weicher Gestein- oder Erzmasse, und.werden zu Gesteinsgängen (vergl. §. 123). So haben wir Wasser und Feuer als bildende Ursachen vor uns, und indem man die mythologischen Vertreter derselben als Pathen annahm, spricht man von neptunischen oder W a f s e r b i l d u n g e n , und von Plutonischen oder F e u e r b i l d u n g e n . ^ ^ 135 Die Gebirge dieser ersten Bildungszeit oder Periode waren nicht allzuhoch, die Meere nicht allzutief. Die vom Wasser befreiten Stellen verwitterten allmälig und bedeckten sich mit Pflanzen, und wohl ziemlich gleichzeitig mochten Thiere sich entwickeln. Bei der damals noch geringen Dicke der Erdrinde mußten Land und Wasser eine höhere Temperatur besitzen, und es konnten daher nur solche lebende Wesen austreten, die unter den gegebenen Verhältnissen auszudauem vermögen. Vilduttgsgeschichte der Erde. 101 Wie lange nach jener ersten Revolution die Erdoberfläche in dem dadurch 136 erlangten Zustande verharrte, ist ungewiß. Die Stärke der aus dem Wasser allmälig abgesetzten Schichten und die Menge der über einander gelagerten, nach einander gelebt habenden Thiere der späteren Gebilde, sowie manche Vorgänge, die zu beobachten wir gegenwärtig Gelegenheit haben, geben hierüber nur beziehungsweise Andeutungen. Man hat jedoch, insbesondere von letzteren ausgehend allen Grund zu der Annahme, daß die Reihenfolge der wesentlicheren Veränderungen der Erdoberfläche eine außerordentM langsame gewesen ist und jedenfalls nach Perioden von vielen Tausenden von Jahren zu bemessen ist. Aber daß es mit jener ersten Umgestaltung nicht beendigt war, das ist gewiß. Obgleich die Erdrinde durch die immer fortwährende Abkühlung an Stärke zunahm, so haben dieselben Ursachen später abermalige Durchbrüche ttcranlaßt, deren Erscheinungen wir im Wesentlichen bereits beschrieben haben. Nur muß hier wegen der indeß dicker gewordenen Erdrinde die Spannkraft der Dämpfe gewaltsamer, die Erhebung der festen Schichten bedeutender und das aus den Spalten aufsteigende Massengestein ausgedehnter und höher über einander gethünnt gewesen sein, als bei der ersten Bildung. ^ Auch konnte der Fall eintreten, daß Massengesteine der ersten Bildungszejt von denen der nachfolgenden durchbrochen wurden, während der umgekehrte Fall natürlich nicht vorkommen kann. Die Gewässer zerstörten dabei einen großen Theil der festen Gesteine und setzten dieselben in Schichten wieder ab, die Pflanzen- und Thierwelt wurde verschüttet, hie und da im Schlamm begraben und versteinert. So folgten sich denn in immer größeren Zwischenräumen mehrere Umwäl- 137 zungm nach einander. Es war zu jeder späteren um so mehr Zeit erforderlich, je dicker indeß die Erdrinde geworden war, je langsamer folglich eine Erkaltung und hinreichende Zusammenziehung derselben eintreten konnte, um neue Zerreißungen der Decke zu veranlassen, ferner, je weniger zugänglich das Innere dem Zutritt des Wassers war. Der Erfolg war aber um so gewaltsamer und die dadurch entstandenen Verwerfungen der früher gebildeten Schichten, die Masse der aus der Tiefe aufsteigenden Plutonischen Gebilde um so beträchtlicher. Es ist gewiß, daß die höchsten Gebirge der Erde, der Himalaja, die Anden, Alpen 2c., zugleich die jüngsten, d. h. die zuletzt emporgedmngenen und gehobenen sind. Die vorhandenen Schichtungen weisen in ihrer Lagerung unter einander und zu den Massengcbirgen und durch ihre eingeschlossenen Versteinerungen unverkennbar auf eine, der vorstehenden Schilderung entsprechende wiederholte Umgestaltung der Erdoberfläche hin, es lassen sich an derselben gewissermaßen die nach einander folgenden Acte der Schöpfungsgeschichte ablesen. Man bezeichnet nun die innerhalb des Zeitraums zwischen zwei solchen Ausbrüchen gebildeten Gruppen von Schichtungen, die demnach eine Uebereinstimmung in gewissen wesentlichen Merkmalen haben müssen, als eine geologische B i l d u n g oder F o r m a t i o n , oder als ein System von Bildungen und spricht demnach z. B. von einer S t e i n k o h l e n - F o r m a t i o n oder von dem System der S t e i n k o h l e . Einzelne, besonders charaktenfirte Schichten eines Systemes 102 Geologie. werden die Glieder desselben genannt und mehrere Glieder bilden eine Gruppe. 138 Wir dürfen jedoch nicht annehmen, daß Ausbrüche und Zeiträume der Ruhe in der Erdbildungsgeschichte in scharfer Abgränzung wechselten, wie Acte und gwischenacte eines Schauspiels. Wir werden vielmehr darauf hingewiesen, daß an der Umgestaltung des Materials der Gesteine und Schichtungen, sowie an ihrer Lagerungsepoche auch Kräfte mitgewirkt haben, die weniger gewaltsam und plötzlich sich offenbarten, die vielmehr durch einen leisen aber stetigen, Jahrtausende lang anhaltenden Einfluß große Veränderungen zu bewerkstelligen vermochten. Es hat überhaupt niemals ein völliger Stillstand stattgefunden, vielmehr eine fortgehende Bewegung und Entwickelung, wie wir dieselbe auch in der Geschichte des Menschengeschlechts, neben dem Auftreten gewisser epochemachenden Persönlichkeiten und Ereignisse, im Ganzen wahrnehmen/ Denn noch heutigen Tages, wo wir entfernt sind von jenen großen Revolutionen und mit Gewißheit keine Wiederholung derselben zu befürchten haben, können wir die leisen Wirkungen still und stetig thätiger Kräfte wahrnehmen, die unmerklich, aber fortwährend verändernd auf die Oberfläche unserer Erde sich äußern. Solche sind die Verwitterung und Auswaschung welche unsere Gebirge erleiden, deren Trümmer als Gerolle, Treibsand und Schlamm in die Thäler und Meere geführt werden, die Ausfreffungen, welche die Brandung des Meeres herbeiführt, gewisse äußerst langsame Hebungen und Senkungen mancher Gebiete und Küstenländer, der Anbau von Korallenriffen, die Bildung der Torstager u. a. m. Insbesondere schreibt man dem Wasser eine wesentlichchemischumbildende Einwirkung auf viele und mächtige Schichtengesteine der Vorwelt zu. Man nimmt an, daß dieses Wasser gesättigt war mit Kohlensäure und somit befähigt, Kalkgesteine aufzulösen, daß es Kieselsäure in auflöslicher Form enthielt und somit geeignet war, überall, wohin es gelangte, die Bildung von Silicatcn zu veranlassen. Daß in der That im Verlauf sehr'langer Zeiträume merkwürdigechemischeUmwandlungen der Art stattgefunden haben, geht unzweifelhaft aus dem Vorkommen der zahlreichen Pseudomorphosen (siehe §.22) hervor, wo Atom für Atom des chemischen Gehaltes allmälig umgetauscht wurde. Dieselben haben für Vorgänge der Art eine ähnliche Wichtigkeit erhalten, wie die Leitmuscheln für die Erkennung gleichzeitig gebildeter Schichtungen. So wird neuerdings die Ansicht aufgestellt, daß die bereits in §. 97 angedeutete Umwandlung der metamorphischen Gesteine lediglich durch den Einfluß des Wassers herbeigeführt worden sei. Ja man ist so weit gegangen, zu behaupten, daß nicht Hebungen durch Plutonische Massen die Ungleichheit der Erdoberfläche bewirkt haben, sondern EnHürzuugeu^ und Senkungen in unterirdische Höhlungen, herrührend von allmäligen Auswaschungen durch Wasser. IZ9 Die' ganze Bildungsgeschichtc der Erdrinde ist die Bewegung nach einom Zustande des Gleichgewichtes. Derselbe mußte erreicht sein, sobald die Abkühlung der Erde so weit gediehen war, daß die fortan noch von ihr ausgestrählte Eigenwärme vollständig wieder ersetzt wurde durch die von den Sonnenstrahlen der Erde mitgetheilte Wärme. Von da ab konnte eine weitere Erkaltung der Bildmlgsgeschichte der Erde. 103 Erde, folglich auch keine weitere gusammmziehung ihrer Rinde und Verwinde, rung ihres Umfanges mehr eintreten. M i t letzterer würde eine Vergrößerung der Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde nothwendig verbunden gewesen sein. Aus genauen astronomischen Beobachtungen wissen wir aber, daß seit 2000 Jahren die Dauer des Tages sich noch nicht um den hundertsten Theil einer Secunde geändert, daß folglich der Umfang der Erde seitdem nicht mehr die Mindeste Aenderung erlitten hat. Der Unterschied unserer Zonen beruht lediglich auf der ungleichen Weise, in welcher die Sonnenstrahlen die Erde in Folge der Neigung ihrer Achse zur Erdbahn erreichen. Die allgemeine Verbreitung gleichmäßiger Pflanzen- und Thierformen in gewissen älteren Formationen der Erdrinde sprechen jedoch dafür, daß so auffallende Zonenunterschiede nicht immer stattfanden. Die Temperatur der Lust und der Gewässer wurde damals in gleichmäßiger Höhe erhalten, durch die von den emporgedrungenen plutonischen Massen ausgestrahlte Wärme, wie denn überhaupt, nachdem die Erdrinde einmal eine gewisse Dicke erreicht hatte, raschere Wärmeverluste derselben mehr in Folge großer Durchbrüche als durch die Ausstrahlung von ihrer ganzen Masse stattgefunden haben. M i t dem Eintritt der Zonenunterschiede begann die Bildung eines neuen geognostischen Gliedes, nämlich des Eises, das in mehrfacher Hinsicht an der Bildung der Erdrinde sich betheiligte. Mehrfache Wechsel haben wohl auch in der Art seiner Verbreitung stattgefunden, und als Andenken solcher betrachtet man die großen Felsblicke, welche über das norddeutsche Flachland zerstreut sind und F i n d l i n g e genannt werden. Es sind.Bruchstücke des skandinavischen Gebirges, welche an Eisberge angefroren mit diesen von der Fluth nach ihren jetzigen Ladestellen getrieben wurden. Noch ist hervorzuheben, daß wenn auch die im Verlauf der geologischen Geschichte später auftretenden Katastrophen im Ganzen gewaltsamer als die vorhergegangenen warm, doch ihre Wirkungen nicht durchaus gleichmäßig sich erwiesen. Die vorhandenen Bildungen waren theilweise schon zu mächtig und fest gegliedert, als daß eine durchgehende Umgestaltung sie gleichzeitig hätte überwältigen können. Daher erklären sich bei übereinstimmendem allgemeinem Charakter späterer Formationen,'der sich hauptsächlich in ihrem Gehalte an organischen Resten ausspricht, «doch manche örtliche Unterschiede; es treten in manchen Gegenden gewisse Glieder einer Bildung auf, die anderwärts fehlen oder nur durch eine ähnliche Bildung vertreten sind. Eine jede Bildungsperiode wurde dadurch abgeschlossen, daß die Spalten 140 und Risse, welche in der Erdrinde sich befanden, theils durch fortwährende Abkühlung der inneren Masse, theils durch wässerige oder schlammige Bedeckung von außen geschlossen wurden. An manchen Stellen geschah dies mehr, an anderen weniger vollkommen. Die letzteren waren dann diejenigen, die später einen neuen Durchbruch erleichterten. Aber selbst bei der Beendigung der letzten allgemeinen Erhebung fand nicht überall eine vollständige Verschließung der nach innen führenden Spalten statt. An einzelnen Punkten, wo dieselben entweder sehr weit waren, oder wo 194 Geologie. große Gesteinsmassen zufällig eine Lücke zwischen ihren Theilen gelassen hatten, da konnten vereinzelte Oeffnungen sich erhalten, die noch bis zum heutigen Tage bestehen, einigermaßen vergleichbar den Rauchfängen, die vom Aeußern eines Hauses bis in dessen Inneres, bis zur FeuersteUe führen. ' Solche Oeffnungen in der Erdrinde nennen wir Vulcane. Ihre Eigenschaften und Wirkungen, die bis zur Gegenwart sich erstrecken, sind uns daher ziemlich bekannt und erklärlich. Wäre ihr Inneres vollkommen leer, so könnte man durch sie m's glühende Eingeweide der Erde hinabblicken. Aber ihre Oeffnungen oder Krater bedecken sich mit abgekühlter und dadurch erhärteter Gesteinsmasse, mit Lava und anderen vulcanischen Bildungen. Außer den sogenannten Reihenvulcanen, deren Entstehung wir, wie eben erwähnt wurde, mit den Spalten früherer Ausbrüche in Verbindung bringen, treten noch eine große Anzahl selbftstäkdiger Vulcane auf, so daß man im Ganzen gegen 300 in geschichtlicher Zeit noch thätiger Vulcane gezählt hat. Ja es sind mehrfache Beispiele der Entstehung neuer Vulcane bekannt, als deren jüngstes die Erhebung der vulcanischen Insel Ferdinandea im Jahre 1831 anzusehen ist. I n der That sehen wir auch, daß alle Massen- und Schichtengesteine, von den ältesten herauf bis zu den jüngsten Tuffen von diesen Vulcanen durchbrochen werden. 141 Die Thätigkeit der Vulcane ist eine Aeußerung der Dampfkraft. Wasser tritt in Berührung mit dem glühenden Inhalt des Vulcaus und veranlaßt die Bildung ungeheurer Dampfmassen von großer Spannkrast. Dieselben suchen sich zu erheben und auszudehnen und erschüttern oft weithin erstreckte Ländereien. Es sind dies die furchtbaren, dem Ausbruche der Vulcane gewöhnlich vorhergehenden Erdbeben. Eine ewig denkwürdige Katastrophe der Art war das entsetzliche Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755, welches diese Stadt zerstörte, an 20000 Menschen den plötzlichen Untergang bereitete und dessen Erschütterungen sich über einen Erdraum von 700000 geographischen Quadratmeilen verbreiteten. I m Innern des Vulcans drängt unablässig der gesperrte Dampf die glühende Masse mit ihrer Decke nach oben. Das wiederholte Steigen und Fallen der Dampfblasen, das theilweise Durchbrechen derselben, die Erschütterung großer Erdmassen ist immer mit furchtbarem Geräusch verknüpft, das bald dem fortwährend rollenden, bald dem in einzelnen Schlägen krachenden Donner zu vergleichen ist. Endlich ist die Masse bis zur Krateröffnung emporgedrungen. Die Decke wird gesprengt und himmelhoch in Brocken und Staub in die Lüfte geschleudert, und letzterer mitunter als sogenannte vulcanische Asche durch W W e meilenweit fortgetragen. Dann steigt die glühende weiche Masse ruhiger aus und stießt als Lavastrom über den Rand des Kraters, unwiderstehlich Alles zerstörend, was sie erreicht. Allem dieser furchtbarste Augenblick der Revolution enthält auch die Bedingung ihrer Beendigung. Die Dämpfe sind entwichen, die Ruhe im Innern ist hergestellt, die Lava stießt auswendig langsamer, sie steht endlich still und erhärtet, inwendig sinkt sie nach der Tiefe. Nur Dämpfe von Wasser, schweflige Vulcane. 105 Säure u. a. m. entweichen dem Krater, und heiße Quellen entspringen in seiner Umgebung und geben Kunde, daß es da drinnen noch glüht. Sehr treffend bezeichnet von H u m b o l d t die Vulcane als die Sicherheitsventile der Erdrinde. Der dem thätigen Krater entweichende Wasserdampf bildet über demselben 142 eine Wolke von blendend weißer Farbe, aus welcher elektrische Erscheinungen auf das Großartigste sich entwickeln. Die unablässige Entsendung von Blitzen, gefolgt vom Donner, verleihen ihr den Charakter einer Gewitterwolke, um so mehr, als heftige Gewitterregen in ihrem Gefolge wolkenbruchartig herabstürzen, und verheerende Ströme von Schlamm über die Umgebung des Vulcans ergießen. Jene elektrischen Entladungen sind im Großen die Wiederholung der in neuerer Zeit beobachteten Thatsache, daß der aus einem Dampfkessel entlassene Dampf in hohem Grade elektrisch ist. Wir fügen dieser Beschreibung den idealen Durchschnitt eines im Ausbruch begriffenen Vulcans, Fig. 90, bei. Ans dem mit Lava erfüllten Schlote «, der sich oben zum trichterförmigen Krater öö erweitert, steigen die Dampfblasen auf, die sich dabei mehr und mehr ausdehnen und eine plattgedrückte Form annehmen. Sie gehen über in die elektrische Wolke 6, aus welcher derRcgenstrom s und eine feurige Garbe von Schlacken/, herabstürzen. Bei F erblicken wir eine Seüenspalte, durch welche die Lava einen Ausweg gefunden hat und als Lavastrom i abstießt. Bei hohenVulcanen erreicht nämlich die Lava nur selten die Krateröffnung, um aus derselben abzufließen, vielmehr öffnet sich in der Regel eine seitliche Spalte, aus der die Lava sich hervonvälzt. 106 Geologie. Eigentliche Flammen brechen aus der Krateröffnung nicht hervor und die Feuersäule, die man bei nächtlichem Anblick aus demselben sich erheben sieht, ist nur der Wiederschein der feurigen Lava an den aufsteigenden Dämpfen und Wolken. Als Beweis hierfür dient, daß selbst der heftigste Wind niemals diese gerade Feuersäule bewegt oder umbiegt, was bei einer Flamme der Fall sein würde. 143 Die Umgebung der Vulcane ist mit älteren oder jüngeren Strömen von Lavg bedeckt, welche durch Verwitterung einen außerordentlich fruchtbaren Boden liefert, weshalb eine üppige Pflanzenwelt den Fuß der Vulcane umgiebt, und trotz der gefährlichen Nähe findet man am Vesuv mehrere Dörfer im Bereich seiner verderblichen Wirksamkeit. Die Vulcane sind zugleich diejenigen Stellen, wo noch täglich Minerale gebildet werden, theils aus der glühenden Masse krystallisirend, theils indem die aus dem Krater aufsteigenden sauren Dämpfe anderes Gestein zersetzen. Daher ist die Umgebung eines Vulcans stets ein reicher Fundort für viele Minerale. Mit der Zeit scheinen jedoch alle Vulcane sich zu verschließen und bei vielen ist'dies bereits der Fall. Es erstehen auf diese Weise die S o l f a t a r e n , welche zwar mit dem Innern in Verbindung stehen, aber nur noch Dämpfen und Gasen den Ausweg gestatten, worunter Schwefelwasserstoff besonders reichlich ist, der theils Schwefel absetzt, theils zu Schwefelsäure oxydirt wird, die das umstehende Gestein angreift. Eigenthümliche vulcanische Erscheinungen find die Schlammvulcanc oder S a l s e n , kraterförmige Vertiefungen, worin aus kleinen Erhöhungen Schlamm aufbrodelt, indem gleichzeitig viele Dämpfe und Gase entweichen, worunter die Borsäure der Salsen in Toscana besonders wichtig ist. Endlich trifft man als Uebertest der vormals vulcanischen Thätigkeit nur noch das Entweichen reicher Ströme von Kohlensäure, wie z. B. bei Neapel und in der E i f e l , einer Gruppe vulcanischer Erhebungen zwischen der Aar und Trier. Der Laachersee. Fig. 9 1 , bei Andernach ist die mit Waffer erfüllte Krateröffnung eines erloschenen Vulcans, wovon die ganze Umgebung alle eigenthümlichen Merkmale trägt. Die äußere Form der Vulcane ist sehr charakteristisch und ziemlich regelmäßig kegelförmig. Dieselben sind von unten aufgetriebene Blasen, die endlich in eine Spitze sich verlängern und dort durchbrechen. Allein dieser Durch: bruch hat nicht immer stattgefunden. Wir sehen eine Menge kegelförmiger Berge, die niemals vulcanisch thätig waren. I n diesem Falle war die Auftrei- Vulcam. W7 bung nicht kräftig genug, um die Erdrinde zu durchreißen, und die glühende Masse erstarrte im Innern, ohne an's Tageslicht hervorzudringen. I n der That trifft man häusig inmitten solcher aus geschichtetem Gestein bestehender kegelförmiger Berge einen Plutonischen Kern, besonders Basalt, I n Europa sind, mit Ausnahme des Vesuvs, des Aetna und dcs S t r o m b o l i s in Italien, sowie der auf Island gelegenen zahlreichen Vulcane, worunter der Hekla sich auszeichnet, keine von Bedeutung thätig. Die in immer größeren Zwischenräumen erfolgenden Ausbrüche der genannten, wenn auch für die nächste Umgebung furchtbar, erstrecken sich doch nicht mehr auf weithin über große Länder. I m Bereich der Geschichte finden wir jedoch mehrere Beispiele schrecklicher, für ganze Gegenden, ja Länder verderblicher vulcanischer Wirkungen. So wurden im Jahr 79 n. Chr. die blühenden und reichen Städte H e r c u l a n u m und P o m p e j i von vulcanischer Asche verschüttet; im achtzehnten Jahrhundert Lissabon vernichtet, und noch in den allerneuesten Zeiten haben furchtbare Zerstörungen in Südamerika durch Erdbeben stattgefunden. Dort befinden sich ganze Reihen von Vulcancn, aus deren Stellung L. v. Buch nachwies, daß sie auf den Spalten früherer Durchbrechungen stehen und unter sich inneren Zusammenhang haben. Berühmte Vulcane jener Länder sind: der 1758 in Mexico entstandene I o r u l l o und der 17,662 Fuß hohe F o t o p a x i der Andcakette, welcher auf eine merkwürdige Weise seinen inneren Zusammenhang mit den Gewässern dadurch beweist, daß er mitunter große Massen von Schlamm und eine Menge von Fischen auswirft. Wir haben seither nur eine der aus den früheren Erdumwälzungen her- 144 vorgegangenen Erscheinungen weiter verfolgt, nämlich die Vulcane. Kehren wir nun auch zu Anderem zurück und betrachten zunächst die weitere Entwickelung der Pflanzen- und Thierwelt. Es ist klar, daß, je mehr Zeit zwischen den nach einander auftretenden Störungen verstoß, ein um so bedeutenderes organisches Wachsthum sich entwickeln konnte. Pflanzen und Thiere treten nun nicht allein zahlreicher, sondern auch mannichfaltiger auf. An die Farnkräuter und Schachtelhalme reihen sich alsbald Palmen und. Nadelhölzer, den früh schon erscheinenden Fischen schließen sich die Lurche oder Amphibien an. Dazwischen regten sich Schalthiere in ungeheurer Menge. So folgte das Vollkommene in angemessener Weise dem Unvollkommenen, da des ersteren Leben stets an das Vorhandensein dcs letzteren geknüpft ist. , Hinsichtlich der Gesteinsarten selbst findet auch ein gewisser Wechsel statt« Nach den unlöslichen und schwer schmelzbaren Kiesel- oder Thonerdeöerbindungen des Grundgebirges treten in den mittleren Gebilden allmalig mehr die Kalksteine, Sandsteine und Mergel, der Gyps, das Steinsalz und die aus der Zerstörung früherer Pflanzenwelten hervorgegangene Kohle in mannichfacher Weise auf. Es ist daher natürlich, daß, wenn wir die Erdrinde von außen nach innen 145 oder umgekehrt betrachten, eine Reihe verschiedener Schichten sich uns darbieten muß, die je nach den Zcitverhältnisscn, unter welchen sie gebildet wurden, einen eigenthümlichen, bestimmten Charakter haben. Da im Wesentlichen dieselben 108 Geologie, Erscheinungen auf der ganzen Oberstäche der Erde stattgefunden haben, so müssen die gleichzeitigen Gebilde ihrer Rinde auch überall gleich oder ähnlich sein. I m Ganzen hat dieses die Erfahrung bestätigt. I m Einzelnen ist der Beweis oft schwierig, mitunter unmöglich, denn es findet nach dem Seite 106 Erläuterten manche Verschiedenheit statt, indem hie und da Neihen oder Glieder von Gesteinsmassen fehlen, die an anderen Orten angetroffen werden. Allein dieses ist nur örtlich und für's Ganze von untergeordneter Bedeutung Nebersicht der geologischen Systeme. 146 Werner, der zuerst den Blick von dem einzelnen Minerale auf die Betrachtung der mineralischen Massen im Großen und Ganzen richtete und der sornit der Begründer der Geologie wurde, stellte zugleich das erste geologische System auf. Von der Ansicht ausgehend, daß die Erdrinde nur aus Schichten bestehe, die sich nach und nach aus dem Wasser abgesetzt und über einander gereiht haben, bezeichnete er als Urgebirge oder Grundgebirge die versteinerungsleeren krystallinischen Schiefer, welche die Unterlage der folgenden Schichten bilden. Dieselben waren seiner Anficht nach die erste oder primäre Nildung, von welcher eine Reihe von Gesteinen den Uebergang zu den späteren Niederschlägen bildet und daher Nebergangsgebirge genannt werden. An dieses reiht sich nun als zweite Bildung das Secundärgebirge, dem so recht deutlich der Charakter neptunischer Abkunft aufgeprägt ist und das daher auch vorzugsweise als Flötzgebirge bezeichnet wird. Als dritte Bildung oder T e r t i ä r g e b i r g e folgen.dann die neuesten vorgeschichtlichen Bildungen, deren Thier- und Pflanzenwelt unseren jetzigen Organismen sich nähert, worauf als vierte Bildung das Q u a r t ä r g e b i r g e auftritt, worunter die innerhalb der menschlichen Beobachtung bis auf den heutigen Tag entstandenen Bedeckungen der Erdrinde begriffen werden. Wenn in seinen Hauptzügen das, vorstehende Shstem noch jetzt der geologischen Anschauung und Ausdrucksweise zu Grunde liegt, so hat doch die fortgesetzte genauere Erforschung der Erdrinde eine mehrfache Gliederung der genannten Hauptgruppen erkannt, entsprechend den mehrfachen größeren Gestaltungsepochen derselben. D a letztere nicht in allen Punkten der Erdoberfläche in durchaus gleicher Weise ihre Wirkungen offenbarten und somit in verschiedenen Ländern locale Eigenthümlichkeiten der Schichtungen sich vorfinden, so ist hieraus eine mißliche ^^^^^^—^^^— selben hervorgegangen, so daß fast jedes Land eine besondere geologische Sprache führt. .Es erscheint deshalb eine Uebersicht derselben in nachfolgender Tafel am zweckmäßigsten. Wir begegnen dabei eigenthümlichen Namen, die theils an sich ohne Bedeutung sind, wie z. B. Keuper, theils nach geographischen und historischen Erinnerungen ( J u r a , Permische, Devonische, Silurische Formation), zumeist jedoch nach Hauptgesteinen der Bildung gewählt worden sind, wie Grauwackc, S t e i n k o h l e , Kreide. Uebersicht der geologischen Systeme. II. Grauwacke. Untere Orauwacke, Obere Grauwacke. III. Steinkohle. Untere Formation, Kohlenkalkstein. Obere Formation, Steinkohle. IV. Zechftein. Rothliegendes, Kupferschiefer, Zechstein. V. Trias. Bunter Sandstein, Muschelkalk, Keuper. VI. Jura. Unterer, schwarzer Jura oder Leias. Mittlerer, oder brauner Jura. Ober- oder weiß er Jura. VII. Kreide. Tertiärgebirge. Wälderthon, Quadersandstein, Kreide. Untere Tertiärbildung; Braunkohle. Mittlere Tertiarbildung; Grobkalk. Obere Tertiärbildung; Süßwasserkalk. 'IX. Dialuvium. Diluviale oder aufgeschwemmte B i l dungen. Alluviale oder angeschwemmte B i l dungen. in England. i'errg.inOiluriGn. I i l u r i a n Oroup. V6vonian,(3r0up. Primäre oder paläozoische Formationen. Gneiß, Glimmerschiefer, Thonschiefer. in Frankreich. 1 . HonIIiSr. 1?. ?srmi6N. ?OrniIan (3-roup. Ltous.) E e c n n d ä r e Formationen. I. Schiefer. VIII. Mo lasse. Quartärgebirge. Formationen. T. ?riH3 3i<;u<i; I'rill.sgio (3-roup; (6-rds NFarr6, (^6^ Keä Sana(louoliMON, 8tous. 8»Uf«rion yto.) M'ss- Rßä Karls.) ^ 1 . «su'l'NZLiczu6' 1^12«; Vu.tK.0N,iGN, Oor«.IU«n Ota.) O o l i t i o Aroup. Orstaasous 6-r. 'iuronion Gto.) Tertiäre Formationen. Systeme. Entsprechende Bezeichnungen Qnartarformationen. Secundärc oder Flötzgebirge. Uobergangs? gebirge. Urgebirge. Nach ^! Werner. Bezeichnungen in Deutschland. 1Ü9 1'. Nootzlio. Naosne 6-roup. Nio<36N6 (^roup. (?«,lrmi6il)« 1?. ?NoodU6. l'liooen« <Fi-0up 1?. VNuv!^. I) i I u v i u ly. NO 147 Geologie. ' I n vorstehender Uebersicht sind die Feuerbildungen nicht mit aufgenommen worden, da sich dieselben in ihrer Folgenreihe nicht so genau unterscheiden lassen, wie die Nasserbildungen. Wir beschränken uns darauf anzudeuten, daß die Hauptmassen des G r a n i t s gleichzeitig .und in inniger Verbindung mit den krystallinischen Schiefern auftreten; eine weitere Erhebung granitischer Gesteine, sowie von Grünsteinen und quarzfreien P o r p h y r e n bezeichnet der Ueber-^ gang zwischen Grauwacke und Steinkohle. Letztere wird vorherrschend von quarzführenden Porphyren durchbrochen, die mit den M e l a p h y r e n im Zechstcin am häufigsten austreten. I n der Periode der secundären Formationen erscheinen die Durchbrüche von Granit, Syenit und Porphyr noch vereinzelt; fast gänzlich unberührt bleiben von denselben die tertiären Bildungen, welche hauptsächlich von Trachyten und Basalten durchsetzt werden. Endlich finden wir die Dialuvial- > bildungen nur von erloschenen und noch thätigen Vulcanen gestört. i Das Verhältniß der Wasserbildungen unter einander, sowie zu den Feuer-! bildungen wird ferner veranschaulicht durch die in beifolgender Tafel gegebene ideale eines Stückes de.r Erdrinde vorstellt. Wir nennen dieselbe i d e a l , weilsienicht nach einem wirklich sich vorfindenden Beispiele ausgeführt, sondern nur als Hülfsmittel des Unterrichts erdacht ist. Denn nach dem, was über die Entstehung der Formationen gesagt wurde, ist vorauszusetzen, daß keine der späteren geschichteten Wasserbildungen in ununterbrochener Ausdehnung über die ganze Erdrinde zu Stande gekommen ist, ferner daß gleiche Formationen in entfernten Gegenden bedeutende Unterschiede i n der Art und Mächtigkeit ihrer Glieder zeigen können, und daß endlich das Vorhandensein der vollständigen Reihenfolge aller Systeme und ihrer Glieder nirgends vorausgesetzt werden kann. Eine wesentliche Ergänzung hierzu bietet der Anblick einer geologischen Karte, welche die geographische Verbreitung der an die Erdoberfläche tretenden Formationen darstellt, und wir empfehlen in dieser Hinsicht die S . 1 angeführte Karte von H. Bach. W a s s e r b i l d u n g e n. (Neptunische — normale — oder geschichtete Bildung; Flötzgebirge.) (Ur-oder Grundgebirge.) 148 I n der S . 109 gegebenen Uebersicht sind die krystallinischen Schiefer unter den geschichteten Bildungen mit aufgeführt, obgleich sie, ihrer Entstehuugsweise nach, bisher zu den Feuerbildungen gezählt worden sind. Wir fügen die Schiefer 5em Geschichteten hinzu, weil wir sie bei der Beschreibung der Erdrindenbildung in §. 128 als erste feste Schicht oder Kruste des einstflüssigenErdkörpers bezeichnet haben, die jedoch' bald und zwar zunächst vom Granit durchbrochen wurde. Die Schiefergesteinc müßten daher überall angetroffen werden IDEALER DURCHSCHNITT EIHES STÜCKES DER ERDRINDE. Wasserbildungen: I . System der Schiefer. 111 wo sie nicht von mächtigen Flötzdildungcn bedeckt oder durch spätere Einwir- kungen zerstört worden sind. I n der That hat man dieselben über die ganze Erde verbreitet gefunden, indem sie die Hauptmasse von sehr vielen Gebirgen bilden. Andere Massengesteine durchsetzen öfter die Gesteine der Schiefergruppe, wie namentlich Grünstein und Porphyr, auch findet man häufig Erzgänge in denselben. Die drei Hauptgesteine dieser Gruppe sind: Gneiß, Glimmerschiefer und Thonschiefer. Der Gneiß, welcher als Mittelgestem zwischen Glimmerschiefer und Gra! nit sehr viele Abänderungen zeigt, ist besonders in der Nähe der Porphyr! durchsetzungen reich an Erzgängen. Als Gebirge hat er große Verbreitung, ^ indem der B ö h m e r w a l d , dasmährische Gebirge, der hohe Nucken und der nördliche Abfall des Erzgebirges, sowie die Südhälfte des Fichtelgebirges zum großen Theil daraus bestehen. Er erscheint ferner, und zwar meistens mit Granit verbunden, im Elbgebiet, Riesengebirge, in den Sudeten, im Spessart, Odenwald, Schwarzwald und in den Alpen. Der Glimmerschiefer (§. 99) ist durch die Mächtigkeit seines Auftretens sehr bedeutend, und bildet als Gebirge breite Felsrücken mit hervortretenden Felskämmen oder zackige Berggipfel und schroffe Thaleinschnitte. Der Hauptzug der schweizer und throler Alpen besteht aus diesem Gestein, das außerdem in den S u d e t e n , im Niesen-, E r z - und Fichtelgebirge eine wichtige Rolle spielt, während es im Thüringer Wald, Odenwald und Schwarzwald mehr untergeordnet erscheint. Es führt, namentlich in der Nähe von Durchschungsstellen des Granits und Porphyrs Erzgänge, die beträchtlichen Bergbau veranlassen. Der Thonschiefer (§.98) hat weniger Erzgänge und ist von geringerer Verbreitung als die beiden anderen Gesteine. I n Deutschland erscheint er im Ieschkengebirge in Böhmen, am Südabhange des Riesengebirges, an verschiedenen Punkten des Erzgebirges, im Voigtlande und in einem Theile des Fichtelgebirges (Uebergangsgchirge.) Die Bezeichnung der Grauwacke als Uebergangsgebirge deutet darauf hin, 149 daß. wir mit ihr an der Gränze der entschieden geschichteten Bildungen angekommen sind. Das Vorkommen zahlreicher Versteinerungen von Neichthieren und Fischen zeigt ferner, daß wir es mit unzweifelhaften Wasserbildungen zu thun haben. Vorzüglich entwickelt findet sich dieses System in England, wo es deutlich in mehrere Glieder unterschieden wurde, die ihre Benennungen nach Urbewohnern der Gegend, nach den alten Cambriern, Silurern und Devoninn erhicltcn. I n Deutschland sind diese Abtheilungen weniger scharf geschieden. 112 Geologie« Wasserbildungen: I I . System der Grauwacke. 113 Die bedeutendsten Gesteine dieserGruppe find Grauwackenschiefer und Orauwackcnsandstein, wozu sich namentlich in dem oberen Theile bedeutende Kalksteine und Dolomite gesellen. Ein grauer feinkörniger Sandstein, dessen feste auf den Feldern umherliegenden Stücke »Wacken« genannt werden, hat der Gruppe den Namen verliehen. Die Verbreitung der Grauwacke ist in großer Mächtigkeit über einzelne Theile von ganz Europa und in mehreren anderen Welttheilen/besonders in Nordamerika, beobachtet. Sie erscheint häufig als eigentliches Gebirge und ! bildet in Deutschland das ausgedehnte rheinische Uebergangsgebirge, welches von den Ardenncn über den Hunsrück, die Gifel, die hohe Venn, Taunus, Westerwald und das Rothhaargebirge sich verbreitet, wie aus der beigefügten Karte, Fig. 93, ersichtlich ist. Einer beträchtlichen Entwickelung der Grauwackenformation begegnen wir ferner am Harzgebirge, im Südost des Thüringer Waldes, im nördlichen Fichtelgebirge, im Erzgebirge, Riesmgebirge, am westlichen AbHange der Sudeten, im Innern von Böhmen und in den steyerischen Alpen bei Gratz. Die Thäler der Grauwackengruppe sind meistens außerordentlich gewunden, wie z. B. das Mosel- und das Aarthal. Die Grauwackenschiefer des rheinischen Schiefergebirges gehen stellenweise in nutzbaren Dachschiefer über. I n England enthält diese Bildung, namentlich A n t h r a c i t , eine schwer entzündliche und darum wenig benutzte Kohle, welche ein vollkommen mineralisches Ansehen hat. Von nutzbaren Einschlüssen finden sich ferner: zahlreiche Eisenerze, insbesondere Spatheisenstein, silberhaltige Vleiglanze und Zinkerz. Bei näherer Betrachtung der Reste organischer Wesen, die in den verschiedenen Abtheilungen dieses Systems angetroffen werden, zeigt es sich, daß in den untersten Bildungen durchaus keine Landpflanze, vielmehr nur Spuren von Meerespstanzen, von Algen fich vorfinden, und ebenso nur Meeresthiere der niederen Classen vertreten sind, vorherrschend Polypen. Erst in der oberen Grauwacke begegnen wir, bei fortwährender Armuth an Pstanzenresten, einem ziemlichen Reichthum an Thieren, besonders Weichthiercn aus der Abtheilung der Kopfsüßer, und endlich auch Fischen mit viereckigen Schuppen. Als die wichtigsten Versteinerungen bemerken wir: O^atkopliMum oasspi- I 5 i ) tosum, Fig. 94 (a. s.S.); <3r3.pt0i1t!m8 gsminus, Fig. 95, beides Polypen, der Letztere für die unterste Grauwacke ganz besonders bezeichnend; ^.8ap1w3 nodUis, Fig. 96, und ONl^rnONO Viumoudkckn, Fig. 97, aus der Ordnung der T r i l o b i t e n , eigenthümliche, krebs- oder asselartige Thiere, wichtig für die Erkennung der Grauwacke, da sie in der nachfolgenden Steinkohle gänzlich verschwinden; I>6ntain6rus RniStkü, Fig. 98; Iiituit63 oornu ^ristis, Fig. 9 9 ; 0 i > tlwosrag luäsugs, Fig. 100, ein Bruchstück der Schale, die aus Kammern zusammengefügt ist, in der Weise in einander sitzender Tassen; die letzte oberste Kammer bewohnte das zu den Kopffüßern gehörige Weichthier; NuroKiugoulA, II. 8 114 Geologie. Wasserbildungen: I I . System der Grauwacke. 115 WiQ6a.ia, Fig. 1 0 1 ; 8xiri56r 8x6oi03N8, Fig. 102 (Spiriftrensandftein, Naffau); Oaiesola. 8a.näaUQa, Fig. 108 (die sogenannte Pantoffelmuschel der Eifol); 3tr5Z0c:6^1i9.1u8 Nui-tiui, Fig. 104 (im Strygoccphalenkalk, Nassau); NuoM^)Ila1u8 37ass08U8, Fig. 105; lOredratula. 56rita, Fig. 1 0 6 ; O ^ r i ä i n a striat.a,, Fia. 107 (im Cybridincnschiefcr bei Weilburg); ?08iäoQ0N7a VGoliOri, Fig. 108 (in den Posidonomyenschiefern der obersten Grauwacke, vielleicht schon zur Stein- 116 Geologie. kohle gehörig); ^bsriolit^ oorQnws, Fig.109 (aus Schottland, kleiner gepan- zerter Fisch von sonderbarer Gestalt, daher früher bald als Käfer, bald als. Schildkröte angesehen); OsMaiaLpis I.^s11ii, Fig. 110; Di^tsrns, Fig. 111. III. 151 I^LtiGM. ÄOr Vtsin^oliiS. Wir begegnen hier einer der wichtigsten Bildungen, dasieals wesentlichstes Glied die Steinkohle einschließt, welche für den Haushalt und Gewerbebetrieb der Menschen unentbehrlich geworden ist. Ueberall, wo Steinkohle auftritt, «hatsieeine lebhafte Industrie hervorgerufen, die Bevölkerung verdichtet und weithin die Wohlthaten des Feuers verbreitet. Es erscheint dieser in früherer Periode der Erdgeschichte angesammelte Schatz um so wcrthvoller, je weniger der Brennstoff unserer Wälder dem gesteigerten Bedürfnisse der Gegenwart genügt. Die Steinkohle wird unten durch die Grauwacke, nach oben von dem Nothliegenden der Zechsteinbildung begränzt und erscheint daher auch in der Regel in der Nachbarschaft und i n Verbindung mit diesen Formationen. E i n Blick aufdie geologische Karte Fig. 93 zeigt in der That, wie im Westen am Saume Wasserbildnngen: I I I . System der Steinkohle. 117 des großen rheinischen Orauwackengebietes die Steinkohlen der Maas, in der Richtung von Namur, Lüttich und Aachen, auftreten, sodann nördlich auf dem rechten Rheinufer das Kohlcngebiet der Ruhr und im Süden von Saarbrück nach Kreuznach sich erstreckend das mächtige Kohlengebiet dsr Saar und Nahe an Grauwacke sich anlehnen. Auch am Harz und in Böhmen begegnen wir der Steinkohle in der Nachbarschaft der Grauwacke. Die Hauptgcsteine, welche das System der Steinkohle zusammensetzen, sind Lagen von Kalksteinen, Sandsteinen, Schieferthon und Steinkohle. Als unteres Glied tritt vorzüglich in England der Kohlenkalkstein auf, der durch den Ginschluß seiner Versteinerungm, insbesondere zahlreicher Korallen als eine Mceresbildung sich zu erkennen giebt. Wo anderwärts dieser Kohlenkalk fehlt, da erscheint eine mehr oder minder mächtige kohlenlose Sandsteinbildung, der sogenannte flötzleere Sandstein als Grundlage der eigentlichen Steinkoh-^ l e n b i l d u n g . Letztere besteht aus Lagern von Steinkohle, die einige Zoll bis 20 Fuß, sehr selten über 40 Fuß mächtig sind, und vielfach mit einem eigenthümlichen grauen Sandstein oder dunkleren Schieferthon wechseln, so daß 8 bis 120 und mehr Kohlenlagen unter einander liegen, von welchen jedoch nur die wenigen stärkeren der Anbauung würdig sind. Das Auftreten der Kohlenformation an der Erdoberfläche scheint von dem Vorhandensein der Gebirge abhängig, d. h. an deren Ränder gebunden zu sein, denn in den eigentlichen großen Niederungen wird sie vermißt, oder sie ist zu mächtig bedeckt, um beobachtet, oder selbst durch Bohrung erreicht werden zu können. Die im System der Steinkohle aufgefundenen Pstanzenreste lassen darauf 152 schließen, daß zur Zcit seiner Bildung eine ungemein kräftige und dichte Pflanzenwelt vorhanden war, die jedoch da sie hauptsächlich aus daumartigen Farrnkräutern und Schachtelhalmen bestand, einen wesentlich verschiedenen Anblick gewähren mußte, als unsere jetzigen Wälder. I m Schatten jener Bäume, auf schwammigem Moorboden bildete sich eine reiche Decke von Sumpfpflanzen, die, ähnlich wie heutzutage noch die Bildung von Torflagern aus Moosen vor sich geht, die Entstehung der Steinkohlenschichten veranlaßten. Wechselnde Ueberschwemmungen und Senkungen führten die Einschaltung thoniger Schichten herbei. Neun Zehntel der im Gebiete der Steinkohle aufgefundenen Pjlanzenreste sind Farrnkräutcr und weisen darauf hin, daß damals ein warmes und feuchtes und ziemlich beständiges Klima herrschte und im Ganzen Verhältnisse sich vorfanden, ähnlich wie man jetzt denselben in der Umgegend des mexicanischen Meerbusens und an den Ufern der großen Flüsse Südamerikas begegnet. Auch hat man angenommen, daß wie die letztgenannten große Massen von Treibholz führen, Ansammlungen von solchem zur Steinkohlenbildung beigetragen haben. Doch zeigt uns die Ansicht der in den Kohlenminm von S t . Etienne, Fig. 112 (a. f. S.), vorkommenden Baumstämme, daß dieselben sich offenbar noch in derselben Stellung und an dem Orte befinden, wo sie gewachsen sind. Annähernde Berechnungen ergeben, daß der dichteste Hochwald bei seiner 118 Geologie. Umwandlung in Steinkohle kaum eine Schicht von 1 Centimetcr Dicke bei gleichem Flächcngehalt zu bilden vermag. Es erscheint hiernach die Menge des im Steinkohlcnsystem niedergelegten Pflanzenstoffes ganz ungeheuer. Nicht überall mußte jedoch jene Pflauzenbedeckung gleich stark und dicht gewesen sein, um bei ihrem Untergänge Veranlassung zur Entstehung von Steinkohlenlagern zu geben. Es ist daher möglich, daß in manchen Gegenden die übrigen Glieder dieser Gruppe vorhanden find, ohne daß zugleich Steinkohle angetroffen wird. 133 p I n der Regel hat man beobachtet, daß die Steinkohlenlager muldenartig von höherem Gebirge halb umschloffen werden, wodurch es den Anschein gewinnt, als ob innerhalb großer Gebirgsbustn jene Pflanzen besonders reich entwickelt gewesen, und daher nur dort beträchtliche Steinkohlenlager entstanden seien. Von den europäischen Kohlengebieten unterscheidet man solche, die eine marine, d. i. meerische Abkunft haben, deren Ablagerung nämlich an den seichten Ufern damaliger Meere stattfand. Sie zeichnensichaus durch den oben erwähnten Kohlenkalk und lange, den Seeküsten entsprechende Erstreckung, wie die Steinkohlenbecken von England, Belgien und der Ruhr. Andere Kohlengcbicte verdankten dagegen ihre Entstehung Binnengewässern und erscheinen daher als Binnenmulden, ohne Kohlenlalk, mitunter unmittelbar auf Granit odcr„ Orauwackc aufliegend. Es gehören hierher die Kohlenbecken der Pfalz, des Erzgebirges, von Böhmen und die französischen Becken von S t . Eticnne und Nive-de-Gier. Aus dem Vorhergehenden folgen nun einige Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Wahrscheinlichkeit des Aufsindens der Steinkohle in einer Gegend. Besteht dieselbe aus Urgcbirge oder aus Plutonischen Gesteinen, so ist mit ziemlicher Sicherheit auf das Fehlen der Kohle zu schließen. Auch beim Vorhan- Wasserbildungen: I I I . System der Steinkohle. 11!) denscin mächtiger geschichteter Formationen ist die Auffindung der Kohle in bauwürdiger Tiefe wenig wahrscheinlich. Sie ist jedoch eher zu erwarten, da wo die Wasscrbildungcn an Masscngestein anliegend von diesem gehoben und aufgerichtet sind, so daß die unteren Schichten der Oberfläche der Erde näher kommen oder gar zu Tage gehen. Das Aufsuchen der Steinkohle ist vorzüglich da zu ermuntern, wo der Zechstein und die Grauwacke sich zeigen, weil diese Bildungen die Kohle begränzen. Kommt hierzu noch eine muldenförmige Bildung des anstehenden Massengebirges, so ist die Hoffnung um so begründeter und Versuche mit dem Erdbohrer sind wiederholt anzustellen. Die Hauptstcinkohlendistrictc Deutschlands sind durch die folgenden Orte 134 und Gegenden zu bezeichnen: Aachen, in dessen Nahe leider nur ein kleiner Antheil der mächtigen Steinkohlenformation Belgiens auf deutsches Gebiet sich erstreckt; die Ufer der R u h r mit reichen Kohlenlagern, welchen Düsseldorf und Elbcrfeld ihre Gcwcrbthatigkeit verdanken; Ilefeld und Halle am Harz; Zwickau, Chemnitz und der Plauensche Grund in Sachsen; Waldenburg und Schatzlar in Schlesien; Mislowitz an der Gränze von Krakau; Brunn in M ä h r e n ; der Bcrauncr, Rakowitzcr und Pilsencr Kreis Böhmens, nächst Belgien das an Kohlcnniederlagcn reichste Land des Kontinents; der Südabhang des Hunsrücks, von Kreuznach bis hinter Saarbrück. Vorzüglich reichlich sind die Steinkohlen entwickelt in E n g l a n d , besonders in der Gegend Don Newcastle am Tyne; ferner in Belgien und dem angränzenden Theile Frankreichs, bei Dombrowa in Polen, bei Fünfkirchen in Ungarn. Glieder der Steinkohlengruppe überhaupt sind in Amerika, Asien und selbst in Australien beobachtet worden, und in Südamerika fand H u m boldt Steinkohle 8000 Fuß hoch über dem Meere. Eine eigenthümliche Kohlenformation ^der Alpen erstreckt sich durch ihren ganzen Zug von Savoyen bis Steiermark. Dieselbe besteht aus Conglomeratcn, schwarzen Thonschiefern, krystallinischen Schiefern und Sandsteinen, welche theils gänzlich von A n t h r a c i t durchdrungen sind, theils denselben in Schichten und Nestern einschließen. Obwohl die darin vorkommenden Pflanzenabdrücke mit denen der ächten Steinkohlenbilduug übereinstimmen, so weichen doch alle übrigen Verhältnisse von dieser wesentlich ab und sprechen für eine unter anderen Bedingungen vor sich gegangenen Entstehung dieser Alpenkohlenbildung. Die Gesammtmasse der im Jahre 1854 in Europa zu Tage geförderten Steinkohle betrug 1635 Millionen Centncr, wovon auf England allein gegen 1313 und auf Deutschland,80 Millionen kommen. Von ausgezeichneten Versteinerungen führen wir an: S t ä m m e 155 von Schachtelhalmen, (^larniteg okunaskorinis, Fig. 113 (a. f. S.); von Fanen, LiZiiikria, Fig. 114 (aus England); Lycopodien, I^xiäoäyuäroQ 120 Geologie. ei6Akws, Fig. 115 saus Böhmen); die sehr eigenthümlichen wulstigen Massen der ötiAmaria üooiä^Z, Fig. 116, von 6 Fuß Durchmesser, mit dicken seitlichen Aesten, in den Kohlenschiefern sehr häufig und für Wurzelstöcke von Eigillarien gehalten; Blattabdrücke von Farrenkrautern, Odontoptsris äoki0tk6imii, Fig. 117; I>6C0pt6li8 ti'unoata, Fig. 118, mit erkenntlichen Fruchthaufchen. Es finden sich ferner zahlreiche Meeresschalthiere, einige Krusten- und Gliederthiere, sehr viele Zähne und Stacheln von H a i fischen, sowie häufige Reste von Eckschuppern oder Ganoiden, wie z. B.: 3?2.1a60QiZc;us, Fig. 119, aus der Gegend von Kreuznach. Endlich aus der Klasse der Amphibien Reste froschartiger Thiere, sogenannter Wickelzähner Wasserbildungen: I I I . System der Steinkohle. 121 122 Geologie. oder L a b y r i n t h o d o n t e n , wovon F i ^ 120 den Kopf des ^i-o^osaurus, nebst Zahn mit Querschnitt (a und b) zeigt, häufig im pfälzischen Kohlenbecken. Schließlich bemerken wir noch als Eigenthümlichkeit des Systems der Steinkohle überhaupt, daß letztere stets begleitet ist von Kohlenwasserstoff (Chemie §. 59), einem Zcrsetzungsproduct des Pstanzenstoffes bei Bildung der Steinkohle, welches mit Luft gemengt das gefährlich explodirende Grubengas Wasscrbüdungcn: IV.^ System des Zechsteius. 126 bildet. Ferner führen alle Steinkohlen mehr oder weniger Eisenkies, mitunter in höchst semer Vertheilung, so daß bei Berührung mit Luft durch rasch eintretende Oxydation desselben Selbstentzündung der Steinkohle und langjähriger Grubenbrand entstehen. IV. 8^8t6U1 dos 2s<3k8tS1Q3. Von allen Schichten, die zur Bildung der Erdrinde gehören, ist die des 136 Zechsteins bis jetzt am wenigsten verbreitet beobachtet worden. Die Glieder, welche dieses System zusammensetzen, sind: das Rothliegende, der K u p f e r schiefer und der Zechstein. Das R o t h l i e g e n d e besteht aus braunrothem, gröberen Konglomerat, Bruchstücke von krystallinischen Gesteinen, insbesondere von Porphyren einschließend. Diecharakteristischerothe Farbe rührt von Eisen her, welches sehr verbreitet ist, so daß man Zwischenlagern von rothen Letten und bluthrothen Nöthelschiefern begegnet. Das Rothliegcnde bildet häusig die unmittelbare Decke der Steinkohlenbildung und ist selbst als dieser angehörig betrachtet worden; es führt auch den Namen des rothen T o d t l i e g e n d e n , vom Bergmann demselben ertheilt, weil ihm die wcrthvollen Kupfererze der folgenden Schicht fehlen. Der Kupferschiefer besteht aus einem schwarzen, sehr bituminösen Mergel, oft stark von Erdöl durchdrungen, und obgleich von geringer, 15 Fuß nicht übersteigender Mächtigkeit wichtig wegen seines Gehaltes an Kupfererz, das 2 bis 4, zuweilen selbst 18 Procent beträgt. Der Zechstein erscheint als oberstes Glied des nach ihm benannten Systems in Gestalt eines thonigen, grauen Kalksteins, nach oben in Dolomit übergehend, welcher nicht selten Lager von G y p s einschließt, der gewöhnlich von 124 Geologie. Steinsalz begleitet ist, ähnlich, wie wir diese beiden Minerale auch im Keu«! per §. 157 neben einander finden. Die Salzwerke des nördlichen Deutschlands gehören daher sännntlich der Zechsteinbildung an. Bei Staßfurch hat man das! Steinsalz bei 826 Fuß Tiefe unter dem Buntsandstcin in der enormen Mächtig«! keit von mehr als 1000 Fuß erbohrt. I n der Gegend von Eisleben unU Eisenach finden sich im Gvps häufig Höhlen oder sogenannte Gypsschlotten,' die wahrscheinlich von früher vorhandenem und mit der Zeit ausgewaschenem' Steinsalz herrühren. Die Verbreitung der Zcchsteinformation findet sich vor, züglich entwickelt nur in Norddeutschland, in Gestalt schmaler Streifen die Ge-' birgszüge umsäumend, wie namentlich den Harz, den Thüringer Wald und das, sächsische Mittelgebirge. Einzelne Glieder derselben erstrecken sich durch das Vogelsgebirge^bis nach dem Spessart. Auch treten solche in der Umgebung dcs^ pfälzischen Kohlenbeckens auf, sowie das Rothliegende auch zwischen Darmstadt und Frankfurt vorkommt. I n E n g l a n d sind die Glieder dieses Systems, mit, Ausnahme des Kupferschiefers, vorhanden und werden als NkAnesia. limsZtons^ bezeichnet. I n R u ß l a n d liegt inmitten eines ungeheuren, der Zechsteinbildung, angchörigen Beckens die Stadt P e r m , nach welcher dieses System auch das permische genannt worden ist. An Versteinerungen ist die beschriebene Bildung verhältmßmäßig arm, insbesondere an Pflanzen. W i r fügen in Abbildungen bei: ?ro<1uotu3 Korri-z äug, Fig. 121, häusig im gechsteinkalk; N o ä w l a ^ U a g i , Fig. 122; ^ v i o u l k ' antiHiIH, Fig. 123, und von den in dem Kupferschiefer sehr häusigen Fischen ?1g.t^80inn8 SidbnL, Fig. 124. Wasserbilduttgcu: V. System der Trias. 12ö Drei wohlcharakterifirte Glieder, nämlich der bunte S a n d s t e i n , der 137 Muschelkalk und der Keuper, bilden die Zusammensetzung dieses Systems, welches hiernach seine Benennung erhalten hat. Dieselben finden sich in Deutschland in großer Regelmäßigkeit und Beständigkeit mit einander verbunden. Am auffallendsten tritt dieses hervor, wenn man eine geologische Karte, betrachtet, auf welcher die Hauptglieder mit verschiedenen Farben bezeichnet sind. Man sieht alsdann zu beiden Seiten des Rheins, von der Schweiz bis ins mittlere Deutschland, dreierlei farbige Bänder in mehrfacher Krümmung, im Ganzen jedoch parallel unter sich und mit dem Rhein neben einander herlaufen, während . im nördlichen Deutschland, in Thüringen und längs der Weser diese Regelmäßigkeit mehrfach unterbrochen und gestört erscheint. Ferner finden wir triasfische Bildungen zu beiden Seiten der deutschen Alpen, fast ununterbrochen die krystallinischen Schiefer umsäumend, welche den Kern jener Gebirge bilden. Der bunte Sandstein bildet die Grundlage der T r i a s ; er ist von vorwaltend rother Farbe, doch wechselt dieselbe öfter mit gelben, bräunlichen und weißen Streifen und Flecken und rechtfertigt den Namen dieser Bildung, welche eine bedeutende Mächtigkeit von 400 bis 600, ja mitunter von 1000 bis 1200 Fuß erreicht. So finden wir den bunten Sandstein im Schwarzwalde, Odenwalde, Spessart, ferner im Gebiete der Fulda, Werra, Weser, der fränkischen und sächsischen Saale. Auf dem linken Rheinufer besteht ein Theil der Vogesen und das ganze Haardtgebirge mit dem malerischen Annweilerthale aus buntem Sandstein. Derselbe liefert ein vortreffliches Baumaterial, und viele der alten Dome am Rheinstrome, wie namentlich die von Mainz, Norms und Spcycr sind daraus erbaut. Ueberaus arm erscheint dieses Gestem an Pctrefactcn, und wir haben nur einige Pflanzenreste anzuführen, wie NsuroptsriZ bisA^us, Fig. 125, und Voit^ia k6t6r0pk7llN, Fig. 126 (a.f.S-). I n dem bunten Sandsteine bei Hildburghausen hat man die handförmigen Abdrücke von Füßen gefunden, die vermuthlich von einem großen, froschartigen Thiere herrühren, Fig. 127 (a.f.S.). Der Muschelkalk ist dagegen, wie schon der Name andeutet, reicher an Versteinerungen, die in Unzahl vorhanden sind und denselben als eine Meercsbildung erkennen lassen. I n seinen unteren Schichten führt derselbe Thon, dolomitischen Mergel, schieferigcn Dolomit und wellenförmig geschichteten Kalk, dazwischen als nützlichsten Bestandtheil, Steinsalz und S a l z t h o n , neben wasserfreiemGyps (Anhydrit). Auf Letztere folgt der muschelrciche Hauptkalk dieser Formation, nach dem häufigen Einschluß der Mieder 126 Geologie. des Liliensterns, Nuci-iniiZ UliitoruäL, Fig. 1 2 8 , auch E n c r i n i t c n k a l k genannt. Seine Hauptvcrbreitung erreicht der Muschelkalk in Schwaben, Fran- ken und Thüringen. Weitere Versteinerungen desselben sind: ?sct6Q lasviZaw8, Fig. 1 2 9 ; ^vioula LooiaiiL, Fig. 130; Lei-Owatnia vulssariL, Fig. 1 3 1 ; Wasserbildungen: V. System der Trias. Oeratitos noäogug, Fig. 133; N^optioriÄ linsata, Flg. 133. . 127 Auch finden sich Zähne, Schuppen oder andere Neste von Fischen und Reptilien. Der Keuper, welcher die Trias nach oben abschließe, deglnni iml cmcm dunkeln, bituminösen Thonschiefer, der sogenannten Lctt enkoh le, worauf bunte Mcrgel, meist von rother Farbe, mit grünen, gelben und blauen Streifen durchzogen folgen. Dieselben zerschiefern sich gern i n rhomboodrische Stücke; überall ist Ghps darin verbreitet, aber nur wenig Steinsalz. Dünne Lagen von Dolomit und Sandstein erscheinen hier und da eingeschoben. Als merkwür- digste Versteinerung des Keuper finden wir kleine Zähne, Fig. 134, die einem S ä u g e thiere NicroisstsL, anzugehören scheinen. 128 Geologie. Weniger deutlich treten die vorstehend beschriebenen Glieder in der Triasbildung der Alpen hervor. VI. 158 VI-gtGiu. 6 63 Z'u.rI.. Das schweizerische Iuragebirge, das 4000 bis 5000 Fuß hoch sich erhebt, hat seinen Namen einer Bildung gegeben, die in Europa i n großer Verbreitung sich findet. Kalksteine spielen eine vorherrschende Rolle in demselben, und es treten außerdem Thone und Mergel häufig auf, zuweilen mit Schiefern und Sandstein wechselnd. Eigenthümlich ist diesem System die Rogcnstcin- oder oolithische Bildung der Kalkgcstcine (siehe K. 94), welche in England fast durchgehends angetroffen wird, so daß man dort die ganze Gruppe als O o l i t h f o r m a t i o n bezeichnet hat. Außerdem aber ist es der ungeheure Reichthum an Versteinerungen, der in den Gebieten des Jura uns in Erstaunen setzt, sowie daß wir mehreren gänzlich neuen und eigenthümlichen Thierformen darunter begegnen. Ja es haben die Petrefacten des Jura insofern einen förderlichen Einfluß auf die geologische Wissenschaft geübt, als von denselben eine lebhafte Anregung zum Sammeln und Studium ausging, was namentlich in England zu einer Art von Mode wurde. Wenn auch die Verglcichung der verschiedenen Iurabildungen in England, Frankreich, der Schweiz und Deutschland eine Uebereinstimmung im Allgemeinen ergiebt, so sind doch die örtlichen Eigenthümlichkeiten sehr mannichfaltig und bedeutend, und erfordern eine hier nicht zulässige Einzelbeschreibung der Gebiete. Wir beschränken uns auf eine Andeutung der im Iuragebiete Süddeutschlands gebotenen Verhältnisse. Man betrachtet den Jura in drei Abtheilungen, als unteren, mittleren und oberen Jura. Der untere J u r a , gewöhnlich Leias (englisch I ^ s ) oder schwarzer Jura genannt, ist hauptsächlich aus dunkeln Mergeln und Thonen zusammengesetzt; es erscheinen ferner graublaue Kalke (Gryphitenkalk), schwarze Letten und bituminöse Schiefer, die theilweise als Brennmaterial benutzbar sind und in welchen bei V o l l in Würtemberg die merkwürdigen Eidcchsenrcste aufgefunden werden. Der m i t t l e r e oder braune J u r a enthält außer Kalken, Thonen und Mergeln einen eigenthümlichen gelbbraunen, sehr eisenschüssigen oolithischen Sandstein. Der obere oder weiße J u r a besteht vorherrschend aus hellfarbigen Kalksteinen, worunter manche bei längerem Liegen an der Luft ganz weiß werden. Sie enthalten viele Versteinerungen, namentlich nach oben zahllose Korallen und Schwämme. Eine große Berühmtheit haben die feinen Kalksteinplatten des fränkischen J u r a als lithographische erlangt, welche von S o l e n h o f e n aus i n die ganze Welt versendet werden. Auch führen diese Kalkschiefer Abdrücke von Krebsen, Insecten und Reste der Flugeidechse, Fig. 159. Zerklüftungen und Auswaschungen verleihen diesem Gebirge nicht nur malerische Felsenformen und den Namen der fränkischen Schweiz, sondern auch die merkwürdigen Höhlen von M u g g e n d o r f und G a i l e n r e u t h u. a. m», die später nochmals besprochen werden. Wasserbildungen: V I . System des J u r a . 129 Die Verbreitung der Imabildungen, die im nördlichen Deutschland im 129 Wescrgebirge eine nicht bedeutende Zone bilden, erstreckt sich im Süden in engem Anschluß an die Keuperschichtcn der Trias von der Schweiz an durch ganz Schwaben und Franken hinauf bis Paireuth; dieselbe reicht andererseits durch das ganze eigentliche Illragebirge der Schweiz und von Frankreich, bis in die Nähe von Lyon. I n Frankreich umfassen die Imabildungen im Norden das große Tertiärbecken von Paris und bilden im Süden^ einen fast ganz geschlossenen Ning um das große granitische Innenland mit dem Basaltgebiete der Auvergne. I n England dehnen sich die jurassischen Gebilde wie ein breites Band fast in der ganzen Längsrichtung der Insel aus. Die Versteinerungen des Jura sind besonders wichtig, dasiebei der hau- I 6 N sigcn Wiederholung ähnlicher Gesteinsschichten meist das alleinige Mittel abgeben, dieselben zu erkennen und zu bezeichnen. Hier ist es, wo sie als Leitmuscheln eine Hauptrolle spielen. I n der P f l a n z e n w e l t der Iurabildung bemerken wir einen Fortschritt, da außer den Farrenkräutern auch Nadelhölzer, sowie gras- und rohrartige Pflanzen auftreten und vorherrschen. Die höherstehenden dikotylen Pflanzen fehlen jedoch noch gänzlich. Das Thierreich ist, wie bereits erwähnt, am reichlichsten durch Korallen und Weichthiere vertreten; es finden sich ferner Krustenthiere, Instcten, Fische, Reptilien, aber noch fehlen die Vögel und Säugethiere, von welchen letzteren man nur die Kiefer einer bezweifelten Art von Beutelthier, rk^oolotkei-iuin, Fig. 135, in England aufgefunden hat. Als BeispielecharakteristischerVersteinerungen führen wir an: Ammonshörner, Kopffüßer, die ähnlich den S . 117 beschriebenen Ceratiten in mehrkammerigen Schalen wohnte^ und deren man über 1000 Arten kennt; ^ . i n monitGS LncMauäi, Fig. 136; ^.. diilong, Fig. 137; ^Äutilu3 UnSlUW, II. 9 130 Geologie. Fig. 1 4 1 , unseren jetzigen Schiffsbootmuscheln verwandt; die Belemniteu, wegen ihrer Gestalt auch Donnerkeile oder S t a t u s , Fig. 139, bildeten den inneren festen Bestandtheil von Thieren, die unseren Tintenfischen verwandt sind; Isreki-atnl^ numiuiLinaliZ, Fig. 140, runde, plattgedrückte Muscheln, daher Pfennigsteine genannt, aus dem Geschlechte der Lochmuschcln (Tercbrateln), d^ren bis 500 Arten versteinert vorkommen; A r z ' M ^ a ki'Qull.w, Greifenschnabel, Fig. 1 4 1 ; Ostrea N w Ä i i i , Auster, 131 Fig. 142; ii-iZ-onia oostata, Drcieckmuschel, Fig. 143; Dieses ariStinN, Doppelhorn, Fig. 144; ?6ot6Q 16Q8, Kammmuschel, Fig. 145; Rsrinea Lnxr^'ur6Q8iL, Fig. 146, langgestreckte Schncckengehäuse, in ungeheurer Menge den Nerinecnkalk bildend; ^ i o ^ i n u Z , Fig. 147, aus der Familie der Haarsterne; die geschlossenen Fangarme dieser am Meeresboden festgewachsener Thiere bilden .den sogenannten Kelch, welcher auf der Säule sitzt; letztere besteht aus vielen einzelnen Gliedern, die auf der Querfläche meist eine zierliche 132 Geologie. Zeichnung haben, Fig. 148; Hsinioiäaris orsnniaris, Seeigel, Fig. 149, von welchen merkwürdig geformte Stacheln, Fig. 150, auch einzeln gefunden werden; 8ponssit68, Schwammkoralle, Fig. 1 3 1 ; Ni^on arotikoi-imZ, Krebs, Fig. 152; liibsiiula, Wasserjungfer, Fig. 153; I H t ^ o s a u r u s , Fischeidechse, Fig. 154, 40 Fuß lang werdende Krokodyle mit Rudersüßen; ?l68io89,urn8, Halseidechse, Fig. 155, 30 Fuß lang werdende Eidechse mit schlangenförnngem Hals und Wasserbildungen: V I . System des Jura. I33 R«derfüßen; von beidenfindensichauch häufig die versteinerten Elemente die wnannten C°pr°lithen; die Flugeidechst, ? ^ o ä ^ , Fig. 156 734 Geologie VII. 161 Z^stGm üsr Xi'siäs. Wir gelangen mit der Betrachtung dieses Systems zum Abschluß jener Reihe von Wafferbildungen, welche auf der S . 109 gegebenen Uebersicht als die sccundären F o r m a t i o n e n bezeichnet worden sind. Wenn dieselben an Reichthum und höherer Entwickelung der i n ihnen enthaltenen Pflanzen- und Thierformcn im Vergleich zu den Uebergangsbildungen einen Fortschritt erkennen lassen, so fehlen ihnen doch die luftathmcnden Landthicre, die Vögel und Säugethiere gänzlich, oder sie sind nur äußerst selten und überdies noch in bezweifelter Weise vorhanden. Dies bestätigt sich auch innerhalb der Kreidebildungen, in welchen wir zwar außerordentlich reHen Versteinerungen begegnen, die sich jedoch an Vollkommenheit ihrer Formen über die vorhergehenden der Iurabildung nicht erheben. Als Hauptbestandtheile des Systems der Kreide finden wir mächtige Sandstein- und Kalkablagerungen, während Mergel und Thone untergeordnet erscheinen. Von den Sandsteinen sind besonders charaktcrisirt der G r ü n s a n d stcin Englands, durch Grünerde gefärbt, das Baumaterial für London, und der Quadersandstein im nördlichen Deutschland, ein meist graulicher in Quader sich klüftcndcr Sandstein mit mergeligem Bindemittel und daher leicht verwittcrbar. Er bildet in Folge dessen die auffallenden und malerischen Schluchten, Klüfte und Felspfcilcr der sächsischen Schweiz, Erscheinungen, die sich oft in den abenteuerlichsten Formen der böhmischen Quadersandstcine bei Adersbach, im V i e l e r Grund und an den sogenannten Extersteincn in Nestphalcn wiederholen. Der Kalk tritt theils als festes Gestein mit plattenförmiger Absonderung, daher Plänerkalk im nördlichen Deutschland, und als H i p p u r i t e n k a l k im südlichen Europa auf, theils aber in der socharakteristischenForm der Kreide, nach welcher dieses System benannt worden ist. Dieses schätzbare Schrcib' Material unserer Schulen, dessen weiße Farbe und Zcrrciblichkeit daher allgemein bekannt sind^ besteht fast durchgehend aus den mikroskopisch kleinen Schalen von Thierchen, deren Verwandte unter dem Namen der F o r a m i n i feren unseren jetzigen Meeren angehören. Eine weitere Eigenthümlichkeit der Kreide ist die häufige Einlagerung von Feuerstein, der in Gestalt knollenförmiger Stücke nesterweise von derselben eingeschlossen wird. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß auch dieses harte Kicsclgestcin größtenteils aus den Panzerschalcn von Infusorien besteht. Die Kreidebildungcn haben sich aus weitgedehnten Meeren niedergeschlagen und erreichen daher eine große Verbreitung i n Europa und i n anderen Weltthcilcn. I n Deutschland findet sich dieses System in untergeordneter Weise vertreten, am bedeutendsten in Böhmen, durch das Elbgebiet bis Dresden sich erstreckend; ferner nördlich vom Harz, in Westphalen und am nördlichen Abhang des Tcutoburger Waldes, bei Aachen, Lüttich und Mastricht, endlich auf der InsclRügen und an einzelnen Punkten an der Ausmündung der Oder. Dagegen Wasserbildungen: V I I . System der Kreide. 735 besitzt Frankreich ein ausgedehntes Kreidegebiet, welches der jurassischen B i l dung folgend, als innerer Ning das tertiäre Pariser Becken einschließt. Ebenso hat England ein ausgedehntes Kreidcgebict, und aus der Ferne schon erblickt der Reisende die Shakespeare-Klippe, einen weißen Kreidefels, der bei Dover in den Canal hereinragt. Versteinerungen der Kreidebildung: H^initeZ Httsruiaws, Fig. 157; 162 Lurrilites c^tsnNtu3, Fig. 158; N^ui-iiGs ^oücNZmna, Fig. 159; Ino- l)6ramu8 8u1oatii8, Fig. 160; VelsMuitOV niuoronatnL, Fig. 161; 8pon(I^-iuL 8M103NL, Fig. 162; ^nanokMeZ ov^tu.8, Fig. 163; 08^6^ coluinda« Fig. 1b4. Geologie. 136 VIM. 163 L^stsirl. äse MolQsss; ^srtiärg^gtsiQ. I n der Schweiz kommt ein grüngefärbter, lockerer, grobkörniger Sandstein unter dem Namen der M o lasse vor, welch letzterer auf das ganze System übertragen wurde. Es ist jedoch gebräuchlicher, die hierher gehörigen Bildungen als T c r t i ä r g e b i l d e zu bezeichnen. Dieselben unterscheiden sich von den Vorhergehenden wesentlich, indem ihre Gesteine im Allgemeinen eine geringere Festigkeit besitzen, vorzüglich aber dadurch, daß hier Versteinerungen höher entwickelter Pflanzen und Thiere aufgefunden werden, die der jetzt lebenden organischen Welt sehr nahe stehen. Während nur wenige Gattungen der Tertiärformation in den früheren Bildungen vorkommen, finden sich ihre meisten Gattungen und viele Arten noch jetzt lebend- Auch lassen die organischen Neste erkennen, daß zur Zeit der Tcrtiärbildungen bereits klimatische Unterschiede auf der Erde walteten. LaichMzcr und Säugcthiere erscheinen häufig und unter den Wasscrbcwohmrn H>lche, die i n süßem Waffer gelebt hatten. Es waren somit Seen und Flüsse mit süßem Wasser vorhanden, und an manchen Orten findet man wechselnd Schichten mit Mceresbewohnern und Süßwasserthicren, eine wiederholte Hebung und Senkung jener Gebiete beurkundend. Mitunter begegnet man beiderlei Thieren vermischt, wie dies noch jetzt in unseren sogenannten Brakwassern derFall ist, wo die Meeres- Wasserbilduugen: V I I I . Tertiärsystem. 137 fluthcn an seichten Ufern mit süßem Waffer gemischte Gewässer bilden, wie z. B. in den Lagunen von Venedig. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß bei den Bildungen der tertiären Periode bedeutendere örtliche Eigenthümlichkeiten zu erwarten sind, als bei den Gliedern der älteren Systeme. I n der That ist dieses der Fall. Es fällt schwer, hier ältere oder untere Bildungen von neueren scharf zu trennen und man betrachtet dieselben am besten als.neben einander entstanden. Insbesondere ist an das Vorhandensein verschiedener, gesonderter Meeresbusen in jene? Zeit die Entstehung jener muldenartigen Ablagerungen geknüpft,die man als Becken bezeichnet. Als ältere Tertiärbildung betrachtet man den F l y f c h , nach gewissen dun- 164 kelfarbigen Schiefern benannt. Die Flhschformation erstreckt sich von den Karpathen als Saum dem ganzen Zuge der Alpen entlang über die Appenninen, Pyrenäen, Marocco, Aegypten und weiter im Umkreise des Mittelmeercs. Als Leitmuschel dient beim Verfolgen derselben ein eigenthümliches, flaches und kreisrundes Schalthier, Rnuunu.1it68 nnrQrnu1g.i'i8 genannt, welches wir von oben Fig. 165, von der Seite Fig. 166 und im Durchschnitt Fig. 167 abgebildet haben (s. Zoologie §. 198). Die.hiernach benannten Nummulitenkalke und Sandsteine erheben sich stellenweise zu den höchsten Gebirgen. Interessant ist es, zu erfahren, daß die Niesenbauten Aegyptcns, die Pyramiden, hauptsächlich aus Numlnuliteukalk bestehen. Fig. 168 zeigt solchen aus den Pyrenäen. Weitere HaMgebiete der Tertiär- 163 formation sind: das Pariser Becken, aus Schichten von Sandstein, Kalk, Mergcl, Thon und Gyps bestehend, die einen mehrmaligen Wechsel von Süßwasser- und Meeresbildung erkennen lassen und sehr reich an Versteinerungen sind. Dies gilt vorzüglich von dem G r o b kalk, einem vortrefflichen Baustein, aus dem ganz Paris erbaut ist. Das große Osritkiarn ^ i ^ n t s u m , Fig. 169, ist eine Hauptlcitmuschel desselben. I n dem Tertiär-Becken von London finden sich zwar verwandte Geschlechter von Petrefactcn, doch herrscht durchaus vor ein zäher, brauner oder blaugrauer 138 Geologie. Thon, Londonthon genannt. Das Mainzer Becken, über ganz Rhcinhessen verbreitet, vom Nheingau am Abhang des Taunus über Frankfurt bis Gießen, ferner über das untere Maingebiet bis Aschaffenburg sich erstreckend, führt als unterste Schicht blauen Thon, worauf Sand, mit vielen Haistschzähmn, Fig. 170 und 1 7 1 ; C e r i t h i e n t h o ü (nach (?Sritkiiim inm-^i'itaosum und p!i» eawm, Fig. 172 und 173; Cyrenenmergel (nach (Ü^rsns 86mi8triatH und imdÄrkta, Fig.>i74; Cerithienkalk und als bedeutendstes' Gestein die L i t o rinellenkalke folgen, die aus Milliarden kleiner Sumpfschnecken (I'Älliäinll. WasferbilduZigen: V I I I . Tcrtiärfystcm. 139 i6nw, Utorinsiia, Fig. 175, vergrößerndeAbbildung) bestehend, bei Mainz als Hauptbaustein gebrochen werden. Diese Kalke enthalten Ucberreste verschiedener Amphibien, Vögel und Säugethiere, und in dem ihm zunächst folgenden Gerölle und Sand sind Knochen des Rhinoceros, Mastodon und des merkwürdigen Dinotheriums aufgefunden worden, welches ein Dickhäuter war mit rückwärts gekrümmten Stoßzähnen im Unterkiefer, wie die Abbildung des Schädels, Fig.176, zeigt. I n der Wetterau erscheint Braunkohle (§.45) in bedeutenden Lagern. Dieses werthvolle Tertiärgebilde hat außerdem eine große Verbreitung im nördlichen Deutschland, Böhmen, Polen bis Nußland und ist für diese Gegenden von großer national-ökonomischer Bedeutung. Besonders mächtige Flötze find bei Halle aufgedeckt und diefe Stadt selbst steht auf Braunkohle. Letztere ist meistens von Diluvialbildungen bedeckt, doch nicht selten zu Tage gehoben und wo dies z. B. von Basalten geschehen ist, durch die Hitzestcinkohle-ähnlichverändert. .Ein Begleiter der Braunkohle ist der B e r n s t e i n s . 85). Als jüngere Tertiärbildungen betrachtet man die eigentliche Molasse, 168 wozu der ganze, nicht hochgebirgige Theil der Schweiz, desgleichen Tyrol, Steiermark und das Becken von Wien gerechnet werden. Außer Kalksteinen, Sandsteinen, Thonen, Mergeln und Braunkohlen begegnet man in der Schweiz als sehr charakteristischem Gestein der N a g e l f l u h , einem Konglomerat von Nollstciucn, die durch Kalk zu einer, überaus festen Masse verkittet sind. Dieselbe hat stellenweise eine bedeutende Mächtigkeit und erhebt sich als bekanntes Gestein des vielbesuchten R i g i daselbst bis 6000 Fuß. , I n dem Tcrtiärgebicte der K a r p a t h e n haben die ungeheuren Salzflötze 140 Geologie. von Wielitzka und Bochnia eine große Wichtigkeit und Berühmtheit erlaugt.. Auf SiciUen gehört der S c h w e f e l dem tertiären Bereich an. ! Außer den bereits angeführten Versteinerungen bemerken wir noch: I^mnasal loüAisoata, Fig. 1?7(a. v. S.); ?6ctu.non1u8 xniviuatus, Oaräita ^)1g.ni<308ta,! Fig. 1?6; ^lanordis ooi-nii, Hi^onä, (Fig. 179 und 1 8 9 ; ^U8N8 di1in6Htus,! o0nti'Äi'iu8, Fig. 1 8 1 ; Nui-6x ( ^ l i i I ) w d i ^ i - , Fig. 1 8 2 ; gähn des vor- weltlichen Elephanten oder Manumtth (Ns^iiHL ^rimigöiiiiiZ), Fig. 183 Nasserbildungen: IX. Quartärsystem. 141 H.naM0tti6rmin und I>lÜ2.6otk6i-ium, Fig. 134 und 1 8 5 ; wahrscheinliche Gestalt tapir-ähnlicher Thiere aus dem Pariser Becken. Interessante Versteinerungen sind ferner der Niesensalamander vonOeningen amBodensee, früher für dasSkelet eines vorsündfluthlichen Menschen gehalten, und das Z e u g l o d o n Oydrarchos), aus der tertiären Formation von Alabama in Nordamerika, das größte lns zctzi aufgefundene vorweltliche Thier, 50 Fuß lang, mit Walfischähnlichem Rumpf und robben-ähnlichem Gebiß. IX. VMtsni Ä63 DiNiiTvi-uin; iHil.Ni'tä.i'S^'LbSIQ. Man begreift hierunter die neuesten geologischen Bildungen und wenn bei 167 Entstehung derselben das bewegte Wasser durch Losreißung, Lösung und Anschwemmung auch die Hauptrolle spielt, so daß dieselben als Schuttland oder Schwemmland bezeichnet werden könnten, so sind dabei doch aus) ruhig waltende Kräfte wirkend. Wir unterscheiden wieder eine frühere Bildung, das D i l u v i u m , aufgeschwemmtes Land, welches durchaus vorgeschichtlich ist, da in seinen Ablagerungen niemals menschliche Neste oder Kunstproducte angetroffen werden, und das seit dem Austreten des Menschen entstandene und bis auf den heutigen Tag sich fortbildende A l l u v i u m oder angeschwemmte Land. Die Ablagerungen der Diluvialperiode bestehen aus gröberen Geschieben, W 8 Geröllen, Kies, wechselnd und verbunden mit S a n d , Lehm und Löß. Sie erreichen stellenweise eine Mächtigkeit von 200 Fuß und eine mittlere Höhe von 1000 Fuß, steigen jedoch nicht über 2000 Fuß. Ihre räumliche Verbreitung ist sehr bedeutend, denn sie überschütten die weitgedehnten Niederungen des nördlichen und nordöstlichen Deutschlands, ganz Holland, die Thäler des Nheins, 142 Geologie. ! der Saone und Rhone, die baierische Hochebene, in deren Mitte München liegt, die fruchtbaren Ebenen der Lombardei und die Pnßtcn Ungarns. ! Ein feiner mergeliger und sandiger Lchm von graugelblicher Farbe erfüllt fast allerwärts das 3theinthal; er wird Löß genannt," weil er von den durch«! rinnenden Bächen nicht sanft abgespült, sondern unterwühlt und dann senkrecht ! abgelöst wird. So bilden sich jene anstehenden Wände, an welchen man so ! häusig die wagerecht eingebohrten Löcher der Uferschwalbe und die kleineren ' Zellen der Grabwespe wahrnimmt. Ueberaus fruchtbar und leicht zum Anbau ^ geeignet, erzeugt der Lößboden die mannichfaltigsten und wertvollsten Producte. Der Name des Löß wurde auch auf ähnliche Schichten übertragen, die anderwärts vorkommen. Die diluvialen Bildungen schließen häufig Reste von Thieren cin, theils solcher, die jetzt noch leben, theils ausgestorbener, namentlich der Tertiärperiodc angehöriger, welche von Fluchen weiter geführt und neu gebettet worden siud. Besonders merkwürdig sind die Anhäufungen unzähliger Säugethicrknochen in den Knochenhöhlen des fränkischen Jura, von welchen die MuggcndorferHöhle und die G a i l e n r e u t her-Höhle die berühmtesten sind. Der Böden derselben besteht aus einer durch Tropfstein verkitteten Knochenbreccie (§. 110), unter welcher durcheinander geworfen die Knochen von Wiederkäuern, Nagern, Dickhäuternsichbefinden, vorherrschend jedoch die von Höhlenbären und Hyänen, sowie die Coprolithcn (versteinerte Excremente) der letzteren. Nenn auch diese Naubthicre jene Höhlen bewohnt hatten, so läßt sich doch die Menge und Art der vorhandenen Knochen nur durch Annahme einer stattgefundenen Einschwemmung genügend erklären. 169 I n dieselbe Zeit gehören auch merkwürdige Wanderungen, die uns unter den jetzigen Verhältnissen freilich unbegreiflich erscheinen. I n der großen norddeutschen Ebene findet man mächtige, abgerundete Felsblöcke, vornehmlich aus Granit, vereinzelt über dem aufgeschwemmten Lande liegend und daher irrende oder erratische Blöcke oder F i n d l i n g e genannt. Weder weit und breit, noch in der Tiefe ist dort Granit anzutreffen. Es ist gewiß, daß diese Blöcke aus Scandinavien und Finnland, wo jenes Gestein zu Tage ansteht, übcr's Meer herüber gekommen sind, und zwar wahrscheinlich eingefroren in ungeheure Eisberge und mit diesen herübcrschwimmcnd. Nach den Schilderungen, die Nciscndc von der Größe der in den Polargegenden noch heute schwimmenden Eisberge machen, ist dies durchaus nicht unwahrscheinlich. Einer ganz verwandten Erscheinung begegnen wir in der Schweiz, wo die Gletscher Felsblöcke einschließen und dieselben allmälig aus dem höheren Theile des Gebirges in die Thäler herabführen und dieselben liegen lassen, wenn durch späteres Abschmelzen der Gletscher sich verkleinert und zurückzieht. So lassen sich entsprechend dem Ursprung der Hauptflüsse in der Schweiz mehrere Regionen nachweisen, über welche fremde Gesteine aus entferntem Hochgebirge zerstreut sind, die häufig durch gestreifte und polirte Stellen der Oberfläche ihre einstige rutschende Fortbewegung erkennen lassen. Wasscrdildungeu: I X . Quartärsystem. 143 A l l u v i a l g e b i l d e oder angeschwemmtes Land entsteht noch tagtäglich I7(l unter unseren Augen. Die Bäche, die Flüsse reißen vom Gebirge und ThalLande, durch welche sie ihren Weg nehmen, mehr oder weniger ab, je nach dem Grade der Festigkeit jener, und nach dem stärkeren oder geringeren Fall des Waffers. So werden die Erhöhungen der Erde, wenn auch unmerklich, doch fortwährend und beständig verkleinert. Das Losgerissene wird zertrümmert und an Stellen, wo der Fluß ruhiger fließt, wieder abgesetzt, theils als Mner Schlamm, theils als Kies und Gerolle. Darunter befinden sich dann öfter solche mineralische Körper, die in der Gehirgsmasst vertheilt waren, durch den Fluß jedoch wegen ihrer größeren Dichte . früher abgesetzt werden, als die weniger dichten. Auf diese Weise werden Gold, Platin und Edelsteine, auch Zinnerz an manchen Stellen des angeschwemmten und aufgeschwemmten Landes angesammelt und durch Auswaschung daraus gewonnen, während ihre Aufsuchung im Gebirge selbst nicht lohnen würde. Derartige auf nutzbare Erze und Gesteine ausgebeutete Ablagerungen werden Seifenwerke genannt. Die größten Anschwemmungen 'find die durch den Schlamm großer Flüsse entstandenen und fortwährend sich vergrößernden D e l t a ' s , dreieckige Inseln, die vor den Mündungen jener Flüsse fliegen und dieselben in viele Arme zertheilen, wie dies beim Nil, Rhein und bei der Donau der Fall ist. Auch große Seen sind allmälig durch Anschwemmung ausgefüllt worden. Die ticf eingreifende Gewalt des Meeres sehen wir in Fig. 186 und 187 bildlich veranschaulicht. Fortwährend zerstört und bildet dasselbe, an der einen 144 Geologie. ! Küste losreißend, an der anderen zuführend, und man hat an einigen Orten ^ die Entstehung nncs sogenannten jüngsten Meeressandsteines oder Kalkes! beobachtet, der aus den salzigen Bestandtheilen des verdunstenden Meerwaffers und den Resten zerriebener Muscheln allmälig sich bildet und das einzige Gestein ist, das bereits menschliche Gerippe einschließt (auf Guadeloupe). Unserer Zeit gehören ferner nicht unbedeutende Bildungen von Kalkt u f f an. Aus manchen Bächen, Seen und Sümpfen, die sehr viel kohlensauren Kalk enthalten, setzt sich dieser ab, slBald ein Theil der Kohlensäure an der Luft sich verflüchtigt. Die dadurch entstehenden Kalkrinden überziehen alle in dem Wasser befindlichen Gegenstände und bilden ein lockeres weiches Gestein, das jedoch an der Luft erhärtet und als Baustein benutzt wird. Berühmt als solcher ist der T r a v e r t i n , der in der Nähe von Rom sich findet, wo z. B. in einem Sumpfe bei San Filippo innerhalb 20 Jahren eine 30 Fuß mächtige Travertinmasse gebildet wurde. Kieselhaltige Quellen, wie die zu K a r l s b a d , und die merkwürdigen heißen Quellen Islands, die Geyser, setzen Kieselsinter ab. Nicht unbedeutend sind ferner die aus eisenhaltigen Wassern abgelagerten Rasen-Eisenerze (Sumpferz) und salzige Krusten, die am Ufer des Meeres, der Seen und Sümpfe beim theilweisen Austrocknen hier und da entstehen. l.71 Wichtiger sind jedoch die T o r f l a g e r , deren Bildung innerhalb der geschichtlichen Zeit im chemischen Theile §. 212 bereits beschrieben wurde. Sie erfüllen namentlich die Niederungen, wie z. B. die Ebenen von Holland, Preußen' Hannover und Dänemark. Man findet tief in denselben begrabene Geräthe und Werke von Menschen, z. B. celtische Waffen, die hölzerne Brücke, die Germaniens schlug, als er durch die Niederlande nN) Deutschland vordrang, u. a. m. Die Torfbildung reicht jedoch auch in die älteren Bildungen hinunter und kann betheiligt sein an der Entstehung von Braunkohle und Steinkohle. ' Noch fortwährend findet durch Nachwuchs d n Torfpflanzcn eine Wiedcrerzeugung des Torfes statt. Die Angaben über die Zeit, innerhalb welcher ein Torflager von einer gewissen Dicke sich bildet, sind verschieden, da je nach den örtlich gegebenen Bedingungen dieses hier rascher, dort langsamer geschehen kann. Während man im nördlichen Deutschland innerhalb 30 Jahren die Bildung einer 6 Fuß dicken Torfschicht beobachtete, haben genaue Ermittelungen in Baiern einen jährlichen Mchwuchs von 1 Zoll Torfschicht ergeben. Einer wohl noch langsameren Bildung begegnen wir bei den I n f u s o rien lagern. Unsichtbar kleine Thiere find mit Gehäusen oder, ähnlich wie Krebse, mit Panzern umgeben, die aus Kieselsäure bestehen, und die Reste von Milliarden abgestorbener Infusorien häufen sich allmälig zu Lagern an> die zcrreibliche Kieselgesteine bilden, welche als Infusorienerde, Polirschiefer und Kieselguhr beschrieben wurden. Endlich ist der Humus oder die Dammerde (Chemie §. 211) ein zwar nicht mächtiges, aber für den Pflanzenwuchs bedeutendes Erzeugniß der jüngsten Zeit. Feuerbildungm: 1. Gruppe des Granits. 145 I m Meere sind es die aus dessen Tiefe aufbauenden Korallen (Polypen), 172 die mit ihren kalkigen Zweigen der Oberfläche des Wassers sich nähern und so die K o r a l l e n r i f f e und K o r a l l e n i n s e l n bilden, welche namentlich im stillen Meere häufig sind. Noch manche Erscheinung erweckt unsere Aufmerksamkeit. Wasserfälle rücken langsam, aber stetig rückwärts der Quelle ihrer Gewässer zu, indem sie das Gestein ihres Abfalls allmälig ausfressen, wie dies namentlich beim N i a g a r a deutlich nachgewiesen ist. Der Dünensand macht Wanderungen landeinwärts und droht manch volkreiches Küstenland in eine Sandwüste zu verwandeln, wenn nicht künstlich dem Vorschreiten Einhalt geboten wird. Von besonderer Bedeutung find jedoch die in geschichtlicher Zeit vorgekommenen Hebungen und Senkungen größerer und kleinerer Ländergebiete. I n den Nuinen eines Tempels bei P u z z u o l i in Italien findet man einige aufrecht stehende Marmorsäulen die bis zur Höhe von 12 Fuß glatt find, über derselben jedoch eine Menge von Löchern zeigen, die von einer im Meere lebenden Bohrmuschel herrühren. Offenbar mußte jener Tempel längere Zeit unter die Meercsfläche versenkt gewesen und langsam wieder emporgehoben worden sein. Stumme Thiere verkünden uns durch ihre in den Säulen zurückgelassene Inschrift ein Ereigniß, worüber uns keine geschichtlichen Aufzeichnungen zugekommen sind. So beobachtet man noch heutigen Tages eine äußerst langsame Erhebung eines Theiles der Küsten von Schweden und Norwegen über den Meeresspiegel, während man bei Schonen eine allmälige Senkung wahrnimmt. I m Ganzen genommen erreichen die Alluvial-Bildungen niemals eine bedeutende, die Meeresoberfläche überragende Mächtigkeit. Sie umschließen nur solche Pflanzen- und Thierreste, die noch lebend angetroffen werden. F e u e r b i l d u n g e n. -^ (Plutonische, vulcamsche oder abnorme Bildungen; Massengebirge). Es gehören hierher die Gruppen des Granits, Grünsteins, Serpentins, 173 Porphyrs, Basalts und der vulcanischen Gesteine. Da diese Massmgefteim nicht regelmäßig über einander geschichtet, fondern neben einander und in einander gekeilt auftreten, so ist es oft schwierig, dieselben genau zu trennen. Auch fehlen hier gänzlich die Versteinerungen, diese für die gefHichteten Gesteine so wichtigen Erkennungsmittel. I m Allgemeinen zeigen die über die ganze Erdoberfläche verbreiteten Massengesteine eine gleichartigere Beschaffenheit und größere mineralogische Uebereinstimmung als die Letztgenannten, was erklärlich ist, wenn wir annehmen, daß ihre Masse aus dem Erdinnern als gemeinschaftlichem Heerde emporgedrungen ist und weniger unter dem Einfluß äußerer und örtlicher Einwirkungen gebildet wurde, als die der geschichteten Gesteine« II. 10 146 Geologie. ! Hervorzuheben ist, daß wir innerhalb der Massengesteine das Gebiet der meisten und interessantesten Mineralspecies zu suchen haben, daß vorzugsweise im Granit und den zunächst ihm angereihten Gesteinen edle Metalle, Erze und Edelsteine eingeschlossen sich finden, die in den geschichteten Felsarten niemals. vorkommen. Letztere erscheinen im Vergleich hiermit arm und schmucklos, wenn ^ schon in unscheinbarer Form als Kohlen- und Eisenerze auch hier reiche Schätze ^ abgelagert sind. Am zugänglichsten sind die Kostbarkeiten der Massengcsteine, da, wo ihre Trümmer in großen Lagern angeschwemmt wurden und lockeres l Schuttland gebildet haben. Gold, Platin, Diamant und alle übrigen Edel-! steine ersten und zweiten Ranges werden aus solchen Bildungen gewonnen. I. 174 (3^upps äs8 G r a n i t s . Sie wird gebildet von dem Granit, Granulit und Syenit. Der G r a n i t ist das verbreitere Massengestein, das vorzugsweise im Gebirge auftritt und nur selten in Ebenen sich findet. Wie bereits in §. 101 gezeigt wurde, sind die äußeren Formen der Granitgebirge mannichfaltig und bedingt durch die ungleiche Verwittcrbarkeit der verschiedenen Granite. Es herrschen daher in manchen Gegenden kuppige Berge mit einzelnen Felsparthien vor, welch letztere, aus ruinenartigen Gestaltungen vielfach über einander gethünnt, oft sehr malerische Ansichten gewähren. Anderwärts bilden sich dagegen mehr die abgerundeten, wollsackähnlichen Blöcke, deren an erwähnter Stelle gedacht wurde. ^ Häusig bildet der Granit Gebirgsstöcke und Kerne, um welche sich Gneiß und krystallinischer Schiefer als Mantel anlagern; oft auch finden wir, daß der Granit anderes Gestein durchbricht, in dasselbe eindringt und Gänge bildet, in welchen er dann meist ein feineres Korn zeigt, wie wenn hier eine schnellere Erhärtung und Krystallisation desselben eingetreten Wäre. Vorzugsweise sind es Gneiße und Schiefer, die von Granit durchsetzt werden, ja älterer Granit findet sich durchbrochen von jüngerem Granit. Hiernach würde das Austreten des Granits in eine frühe Epoche der Erdbildung zu verlegen se.in. Allein auf Elba hat man denselben durch Serpentin und Nummulitenkalk (§. 162) brechend angetroffen, was mit anderwärts beobachteten Vorkommnissen dafür spricht, daß auch noch in der späteren Periode der Tertiärbildungen gramtische Durchbrechungen stattgefunden haben. Eine große Verbreitung hat der Granit in den Alpen, zwar weniger massenhaft hervortretend, als im Mittelpunkte derselben ihrem Zuge M Kerne bildend, an welche dann Gneiß und krystallinische Schiefer,sichanlehnen. Dabei erscheint er hier mitunter in höchst eigenthümlicher Verbindung mit Kalk, von welchem keilförmige Streifen in Granit eingeschlossen sich vorfinden. Das Hauptgranitgebiet Deutschlands befindet sich im Osten und umschließt das kesseiförmige Böhmen. Diese Granite erscheinen im Fichtelgebirge und nordöstlich von demselben, im Erzgebirge, in der Lausitz, dem Riesengebirge und Feuerbildungen: 1 . Gruppe des Granits. 147 den Sudeten — südöstlich durch den Böhmerwald und bairischen Wald der Donau bis in die Nähe von Wien folgend und nördlich nach Mähren und Böhmen bis in die Nähe von Prag sich ausbreitend. Mehr vereinzelt tritt dagegen der Granit am Brocken, im Thüringerwald, am Spessart, Odenwald, Schwarzwald und in den Vogesen auf. Ein mächtiges Centralgramtgebiet hat Frankreich im Süden aufzuweisen. Der G r a n u l i t kommt nur untergeordnet vor, jedoch unter interessanten Verhältnissen am Fuße des Erzgebirges. Der S y e n i t zeigt sich häufiger, meist als Nachbar des Granits, in den er oft unmerklich übergeht., Wir begegnen demselben am nördlichen Fuße des Erzgebirges, im Plauenschen Grunde, Thünngerwalde und in größerer Ausdehnung im Odenwalde bei Darmstadt (s. §- 102). Unter allen Gesteinen ist der G r a n i t eins der bekanntesten. Er ist in 173 mehrfacher Hinsicht sprüchwörtlich geworden und der Dichter bedient sich desselben zur bildlichen Bezeichnung des hohen Alters, der unverwüstlichen Festigkeit, der unerschütterlichen Dauer. Auch hatten sich über kein Gestein so bestimmte und befriedigende Ansichten gebildet, als über den Granit. Als Grund- und Urgebirge wird er schon frühe bezeichnet, auf welches nachträglich die Flötzgebirgc sich abgelagert haben. Um so merkwürdiger erscheint es, wenn im Verlauf der Entwickelung der geologischen Wissenschaft über keine Felsart die Ansichten einen größeren Wechsel erfahren haben und in grelleren Gegensätzen sich folgten, als gerade in Hinsicht auf Alter- Zusammensetzung und Entstehungsweise des Granits. J a es lassen die in letzter Beziehung herrHenden Widersprüche den Granit geradezu als ein noch ungelöstes Räthsel der Geologie erscheinen. Anfänglich als Urgebirgc angesehen, konnte der Granit diese Rolle nicht länger behaupten, als das Eindringen desselben i n offenbar später erzeugte Gesteine nachgewiesen worden war. Man ertheilte ihm ein bedeutend geringeres W e r , gleichzeitig aber auch den Plutonischen Charakter. Als eine durch die Hitze geschmolzene Masse ist der bisherigen Ansicht zufolge der Granit aus den gewaltsam geöffneten Spalten der Erde hervorgedrungen. Diese feurigen Ströme sollen dann einen weitgehenden Einfluß auf die benachbarten Thonschiefer ausgeübt haben, indem dieselben durch die mitgetheilte Hitze erweicht und in Gneiß und krystallinische Schiefer umgewandelt wurden« Eine neuere umsichtige Erwägung der Verhältnisse, unter welchen der Granit auftritt, sowie eine aufmerksamere Betrachtung seiner Gesteinsmasscn selbst, stellen jedoch diese Entstehung auf feurigem Wege in Zweifel. Man findet nämlich an, den Berührungsstcllen des Granits mit Nachbargeftcinen die in solcher Weise verändert, wie dies der Fall sein müßte, wenn der Granit als feuriger Strom dasselbe durchbrochen hätte, und wie man Einwirkungen der Art in der That bei unzweifelhaft glühend emporgestiegenen Massen, bei Trachyten und Basalten, auf ihre Nebengesteine wahrnimmt. Vergleicht man ferner die Bestandtheile des Granits vor dem Löthrohr, so ist der Quarz für sich unschmelzbar, der Feldspath schwer schmelzbar, der Glimmer 10* 148 Geologie. ! leicht schmelzbar. Wenn der Granit aus einem glühenden Teig entstanden ist. so mußten folglich zuerst Krystalle von Quarz sich ausscheiden, dann von Feldspath, zuletzt von Glimmer. I n Wirklichkeit findet man aber deutliche Beispiele, daß die Feldspathkrystalle bereits vor dem Erhärten des Quarzes sich ausgeschieden hatten, indem ihre Ausbildungen niemals durch bereits vorhan«' denen festen Quarz gestört erscheint, wohl aber der umgekehrte Fall vorkommt. Auch stimmt das specifische Gewicht der Bestandtheile des Granits nicht mit dem überein, welches dieselben Körper zeigen, nachdemsieim Feuer geschmolzen worden sind. Endlich hat der Feldspath, der in den Trachyten vorkommt, also zuverlässig aus glühender Masse krystallifirte, ein eigenthümliches glasiges Ausehen, wodurch er sich von dem granitischen Feldspath wohl unterscheiden läßt. (Vergl. §. 63.) Wenn somit triftige Gründe dafür sprechen, daß der Granit kein plutonisches Erzeugniß ist, so gilt dieselbe Anficht auch für die ihm so nahe ver-' wandten und beigesellten Gneiße und krystallinischen Schiefer; ja man hat sie auf die Angit- und Horublendegesteine ausgedehnt und nur noch den Trachyien, Basalten und Laven den feurigen Ursprung zuerkannt. Die weiteren Folgen aus diesen noch nichl zum Abschluß gebrachten Erörterungen werden aber eine tiefgreifende Umgestaltung in die bisherige Betrachtungsweise geologischer Verhältnisse herbeiführen. 2. Q-xupps äsä Grünst sin s. 176 I m Gegensatz zu den Gesteinen der vorhergehenden Gruppe tritt der Grünstein niemals in Massen auf, die von größerer Bedeutung sind und ganze Gebirge oder beträchtliche Theile derselben ausmachen. Er bildet vielmehr kleine unregelmäßige Massen, Stöcke, lagcrförmige Körper und vielfach verzweigte Gänge, namentlich im Gebiete des Granits, der Schiefergesteine und der Grau-1 wacke. I n der Regel stellen die zur Oberfläche hervortretenden Grünfleine kleine! Felskuppen dar, die, zumal i n Thonschiefergegenden, schon aus der Ferne er-! kannt werden. Die innere Absonderung der Grüustcine ist vorzugsweise die! - knollige und kugelförmige, seltener die i n Säulen und Platten. Von den vielen Abänderungen, welche der Orünstein darbietet, kommen namentlich D i o r i t und D i a b a s i n stärkerer Verbreitung vor. Eigentliche Erzgänge find in den Grünstcinen selten, allein öfter enthalten sie Erze, z. B. Eisen-, Kupfer- und Zinnerze als zufällige Gemenge reichlich genug, um bergmännisch bearbeitet zu werden. I n Deutschland erscheint Grünstein in folgenden sengebirge,, Lausitz, Erzgebirge, Fichtclgebirge, Thüringerwald, Harz, Hunsrück und im granitischen Odenwald, nordöstlich von Darmstadt. Feuerbildnngen: 4. Gruppe des Porphyrs. 149 3. QrnppS 6.68 Zsrp6iil)iQä. Diese mit den Grünsteinen verwandten Gesteine kommen in ähnlicher 177 Weise vor. I n größerer Masse erscheinen sie nur in den Alpen, währendsiein Deutschland so vereinzelt auftreten, daßsieauf geologischen Karten von kleinerem Maßstabe verschwinden. Der S e r p e n t i n bildet Stöcke, auch kurze mächtige Gänge, meist stark zerklüftet und in Platten abgesondert und erscheint in vereinzelten Bergen, Kuppen und Hügeln von abgerundeter Form. I n Deutschland am häusigsten im Granulitgebiet des sächsischen Erzgebirges, in Böhmen, im Zobtener und Frankensteiner Gebirge Schlesiens, bei Neichenstein. Der Gabbro (§. 103), vorzüglich in den Alpen und Oberitalien undstetsvon Serpentin begleitet auftretend, kommt auch an der Bastei im Harz, bei Ehrenbreitenstein und im Zobtengebirge vor. 4. Gru-PpS 6.68 V o r p ^ r s . Die Porphyre sind nicht allein als häufige Ursache von Gebirgscrhebun- 178 gen zu betrachten, sondern es treten dieselben auch vielfach als bedeutende Gebirgsmassen zu Tage. Sie sind unter ähnlichen Verhältnissen in allen Erdtheilen nachgewiesen, indem sie als stockförmige Massen und weit ausgedehnte Gänge den Granit, die Schiefer und vom Flötzgebirge die Grauwackcn- und Kohlengruppe durchsetzen. I n ihrer äußeren Erscheinung zeigen sich die Porphyre ganz besonders geeignet zu Berg- und Felsbildung, und häusig bestehen isolirte Berge im Gebiete anderer Gesteine aus denselben. Ihre Absonderung ist in eckigen Bruchstücken und vielfacher Zerklüftung in Säulen und Platten. I n der Nähe ihrer' Berührung mit anderen Gesteinen entstehen häusig Reibungsbreccien (§. 110). Die Abänderungen des Porphyrs sind mannichfaltig und darunter Pcchsteinporphyr, Melaphyr und Mandelstein besonders ausgezeichnet. P o r p h y r e finden wir in folgenden Gebirgen und Gebirgsgegenden: S u d e t e n , Riesengebirge, namentlich als ausgedehntes Gebiet in Grauwacke und Thonschiefer, bei Oschatz, Grimma 2c.; H a r z , T h ü r i n g e r w a l d , hier besonders bei Masserbcrg bis Eisenach die Hauptmasse des Gebirgsrückens bildend; N a h e t h a l , D o n n e r s b e r g , Bergstraße, S c h w a r z w a l d . Der Pechsteinporphyr erscheint nur sehr vereinzelt, und in Deutschland ist er wohl nur auf Sachsen (Meißen, Freibergj beschränkt. Die.Melaphyre und Mandelsteine sind mehr verbreitet, bilden jedoch nicht sowohl große Gebiete, als vielmehr kleinestockförmigeMassen und unregelmäßige Gänge, in Obcrschlcsien, Böhmen, Sachsen, Thüringcrwaid, Harz, Odenwald, Hunsrück und Nahcthal. Geologie. 150 5. 179 (Ärupps ÄS3 N3.8Äit68. I n dem Basalt begegnen wir einem emporgedrungenen Gestein, von höchst entschiedenem Charakter, das selbst für das Auge des Ungeübteren stets ziemlich leicht erkennbar ist. Viel später als die meisten Mißbildungen um seither genannten Masscngesteine durchsetzt er dieselben scharf bis selbst zur Tertiärbildung herauf und nur die quartären Bildungen sind erst nach dem Ersannen des Basaltes entstanden. Die Basaltgestcine bilden oft von den Gebirgsketten unabhängige Züge, von zerstreut bergigem Lande oder in dm flachen Gegenden des Flötzgebirgcs sehr charakteristische einzelne Kuppen und kegelförmige Berge. Sie sind über die ganze Erde verbreitet, und bilden in Deutschland besonders eine auffallende, von Ost nach West sich erstreckende basaltische Zone. Die freistehenden Nasaltkcgcl erreichen eine Höhe bis 1000 Fuß und bieten sehr mannichfache und meist sehr zierliche Absonderungen dar, indem der Basalt gewöhnlich der Länge nach stänglich ist und aus ziemlich regelmäßigen fünf- bis sechsseitigen Säulen besteht, wovon uns Fig. 188 ein Beispiel zeigt. Eine berühmt gewordene, von Vasaltsäulen gebildete Grotte ist die F i n g als höhle auf der Insel Staffa in der Nähe der nordschottischcn Küste, Fig. 189. Feuerbildungein 6. Gruppe der Vnlcane. 151 Die wichtigeren Abänderungen des Basaltes sind der K l i n g s t e i n (§. 107) und der Trachyt (§. 108), welch beide Letzteren jedoch nicht häusig verbreitet sind und meistens zugleich mit eigentlichem Basalt vorkommen. Von Erzgängen find die Gesteine dieser Gruppe nicht durchdrungen. Wir können hier unmöglich aUer Punkte gedenken, wo der Basalt sich hervorgedrängt oder kegelförmige Berge gleich großen Maulwurfshügeln aufgeworfen hat. Es gehören jedoch: Zur Zone zwischen den Sudeten und der Eifel im nördlichen Deutschland: Die Basalte Schlesiens, der Lausitz; in Böhmen namentlich der größte Theil des böhmischen Mittelgebirges und viele Berge von da nach dem Fichtelgebtrge zu; ferner im Meißncrkreise und Erzgebirge, des Thüringerwaldes, ein großer Theil der Rhön, das ganze VogelgeUrge in Hessen, das größte Basaltgebiet Deutschlands; am Rhein die Kuppen zwischen Taunus und Westerwald, im Siebengebirge und in der Eifel. I m südlichen Deutschland ist die Anzahl der Basalte geringer. Er zeigt sich jedoch in mehrfachen Kuppen vom Main bis zum Odenwald, seltener im Schwarzwald und sehr vereinzelt in Würtemberg und Baiern. I n Frankreich ist die Auvergne ein Hauptschauplatz basaltischer Gesteine. Sehr merkwürdige Erscheinungen treten auf an den Gränzen der Berührung des Basaltes mit anderem Gestein zur Zeit seines Empordringens als feurig flüssige Masse. Häusig ist da jenes andere Gestein deutlich erkennbar durch die Hitze verändert, geschmolzen, verschlackt, entfärbt 3c., ähnlich wie bei thatigen Vulcanen und bei manchen starken Feuerungen unserer Gewerbe noch heutigen Tages in kleinerem Maßstabe Feuergebilde entstehen. S. (3-rnpps Äsr Vnioa.u.9« Die Entstehung, die Thätigkeit und die Einwirkung der Vulcane auf ihre 18V Umgebung haben wir bereits im 3. 139 ausführlich geschildert. Es ließen sich nach jener Ansicht alle emporgedrungenen Massengesteine als erloschene Vulcane bezeichnen, von zum Theil außerordentlicher Ausdehnung. Allein erst bei der Basaltgruppe, die der Vulcangruppe unmittelbat vorangeht, treffen wir bedeutende Annäherung an den Charakter, welcher heutigen Tages den Vulcanen beigelegt wird. Ein besonderes Merkmal der Vulcane sind die kegelförmigen Erhebungen, die mitunter ziemlich vereinzelt, in Gruppen oder Reihen auftreten. Es gehört ferner zu den Kennzeichen der Vulcane die trichterförmige Kraterbildung an ihrer Spitze. Die Gesteine, welche wir an ihnen selbst und in ihrer Umgebung antreffen, sind L a v a , Schlacken und T r a c h y t , in welchen Erzgange nicht wahrgenommen werden. Die Vulcane werden eingetheilt i n t h ä t i g e und i n erloschene, von welchen Deutschland nur einige der letzteren enthält, nämlich die Vulcangruppe )52 Geologie. der E i f c l , welche besonders ausgezeichnet ist. Außerdem kommen in der Rhön und in Böhmen noch einige vulcanische Bildungen vor. S ch l u H. 181 Werfen wir nochmals einen Blick auf den Gesammtinhalt dessen, was unter dem allgemeineren Namen der Mineralogie seither entwickelt wurde, so sehen wir uns, in merkwürdiger Weise vom Kleinen und Einfachen ausgehend, zu den größten und höchst vielfach zusammengesetzten Erscheinungen fortschreiten. Denn im einfachen Mineral lehrt uns di? O r y k t o g n o s i e die in der Natur gebildetechemischeVerbindung kennen, die in ihrer bestimmten Zusammensetzung und Krystallform eigentlich ein Theil der Chemie ist. Allein diese kleinen Krystalle treten nicht nur vereinzelt auf, sondern auch in großer Anzahl neben einander, als zusammenhängende Massen vereinigt. Ebenso finden wir häufig «die Krystalle verschiedener Minerale gemengt und verbunden in' größeren Massen erscheinen, wobei denn die bestimmte Krystallform sehr oft durch mancherlei Störung, wie durch theilweife oder ganze Schmelzung, Auflösung, durch Reibung, Einmengung u. s. w. beeinträchtigt erscheint. So führt uns in der Betrachtung der gemengten Gesteine die Geognosie zur Betrachtung der größeren Massen und deren Anordnung und Reihenfolge, während endlich die Geologie die Entstehung und mehrfache Umbildung der Erde und ihrer Rinde nachzuweisen und zu erklären versucht. / 182 Wie mannichfach nützlich die hier behandelten Gegenstände sind, wird wohl Jedem bei der Beschreibung so vieler für den Gebrauch höchst wichtiger mineralischer Körper klar geworden sein. Theils sind es die Minerale selbst, die wie Schwerspath, Strontianspath, Kalkstein, Kochsalz, Schwefel, Kohle und die vielen Erze wichtig find, und die der Mineralog in der von der Natur ihnen gegebenen Form kennen lehrt, theils zeigt er auf die Verhältnisse hin, unter welchen man dieselben zu finden erwarten darf. Es ist ferner dem Mineralogen leichter, über die aus den Verwitterungen Hervorgegangeyen Bodenarten ein Urtheil zu fallen, und in der That ist die für Ackerbau so wichtige Bodenkunde (Agronomie) als selbständiger Theil einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterworfen worden, deren Grundlage die Mineralogie ist. Noch eine andere wichtige Beziehung hat jedoch die Gcognosie zu einem unserer unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse, nämlich zum Wasser. Es ist im §. 86 der Physik angedeutet, wie dieses in dem Bestreben, seine Theilchen in die wagerechte Gleichgewichtslage zu versetzen, als Quelle häufig zu Tage dringt, wo es ihm möglich wird, einen Weg sich zu bahnen. Die Erfahrung lehrte Artesische Brmmett. 153 jedoch, daß man hierin dem Wasser zu Hülfe kommen, daß man ihm an bestimmten Orten bestimmte Wege anweisen, mit einem Worte, daß man künstliche Quellen bohren kann. D i 6 9.rtG8180kSN. VrilQNSN. Die Möglichkeit der Anlage eines nach der Grafschaft A r t o i s , wo die- 183 selbe zuerst versucht wurde, sogenannten artesischen Brunnens hängt von gewissen Bedingungen des inneren Gcbirgsbaues ab, die sich ziemlich genau bezeichnen lassen, weshalb der mit geognostischcn Kenntnissen Ausgestattete beurtheilen kann, ob in irgend einer Gegend die Erbohrung eines solchen Quells möglich oder wahrscheinlich ist. Dieses wird nun der Fall sein, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: 1. Es muß in einem höher als der Vohrpunkt gelegenen Theile der Erdoberfläche Wasser i n die Erde eindringen. 2. Dieses Nasser muß unterirdische Verbindungswege bis unter den Bohrpunkt vorfinden. 3. Weder in noch unter dem Bohrpunkt darf jenes Wasser einen natürlichen oder künstlichen Ausweg finden, durch welchen so viel abzufließen vermag, als der Zufluß von oben beträgt. Diese drei allgemeinen Bedingungen können nun auf verschiedene Weise erfüllt sein. Am gewöhnlichsten werden dieselben im Gebiete der FlötzgcbirZe durch die besondere Lage und abwechselnde Beschaffenheit der Schichten hervorgerufen. Wenn nämlich irgend eine wasscrdurchlassende, z. B. sandige Schicht b, Fig. 190, in etwas geneigter Richtung zwischen zwei wasserdichten z.B. thonigen oder mergeligen Schichten a und 6 liegt, so wird das Wasser, welches in die oberen ausgehenden Theile ö ö der ersteren dringt, dieselben bis zu ihrem tiefsten Punkte erfüllen, und wenn es nun hier keinen oder keinen hinreichenden Ausweg findet, sei es nun wegen muldenförmiger Lagerung, wie in Fig. 190, oder wegen Anlagerung der unteren Schichtenausgehenden an ein festes Gestein, 154 Geologie. wie i n F i g . 1 9 1 , w o a u n d s undurchdringliche Schichten sind, wahrend b das die Wasser durchlassende und cl lenes feste Gestein ist, so wird das Wasser in diejenige Spannung gerathen, welche erforderlich ist, um einen artesischen Brunnen zu erzeugen. Man braucht dann nur die obere Schicht zu durchbohren, um sogleich einen freiwillig springenden Quell zu erhalten. Aehnliche oder gleiche Bedingungen können jedoch auch im Masscngcstein, durch Klüfte, erfüllt vorhanden sein, wiewohl seltener und ohne daß sie sich im Voraus beurtheilen lassen. Nährend man daher in Flötzgebirgsgegenden oft mit großer Zuverlässigkeit das Gelingen der Anlage von artesischen Brunnen voraus zu bestimmen vermag, wird dasselbe in Gegenden, wo Schiefer und Massengesteine herrschen, nur vom Zufall abhängen und im Allgemeinen unwahrscheinlich sein. Kommen artesische Brunnen aus sehr großer Tiefe, so haben sie eine höhere Temperatur, wie z. B. der 1691 Par. Fuß (— 548 Met.) tiefe Brunnen von G r e n e l l e bei Paris, der 28" C. Wärme hat und die bei Neufscn in Würtemberg erbohrte Quelle, welche bei 1187 Pariser Fuß — 385 Meter Tiefe sogar eine Temperatur von 38,70C. besitzt. Es ist hierdurch die Möglichkeit in Aussicht gestellt, die aus dem ungeheuren Magazine des Erdinnern hervorgehobene Wärme an der Erdoberfläche, namentlich zur Erwärmung zu benutzen. — Enthalten die Flötzschichtcn, aus welchen der artesische Quell aufsteigt, lösliche mineralische Stoffe, so wird derselbe als Mineralwasser erscheinen. Auf diese Weise sind namentlich im kochsalzreichcn Keuper und Zcchstcin mehrfach Salzsohlen erbohrt worden. , .184 , - , NsrUdan. „ „„, . >"" ^,' '^ , "^' Damit das gleißende Gold und das blinkende Silber, das Eisen, die Kohle, das Salz und vieles Andere, was dem Menschen das Leben angenehm macht oder für ihn unentbehrlich ist, an's Tageslicht gebracht werden, verrichtet unablässig und mit ernster Beharrlichkeit der B e r g m a n n sein mühseliges Geschäft. Bergbau. 155 Es ist das Volk der Bergleute in Deutschland meistens arm, aber redlich und arbeitsam, still und ernst an der Arbeit, heiter und der Musik ergeben in den Ruhestunden. Besondere Sitten und Trachten und eine eigene Ausdrucksweise in Allem, was ihr Geschäft betrifft, bilden die Bergleute zu einer eigenthümlichen, vom Landbauer, Seefahrer, Städte- und Waldbewohner besonders unterschiedenen Klasse. Mit seinem Gezähe, d. h. Werkzeug, meistens aus der Keilhaue, dem Schlägel und Eisen bestehend, und mit dem Grubenlichte versehen, zieht der Bergmann aus und arbeitet entweder die tiefenGruben senkrecht in den Boden, die man Schachte nennt, oder er führt Gänge oder S t o l l e n in wagerechter Richtung und, indem er durch Verbindung beider Bauarten das Gestein durchdringt, verfolgt er nach allen Richtungen die M i n e r a l - und Erzgänge, welche sich durch das taube Gestein dahinziehen. Ueber sich hat er das H a n gende, unter sich das Liegende der Gesteinsmassen. Der Bergmann f ä h r t zu B e r g , wenn er in den Schacht an steilen Leitern hinabklettert oder an einem Seile Hinuntergclassen wird; er f ä h r t zu Tage, wenn er den umgekehrten Weg macht. Die Bergwerke selbst sind mitunter von erstaunlicher Ausdehnung, denn es giebt Schachte, die an 3000 Fuß tief sind. Unter die Meeresoberfläche ist man dagegen erst bis zu 1300 bis 1600 Fuß tief in die Erde eingedrungen, was etwa 2/14300 des Halbmessers der Erde ausmacht (s. Kosmos, S . 166). Die Stollen erreichen ebenfalls zuweilen eine staunenswerthe Länge, wie z. B. der drei Stunden lange G e o r g s - S t o l len auf dem Harze und der berühmte 10,500 Fuß lange C h r i s t o p h s - S t o l len im Salzburgischen. Die Stollen sind meistens so hoch, daß ein Mann darin noch eben gehen kann, öfter jedoch niedrig und nur in gebückter oder kriechender Lage zugänglich. Bei feinem Berufe hat nächst dem Seefahrer wohl der Bergmann neben 183 vieler Beschwerde die meisten Gefahren zu bestehen. Es giebt Bergwerke, wo von 1000 Arbeitern jährlich im Durchschnitt 7 durch Unglücksfälle das Leben einbüßen und gegen 200 mehr oder weniger beschädigt werden. I n anderen sollen sogar von 250 Arbeitern jährlich 12 bis 16 umkommen. Bald ist es das Waffer, welches von der Seite oder aus der Tiefe andringt, bald das Grubengas (Chemie §. 54), welches sich entzündet und Explosionen veranlaßt, oder erstickende Gase, wie namentlich Kohlensäure (Chemie Z. 53), werden ihm gefährlich. Auch stürzen manchmal Bauten durch nachlässige Stützung oder durch Erschütterungen ein, und die Arbeiter werden lebendig begraben, was namentlich in den durch Erdbeben noch öfter heimgesuchten Gegenden Südamerikas der Fall ist. Dies Alles hat denn, namentlich in früheren Zeiten, bei den Bergleuten eine reichliche Quelle zu Aberglauben, zu vieler Sage und Dichtung gegeben. Da erzählen sie von mancherlei neidischen Berggeistern, Zwergen und Kobolden, die in dem Berginncrn wohnen, das Erz und die Schätze bewachend, welche sie den Menschen mißgönnen, und darum den Bergmann vielfach an der Arbeit 156 Geologie. hindern und ihm Uebeles zufügen. Auch glauben sie wieder, daß wohlthätige Feen und Geister ihnen helfen und beistehen. Allein der fromme und erfahrene Bergmann weiß wohl das Mährchen von der Wahrheit zu trennen, und indem er durch das Fortschreiten der Wissenschaft geleitet und durch Vorsicht die Gefahren zu vetmeiden sucht, vertraut er auf Gott, diesen Schutz und Hort aller Menschen, und betet zu ihm jedesmal, wenn er zu Berg fährt. Und weil er die Gefahren kennt, die ihn beständig umgeben, so ruft er seinem Kameraden, der ihm begegnet, einen muntern Gruß zu, daher denn "Ungestört ertönt der Berge uralt Zauberwort: Glück a u f ! « Nachtrag zur Mineralogie. Zu §. 47. Wenn Zwei StüÄe von Quarz an einander gerieben werden, so phosphoresciren dieselben, indem eine eigenthümliche, etwas röthliche Lichterscheinung wahrgenommen wird. Zu §. 50. C a r n a M t ; dieses Doppelsalz aus Chlorkalium und Chlormagnesium ( X 0 1 -^- 2 N g O 1 - j - 2 N 0 ) verspricht durch seinen großen Kaligehalt eine große Bedeutung zu erlangen für diechemischeTechnik, seitdem man bei Staßfurthein 135 Fuß mächtiges Salzlager entdeckt hat, in welchem der Carnallit vorwaltet, N — 2 ; D ----- 1,618, rein farblos, klar, grob krystallinisch; häufiger roth gefärbt durch mikroskopische Schuppen von Eisenglimmer, dem Avanturin ähnlich. Zu §. 5 1 . Ein unerschöpfliches Steinsalzlager ist in jüngster Zeit bei S t a ß f u r t h in Preußen erbohrt worden. Seine Mächtigkeit beträgt 1200 Fuß, wovon das untere Lager von 685 Fuß reines Steinsalz ist, während in den oberen Schichten löslichere Salze, insbesondere Chlorkalium, Chlormagnefium und schwefelsaure Magnesia, hinzutreten und das sogenannte Ab räum salz bilden, welches mehrfache technische Verwendung findet. Zu §. 53. Der Flußspath kommt nicht nur in allen Farben, sondern auch in so vielfachen Abstufungen derselben vor, daß er an Farbenreichthum alle Gesteine übertrifft und daher von den Bergleuten »Erzblüte« genannt worden ist. Manche Krystalle desselben erscheinen beim auffallenden 3icht.e saphlrblau, beim durchgehenden smaragdgrün und ist hiervon der Namen der »Fluorescenz« für ähnliche Farbenwandlungen entnommen worden. Beim Erhitzen phosphorescirt der Flußspath mit grünlichem oder bläulichem Licht. Zu §. 67. Nephrit (Nierstein, Beilstein), ein den Augiten verwandtes Mineral; N . 5,5; v . 3 ; derb, im Bruch splittrig, lauchgrün; Fundorte: China, Persien, Egypten, Neuseeland. Verarbeitet zu Waffen, Gerathen, Kunstwerken. Dieser Stein ist von Interesse für die Alterthumswissenschaft, indem sich in den Gräbern der ältesten Zeit mitunter bereits Gegenstände von Nephrit vorfinden und hieraus Verkchrsbczichungen der betreffenden Bevölkerung nachgewiesen werden. 2 Nachtrag zur Mineralogie. Zu §. 69. Eisenerze. OctaVdrische Krystalle von Magneteisen finden sich besonders schön in Tyrol (Gramer und Psitsch); Lager dieses Erzes in Schweden und Norwegen (Dannemora, Fahlun, Arendal). Schwarzeisenstein wird ein manganhaltiger Braun- und Rotheisenstein genannt. K o h l e n eisenstein: Manche Steinkohlen hinterlassen beim Verbrennen (Rösten) eine Asche von so beträchtlichem Eisengehalt, daß dieselben auf Eisen verhüttet werden, wie z. B. in Westphalen der Fall ist. Eine derartige Steinkohle von Horde enthalt außer kohlensaurem Eifenorydul noch Thon, kohlensauren Kalk und Magnesia und als nachtheilige Begleiter Schwefeleisen und phosphorsauren Kalk. Geröstet beträgt ihr Eisenoxydgehalt bis 85 Proc., entsprechend 59 Proc. Eisen. Ein großer Theil der englischen Eifenproduction beruht auf der Verhüttung ähnlicher eisenhaltiger Steinkohle, des sogenannten V1aok-Vg,nä. Zu §. 70. Grau-Manganerz oder P o l y a n i t wird ein Mineral genannt, das seiner Zusammensetzung nach Mangan-Ueberoxyd ist und von dem P y r o l u s i t durch seine lichtgraue Farbe und meist kürzeren, dickeren Krystallsäulen sich unterscheidet. Zu §. 85. Petroleum. Unerschöpfliche Quellen von Steinöl sind in Nordamerika entdeckt und in Ausbeute genommen worden, so daß dessen Verbrauch über die ganze Erde sich verbreitet hat. Das Petroleum tritt dort in der älteren Gebirgsbildung in einem 5 bis 6 englische Meilen breiten District auf, der sich durch Canada und Pennsylvanien über einige Breitegrade erstreckt. An manchen Stellen, wie z. B. am sogenannten »Oil-Creek« in Pennsylvanien, werden die Steinölquellen zu Hunderten erbohrt und liefern, besonders im Anfang, ungeheure Mengen von Oel, bis zu 1500 Faß täglich! Seitdem hat man auch den europäischen Steinöldistricten mehr Aufmerksamkeit zugewendet und insbesondere in Galizien, zwischen Krakau und Lemberg, den Betrieb der Oelgewinnung gesteigert. Zu §. 106. Die Mühlsteine von Niedermendig in Rheinpreußen bestehen nicht aus einem porösen Basalt, sondern, wie §. 109 richtig angegeben ist, aus Lava. Zu §. 109. Statt »Niedermending« lese »Niedermendig.« Zu §.117. Die größten Brüche von Tuffstein in der vulcanischen Umgebung des Laachersees befinden sich in dem B r o h l t h a l . Der Tuff wird entweder in groben Stücken ausgeführt oder gemahlen, und in diesem Falle Traß genannt. Zum großen Theile geht er nach Holland, wo er zu Wasserbauten verwendet wird. Zu §. 138. Neuere geologische Theorien. Mehr und mehr gewinnt die Ansicht die Oberhand, daß die Umgestaltungen der Erdrinde weniger die Folge plötzlicher, höchst gewaltsamer Ausbrüche sind, als vielmehr in Kräften ihren Grund haben, deren unmerkliche Wirkungen erst nach.großen Zeiträumen hervortreten. Diese Ansicht wurde in Deutschland vornehmlich durch Bisch off, in England durch L y c l l zur Geltung gebracht, beide Geologen von größter Auszeichnung. Der Einfluß der Ausbruchserscheinungen ( P l u t o n i s m u s und V ulcanismus) tritt hiernach mehr in den Hintergrund und in demselben Maße Nachtrag zur Mineralogie. . 3 wird die geologische Bedeutung der Wasserwirkung ( N e p t u n i s m u s ) hervorgehoben. Demnach wird angenommen, daß aus der ursprünglich gleichförmigen Oberstäche der Erde die Gebirge emporgestiegen sind, indem die innere Erdmasse durch Abkühlung sich zusammenzog, wodurch die äußere Erdrinde hier zur Meerestiefe nachsank und dort zur Gebirgshöhe sich erhob. Es werden ferner Hunderttausende — ja viele Millionen Jahre M Hülfe gerufen, um diese und die nachfolgenden Gestaltungswechsel zu erklären. Die in die Meerestiefe versenkte Erdkruste mußte nunmehr die umändernden Einwirkungen ( M e t a m o r p h i s m u s ) des Meerwassers und seiner Bestandtheile erfahren, in Verbindung mit dem der Tiefe entsprechenden Druck und vielleicht auch mit der näher gerückten inneren Erdwärme. Wir können in der That aus geschichtlicher Zeit nachweisen, wie frisch abgelagerter Thonschlamm, der weich und bildsam ist, durch langes Liegen unter dem Druck einer starken Bedeckung allmälig fester wird, ein schieftiges Ansehen gewinnt, in unbildsamen Schieferthon und endlich in harten Thonschiefer übergeht. Durch später eintretende Einsenkungen, die zum Theil auch von unterirdisch stattgefundenen Auswaschungen veranlaßt sein mochten und die nach anderen Richtungen erfolgten, trat allmälig der einstige Meeresboden wieder an das Tageslicht mit seinen eingebetteten Resten mannigfaltiger Thiere, und das frühere Gebirge, eingetaucht in den Meeresgrund, erlitt nunmehr ebenfalls entsprechende Umänderungen. Von der Gesteinsmaffe des versunkenen Gebirges und von der Natur des überstehenden Meereswassers wird dann die Art des entstandenen mctamorphischen Gesteins abhängen und es können hiernach krystallinische Schiefer, Glimmerschiefer, Gneiß u. a. m. aus diesen Einwirkungen hervorgehen. Ja — bei den nahen Beziehungen des Gneißes zum Granit ist auch dieser in den Kreis der metamorphischen Gesteine gezogen worden und es ist letzterer in weitgehendster Weise selbst auf die Diorite, Augitgesteine, Porphyre und Melaphyre ausgedehnt worden, so daß als unbezweifelte Ausbruchgestsine (Eruptivgesteine) nur noch die Basalte, Trachyte und Laven gelten würden (vergl. §. 175). Noch sind es kaum hundert Jahre, daß die Bildungsgeschichte der Erde eine wissenschaftliche Behandlung erfahren hat und daß die Geologie in die Reihe der Wissenschaften aufgenommen worden ist. I n diesem kurzen Zeitraume haben die Ansichten über den Verlauf der Gestaltung und Umgestaltung - der Erdrinde so mehrfache und schroffe Wandlungen erfahren, daß wir Grund haben, bei einem anderen Wendepunkte derselben nicht allzu schnell nachzufolgenEs mag in der That genügen, vorerst die neue Ansicht darzulegen, ohne dieselbe in ihren weitgehendsten Folgerungen ein- und durchzuführen; es wird nicht allzu lange Zeit erfordern, um festzustellen, ob dieselbe mehr der Gewalt der Thatsachen oder dem Ansehen ihrer Vertreter die bisher zunehmende Geltung verdankt. Die Gegner der geologischen Wissenschaft überhaupt erkennen in dieser Wandelbarkeit ihrer Theorien eine große Schwäche und begründen hierauf ein nicht geringes Mißtrauen in dieselbe. Wie uns scheint, mit großem Unrecht. 4 . Nachtrag zur Mineralogie. Je mehr das geologische Studium vorschreitet, desto mehr ergiebt sich die Nothwendigkeit, zur richtigen Lösung seiner Aufgabe von den vielseitigsten, ja von allseitigen Kenntnissen unterstützt zu sein. Irrwege werden auf diesem Gebiete so lange noch eingeschlagen werden, als man zum Führer eine einseitige Auffassung erwählt hat. Wenn z. B. geologische Gsünde dafür sprechen, den Granit nicht für ein früher feuerstüsfiges Eruptivgestein zu halten, sondern für ein unter wässeriger Einwirkung gebildetes Umwandlungsgestein, und wenn diese Ansicht durch die eigenthümlichen, in §. 175 dargelegten Krtzstallisationsverhältniffe seiner Bestandtheile Unterstützung findet, so kann dieselbe dennoch nicht als unbestreitbare Wahrheit behauptet werden. Denn einerseits lehrt die Physik, wie unter besonderen Bedingungen Erscheinungen eintreten können, höchst verschieden von dem gewöhnlichen Verhalten der Körper, wie z . B . Wasser weit über seinen Siedepunkt erhitzt werden kann, ohne sich in Dampf zu verwandeln, und weit unter seinen Gefrierpunkt erkaltet werden kann, ohne fest zu werden. Andererseits lehrt die Chemie, daß wenn verschiedene Körper in einer Lösung gemischt sind, ihre Ausscheidung aus derselben nicht den Temperaturen ihres Erstarrungspunktes an und für sich entspricht, daß vielmehr hierin große Verschiedenheit stattfindet, je nach den Mischungsverhältnissen. Zu §. 139. Eisperiode. Man bezeichnet hiermit einen geologischen Zeitraum, von dem angenommen wird, daß während seiner Dauer ein größerer Continent, z. B. Europa, in weit ausgedehnterem Maße als jetzt, ja vielleicht gänzlich mit Eis bedeckt war. Diese Periode der allgemeinen Gletscherverbreitung verlegt man an das Ende der T e r t i ä r z e i t ( S . 109). Europa wäre damals zum größten Theil mit Eis bedeckt gewesen. Später eingetretene Aenderungen in der Ausdehnung und Lage der Nachbarcontinente hält man für die Ursache der nachgefolgten klimatischen Veränderung und des allmaligen Verschwindens dieser Eismassen, bis auf diejenigen der Polarzone und der höchsten Gebirge. Das trockene Hochland von Afrika wird noch jetzt als die Wärmepfanne von Europa angesehen. Von dorther kommende Winde, erhitzt durch den glühenden Sand der Wüste, schmelzen das europäische Eis. Die Gletscher der Alpen zeigen ein langsames thalabwärts gehendes Vorrücken, gewissermaßen ein Fließen, wobei sie Steine und andere Gegenstände, welche auf dieselben gefallen sind, mitführen und bei späterem Abschmelzen in deutlichen Streifen, sogenannten M o r ä n e n , liegen lassen. Diese ungeheuren allmälig fortrutschenden Eismassen erzeugen auf dem unterliegenden und seitlichen Gesteine vermöge des großen Druckes abschleifende Einwirkungen, die unverkennbar ihren Weg bezeichnen. ^ " ^ Gerade aus dem Vorhandensein der Spuren von Moränen und Steinschliffen in Gegenden, die seit Beginn der Diluvialperiode eisfrei sind, hat man auf das Vorhergehen einer Eiszeit geschlossen, und ebenso hat man dieselbe an das Ende der Tertiärzeit verlegt, weil ähnliche Erscheinungen in den älteren Bildungen nicht vorkommen. Der Eintritt und das Verschwinden einer derartigen Eisverbreitung müßte Nachtrag zur Mineralogie. 5 jedenfalls auch auf die Verbreitung der Pflanzen- und Thierwelt vom größten Einfluß gewesen sein. Z u §. 146. Das Vorhandensein einer eigenthümlichen Thierwelt in den Erdschichten wird als eines der bezeichnendsten Merkmale der verschiedenen sich folgenden Epochen der Erdbildung angesehen. Letztere haben daher diesem entsprechende Benennungen erhalten, welchen man in neueren geologischen Werken so häusig begegnet, daß sie hier angeführt zu werden verdienen. Als P a l ä o zoische Epoche bezeichnet man die Epoche der alten Thierwelt, deren Thierformen den jetzigen höchst unähnlich sind. Die Mesozoische Epoche oder Epoche der mittleren Thierformen läßt eine allmälige Annäherung zu denen der Ietztwelt erkennen. I n der Kanonischen Epoche oder Epoche der neuen Thierwelt treten in stets zunehmender Anzahl Thiergeschlechter auf, deren Arten gegenwärtig auf der Erde noch leben. Die genannten drei Epochen entsprechen den S . 109 angeführten primären, secundären und tertiären Formationen. Die unmittelbar an die tertiäre Zeit sich anreihende Bildungszeit wird jetzt häufig als die Postpliocäne Epoche bezeichnet. Z u §. 153. S t e i n k o h l e n b i l d u n g . Die Entstehung der Steinkohlenlager ist immer noch in keiner durchaus befriedigenden Weise erklärt. I n s besondere bietet die wiederholte Wechsellagerung von Stcinkohlenschichten mit dünnen Lagen von Letten oder Schieferthon eine große Schwierigkeit dar. Eine neuere Ansicht sucht dieselbe zu heben, indem sie die Entstehung der Steinkohle aus Meerespflanzen behauptet. Sowie noch jetzt die Algen eine reiche Pflanzenwelt der Meere bilden und im Atlantischen Ocean, zwischen den canarischen Inseln und Florida, sich eine schwimmende Tangwiese von etwa 40,000 Quadratmeilen Oberfläche findet, die aus dem Beerentang, LarAaZsuM daLoifsrnw, besteht, so konnten aus ungeheuren Tangmassen in früherer Zeit die absterbenden Pflanzen, auf dem Meeresboden einsinkend und zersetzt werdend, die Steinkohle bilden. Von Zeit zu Zeit wäre die entstandene Kohlenschicht bedeckt worden von dem Schlamm, welchen die Strömung mächtiger Flüsse mit sich führt, die ins Meer sich ergießen und aus dessen Erhärtung die Lettenschichten herrühren. Zu §. 168. A l t e r des Menschengeschlechtes. Bis in die neuere Zeit hatte die Ansicht geherrscht, daß in den diluvialen Bildungen keine Spur vom Vorhandensein des Menschen sich vorfände. Allein Thatsachen, welche theils von Geologen, namentlich aber von Altertumsforschern festgestellt worden sind, fcheinen dafür zu sprechen, daß wir das Alter des Menschengeschlechts in die unmittelbar der Tertiärzeit nachfolgende Postpliocäne.Epoche hinaufzurücken haben. Erstlich hat man in einigen Höhlen, vermengt mit den Knochen von Thieren, die seitdem ausgestorben sind, auch Menschenknochen angetroffen; sodann fanden sich in Erdschichten aus diluvialer Zeit rohe Werkzeuge von Menschenhand, wie insbesondere Pfeilspitzen, Messer, Schleuderfteine aus Feuerstein. Endlich wurden Anhäufungen von Knochen und anderen Resten aufgefunden, welche als die Ueberrcste menschlicher Mahlzeiten anzusehen sind^ 6 Nachtrag zur Mineralogie. denn diese Knochen ließen die Spuren der Einwirkung des Feuers sowie des Gebrauches von Messern erkennen und alle markführenden Knochen waren gespalten, damit das Mark herausgezogen und verzehrt werden konnte. Hiernach hätte in Europa der Mensch bereits in derselben Zeit gelebt, als in diesem Welttheile das Mamnmth, das Rhinoceros, der Riesenhirsch und die Höhlen bewohnenden Bären, Hyänen und Löwen verbreitet waren. Kaiser Joseph I I . am Pflug. Botanik. ..Und G o t t sprach: Es lasse die Erde Gras sprossen, das aufgrünet und das Samen trägt; und Fruchtbäume, die Frucht bringen nach ihrer Art, deren Samen in ihnen selber ist auf der Erde! Und also ward es." G e n e s i s 1,11. H ü l f s m i t t e l : Kndlick, er und Unger, Grundzüge der Botanik, ar. 8. Wien, Gerold, 184«. 4 Thlr. G i r a r d i N " b a m m , Die Grnndzügc der Land wirthschaft. 2 Thle. gr. s. Braunschweig, Fr. Vie» weg u. Sohn. 1854. s Thlr. Koch, Taschenbuch der deutschen und schweizer Flora, s. Leipzig, Gebhardt u. Neisland. ste Aufl. I8«5. 1 Thlr. 15 Gr. L i e b i g , Iustuö von, Die Chemie in ihrer ^ ^ ^ ' ' ^ ^ " der F.Müller. Schacht, Grundriß der Anatomie und Physiologie der Gewächse, gr. 8. Berlin, G. W. F. Müller. 195!,. 1 Thl. 15 Or. Schleiden, Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik, gr. 8. Leipzig, Gngelmann. 4te Aufl. i»6i. 4 Tklr. 25 Gr. Sckleiden, Die Vflan;eundibrLeben, gr.S. Leipzig, Enaelmann. SteAuss.i8«4. ITKlr.i7Gr.5Pf. Sckleiden, Physiologie der Pflanzen und Thiere und Theorie der Pssanzencultur für Landwirthe. Vraunscbweig, Fr. Vieweg u. Sohn. iS5l>. 2 Tlilr. 15 Gr. S e u b e r t , Die Pflanzenkunde in populärer Darstellung, gr. s. Leipzig, G. F. Winter. 4te Aufl. 1861. 2 Thlr. ^ ) i e B o t a n i k ist die Wissenschaft von den ungleichartigen, freiwilliger Bewegung unfähigen Gegenständen derNatur, die wir P f l a n z e n nennen. Dieselben sind dadurch ungleichartig, daß an jeder Wanze besondere Theile wahrgenommen werden, die sowohl in Gestalt als auch dem Stoffe nach wesentliche Verschiedenheiten zeigen. ^ Die allereinfachste Form, in welcher uns eine Pflanze erscheint, ist die eines kleinen dünnhäutigen Bläschens, welches Flüssigkeit und etwa einige grüne 158 Botanik; Einleitung. Körnchen enthalt. Die Haut, der flüssige und der feste Inhalt dieser kleinen Pflanze sind sowohl nach ihrer Bildung als auch nach ihrerchemischenZusammensetzung wesentlich verschieden. Noch auffallender tritt dieses hervor, wenn wir eine größere Pflanze, wie einen unserer Bäume betrachten. Das Abweichende in Form und Inhalt seiner Theile ist so auffallend, daß selbst dem Kinde das Ungleichartige in der Masse einer Pflanze leicht bemerklich zu machen ist. Vergleichen wir hiermit ein einfaches M i n e r a l (Min. §. 3), z. B. einen Krystall aus Quarz, so finden wir denselben gleichartig in seiner ganzen Masse nur aus Quarztheilchen und ebenso einen Krystall von Kalkspath nur aus Kalkspaththeilchen bestehend. Weder das Auge, noch diechemischeUntersuchung lassen hier eine Ungleichartigkeit wahrnehmen, wie sie die Pflanze so deutlich zeigt. Allerdings giebt es auch Minerale, die wie z. B. der Granit dem Auge ungleichartig erscheinen. Allein es ist leicht einzusehen, daß diese sogenannten gemengten Gesteine nichts Anderes als Gemenge aus einfachen Mineralen sind. 2 Setzen wir unsere Beobachtungen an irgend einer Pflanze unter den geeigneten Umständen fort, so entgeht uns, nicht, daß dieselbe im Verlauf der Zeit wesentliche Veränderungen durchmacht. Zunächst ist schon die Erscheinung von größter Wichtigkeit, daß die in den oben erwähnten einfachsten Pstanzenformen enthaltene Flüssigkeit eine Bewegung zeigt. Wir bemerken ferner, daß die Pflanze an Umfang und Gewicht zunimmt, oder wächst, daß sie die hierzu erforderlichen Stoffe aus ihrer Umgebung aufnimmt und aus denselben verschiedene, durch eine unendliche Mannichfaltigkeit ausgezeichnete Gestaltungen bildet, und daß endlich ein Zeitpunkt eintritt, in welchem in jeder Pflanze dieses Bildungsvermögen aufhört und von welchem ansienach denchemischenGesetzen zerfällt und verschwindet. Ganz besonders ist hierbei noch darauf zu achten, daß die Stoffe, welche eine jede Pflanze, indem sie wächst, von außen aufnimmt, hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer Form und ihrer Eigenschaften gänzlich verschieden sind von denjenigen Stoffen, die wir in dem Körper der Pflanze antreffen. Niemals finden wir in dem Boden den Stoff, der die grüne Farbe der Blätter ausmacht, oder das Stärkemehl, welches so häusig bald in den Samenkörnern, bald in den Knollen vorkommt, in der Umgebung der Pflanzen. Dieselbe hat also die Fähigkeit, die von ihr aufgenommenen Substanzen u m z u b i l d e n , und zwar sowohl hinsichtlich ihrerchemischenZusammensetzung als auch der Form nach. Die an einem Mineral sich zeigenden Erscheinungen bieten hiervon einen wesentlichen Unterschied dar. Allerdings besitzt auch dieses das Vermögen, sich neue Theile anzueignen, seine Masse zu vermehren, zu ^ kann nur dann geschehen, wenn die Umgebung des Minerals dieselbe chemische Verbindung darbietet, aus der das Mineral besteht. Ein Kalkspathkrystall kann nur in einer Flüssigkeit sich vergrößern, die kohlensauren Kalk enthält. Der Krystall ist jedoch unfähig, aus diesem ihm gegebenen Stoffe weder eine andere Gestalt, noch eine anderechemischeZusammensetzung zu bilden, als die ihm bereits eigenthümliche, er wächst, ohne seine Form und seine-Vubstanz zu verändern. Z Wir nennen jene Fähigkeit der Pflanze, durch Umbildung ihr unähnliche? Stoffe ihre Masse zu vergrößern, das Leben der Pflanze, und diejenigen ihrer Botanik; Einleitung. 159 Theile, von welchen jene Umbildung ausgeht, die O r g a n e derselben. Bei vielen Pflanzen nehmen alle Theile in gleicher Weise an jener Umbildung Theil, sie sind höchst gleichartig und einfach orgamsirt. Bei anderen finden solche Umbildungen in verschieden gestalteten Theilen Statt, welche dann als verschiedene Organe bezeichnet werden. Das Mineral hat keine Organe, es ist unorganisirt. So unverkennbar nun auch die im §. 2 angeführte lebendige Bewegung 4 im Innern der Pflanze ist, so erscheint letztere doch regungslos nach außen. I n der That, nach dem Hervortreten der von der Pflanze neugebildeten Theile sehen wir dieselben für sich ganz bewegungslos ihre Stelle einnehmen. Wenn nicht der Luftzug Zweige und Halme bewegte, so würden sie uns wie leblos entgegenstarren. Das Rauschen in den Kronen der Wälder ist die Stimme des Windes, nicht die der Bäume. Die Pflanze ist unvermögend, ihre Stellung in Beziehung auf ihre Umgebung zu ändern, sie erscheint da, wo der Zufall ihren Keim ausstreute, sie geht zu Grunde, wo die Bedingungen ihres Bestehens aufhören, welche aufzusuchen sie nicht das Vermögen besitzt. Wir sehen zwar, daß viele Blumen ihre Kelche zu bestimmten Tageszeiten öffnen und schließen, daß die empfindliche Mimose ihre zarten Mättchen zusammenfaltet und die Zweige hängt, sobald sie unsanft berührt wird, und daß die Staubfäden mehrerer Pflanzen sehr auffallende Bewegungen machen. Allein stets werden diese durch äußere Einflüsse hervorgerufen. Bald ist es die Sonne oder die Feuchtigkeit, oder eine Berührung, was jene Bewegungen, veranlaßt, die ohne diese Einwirkungen nicht stattfinden würden. Die Pflanze ist somit ein organisirter Körper ohne freiwillige äußereBewegung. Sie unterscheidetsichdadurch wesentlich von dem T h i e r e , denn dieses hat eine freiwillige äußere Bewegung, es kann, wenn oft auch in sehr beschränkter Weist, seine Stelle verändern und eine andere aufsuchen, die seinem Gedeihen förderlicher ist. Wie befriedigend die eben ausgesprochene Unterscheidung von Pflanze und Thier für die vollkommenen Formen derselben ist — denn Jedermann wird leicht einen Strauch oder Baum von einem Fisch oder Vogel unterscheiden — so ist dieselbe doch ganz ungenügend für die unvollkommensten.Pflanzen und Thiere. Es giebt nämlich unzählige kleine, nur durch das Vergrößerungsglas erkennbare Thierchen, die lediglich.aus einem häutigen Bläschen oder Schlauche bestehen, mit flüssigem Inhalte, gleich den einfachsten Pfiänzchen. Unter den letzteren hat man aber nicht wenige kennen gelernt, die im Waffer lebend die lebhaftesten Bewegungen machen, sich strecken, dehnen, zusammenziehen, umherschwimmcn, und daher jenen kleinsten Thierchen so ähnlich sind, daß sie lange Zeit für solche gehalten wurden. Ja bei manchen dieser Geschöpft ist es noch unentschieden, welchem Reiche sie zugezählt werden sollen. Weder in Stoff und B a u , noch in Thätigkeit und Verrichtung läßt sich zwischen den unvollkommensten Gestalten des.Pflanzen- und Thierreiches eine vollkommen scharfe Trennung vollziehen. Von den merkwürdigen Bewegung^ erscheinungm, die bei den erwähnten Pftanzengebilden vorkommen, wird bei deren Beschreibung näher die Rede sein. 160 5 . ^. Allgemeine Botanik. Es genüge für jetzt im Allgemeinen angedeutet zu haben, wodurchsichdie Pflanzen als eigenthümliche Naturkörper unterscheiden. Ein klares Verständniß derselben kann jedoch nur aus der Kenntniß der verschiedenen Formen und Erscheinungen hervorgehen, welche die Pflanzenwelt in so reichem Maße darbietet. Zur leichteren Uebersicht trennen wir unsere Wissenschaft in zwei Theile, nämlich: ^.. in die Allgemeine B o t a n i k , welche die Lehre von den Organen der Pflanze und deren Thätigkeit enthält, und' V. in die Besondere oder S p e c i e l l e B o t a n i k , welche von den einzelnen Pstanzenarten, deren eigenthümlichen Merkmalen, von ihrer Eintheilung, Verbreitung und Verwendung handelt. ^. Allgemeine Botanik. 6 Die allgemeine Botanik ist eine Wissenschaft der neueren Zeit. Während schon frühzeitig viele einzelne Pflanzen beschrieben, sowie in ihrer äußeren Erscheinung abgebildet wurden und die Benennung und Eintheilung derselben die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der Freunde der Pflanzenwelt in Anspruch nahmen, ist erst scit Beginn dieses Jahrhunderts die Einsicht in den inneren Bau der Pflanze und diesiebelebenden Kräfte versucht und allmählich gewonnen worden. Es darf uns dieses nicht wundern. Nur mit Hülfe der vergrößernden Kraft des Mikroskops konnte das Auge die feinen Gebilde kennen lernen, aus welchen die Masse der Pflanze gewebt ist; nur mit Hülfe der Chemie konnte man dahin gelangen, die Veränderung der Stoffe richtig zu beurtheilen, welche im Pflanzenkörper vorgeht. Es war somit die Entwickelung dieses Theiles der Botanik wesentlich an die Fortschritte der Chemie und an die Vervollkommnung des Mikroskops gebunden. Eigene Anschauung in der Gewebelehre kann nur vermittelst eines guten Mikroskops erlangt werden. Glücklicherweise sind die hierfür brauchbaren I n strumente, welche früher 200 bis 300 Gulden kosteten, jetzt für 35 bis 150 Gulden zu haben. Allein der Besitz eines Solchen reicht nicht aus ohne Kenntniß seiner Handhabung und Fertigkeit in gewissen Handgriffen und Anleitung oder Erfahrung im Beobachten. Dem Anfänger in mikroskopischen Studien sind daher Werke zu empfehlen, welche ausführlich belehren über den Gebrauch des Mikroskops, wie Schleiden's «Die Pflanze und ihr Leben« und Schacht's «Das Mikroskop und seine Anwendung«. . Hier beschränken wir uns auf die Andeutung, daß man bei mikwsk^ Beobachtungen in der Regel mit einer schwächeren, etwa 80- bis ZOfachen Vergrößerung beginnt und daß eine 250- bis 300fache Vergrößerung genügt, um die wichtigsten Erscheinungen kennen zu lernen. »7 Die allgemeine Botanik zerfällt in drei Abtheilungen: I . Die Gewebelehre oder Histologie, welche die Lehre von den einfachsten Organen der Pflanzen und den daraus gebildeten Geweben enthält; es war bisher üblich, diesen Gegenstand als A n a t o m i e der Pflanzen zu bezeichnen. I. 161 Gewebelehre. II. Die Gestaltungslehre oder M o r p h o l o g i e . Sie unterrichtet uns über Form und Entwickelung der mannichfachen Gestaltungen an den Pflanzen, welche aus den Geweben gebildet sind und als zusammengesetzte Organe bezeichnet werden. III. Die Lebenslehre oder P h y s i o l o g i e , dasievon den Lebenserscheinungen der Pflanzen, also insbesondere von der Ernährung derselben handelt. i. Gewebelehre oder H i s t o l o g i e . Nicht selten hat man Gelegenheit zu beobachten, daß in dmi Wasser, wel- 8 ches längere Zeit in einer Flasche stehen blieb, grüne Flocken sich zeigen, die dem bloßen Auge aus höchst zarten Fäden gebildet erscheinen. Unter das M i kroskop gebracht, stellen dieselben sich ftdoch als aus kleinen, kugeligen Schläuchen bestehend dar, welche perlenschnurartig an einander gereiht sind. Ganz ähnliche Schnüre, die theils aus kugeligen, theils eirunden, schön blau gefärbten Schläuchen bestehen, nimmt man höchst deutlich bei schwacher Vergrößerung wahr, wenn man die Haare betrachtet, welche sich an den Staubfäden der V i r g i nischen T r a d e s c a n t i a (Fig.1, , ce und b) befinden, einer Zierpflanze mit dreiblätteriger, violettblauer Blume. Obgleich nun auf den ersten Blick andere Pflanzentheile als ein mehr oder minder dichtes und gleichförmig zusammenhängendes Ganzes erscheinen, so sieht man doch mit Hülfe des Vergrößerungsglases, daß dieses nicht der Fall ist. Es stellt sich vielmehr ein jeder Pflanzentheil als eine Vereinigung von außerordentlich zahlreichen kleinen Gebilden dar, i n welche sich selbst die dichtesten und härtesten Pstanzenkörper, z. B. das Holz und die Schalen der Früchte, zertrennen lassen. Dieselben zeigen zwar eine große Verschiedenheit in Gestalt und Umfang, allein die genaue Beobachtung hat gezeigt, daßsienichts Anderes als Abänderungen eines ähnlichen häutigen Schlauches sind, als der ist, aus welchem die grünen Wasserfäden bestehen und welcher den Namen der P f l a n zenzelle oder kurz der Z e l l e erhalten hat. M i t Recht wird daher die Zelle als E l e m e n t a r - oder G r u n d o r g a n der Pflanze bezeichnet und die Kenntniß der Entstehung, des Baues, der Verrichtung der Zelle, sowie der Umgestaltung, welchesieim Verlaufe ihres Lebens erleidet, macht die Grundlage der wissenschaftlichen Botanik aus. II 11 16Z A. Allgemeine Botanik. Als zusammengesetzte Organe bezeichnen wir gewisse eigenthümlich gestaltete Theile, die bei den meisten Pflanzen vorkommen und welche eine besondere Bestimmung haben. Solche find z. B. die Blätter, die Blüthe u. a. m. 9 Die Zelle stellt im entwickelten Zustande einen kleinen Schlauch vor, dessen Form im einfachsten Falle eine kugeUge^ist. Gebildet wird der Schlauch von einem außerordentlich dünnen farblosen und durchfichtigen Häutchen, der sogenannten I e l l h a u t oder Z e l l m e m b r a n , an welchem sonst kein weiterer Bau oder keinerlei Gewebe, namentlich aber keine O e f f n ü n g wahrgenommen wird. I m Uebrigen bietet die Zelle wesentliche Unterschiede dar, je nachdem wir lebende jugendliche und altere oder abgestorbene Zellen betrachten; die letzteren sind immer leer, oder richtiger gesagt, sie enthalten nur Luft. Bei der lebenden jugendlichen Zelle läßt sich unter der äußeren Zellhaut s a , Fig. 2/ein inneres, weicheres, geschlossenes Hautgebilde nachweisen, der sogenannte Primordialschlauch i>. Beide Hüllen umschließen eine schleimige, feinkörnige Masse, P r o t o p l a s m a genannt, welche sich mit dem überdies in der Zelle noch enthaltenen wässerigen Z e l l s a f t nicht vermischt. Endlich fehlt in solchen Zellen nur selten ein stach rundliches Körperchen, d n Z e l l k e r n 6(Nu.oi6U8)oder Cytoblast, in welchem sich in der Regel höchst kleine durchsichtige Körperchen, die Kernkörperchen, erkennen lassen. Der Primordialschlauch liegt so dicht an der Zellhaut an, daß er nicht leicht von ihr sich unterscheiden läßt; behandelt man jedoch "die Zelle mit Weingeist, ^o löst sich der Primordialschlauch ab, zieht sich zusammen und liegt nachher in Gestalt eines faltigen Sackes frei in der Zelle, wie obige Figur es zeigt. I m weiteren Verlauf des Pstanzenlebens erleidet indessen die Mehrzahl der Zellen eine Umänderung der eben geschilderten Verhältnisse, so daß man ältere Zellen meist mit verdickter Zellhaut und von klarem Zellsaft, sowie von anderen Stoffen der mannichfachsten Art erfüllt sieht. 10 Während das Vorhergehende sich auf die inneren Zustände der Zelle bezieht, haben wir in Folgendem ihre Gestaltung nach außen zu verfolgen. Hierbei ist es von wesentlichem Einfluß, ob ein Pstanzengebilde nur aus ein- zelnen, frei in Gewässern schwimmenden Zellen besteht, in welchem Falle diese meist eine kugelige Gestalt haben, oder ob die Pflanzen aus schnurförnnZ mreinandergereihten Zellen bestehen oder zur Fläche verbunden sind, oder endlich, nach allen Richtungen sich entwickelnd, einen massigen Pflanzenkörper bilden. Auch im letzten Falle behalten.in den lockeren Pftanzengebildm, wie im Mark der Früchte, des Hollunders, die Zellen die durch Fig. 3 dargestellte rundliche Form bei; viel häufiger nehmen sie jedoch durch gegenseitigen Druck die Gestalt eines Vielecks, Fig. 4, an, dessen Durchschnitt meist als ein Sechseck erscheint. I. Gewebelehre. Die Zelle. 163 Sie lassen sich alsdann vergleichen mit den Schaumzellen, die entstehen, wenn man durch einen Strohhalm in Seifenwasser bläst, oder versinnlichen,,indem.man weiche Thonkugeln erst locker zusammenlegt und nachher mehr oder weniger stark zusammendrückt. Jede Kugel erhält in diesem Falle eine vieleckige, der ZellenD r m entsprechende Gestalt, die wie Fig. ö in den Pflanzen oft mit größter Regel« Mäßigkeit sich findet. Man nennt solche Zellen, die nach allen Richtungen ziemlich gleich ausgedehnt sind, M a r k z e l l e n oder Parenchymzellen, und es bestehen aus dergleichen vorzugsweise die knolligen Theile der Pflanzen, z.B. die Kartoffeln, die Früchte, sowie überhaupt die weicheren oder schwammigen Theile in Mark, Rinde und Blättern u. s. w. Der Durchmesser der Markzellen beträgt durchschnittlich 1/100 bis 1/20 Linie; es giebt jedoch außerordentlich kleine von ^ 0 bis 2/500 L. Durchmesser, während andererseits große Zellen vorkommen, von 1/15 bis 1/10 L. Durchmesser, die, wie z. B. beim HollundermarT, mit bloßem Auge erkenntlich sind. Sehr häusig findet man jedoch in die Länge gestreckte, oben und unten zugespitzte, daher spindelförmige Zellen, wie Fig. 6, die sehr in einander gedrängt stehen und daher auf dem Querschnitt meist als Viereck oder Sechseck erscheinen, Fig. 7. Sie werden H o l z z e l l e n oder Prosenchhmzellen genannt und machen die Hauptmasse der festeren Pstanzentheile, namentlich des Holzes, aus. Während bei den Holzzellen die Querdurchmesser in der Regel kleiner sind, als bei den Markzellen, übertreffen sie letztere auffallend hinsichtlich ihrer Länge, die meist ein Drittel bis eine Linie, ia mitunter bis über zwei H.. Allgemeine Botanik. 164 Linien beträgt. Sehr lange und biegsame Zellen der Art, aus welchen z. B. unser Flachs und Hanf bestehen, werden Bastzellen genannt und sehen unter dem Mikroskop wie ein überall gleich dicker rundlicher Faden aus, während die dünnwandigen 1 bis 2 Zoll Länge erreichenden Zellen der Baumwollenfaser wie ein plattes, spiralig gedrehtes Band mit etwas rundlichen Rändern sich darstellen, wodurch die Vermischung jener Miderlei Fasern in Geweben sich leicht erkennen läßt. Da es mitunter von Dßem praktischen Werthe ist, einerseits Leinengewebe von Baumwollenzeug und andererseits beide von Fäden der Wolle und Seide zu unterscheiden, so stellen wir nachfolgend die mikroskopischen Bilder dieser vier Gespinnstfäden neben einander, nämlich B a u m w o l l e n h a a r , Fig. 8 ; Flachsfaser, Fig. 9 (bei a zerquetscht); W o l l e n f a s e r , Fig. 10; Seidenfadeu, Fig. 1 1 , sämmtlich bei 230facher Vergrößerung. Mitunter nehmen jedoch die Zellen, indem sie nicht in jeder Richtung sich vergrößern, eine ganz abweichende, z. B. sternförmige Gestalt an, und man bezeichnet dieselben als unregelmäßige Zellen. Solche finden sich ^., B. im Blattstiele des Pisang, Fig. 12, im Mark der Binse und am Blatte der Nießwurz, Fig. 13» 11 Es ist bemerkenswerth, daß die Wände benachbarter Zellen in der Regel sehr fest an einander hängen, als ob sie zusammengeklebt wären, und alsdann nur mit Hülfe der Fäulniß oderstarkerchemischerMittel von einander getrennt werden können. Sie bilden auf diese Weise das sogenannte Zellgewebe. Allein Berührung und Zusammenhang der Zellwände findet doch nicht allerwärts statt und es bleiben daher bald mehr, bald weniger weite, meistens dreieckige Räume, die gellenzwischengange oder Int'ercellulargänge b, Fig. 14. I n der Regel führen' dieselben bei jüngeren Geweben wässerigen I. Gewebelehre. Die Zelle. 165 Saft; bei älteren Luft und bei dem Holzgewebe einen eigenen Zellenzwischenstoff (siehe §. 17). Außerdem findet man in den Stengeln vieler Pflanzen, vorzugsweise der im Wasser heimischen, zwischen dem Zellgewebe zahlreiche, mitunter sehr weite und regelmäßige Canäle, welche Luft enthalten. Solche L u f t g ä n g e verlaufen nach der Länge des Stammes und sind auf dem Querschnitt des spanischen Rohres und des Stengels der Seerose mit bloßem Auge erkennbar. Durch Absterben und Zerreißen des Zellgewebes entstehen nicht selten im I n nern des Stammes Lücken, welche mitun- ter seinen ganzen mittleren Theil einnehmen, so daß derselbe, wie bei den Gräsern, hohl erscheint.. I n solche Lücken ergießt sich dann öfter der Inhalt geborstener Zellen, in Folge dessen man im Innern vieler Pflanzen sogenannte S a f t b e h ä l t e r von unbestimmter Form antrifft, die mit Oel, Harz, Gummi ^ oder einem anderen Pflanzenstoffe angefüllt find. Kehren wir zurück zum inneren Leben der Zelle, so begegnen wir zunächst 12 der merkwürdigen Erscheinung, daß innerhalb mancher Zellen eine eigenthümliche S a f t b e w e g u n g stattfindet. Die schleimige Masse des Protoplasmas bildet inmitten des klaren Zellsaftes kleine, fadenartige Strömchen, welche in verschiedenster Richtung, die öfter wechselt, den inneren Umfang der Zelle umkreisen. Während diese Erscheinung früher nur an Zellen einiger Wasserpflanzen, insbesondere der Chara beobachtet worden war, ist sie später Mch anderwärts und besonders Deutlich in den Haaren der Pflanzen, z. B. der bereits erwähnten T r a d e s c a n t i a , wahrgenommen worden« 166 ^. Allgemeine Botanik. Auch die Frage über Entstehung und V e r m e h r u n g der Z e l l e n , lange Zeit eine schwierige Aufgabe der Forscher, gehört hierher. , Es steht fest, daß neue gellen nur im Innern bereits vorhandener Zellen entstehen. I n der Regel geschieht dieses durch T h e i l u n g einer sogenannten M u t t e r z c l l e , indem ihr Primordialschlauch Cinfaltungen nach innen bildet, die sich vereinigen, wodurch zwei oder mehrere Tochterzellen entstehen, die sich allmählich mit einer eigenen Zellhaut umkleiden, während die der Mutterzelle verschwindet Auch beobachtet man häufig eine sofort in den Tochterzellen vor sich gehende weitere Theilung in Enkelzellen. Selten kommt die freie Z e l l e n b i l d u n g vor, indem sich geradezu um einen Theil des schleimigen Inhaltes einer Zelle eine eigene Zellhaut bildet. >Z Von besonderem Interesse sind die Veränderungen, welche im Verlauf des Pflanzenlebens die Zellwarch erfährt. Dieselbe verdickt sich, indem auf ihrer inneren Fläche eine zweite Zellhaut sich anlegt, die vom Zellsast ausgeschieden wurde. Meist folgen dieser noch weitere Ablagerungen, wodurch stets kleinere gellen in einander geschachtelt erscheinen, so daß deren fünfzehn, wie bei Fig. 15, ja 30 bis 50 vorhanden sein können, und hierdurch die innere Zellhöhle fast verschwindet. Bei diesem Vorgang, auf welchem die V e r h o l z u n g unserer Bäume beruht, nehmen die inneren Schichten meist eine dunklere, ins Braune, ja beim Ebenholz selbst ins Schwarze gehende Färbung an. Hervorzuheben ist, daß die auf der Innenwand einer Zelle sich ablagernden Verdickungsschichten keineswegs gleich jener einen ringsum geschlossenen Schlauch bilden. Die Haut derselben erscheint vielmehr an vielen Stellen durchbrochen und zwar in der mannichfachsten Weise. Oft sind es nur einzelne runde Stellen der Zellhaut, welche keine Verdickung erleiden, so daß daselbst, wie Fig. 16 im Querschnitt einer solchen Zelle zeigt, Canäle sich bilden, die von der inneren Zellhöhle zur Zellwand führD. Offenbar muß letztere hierdurch, von außen betrachtet, ein eigenthümlich gedüpfeltes Ansehen erhalten, wie dies Fig. 17 bei b abgebildet ist. Früher hatte man diese helleren Punkte irrthümlich für feine Oeffnungen oder Poren gehalten und daher solche Zellen Porenzellen genannt, welchen Namen sie beibehalten haben. Wie später gezeigt wird, haben die unverdickten Stellen der Zellen eine, große Bedeutung für das Saftleitungsgeschäft derselben und es treffen in der Regel sich entsprechende unverdickte Stellen der Wände von Nachbarzellen auf einander, wie an Fig. 18 ersichtlich. Noch werde bemerkt, daßsichPoren von sehr verschiedener Größe finden, daß sie nicht immer kreisrund, sondern auch länglich, mitunter selbst spaltenförmig erscheinen. I. Gewebelehre. Die Zelle. 167 GW sehr eigenthümliches Ansehen gewinnen gellen, bei welchen die Verdickungsschichten sich nur in Gestalt einzelner Fäden anlegen, die entweder ganz unregelmäßig, netzartig vertheilt find, wie bei F i g . 19, oder die in Gestalt von ringförmigen oder spiraligen Bändern, Fig. 20 und Fig. 2 1 , auftreten» Endlich ist noch der eigenthümlich g e d ü p f e l t e n Z e l l e n zu gedenken, die vorzüglich als spin- delförmige Holzzellen der Nadelhölzer sich finden und ein sehr artiges Ansehen gewähren, Fig. 22. Man erblickt Fig. 23. Poren, die hofartig von einem größeren Ringe umgeben sind. Diese Erscheinung beruht darauf, daß die Wandungen zweier Nachbarzellen an den Stellen, wo ihre Poren sich begegnen, nicht unmittelbar an einander liegen, sondern eine linsenförmige Höhlung zwischen sich .haben, deren Umfang dann als ein die Pore a , Fig. 2 3 , ringförmig umgebender Hof erscheint. Fig. 24 (a. f. S.) 16H ^. Allgemeine Botanik. ist ein erläuternder Querschnitt durch eine solche gedüpfelte Zelle aus dem Holze der Fichte, mit der Pore a, und dem Hof i>. Eine Verdickung der Zellwand findet nur statt, wo diese in Berührung mit einer benachbarten Zellwand sich befindet, dagegen niemals an solchen Stellen derselben, die einen Zellenzwischenraum begränzen. Da im Allgemeinen die Verdickungen neben einander liegender Zellen sich entsprechen, so hieten mitunter verschiedene Selten ein und derselben Zellen verschiedene Verdickungsformen dar, je nach der Beschaffenheit ihrer Nachbarzellen. 44 Diesen wenig passenden Namen hat man einer Form her Zellen gegeben, die niemals in den allerjüngsten, noch in der Bildung begriffenen Pflanzentheilen vorkommt, sondern die sich erst später durch Umänderung vorhandener Zellen ausbildet. Denken wir uns eine Reihe senkrecht über einander gestellter Zellen, deren Wände da, wo sie sich berühren, verschwinden, so entsteht eine cylindrische Röhre, welche ein Gefäß genannt wird. Je nachdem nun die also zu einer Röhre vereinigten Zellen porös, gedüpfelt, mit Spalten, Ringen oder Spiralen versehen waren, entstehen daraus die verschiedenen Arten der Gefäße, nämlich die porösen, gedüpfelten und leiterförmigen Gefäße, die Rikggefäße und S p i r a l g e f ä ß e , von welchen wir in Fig. 25 bei ck, <^, F " einige beisammenstehend finden. Die Spirale der Zellen entsteht, indem auf der ursprünglichen M W dünnen Zellhaut eine Ablagerung in Form eines spiralförmigen Streifens geschieht, der meistens in der Folge sich noch verdickt und daher viel stärker als die Zellhaut wird. Daher kam es, daß man anfänglich die Spiralgefäße nur aus einer spiralförmig gewundenen Faser bestehend ansah,.die sich wie die metallene I. Gewebelehre. D u Gefäße. 169 Umspinnung einer Violinsaite aufziehen läßt. Erst später entdeckte man die zarte Wand der Gefäße und ihre Entstehungsgeschichte aus den Zellen. Besonders leicht lassen sich die Gefäße erkennen, wenn man den Stiel eines Blattes langsam zerbricht, wo alsdann Bündel von Gefäßen als feine Fäden, gleich Spinnengeweben, an den gebrochenen Enden mit bloßem Auge sich erkennen lassen.. Genauer läßt sich ihr Bau jedoch erst bei sehr starker Vergrößerung erkennen. Auf dem Querschnitt erscheinen die Gefäße vorherrschend rund und meist von bemerklich größerem Durchmesser, als die sie umgehenden Zellen. So zeigt uns b und i / , Fig. 26, den Längsschnitt zweier Düpfelgefäße von auffallender Weite, an welchen überdies bei F, F die Stelle erkannt wird, wo die Querwand der Zellen durchbrochen wurde, aus welchen das Gefäß entstanden ist. Die Zellen, aus welchen die. Gefäße nachträglich sich bilden, enthalten 15 ursprünglich Saft; derselbe verschwindet jedoch, sobald mit der Durchbrechung der Querwände die Entstehung der Gefäße vor sich geht. Von da an führen Letztere nur Luft und scheinen an den Lehensverrichtungen der Pflanzen keinen wesentlichen Antheil zu nehmen, wiewohl sie mitunter, z. B. bei der im Frühjahre eintretenden großen Saftfülle, Flüssigkeit enthalten. Auch begegnet man in denselben niemals den eigenthümlichen, in §. 17 angeführten Stoffen, welche den gewöhnlichen Inhalt der Zellen bilden. ,„ Für eine geringere Bedeutung der Gefäße spricht auch der Umstand, daß eme große Reihe von Pflanzen gar keine Gefäße besitzt, sondern nur aus Zellen besteht. Sie werden daher Z e l l e n p f l a n z e n genannt und es sind solche die Schimmelbildungen, Wasserfäden, Pilze, Flechten und Algen, welche man als die unvollkommensten Pflanzen ansieht. Die übrigen Pflanzen, welche neben den Zellen auch Gefäße enthalten, heißen Gefäßpflanzen. Die Gefäße erscheinen nur in ihrer ersten Entstehung einzeln, indem als- 1W H.. Allgemeine Botanik. bald durch Hinzutreten neuer Gefäße und Holzzellen die sogenannten Gefäßbündel entstehen. Eine Verwachsung der Gefäße unter einander, oder eine Verzweigung eines derselben-findet nicht Statt. Niemals trifft man einen Pftünzentheil, der ausschließlich von Gefäßen gebildet ist, vielmehr sind dieselben » stets von Zellen umgeben. k6 Zerreißen wir ein Blatt des Salates, des Mohns und mancher anderer Pstanzen, so stießt aus vielen Stellen ein dicker, weißer Saft, welcher Milchsaft genannt wird und der unter anderen Bestandtheilen stets Kautschuk (Chemie §.319) enthält und daher klebrig.ist. Bei dem Schöllkraut hat der Milchsaft eine gelbe Farbe und wie ausnahmsweise erscheint er bei einigen Wanzen mit röthlicher oder blauer Farbe. Der Milchsaft ist in röhrenförmigen Canälen enthalten, die unter einander verzweigt sind und die ganze Pflanze durchziehen. Ihre Entwickelungsgeschichte zeigt, daß im jüngsten Zellgewebe der milchsaftführenden Pstanzen noch vor der Entstehung der Spiralgefäße durch Verschmelzung von Zellen Gänge entstehen, die anfangs einen farblosen, dann körnigen und endlich milchigen Saft enthalten. Diese Gänge sind anfanglich von einer höchst dünnen, mit der Zeit jedoch stärker werdenden Haut ausgekleidet. Die irrige Angabe, daß der Milchsaft ähnlich der Blutbewegung in den Adern einen Kreislauf mache, ist durch die Beobachtung vollständig widerlegt. Die eigentliche Bestimmung dieser Organe und ihres Inhalts für die Pflanze ist nicht ermittelt, allein ihre Bedeutung erscheint als untergeordnet, da sie in den meisten Pstanzen nicht vorkommen. 17 Wir haben bisher die Pstanzenzelle und das ihr Zugehörige nur in Hinsicht auf Form und Bildung kennen gelernt. Es bleibt übrig, dieselbe auch nach ihrerchemischenBeschaffenheit und Zusammensetzung der Betrachtung zu unterwerfen. Die Zellhaut wird von demZellstoff, auch Cellulose genannt (Chemie §. 179), gebildet, welcher aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff (Oi2 2io 0io) besteht. Derselbe wird von Iodlösung nicht blau gefärbt; er verändert sich iedoch durch die Einwirkung von Schwefelsäure in eine stärkemehlartige Substanz, welche durch Jod eine blaue Färbung erhalt. DaH ungleiche Verhalten verschiedener Arten von Zellgewebe gegen Lösungsmittel, insbesondere gegen Schwefelsäure, Kali und Kupferoxyd-Ammoniak hat zur Annahme mehrerer Arten von Zellstoff geführt. Man unterscheidet hiernach den eigentlichen Zellstoff oder Cellulose, der löslich in Schwefelsäure und unlöslich in Kalilauge ist, von dem Holzstoff oder Xylogen, der in letzterer sich löst, von Schwefelsäure wenig angegriffen und nachher durch Jod nicht blau gefärbt wird. DiechemischeZusammensetzung dieser beiden Substanzen ist jedoch gleich und I. Die Gewebelehre. Zellstoff. 171 dieselbe, welche auch der Zellenzwischenstoff besitzt, der häusig die Iellenzwischengänge erfüllt und die Zellen verkittet. Als Inhalt der Zellen begegnen wir zunächst dem Primordialschlauch und dem Protoplasma, beides schleimige Stoffe, welche Stickstoff enthalten und zur Klasse der in t m Chemie (K. 195) beschriebenen Eiweißstofft gehören. Die Zellen enthalten femer einen farblosen, durchsichtigen Saft, den sogenannten Zellsaft« Derselbe besteht seiner Hauptmasse nach aus Wasser, in welchem jedoch mehr oder weniger die löslichen Pfianzmftoffe, wie z. B. Zucker, Gummi, Eiweiß, Schleim, Säuren, Salze u.a.m. aufgelöst sind, die wir in der Chemie (§. 181 bis 188) als Producte des Pflanzenreichs kennen gelernt haben. Ebenso häufig enthalten die Zellen auch feste Körperchen, z. B. kleine regelmäßige Krystalle, die sich aus der Flüssigkeit ausgeschieden haben, oder rundliche Körnchen, in welcher Form die S t ä r k e und das B l a t t g r ü n oder C h l o r o p h y l l , am häusigsten vorkommen. Die Stärkekörnchen werden besonders dadurch deutlich erkennbar, wenn man sie durch etwas Iodlösung violett gefärbt hat. Auch sieht, man runde Tröpfchen fetten oder flüchtigen Oeles in dem Zellsaft vieler Pstanzentheile und öfter ist der Saft gefärbt durch einen darin "gelösten Farbstoff. Endlich erscheint die L u f t häufig als Inhalt der Zellen, nämlich wenn dieselben älter sind und an dem Leben der Pflanzen nicht mehr sich betheiligen. Die in den Pstanzenzellen enthaltenen Krystalle lassen in der Regel eine ganz regelmäßige Form erkennen, wie z. B. Rhomboeder von Kalkspath, Fig. 27. Am häufigsten begegnet man jedoch Bündeln von sehr feinen Krystallspießm, sogenannten R a p h i d e n , Fig. 23. Die S t ä r k e körner verschiedener Pflanzen, wiewohl inchemischerHinsicht übereinstimmend, bieten so wesentliche Unterschiede in Größe und Gestalt dar, daß die Herkunft eines Mehles durch das Mikroskop sicher zu erkennen ist. D a es nicht sel- ten von Wichtigkeit ist, hierüber zu entscheiden, so führen wir die Hauptmerkmale der wichtigsten Stärkemehlarten an: Kartoffelstärke besteht aus Körnern mit zwiebelartig übereinander liegenden Schichten, Fig: 29; die Stärke von Gerste, Fig. M , 172 ^ . Allgemeine Botanik. sowie von Roggen, Weizen und Hafer zeigt neben einigen sehr großen, linsenförmigen Körnern, viele kleine Körnchen ohne Mittelstufen; die Stärkekörner des Hafers lassen bei sehr starker Vergrößerung eine netzartige Zeichnung erkennen und zerspringen durch Druck in scharfkantige Stücke, Fig. 3 1 ; endlich zeichnen sich die Stärkekörner der Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Wicken, L i n sen und B o h n e n durch eine unregelmäßig sternförmige Zeichnung aus, Fig. 32. 18 Aus der Zusammenstellung von Zellen entsteht dasZellgewebe, welches ft nach der Art der darin herrschenden Zellenformen ein sehr verschiedenes Ansehen und eine entsprechende Bezeichnung erhalt. Gin Gewebe, das aus Parenchymzellen s§. 10) besteht, wird Parenchym, auch wohl Füllgewebe und Nahrungsgewebe genannt, denn seine Zellen sind es, die vorzüglich das Geschäft der Saftleitung in der Pflanze übernehmen und in welchen jene Stoffe sich ausscheiden, die im Vorhergehenden als Zellinhalt beschrieben wurden. Stärke, Gummi, Zucker, Oele u. a. m. erscheinen in denselben als Vorräthe oder sogenannte Reservestoffe niedergelegt, um zu gewissen Zeiten als Nahrungsmittel zur Weiterbildung von der Pflanze wieder aufgezehrt zu werden, ein Geschäft, das ihr freilich, der Mensch nicht selten erspart, indem er es selbst übernimmt. Ein aus überaus zartwandigen, dabei kleinen und rundlichen Zellen bestehendes Gewebe wird Urparenchym genannt, da aus ihm sämmtliche übrigen Zellenformen hervorgehen. Sind seine Zellen mehr länglich, so heißt es B i l dungsgewebe oder C a m b i u m , und dieses ist es hauptsächlich, das durch die in ihm vorgehende Mldung neuer Zellen das Wachsthum der Pflanze befördert. I m Uebrigen unterscheidet man lockeres und dichtes, dünnwandiges und dickwandiges Parenchym und außer den in §. 10 dargestellten Formen desselben wird später noch Veranlassung gegeben, w e M Aus den spindelförmigen Prosenchymzellen, die dickwandig und meistens verholzt sind, entsteht das Prosenchym oder Holzgewebe, (Fig. 7 und Fig. 22), sowie aick den Bastzellen das Bastgewebe. Die Gefäßbündel sind eine Zusammenstellung von Gefäßen verschiedener Art mit Holzzellen und Bildungsgewebe und unterscheiden sich deutlich von dem sie umgebenden Parenchym. Auch die Gefäßbündel zeigen verschiedene EigMthümlichkeiten, theils in ihrer Anordnung, theils in ihrer Weiterentwickelung, I. Gewebelehre. Das Zellgewebe. 173 . so daß hiernach einige große Pftanzengruppen sich unterscheiden lassen. Bei einer derselben, welcher die Farrnkräuter angehören, entsteht das ganze Gefäßbündel ziemlich gleichzeitig, bei einer anderen Gruppe, der unter Anderm die Palmen und Gräser angehören, vergrößert sich das Gefäßbündel noch eine gewisse Zeit lang, während endlich bei der dritten Gruppe, die alle unsere Bäume enthält, die Gefäßbündel sich vergrößern, so lange das Leben der Pflanze dauert. Man nennt die erste Art simultane, die zweite Art geschlossene und die dritte ^ die ungeschlössenen Gefäßbündel. Bei der Betrachtung des inneren Baues des Slammes werden wir Gelegenheit haben, auf die Anordnung der Gefäßbündel näher einzugehen. Als ein Gewebe eigener Art ist die O b e r h a u t zu betrachten, welche sich 19 nur an der freien Oberfläche der verschiedenen Pstanzentheile findet. Ihre bald länglich oder rundlichen, bald abgeplatteten Zellen scheiden nach außen einen Stoff aus, der Aehnlichkeit mit dem Zellenzwischmstoff hat und als äußerstes Häutchen, C u t i c u l a genannt, die Außenfläche der Zellen überseht und die Zelle an ihrer Außenseite verdickt. Fig. 33 zeigt uns die von den Oberhautzellen eines Blattes ablösbare Cuticula cr, und die verdickenden Cuticularschichten b. Die Oberhaut der in der Luft befindlichen Theile der Pflanzen wird E p i d e r m i s genannt. Sie ist aus sehr stachen tafelförmigen Zellen gebildet, die entweder überall eng an einander schließen, oder an einzelnen Stellen ^von den sogenannten S p a l t ö f f n u n g e n unterbrochen find. I n Fig. 34 sehen wir am Durchschnitt eines Blattes die großen durchsichtigen und inhaltleeren Zellen der Oberhaut und darunter die mit grünen Körnchen erfüllten Parenchymzellen des Blattes. An zwei Stellen befinden sich Spaltöffnungen, an deren Mündung zwei halbmondförmige Zellen, die Sckließzellen, liegen. Wie man sieht, befindet sich unter jeder Spaltöffnung ein hohler Raum, die sogenannte Athemhöhle, welche mit den Zellenzwischengängen in Verbindung steht. Solcher Spaltöffnungen, welche in Fig. 35 (a. f. S.) von oben gesehen dargestellt sind, trifft man vorzugsweise auf der unteren Seite der Blätter eine so große Anzahl, daß man auf einer Quadratlinie hundert, ja tausend derselben gezählt hat. Durch diese kleinen Organe steht das scheinbar abgeschlossene Innere der Pflanze in vielfacher Weise mit der äußeren Luft in Berührung. Bei Pstanzencheilm, die sich in der Erde oder in Wasser befinden, also bei den 174 ^.. Allgemeine Botanik. Wurzeln, besteht die Oberhaut aus dickwandigen, abgeplatteten gellen ohne Spaltöffnungen und wird E p i b l e m a genannt. M Hausig zeigen einzelne Jellcn der Oberhaut eine auffallende abweichende Bildung, indem sie, sehr in die Länge gezogen, als Haare erscheinen, Fig. 36. Dieselben sind zuweilen noch verästelt, auch haben manche an der Spitze ein Knöpfchen und, sondern einen eigenthümlichen Saft ab, in welchem Falle sie DrüsenhaarL genannt werden; B r e n n h a a r e heißen sie, wenn sie einen brennenden Saft enthalten, wie bei den Nesseln. Auch die Borsten, die Stacheln, die Drüsen, die Warzen und namentlich die Substanz, welche den bekannten Kork bildet, entstehen aus Umbildungen der OberhautzeUen. Indem letztere verschwinden, tritt an ihre Stelle ein Gewebe aus tafelförmigen Korkzellen von kurzer Lebensdauer, die weder verholzen, noch Nahrungsstoffe oder Blattgrün absondern, wohl aber eine wachsartige Substanz. Auch nehmen sie alsbald eine braune Färbung an. Es entsteht auf diese Weise eine Korkschicht, welche den Einfluß der Luft auf die von ihr bedeckten Pftanzentheile abhält. Insbesondere bildet sich Kork auch an Wundfiächen und bewirkt deren Vernarbung. Der Kork unterscheidet sich inchemischerHinsicht von dem Zellstoff und Holzstoff. Salpetersäure scheidet aus demselben die erwähnte wachsartige Substanz und verwandelt ihn endlich in Korksäure, M. 21 Gestültnngslehre'oder M o r p h o l o g i e . Die Gestaltungslehre unterrichtet uns über Form und Entwickelung der mannichfachen Gestaltungen an den Pflanzen, welche aus den Geweben gebildet sind und als die Zusammengesetzten Organe derselben bezeichnet werden. Legen wir ein Samenkorn des L e i n s , dessen Längsschnitt in Fig. 37 achtmal vergrößert erscheint, in die feuchte Erde, so quillt dasselbe auf, es verlängert sich allmählich der T h e i l / u n d dringt mit seiner unteren Spitze in die Erde, während die oberhalb befindlichen Theile c? und s des Samens über die Erde gehoben werden und nach erfolgter Sprengung der Samenschalen <A II. Gestaltungslehre. 175 und b sich in Gestalt zweier Blättchen entfalten. I n wenig Tagen ist auf diese Weise ein junges Pflänzchen entstanden, Fig. 38, an welchem wir W u r zel, S t e n g e l und B l ä t t e r unterscheiden. Wir sehen ferner eine zwischen , letzterensitzendeKnospe o, die bei fernerem Wachsthum den Stengel verlängert, aufs Neue Blätter entfaltet, endlich die B l ü t h e erzeugt, welcher die Frucht folgt, womit die weitere Entwickelung abgeschlossen erscheint. Wir haben in Vorstehendem die Hauptorgane der Pflanze bezeichnet und erkannt, daß diefelbm im K e i m des Samenkorns bereits vorgebildet sind« Wir sehen ferner, daß die Entwickelung der Pflanze vorwiegend in einer Längsrichtung stattfindet, durch welche wir uns eine Linie, die Achse der Pflanze, gelegt denken können, so daß Pflanzentheile, welche von dieser Hauptachse seitlich sich entfernen, als Nebenachsen oder S e i t e n o r g a u e bezeichnet werden, wie z. B. die Blätter. Es wird somit die Betrachtung der Entwickelung, der Gestalt und des Baues der W u r z e l , des S t e n g e l s , des B l a t t e s , der B l ü t h e und der Frucht den Hauptinhalt der Gestaltungslehre ausmachen. Allein der soeben beschriebene Entwickelungsgang mit den dabei aufge- 22 zählten Gebilden ist bei einer sehr großen Anzahl von Pflanzen keineswegs anzutreffen. Viele derselben bestehen nur aus ganz vereinzelten, oft mikroskopisch kleinen, frei im Wasser schwimmenden Hellen; andere aus gellen, die zu einzelnen oder verwebten Fäden aneinander gereiht sind, während wieder andere Pflanzen nur eine blattartige oder krustenartige Fläche bilden. Von Wurzel, Stengel und Blatt ist bei all diesen Pstanzenformen keine Rede. Sodann begegnen wir solchen, die zwar die letztgenannten Organe befitzen, aber weder Blüthen entfalten, noch Früchte zur Reife bringen. Es unterscheiden sich hiernach alle Pflanzen in zwei Hauptabtheilungen: in vollkommnere Pflanzen, welche eine Blüthe erzeugen und daher deutlich blühende Gewächse oder Phanerogamen genannt werden, und in unvollkommene Pflanzen, bei welchen Blüthetheile gar nicht oder nur in unvollkoms mener Weise vorhanden find, weshalb sie undeutlich blühende Gewächse oder Kryptogamen heißen. Die vollkommneren Gewächse machen bei Weitem den größeren und bedeu- 2 3 tenderen Theil der Pflanzenwelt aus; sie find durch ihre Erscheinung und ihre Producte unserem Auge und Bedürfniß am nächsten gerückt. Daher werden wir uns zunächst auf die Gestaltungslehre der Phanerogamen beschränken» Mein auch die Kryptogamen bieten des Merkwürdigen und zum Verständniß H.. Allgemeine Botanik. 176 des ganzen Pflanzenlebens so Wichtiges, daß hiervon bei der Beschreibung der einzelnen Pstanzenfamilien das Erforderliche mitgetheilt werden soll. I m Allgemeinen werde bemerkt, daß die Mehrzahl der K r y p t o g a m e n , nämlich die Pilze, Algen und Flechten, nur aus g e l l e n gebildet ist, dgher gellenpflanzen genannt werden, während die höheren Kryptogamen, die Moose, Schachtelhalme, Bärlappen und Farrnkräuter, außer Zellen auch Gefäße enthalten, gleich den Phanerogamen und mit diesen gemeinschaftlich als Gefäßpflanzen bezeichnet werden. 24 Dehnen wir unsere Beobachtung der Entwickelung von Samen, die wir mit der des Leins (§. 21) begonnen haben, noch auf weitere phanerogamische Gewachse aus. Wir legen zu diesem Zwecke eine Bohne in Wasser und lassen dieselbe aufquellen, bis ihr Keim hervorkommt und bringen sie alsdann in die Erde. I n wenigen Tagen hat sich eine junge Pflanze, Fig. 39, entwickelt; die Bohne erscheint in zwei Hälften a und i> gespalten, aus welchen sich die Wurzel abwärts gesenkt und bereits Seitenäste <ici getrieben hat. Auch der Stengel hat sich beträchtlich verlängert und ist in gewissen Abständen mit unvollkommnen Blättern A ' besetzt, während oben vollkommnere Z/i in der Ausbildung begriffen sind. Gin etwas älteres Pflänzchen, Fig. 40 zeigt diese Blätter sck ausgebildet und zwischen denselben das Knöspchen s. Unterhalb derselben hängen in Gestalt zweier dicker und fleischiger Lappen ab, die im Verwelken sind, die früheren Hälften der Bohne als sogenannte S a m e n l a p p e n . Der größere Theil der phanerogamischen Gewächse stimmt bei der Entwickelung seines Samens mit Vorstehendem Verein, indem die beiden SamenHälften in Gestalt von Samenlappen als die ersten Blätter am Stengel des jungen Pstänzchens auftreten. Bei manchen Pflanzen, z. B. der Eiche, werden jedoch die Samenlappen nicht aus der Erde hervorgehoben, bei anderen vertrocknen dieselben bald und fallen ab, bei anderen nehmm sie dagegHt^Farbe und Eigenschaften der Stengelblätter an, von denen sie aber stets in ihrer Form sich unterscheiden. Betrachten wir dagegen ein junges Pstänzchen, das aus einem Getreidekorn, z. B. aus dem H a f e r k o r n , sich entwickelt hat, Fig. 4 1 , in sechsfacher Vergrößerung, so sehen wir nur ein einziges Keimblatt cr als Samenlappen II. Gestaltungslehre. Die Wurzel. 177 die Knospe/ans Tagslicht begleiten, während das Nürzelchen ci nahrungsuchend in die Erde eindringt. Ein gleicher Vorgang zeigt sich bei einer großen Anzahl von Pflanzen bei ihrer Entwickelung aus Samen. Der S a m e n l a p p e n wird K o t y l e d o genannt und je 25 nach seinem vereinzelten oder paarweisen Auftreten unterscheidet man sämmtliche Phanerogamen in zwei Hauptabtheilungen: in Einsamlappige oder Monokothledonen und in Z w e i samlappige oder D i k o t y l e d o n e n . Die Angehörigen beider Abtheilungen haben noch weitere eigenthünüiche Merkmale, woran siesichauch später erkennen lassen, wenn ihre Samenlappen längst verschwunden sind. Am auffallendsten zeigte sich dies im Bau der Blätter, indem die Rippen derselben im Blatte der Monokotyledonen neben einander herlaufen, bei den Dikotyledonen dagegen netzartig verzweigt sind. Da die kryptogamischen Wanzen keine Samen erzeugen, welche denen der Phanerogamen vergleichbar sind, so werden bei ihrer ersten Entwickelung auch keine Samenlappen wahrgenommen und man hat sie in Beziehung hierauf Akotyledonen, d. i. Ohnsamenlappige, genannt. Die Wurzel ist es, durch welche im Allgemeinen die Pflanze in der Erde 26 befestigt erscheint und aus derselben ihre Nahrung schöpft. Sie wäre demnach als unterirdisches Ernährungsorgan der Pflanze zu bezeichnen, während der Stengel oder S t a m m den oberirdischen Theil ausmacht. Allein bei genauerer. Beobachtung erweist sich diese Unterscheidung als ungenügend, denn nicht allein daß viele Pflanzen schwimmende, im Nasser befindliche Wurzeln haben, sehen wir auch, daß manche Bäume der heißen Zone aus ihren Aesten sogenannte L u f t w u r z e l n herabsenken, die sich nach der Erde zu verlängern, diese endlich erreichen und darin wurzeln; wir sehen ferner, wie unser bekannter Epheu mit H a f t w u r z e l n an Bäumen, Felsen und Mauerwerk sich anklammert. Andererseits begegnen wir unter der Erde gar manchen Gebilden, die gemeinhin als Wurzeln angesehen werden, deren Bau und spätere Entwickelung uns jedoch belehrt, daß wir hier einen Stamm vor uns haben, der niemals über die Erdoberfläche sich erhebt, sondern nur seine Zweige dahin entsendet, wie dies bei allen Zwiebel- und Knollengewächsen der Fall ist. Zur augenfälligsten Unterscheidung von Wurzel und Stamm dient, daß an ersterer niemals Blätter sich zeigen, während letzterer selbst unter der Erde stets die Anlage zur künftigen Blattentwickelung erkennen läßt, wenn auch oft nur in Gestalt kümmerlicher Schuppen. Auch hat die eigenthümliche Oberhaut der Wurzel,-das Epiblema (§. 19), keine Spaltöffnungen und in ihrem Zellgewebe entwickelt sich kein Blattgrün. II. '2 L . Allgemeine Botcnuf. 178 Ein feinerer anatomischer Unterschied zeigt sich noch darin, daß der äußerste Punkt, an welchem die Wurzel sich verlängert, der sogenannte Sproßpunkt oder V e g c t a t i o n s p u n k t , stets mit einer lockeren Hülle von netzartigem Zellgewebe bedeckt ist, welches dieWurzelhaube genannt wird, während der Sproßpunkt am äußersten Ende des Stammes keinerlei Bedeckung hat. I m Uebrigen erscheint die Wurzel allerdings als ein Haupternährungsorgan, denn sie ist zur Aufnahme des bedeutendsten Theiles der Pstanzennahrung bestimmt, und zu gewissen Zeiten ist sie es ausschließlich, welche die Ernährung der Pflanze besorgt. Die Wurzelfasern saugen aus ihrer Umgebung Wasser und die in demselben aufgelösten Stoffe auf und entwickelnsichvorzugsweise nach der Richtung, aus welcher ihnen Nahrung zukommt, so daß wir dieselben häufig ihre Nahrung gleichsam aufsuchen, ihr entgegenwachsen sehen; mitunter durchdringen sie dabei die dichteste Erdmasse und finden ihren Weg durch die Risse und Spalten der Gesteine. 3? Hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung ist die Wurzel entweder einfach oder verzweigt und hat alsdann mehr oder weniger zahlreiche und starke Aeste. Der nach der Tiefe dringende Hauptwurzelstamm heißt die P f a h l w u r z e l , die nach den Seiten auslaufenden Aeste werden T h a u w u r z e l n genannt; beide find in Fig, 43 dargestellt. Formen der einfachen Wurzel sind: die fadenförmige Wurzel, Fig. 42; die spindelförmige Wurzel, Fig. 44; die rübenförmige Wurzel, Fig. 45; die knotenförmige Wurzel. Bei vielen Pflanzen gelangt jedoch eine Pfahlwurzel gar nicht zur Ausbildung; der im Samenkeim hierfür bestimmte Theil (<?, Fig. 41) stirbt ab, und es entspringen am unteren Ende deFStengels sogenannte N e b e n w u W Adventivwurzeln. Es ist dies bei sämmtlichen der Fall und es entstehen hierdurch meist büschelförmige Wurzeln, Fig. 46, wie bei unseren Gräsern und Gctreidearten. Nicht selten findet man die jüngeren Wurzeltheile mit feinen Haaren besetzt. Die Wurzeln verbreiten sich im Allgemeinen tiefer und weiter, als mau I I . Gestaltungslehre. Der Stamm. I7H gewöhnlich annimmt, da es nicht leicht gelingt, ihre feinsten Fasern ohne Zerreißung herauszunehmen» Selbst bei kleineren Gewächsen, wie z. B. dem Thymian nnd der Zuckerrübe, «reicht sie mit letzteren eine Länge von 6 bis 10 Fuß. Es ist hiervon nicht nur die Grnährungsfähigkeit derWurzel> sondern auch die Befestigung der Pflanze wesentlich bedingt« Die Weißtanne und die Eiche mit gesunder, tiefgründiger Pfahlwurzel widerstehen dem heftigsten S t u r m , während die Rothtanne und Pappel, deren Hauptwurzel alsbald zurückgeht, während ihre Nebenäste sich weit aber oberflächlich verbreiten, leicht umgegestürzt werden« Der innere B a u der Wurzel stimmt in der Hauptsache überein mit der des Stammes, wie bei dessen Besprechung gezeigt wird. Der Stamm wird S t e n g e l genannt, wenn er jung und dünn, 28 auch wenn er zart und grün ist, eine Bezeichnung, die bei manchen Gewächsen vorübergehend, für andere dagegen bleibend ist« Wir haben bereits in §. 26 als Stengel denjenigen Theil der Pflanzenachse kennen gelernt, der durch Wachsen an der freien unbedeckten Spitze, S p r o ß p u n k t oder Vegetationspunkt genannt/sich verlängert und als seitliche Organe die Blätter entwickelt. Der zwischen Zwei auf einander folgenden Blättern befindliche Theil des Stengels bildet ein G l i e d oder I n t c r f o l i a r t h e i l und die Stcngelglieder besitzen nicht nur^bei verschiedenen Pflanzen, sondern auch an verschiedenen Stellen derselben Pflanzen oft eine sehr ungleiche Länge. Ja mitunter sind die Glieder so verkürzt, daß mehrere Blätter ringsum in gleicher Höhe entspringen und daß ein Stengel gar nicht vorhanden zu sein scheint, wie uns dies von der Erdbeere, der Schlüsselblume und dem Wegerich bekannt ist, wo aus den an der Erde ausgebreiteten Blättern sofort der Blüttzenstiel sich erhebt. Auch erscheint in ähnlichen Fällen der Stengel statt in die Länge gezogen, mitunter seitlich verdickt, scheiden- oder knollenförmig. Die Stelle, ander ein Blatt entspringt, hat eine besondere Bedeutung. Sie ist nicht selten durch eine wulstige Anschwellung ausgezeichnet und. heißt alsdann Knoten. Hier ist es nämlich, wo in der Achsel des Blattes auch die Knospe entspringt, welche später zu den^ seitlichen Achsengebilden, den Resten und Zweigen sich ausbildet. Wir unterscheiden den oberirdischen Stamm und den unterirdischen 29 Stamm. Formen des oberirdischen Stammes sind: 1« Der Holzstamm. Derselbe ist als die vollkommenste aller Stammformen anzusehen und zeichnet sich durch seine feste holzige Beschaffenheit und 180 H.. Allgemeine Botanik. Ausdauer besonders aus. Wir begegnen demselben an allen unseren bekannteren Bäumen und Sträuchern, weshalb er vorzugsweise Aufmerksamkeit verdient. 2. Der S t o ck'oder Palmstamm, ist den Palmen und größern Farrnkräutern eigen und erscheint meist als ein einfacher, gleichmäßig dicker Stamm, derdurch sichtbare Nebenwurzeln befestigt ist (Fig. 47). Derselbe verzweigt sich nur bei wenigen Arten und ist an seiner Oberstäche meist in regelmäßiger Weise durch die Narben der abgefallenen Blätter ausgezeichnet. 3. Der Krautstcngel, auch kurz S t e n g e l genannt, bleibt grün, saftig, verholzt nicht und hat in der Regel nur eine einjährige Dauer, weshalb er in wenigen Fällen beträchtliche Größe erreicht, wie bei der Banane und dem Wunderbaum. 4. Der H a l m , ist der bekannte, meist hohle Stengel, wie unsere Gräser und Getreidearten ihn darbieten, durch Knoten abgetheilt und beim Welschkorn ziemliche Dicke und beim Bambusrohr baumartige Größe erreichend. Formen des unterirdischen S t a m mes sind: 1. Der Wurzelstock oder Rhizoma. Von vielen Gewächsen, die eine mehrjährige Dauer haben, bekommen wir nur den Gipfel zu Gesicht, indem der eigentliche Stamm von rvmzelähnlichem Ansehen unter der Erde verbleibt. Er ist kenntlich an blattähnlichen Schuppen, Blattnarben und Knospen «, Fig. 48, in deren Nähe Nebcnwmzeln entspringen« Ans derartigen Wurzelstöcken entsprießen aMhrlich u. A. das Maiblümchen, Fig. 49, der S p a r g e l , der Hopfen und die schwer zu vertilgende Quegge. I I . Gcstaltungslehre. Der Stamm. 181 2. Die Zwiebel ist, wie Fig. 50 im Längsschnitt zeigt, eine scheibenförmige verkürzte Achse b, mit fleischigen Blättern, in deren Achseln als Knospenkleine Zwiebeln a<n erscheinen, die als B r u t zwiebeln zur Vermehrung der Zwiebelgewächse dienen. Die in den saftigen Deckblättern enthaltenen Stoffe gewähren der jungen Pflanze Nahrung, bis dieselbe von den unterhalb der Zwiebelscheibe entspringenden Nebenwurzeln in hinreichender Menge zugeführt wird. 3. Der K n o l l e n bildet sich, indem durch massenhafte Anhäufung stärkemehlartiger Stoffe der unterirdische Stamm, oder auch die Seitentriebe desselben sich beträchtlich verdicken, wie dies bei dem T o p i n a m b u r , Fig. 51 der Fall ist. Man bemerkt an den Knollen kaum die Spur eines Blattes, wohl aber Knospen oder Augen. Gleich den Zwiebeln sind die Knollen sehr geeignet zur Vermehrung der Gewächse. Legt man einen Knollen in die Erde, so entwickeln sich seine Knospen, indem sie Stengeltriebe und Nebenwurzeln entsenden, wobei der reichliche, im Zellgewebe aufgespeicherte Stärkevorrath als erste Nahrung verwendet wird. Wir sehen dies, an unseren bekannten Knollengewächsen, der D a h l i e , dem T o p i nambur und der K a r t o f f e l . Bei Letzteren können wir überhaupt nur an dem aus Samen gezogenen Pstänzchen eine eigentliche Pfahlwurzel zu sehen bekommen. Die Wmzelknollen der verschiedenen Arten von Orchis, die rund oder handförmig sind, Fig. 52 und Fig.'53 werden wohl richtiger als knollig verdickte Wmzelsasern anzusehen sein. 182 A. Allgemeine Botanik. M Bei der Beschreibung aller seither genannten Stammarten berücksichtigt man noch einige Eigenthikulichkeitcn, in welchen dieselben bei verschiedenen Pflanzen von einander abweichen. Insbesondere sind es die Stengelformen, bei welchen der Querschnitt oft sehr eigenthümlich ist und von der Walzenform abweicht, welche als die ursprüngliche anzusehen ist. Beispielsweise führen wir an, den dreikantigen, vierseitigen und f ü n f r i p p i g e n Stengel, Fig. 54, 55 und 56. Weitere Unterschiede ergeben sich in Betracht der Substanz, Richtung, Lage und Dauer einer Stammform. Von der Substanz des Stammes ist natürlich die Festigkeit, Stärke, sowie sein äußeres und inneres Ansehen abhängig, deren Verschiedenheit durch die folgenden Ausbrücke hinreichend genau und verständlich bezeichnet wird. Der Stamm ist demnach entweder fest und dicht, oder locker, m a r k i g , hohl, r ö h r i g , holzig, faserig, k r a u t a r t i g , fleischig, s a f t i g , biegsam, zerbrechliche starr, zähe, schwank, schlaff. Hinsichtlich seiner Richtung unterscheiden wir den Stamm als aufrecht, oder aufsteigend, gerade, h i n - und hergebogen, übergewogen, überhängend, hängend, hingestreckt, niederliegend, kriechend, w u r z e l rankend. Nach scinerLage istder Stamm oberirdisch oder unterirdisch, schwimmend, fluthend, klimmend, k l e t t e r n d , rechts oder links gewunden. Die Dauer des Stammes, die in der Regel die der ganzen Pflanze mit- begreift, wird darnach beurtheilt, ob er die einmalige Hervorbringung von Blüthe und Frucht überlebt, oder nicht, und nach der Zeit, die zur Erzeugung jener Organe erforderlich ist. Hiernach unterscheidet man die Pflanzen a) in einjährige oder SommerPflanzen, neben deren Namen man das Zeichen <I oder (1) setzt, b) Zweijährige Pflanzen, Zeichen <^, V , oder (2). o) Mehrjährige oder ausdauernde Pflanzen, Bäume und Sträucher. I n n e r e r B a u des Stammes. 31 Der innere Bau des Stammes ist unbedingt von seiner äußeren Form. Die Verschiedenheiten, welchen wir bei Betrachtung desselben begegnen, sind abhängig von dem gegenseitigen Verhältnisse des Zellgewebes und der Gefäßbündel, welche die Masse des Stammes ausmachen, sodann von der Art und Weise, wie die Gefäßbündel zu einander gestellt oder geordnet sind. ^ ^ ^ Wir haben bereits in §.25 die drei Hauptgruppen kennen gelernt, in welche alle Pflanzen je nach der Art ihrer ersten jugendlichen Entwickelung unterschieden werden.' Aus Nachfolgendem wird sich ergeben, daß auch im inneren Bau des Stammes bei jeder dieser Abtheilungen eine bezeichnende Eigenthümlichkeit herrscht, wodurch sie sich ebenfalls unterscheiden lassen. I I . Gestaltnngslchrc. Der Stamm» 183 S t a m m der A k o t y l e d o n e n . Nur bei den vollkommnerm Pflanzen dieser Gruppe begegnen wir einem 32 Stengel oder Stamm. Es gehören hierher die Moose, bei welchen nur ein einziges, die Mitte einnehmendes Gefäßbündel vorhanden ist, Fig. 57« Ein gleiches Verhältniß findet bei einigen Gattungen aus den Familien der Schachtelhalme und Lykopodien Statt, die im Uebrigen einen einfachen Kreis von Gefäßbimdeln besitzen. Aehnlich verhält es sich bei den F a r r n k r ä u t e r n , indem hier neben vereinzelten Gefäßbündeln größere Gruppen derselben einen mehr oder weniger regelmäßigen und geschlossenen Ring bilden, Fig. 58. Dieselben erscheinen auf dem Querschnitt mitunter als artige Zeichnungen, die z.B. bei unserem A d l e r f a r r n einigermaßen einem Doppeladler gleichen. Das einmal ausgebildete Gefäßbündel der Akotyledonen verdickt sich nicht weiter und setzt sein Wachsthum nur an der Spitze fort. S t a m M der M o n o k o t y l e d o n e n . Aus dieser Gruppe, zu der unter anderen unsere sämmtlichen Gräser und 33 Zwiebelgewächse gehören, läßt namentlich der Stamm der P a l m e n das Eigenthümliche des Wachsthums am besten erkennen. Betrachten wir den Querschnitt eines solchen, Fig. 5 9 , so sehen wir eine große Anzahl einzelner Gefäßbündel anscheinend ohne besondere Ordnung im Zellgewebe des Markes vertheilt. Man unterscheidet an den einzelnen Gefäßbündeln den äußeren B a s t t h e i l , der aus dickwandigen Holzzellen besteht, und den aus Ge- > faßen gebildeten H o l z t h e i l , der dem Mittelpunkt des Stammes zugewendet ist« Auch bemerkt man, daß in dessen Mitte zwar größere, aber weniger zahlreiche Gefäßbündel vochan« den sind, während dieselben nach dem Umfang hin dicht zusammengedrängt erscheinen. Daher besitzt bei dm PalmstäTmen nur die äußere Schicht eine holzige Beschaffenheit und mitunter sehr beträchtliche Härte, während die inneren Theile locker und die Mitte öfter mit stärkemehlhaltigem Mark erfüllt oder hohl ist. Letzteres tritt insbesondere auch bei den Gräsern ein. Wir finden somit an dea Palmstämmen weder ein eigentliches Holz, noch eine davon scharf unterschiedene Rinde, noch ein genau umschlossenes Mark. 184 H.. Allgemcim' Botanik. Die Gefäßbündel der Monokotyledonen sind nach ihrer Ausbildung geschlossen, indem sie sich nicht verdicken und nur an der Spitze wachsen. Daher tritt bei den meisten der hierher gehörigen Pstanzen keine spätere Verdickung des Stengels oder Stammes ein, wie namentlich nicht bei allen einjährigen Gräsern. Manche Palmstämme, die ein hohes Alter erreichen, nehmen dagegen fortwährend an Umfang zu, und ein berühmtes Beispiel hierfür ist ein Drachenbaum auf Teneriffa von 70 Fuß Höhe und 80 Fuß Umfang am Grunde des Stammes. Die Verdickung geschieht in diesem Falle durch Theilung der im Umfange des Stammes vorhandenen Gefäßbündel. S t a m m der Dikotyledonen. 34 Wir kommen hiermit zur Betrachtung derjenigen Stammesbildung, die unseren heimischen Bäumen in Garten, Feld und Wald eigen ist. Bei diesen stehen die Gefäßbündel in Kreisen um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt, der aus Markzellen besteht und M a rk genannt wird. Bevor wir jedoch die Stellung der Gefäßbündel weiter verfolgen, ist es nothwendig, daß wir diese selbst genauer kennen lernen. Fig. 60 zeigt den Querschnitt eines Gefäßbündels aus einer den Dikothledonm angehörigen Pflanze in 230facher Vergrößerung. Der M l giebt die Richtung von Innen nach Außen an. Wir sehen hier das eigentliche Gefäßbündel umgeben von sehr I I . Gestaltungslchre. Der Stamm. 185 großzelligem Gewebe (« a^, b , s , / ) . Die fast quadratischen Zellen a a' bilden die Oberhaut, worauf das lockete Zellgewebe b der Ninde folgt. Letzteres umgiebt eine halbmondförmige Gruppe von Bastzellen <?, welche den Bafitheil des Oefäßbündels bildet, der durch eine Lage von Bildungsgewebe (ci F ci") von dem nach innen stehenden, aus Gefäßen und langgestreckten Holzzellen bestehenden Holztheil des Gefäßbündels getrennt ist. Die Gefäße dieses letzteren find auf dem Querschnitt theils an den dickeren Wänden (ssL), theils durch ihre größere Weite M ) kenntlich. Z u bemerken ist noch, daß das Bildungsgewebe (Cambium § . 1 8 ) cici" zu beiden Seiten des Gefäßbündels heraustritt und sich bis zu den nächsten Gefäßbündeln fortsetzt und so einen ununterbrochenen Kreis im ganzen Umfang des Stammes darstellt. Die folgende Abbildung, Fig. 6 1 , giebt uns eine Darstellung desselben Gefäßbündels im Längsschnitt. Auch hier erkennen wir deutlich, wie der Holz- ig Mark N 1 I5 Holzkörper i k ä" c^ ä « Cackbium Vast h 5 Rinde theil aus Gefäßen und Holzzellen verschiedener Art (/l, i, A, l, w) gebildet ist und durch das äußerst zartwandige, saftreiche Gewebe (ci,F^") der Cambiumfchicht von dem Basttheil 0 getrennt wird, dessen dickwandige gestreckte Zellen sich mit ihren zugespitzten Enden in einander schieben. Das ganze Gefäßbündel von a bis M ist von dem lockeren Zellgewebe der Rinde (n, b) und des Markes/ umgeben. Eine Anzahl solcher Gefäßbündel sehen wir nun in der schematischen Fig. 62 3 5 (a.f. S.), welche den Querschnitt eines einjährigen Stammes beträchtlich vergrößert vorstellen und uns zur Erläuterung dienen soll, kreisförmig gruppirt. . Sie sind rings umgeben von lockerem Parenchymgewebe und sammt diesem ein- 186 ä.« Allgemeine Botanik. geschlossen von der flachzelligen Oberhaut a. Durch a<lle Gefäßbündel zieht, sich ein RinZ von Bildungsgewebe b, der sogenannte V e r d i c k u n g s r i n g , jedes Bündel in den kleineren, nach außen stehenden B a s t t h e i l o und den größeren, nach Innen liegenden H o l z t h e i l <l zerlegend. I m weiteren Verlauf wird Alles, was außerhalb des Verdickungsringes sich befindet, zur Rinde gerechnet das innerhalb befindliche bildet das Holz. Das mittlere, von dm Gefäßbündeln eingeschlossene Gewebe ist das M a r k , und die zwischen den Gefäßbündeln verlaufenden Partien desselben werden die Markstrahlen genannt. Wie man sieht, steht durch Letztere der äußere Umfang des Stammes mit dessen mittlerem Theil in saftleitender Verbindung« 36 I n dem Vorhandensein dieses Verdickungsringes oder Cambiumringes beruht vorzüglich die bezeichnende Eigenthümlichkeit des Stammes der Dikotyledonen, da jener den Pflanzen der beiden übrigen großen Pflanzengruppen fehlt. Den bedeutungsvollen Namen des Verdickungsringes hat er aber erhalten, weil diese Schichte es ist, in welcher die neu entstehenden, den Stamm verdickenden Gebilde sich später einschieben. Das Wachsthum unserer Holzstämme geschieht nämlich in der Weise, daß im Verlauf des zweiten Jahres innerhalb des Bildungsgewebes eines jeden Gefäßbündels ein neues Gefaßbündel entsteht. Dieses Letztere, dem Vorhandenen in jeder Beziehung ähnlich, erscheint also eingeschoben zwischen dessen Holz- und Basttheil, und da dieser Vorgang bei allen Gefäßbündeln stattfindet, so sehen wir im zweijährigen Stamme das Mark umgeben von doppelten Holzund Bastringen, zwischen welchen das Bildungsgewebe der neuen Gefäßbündel sich hinzieht. I m Bildungsgewebe vom zweiten Jahre entsteht im dritten Jahre abermals ein Kreis neuer Gefäßbündel und indem Jahr für Jahr eine solche Einschiebung in dem letztentftandenen VerdickungsrinZ sich wiederholt, nimmt der Stamm fortwährend an Umfang zu. Zugleich verlängern sich die vorhandenen Gefäßbündel durch fortgesetztes Wachsthum an der Spitze, welchem nur ein Ziel gesetzt wird, wenn an dieser eine Blüthe zur Entwickelung gelangt. Wegen dieser stetigen, aus den Gefäßbündeln der Dikotyledonen hervorgehenden Weiterbildungen werden dieselben ungeschlossene Gefäßbündel genannt. 37 Bei dieser Bildung des Holzstammes findet noch die Eigenthümllchkeit statt, daß die im Frühjahre im Verdickungsringe entstehenden Holzzellen weiter und lockerer sind, als die später nachfolgenden, welche fortwährend enger und dickwandiger erscheinen, bis endlich mit Eintritt des Winters völliger Stillstand erfolgt und somit die Ausbildung der Gefäßbündel des Jahres zum Abschluß gekommen ist. Es entsteht hierdurch eine Ungleichheit in der Dichte des Holzes, die sich auf dessen Querschnitt schon dem bloßen Auge durch jene bekannten concentrischen Kreise zu erkennen giebt, welche J a h r r i n g e genannt werden, da I I . Gestaltungslehre.' Der Stamm. 18? zur Bildung eines solchen jedesmal em Jahr erforderlich ist« Die Kiefer hat besonders deutlich erkennbare Jahrringe, indem hellere und dunklere Streifen, a, Fig. 63, mit einander abwechseln, wie an diesem in natürlicher Größe abgebildeten Querschnitt aus ihrem Holze ersichtlich ist. Unterwirft man jedoch das kleine Stückchen ^ desselben einer angemessenen Vergrößerung, Fig, 6 4 , so sehen wir die anfänglich weiten Zellen mehr und mehr sich verengen und verdicken, bis plötzlich wieder eine Lage ganz weiter Zellen austritt« Es ist somit zwischen a und i> die Gränze, wo an die engen gellen des früheren Jahrringes die weiten des nachfolgenden sich anreihen« -Der Stamm vieler Dikotyledonen der heißen Länder zeigt keine Jahrringe, weil dort eine ununterbrochene und gleichmäßige Bildung neuer Zellen vor sich geht; wo jedoch mit Eintritt der Regenzeit oder einer andern Ursache ein Stillstand in der Entwickelung stattfindet, läßt sich auch bei tropischen Bäumen die Bildung von Jahrringen erkennen und es sind dort wie bei uns die Jahrringe ein sicheres Merkmal für das Alter derselben. Nicht alle Jahrringe haben gleiche Breite. Ein dem Wachsthum günstigeres Jahr erzeugt einen stärkeren Holzring. Ja der Ring eines und desselben Jahres erreicht häufig eine größere Breite auf derjenigen Seite, wo zufällig der Wurzel eine reichlichere Nahrung geboten oder eine günstigere Verbreitung gestattet wird. Da der Basttheil ungleich kleiner ist als der Holztheil des Gefaßbündels, 38 und das Zellgewebe der Rinde nur unbedeutend sich vermehrt, so nimmt die Rinde nicht in demselben Maße an Stärke .zu, wie das Holz, und es lassen sich an -ihr die Jahrringe weniger deutlich unterscheiden. Das M a r k und die M a r k s t r a h l e n erhalten keinen oder nur höchst geringen Zuwachs, und so kommt es, daß beide mehr zurücktreten, wassichschon bei dem fünfjährigen Stamme Fig. 65 zu erkennen giebt. Die Markstrahlen lassen sich jedoch auch in den vieljährigen Stämmen noch erkennen, indem in der Richtung, wo sie zwischen den Gefäßbündeln hinziehen, das Holz der Länge nach vorzugsweise leicht sich spalten läßt und alsdann reine glänzende Spaltungsflächen, die sogenannten S p i e g e l , zeigt. Dem Auge erscheinen die Markstrahlen als feine Linien, die vom Mittelpunkte des Stammes strahlig nach seiner Rinde verlaufen. Bei genauerer Untersuchung erkennt man jedoch außer solchen ursprünglichen oder p r i m ä r e n Markstrahlen noch kürzere oder secundäre. Letztere gehen nicht vom Mittelpunkte des Stammes aus, sondern sie entstehen in den von Jahr zu Jahr 188 ^. Allgemeine Botanik. eintretenden Gefäßbündeln, welche hierdurch getheilt werden, und reichen bis zur Rinde. Mit'dem Mikroskop verfolgen wir die Markstrahlen im Holze der Kiefer nach drei Richtungen. Fig. 66 zeigt einen Markstrahl, s, auf dem Querschnitt als schmalen Streifen; bei Fig. 67 sehen wir an einem von Außen nach dem Mittelpunkt geführten Längsschnitt (Radialschnitt) das Gewebe eines Markstrahles «sich hinziehen; auf dem senkrecht zur Richtung eines Markstrahles geführten Längsschnitt (Tangentialschnitt), Fig. 6 8 , erkennen wir, daß die zwischen den Holzzelkn eingeschlossenen Markftrahlen nur aus einer oder zwei Zellenreihen bestehen.^ Wir heben bei Gelegenheit dieser Abbildungen hervor, daß die Gefäßbündel sämmtlicher Nadelhölzer nur aus gedüpfelten Holzzellen, Fig. 67, bestehen und keine ächten Gefäße enthalten. Es finden sich in dem Holze derselben dagegen häufig die von zartwandigen Zellen begränzten Harzgänge <H, Fig. 66. An diesen,„ anatomischen Eigenthümlichkeiten läßt sich jedes Nadelholz, im kleinsten Splitterchen, ja selbst im fossilen Zustande sicher von anderem Holze unterscheiden. 39 Durchschneiden wir einen Holzstamm der Quere nach, so zeigt es sich, daß die äußeren oder jüngeren Holzringe eine geringere Härte besitzen als die älteren, die den inneren Theil des Stammes bilden. Auch unterscheidet sich das jüngere Holz, das S p l i n t genannt wird, in der'Regel durch eine hellere Farbe von dem alteren, welches von den Holzarbeitern als reifes Holz oder Kernholz wohl unterschieden wird. Dieselben vermeiden die Verwendung des Splintes, da dieses junge Holz in hohem Grade die Verbreitung des Holzschwammes und der Vermoderung begünstigt und überdies den Angriffen von Insectenlarven vorzugsweise ausgesetzt ist. Der Farbenunterschied tritt namentlich bei der Rothbuche hervor, wo der weißliche Splint auffallend gegen das braunröthliche Kernholz a W M ^ b e m Ebenholz findet man das schwarze Holz von einer scharf abgegränzten, weißen Splintlage umgeben. Das Verholzen geschieht dadurch, daß die HolzzeUen, welche den größten Theil der Gefäßbündel ausmachen, durch die innere Ablagerung neuer Schichten ihre Wände allmälig verdicken. Eine Folge hiervon ist, daß sie mit zunehmendem Alter ungeeigneter für die Saftleitung werden und bald gänzlich austrocknen. I I . Gestaltungslehre. . Der S t a m m . ' 189 Auch die Rinde erleidet im Verlauf der Zeiten nicht unwesentliche Veränderungen. Die Oberhaut zerreißt und verschwindet bald gänzlich, wenn der Stengel durch Wachsthum an Umfang zunimmt. Die nun folgende Zellschicht erhält nur selten einen der Verdickung des Baumes entsprechenden Zuwachs, in welchem Falle der Baum bis ins höchste Alter eine ganze und glatte Kinde behält, wie die Buche und der Orangenbaum. Bei der Korkeiche und dem jungen Maßholder (^osr oampS3tr6) findet eine besonders starke Vermehrung der äußeren Zellenschicht der Rinde durch flaches Zellgewebe Statt, welches den Kork bildet. Der gewöhnliche Fall ist der, daß das Rindenzellgewebe noch einigen Zuwachs erhält, jedoch bald abstirbt und die sogenannte Borke bildet. Da aber der Holzstamm bei weitem stärker zunimmt als die Borke, so wird diese entweder zerrissen, wie bei der Eiche, Ulme u« a. m., oder in plattenförmigen Stücken abgestoßen, wie bei dem Apfelbaum und der Platane. Der jetzt folgende Theil der Rinde, der Bast, gehört eigentlich zu den Gefäßbündeln des Stammes. Wie jedoch §. 35 gezeigt wurde, ist er von diesen durch das zarte und saftreiche Bildungsgewcbe getrennt, so daß er sich mit der Rinde zugleich ablöst und daher dieser zugerechnet wird. Besonders leicht geschieht diese Ablösung zur Zeit der großen Saftfülle im Frühjahr, und unsere Knaben, die alsdann ihre Weidenflöten schneiden, und die Lohrindenschäler wissen diesen Umstand wohl zu benutzen. Wegen seiner zähen, faserigen Beschaffenheit wird der Bast zu Flechtwerk, Seilen :c. und vom Papier-Maulbeerbaum zur Anfertigung deschinesischenPapieres verwendet. Gehen wir daher im älteren Holzstamme von außen nach innen, so begegnen wir der Reihe nach folgenden Theilen desselben: der Rinde, bestehend aus Korkschicht, Borke und Bast, sodann dem Bildungsgewebe oder Cambium, dem jüngeren Holz oder Splint, dem älteren oder Kernholz und endlich dem Mark. Der Stamm ist der Vermittler der von den äußersten Theilen der Pflanze, 40 nämlich von der Wurzel und den Blättern ausgehenden Lebensthätigkeit. Durch ihn steigt die von den feinsten Verzweigungen der Wurzel aufgesaugte Flüssigkeit empor nach den Knospen, aus welchen Blätter, Blüthen und Früchtesichentwickeln. Dieses Geschäft der Saftleitung kommt jedoch nicht allen Theilen des Stammes zu« Daß die Borke damit nichts zu thun haben kann, fällt leicht in die Augen. Allein auch das altere Holz und das Mark find unwesentlich für die Saftleitung, wie der Umstand beweist, daß wir uralte Eichen, Ulmen und Weiden sehen, welchen der ganze innere Holzkörper sammt Mark fehlen und welche dennoch fortfahren, in jedem Frühjahre sich reichlich zu belauben und neues Holz zu bilden. Wir haben daher als saftleitende Theile des Stammes die jüngsten, also innersten Bastschichten, sodann das Bildungsgewebe und endlich das jüngste Holz oder den Splint anzusehen. Hieraus erklärt sich auch der Nacktheil, wenn zufällig oder absichtlich größere Theile der Rinde eines Baumes abgeschalt werden, da alsdann diese saftführenden Schichten unmittelbar dem Einfluß von Sonne und Luft ausgesetzt, leicht austrocknen und unfähig zur Saftleitung werden. 190 H.. Allgemeine Botanik. Die verderbliche Thätigkeit mehrerer Insectenlarven, namentlich der Borkenkäfer (Vo3tr^cku8 t)^0Arapkäou8 und N^iS8inu8 xinipGräa), beruht eben darauf, daß sie in jenen zarten saftreichen Schichten ihren Sitz haben, dieselb, oft ringsum vollständig zerstören und so durch Unterbrechung der Saftleituna mitunter ganze Nadelhölzer zu Grunde richten. Andererseits psiegt man den frisch gehauenen Neidenpfählen ringsum ettt^a singerbreit die Rinde abzuschälen, bevor man sie in den Boden setzte weil sie sonst sich bewurzeln und beblätt«rn würden. Wenn jedoch nicht allzugroße Stellen von der Rinde entblößt werden, ft stellt sich dieselbe durch eine von den Markstrahlen ausgehende Zellenbildung wieder her, besonders dann, wenn durch Bedeckung der verwundeten Stelle, z. B. durch Bestreichung derselben mit Lehm, Kuhmist oder durch Umwickeln der Einstuß von Sonne und Luft abgehalten wird. ' DZ.S 4l AN.0LPG. ' ' ^ Was wir Knospe oder Auge nennen, erweist sich sowohl durch seine künftige Entwickelung als auch bei einem sofort hindurch gemachten Schnitt als ein Stamm im jüngsten Entwickelungszustand als eine verkürzte Pflanzenachse. An dem Stamme treten dreierlei K n o s p e n auf, nämlich Endknospen, Achselknospen und Nebenknospen. Die Endknospe «, Fig. 69, bildet die Spitze des Stammes und verlängert denselben bei ihrer weiteren Entwickelung» Die Achselknospen, auch S e i t e n k n o s p e n genannt, i>, bilöen sich immer in der Achsel eines Blattes. Die Nebenknospen oder Adventivknospe.n erscheinen wie zufällig am Stamme, ja sie können fast an allen Pstanzentheilen, insbesondere auch an Blättern entstehen. Die Achsel- und Nebenknospen sind es, die in xhrer weiteren Entwickelung die Zweige des Gewächses bilden. Jeder Zweig trägt alle wesentlichen Merkmale seines Stammes. Er zeigt im Inneren dieselben anatomischen Verhältnisse, er verdickt sich in gleicher Weise und erzeugt gleich jenem wieder Blätter und Knospen. An der Spitze des Zweiges begegnen wir daher auch einer Endknospe — die secundäre Endknospe genannt. Zur Bildung der Achselknospe werden aus dem Swmme Gefäßbündelzweige entsendet, welche in dieselbe übertreten, während die Nebenknospe selbst neue Gefäßbündel erzeugt. _'.^ — Fig. 79 giebt uüs den Längsschnitt einer Zweigspitze der Roßkastanie. Wir sehen in der Mitte die größere Endknospe, zu beiden Seiten eine Achfelknospe und an allen unterscheidet man bereits die Zahl und Stellung der künftigen Blätter, die hier zusammengedrängt und in einander geschoben erscheinen, wie die Glieder eines Fernrohrs. Es läßt sich ferner erkennen, daß die Endknospe eine Blüthe entwickeln werde, wodurch ihr Wachsthum beendigt ist? und in welchem Falle die Knospe den Namen der B l ü t h e n k n O s p e öder I l ^ GMltnngslcbre. Die Knospe. 191 des Fruchtauges erhält; oder man findet wie bei vorliegenden Achselknospen die Anlage eines beblätterten Zweiges, welche B l a t t k n o s p e oder Holzauge heißt. Noch belehrender über die Blattstellung am künstigen Zweige ist ein durch, die Knospe geführter Querschnitt und nicht selten erblickt man hierbei dieVlättchm auf das Zierlichste zusammengefaltet. Auch der Entwickelung von Wurzelzweigen geht die Bildung einer Knospe voran, welche Wurzelknospe genannt wird und von der beschriebenen Stammknospe, durch das Fehlen der Deckblätter sich unterscheidet. Die weitere Entwickelung der Knospe 42 findet entweder alsbald nach ihrem Erscheinen Statt, oder sie verharret, nachdem sie hervorgetreten ist, längere Zeit im Zustande der Ruhe, was bei unseren Bäumen der Fall ist, deren im Frühjahre sich entwickelnde Knospen bereits im vorhergehenden Sommer gebildet worden sind. Diese überwinternden Knospen find daher durch lederartige, wollige oder harzige Schuppen bedeckt und geschützt, was bei den fortwachsenden nicht der Fall ist, die unbedeckt sind und die Farbe der Blätter haben. ^Die Stammknospe trägt zur Vermehrung der Mutterpflanze auf verschiedene Weise bei. Entweder entwickeln sich aus den Knospen der seitlichen A u s l ä u f e r neue Pflänzchen, wovon die Erdbeere ein bekanntes Beispiel ist, oder die Vermehrung geschieht auf künstlichem Wege durch Ableger oder Stecklinge. Das erste Verfahren, besonders bei unserer Gartennelke und der Rebe üblich, besteht darin, daß ein dem Boden nahestehender Zweig theilweise durchschnitten und mit Erde bedeckt wird, bis er sich bewurzelt. Zu Stecklingen eignen sich vorzüglich saftrciche Pflanzen, wie die Cactus, Fettpstanzen und die weichen Hölzer, wie Weide, Pappel u. a« m. I n diesem Falle werden kleine Zweige, die ftdoch wenigstens ein Auge haben muffen, in den Boden gesteckt. Feuchtigkeit und Wärme begünstigen dann vorzüglich die Bewurzelung. Auf solche Weise werden von den Kunstgärtnern die meisten Zierpflanzen vermehrt. Alle unsere Trauerweiden sollen als Stecklinge von einem noch grünen Zweige herrühren, welchen der englische Dichter Pope an einem aus Smyrna gekom« menen Feigenkorbe vorfand und in den Boden steckte. Merkwürdiger Weise behält die Knospe die Fähigkeit der Neiterentwicke- 43 lung, auch wenn sie von ihrer Mutterpflanze abgetrennt und in die geeignete Lage versetzt wird, die erforderliche Nahrung sich anzueignen. Dies geschieht, 192 ^. Allgemeine Botanik. indem man die Knospe von einer Pflanze auf cine andere überträgt in der Weise, daß ihr Verhältniß zu dieser dem früheren möglichst gleichkommt. Diese Übertragung von Knospen bezeichnet man mit dem Namen des O c u l i r e n s oder Aeugelns, wenn nur eine einzelne Knospe, und des P f r o p f e n s , wenn gleichzeitig mehrere versetzt werden, sammt dem Zweige. an welchem sie fitzen. Da hierbei die übertragene Knospe bei ihrer Entwickelung einen Zweig erzeugt, der alle Eigenschaften ihrer Mutterpflanze beibehält, so giebtHieses Verfahren ein unschätzbares Mittel, um die Blüthen und Früchte der durch den Anbau veredelten Gewachse auf die im Naturzustande befindlichen Wildlinge derselben Art zu übertragen. Dg.» 44 Oonlirsn. Man wendet das Oculiren hauptsächlich zur Veredelung der Wildlinge der Rose an, die man zu diesem Zwecke in den Garten versetzt, und erst nachdem sie kräftiges Wachsthum zeigen, schreitet man zum Werke. Zu diesem Zwecke macht man in die Rinde eines Wildlings einen I'förmigen Einschnitt Fig. 7 1 , bis auf den Splint und löst alsdann die Knospe eines edlen Zweiges sammt dem Blatt, in dessen Achsel sie sitzt, und einem Stückchen Rinde ab, welches etwa in der Form von Fig. 72 das S c h i l d chen genannt wird. Man hebt jetzt die Rinde am Einschnitt des Wildlings ein wenig auf und schiebt das Schildchen ein, drückt es ein wenig abwärts und umbindet es mit Bast oder Wollenfaden, Fig. 73. Geschieht dies im Frühjahr, so schneidet man über der eingesetzten Knospe den Wildling quer ab und bricht die unterhalb stehenden Knospen aus, damit der Saft vorzugsweise der edlen Knospe zugeleitet wird.- Zn diesem Falle treibt die Knospe alsbald und erzeugt noch im Laufe des Sommers eine Achse, die nicht selten schon Blüthen hervorbringt. Man nennt dies das Oculiren aufs treibende Auge. I m Spätsommer oculirt man auf das schlafende Auge, indem man sich mit dem Einsetzen der Knospe begnügt, die dann anwächst und erst im Frühjahr, nachdem man den Wildling oberhalb det, in's Treiben gelangt. D a s X»5ropksn. 45 ' / ' Hier wird nicht eine einzelne Knospe, sondern ein kleiner Zweig mit drei bis vier Knospen, das sogenannte P f r o p f r e i s , übertragen. Ist der Wildling ein junges Stämmchen, so wird dieses selbst, ist er ein größerer Baum, so werden dessen Hauptäste quer abgesägt. Ans dem Querschnitt wird, wie bei Fig. 74, mit einem starken Messer ein Spalt eingetrieben, d^as edle RciZ von beiden I I . Gestaltungslehre. Die Knospe. 193 Seiten keilförmig zugeschnitten, Fig. 75, und in den Spalt des Wildlings eingeschoben, Fig. 76. Der Spalt wird zur Abhaltung von Licht, Luft und Waffer mit Wachs verklebt oder mit Lehm überstrichen und mit Moos und Ieug umbunden, worauf die Rinde des Reises, deren Schnittfläche die des Wildlings unmittelbar berührt, seitwärts mit dieser verwachst. Man setzt wohl auch ein ganzes Reis mit einem anhängenden Rindenstück in die Rinde eines jungen Stammes, ähnlich wie wir beim Oculiren gezeigt haben. Es gewährt dies den Vortheil, daß, im Falle das Reis nicht angeht oder treibt, der Stamm dadurch nicht leidet, während er fast immer zu Grunde geht, wenn seine Krone abgeworfen wird und keines der aufgepfropften Reiser angeht. Das C o p u l i r e n besteht darin, daß man ein edles Reis von beiden Seiten zuspitzt, es in den entsprechenden Einschnitt eines Wildlings von gleicher Stärke einsetzt und ringsum verklebt und verbindet. Diese Verrichtungen werden übrigens auf mannichfaltige Weise abgeändert, mehr oder weniger umständlich ausgeführt. Das Wesentliche dabei bleibt jedoch immer die unmittelbare B e r ü h r u n g der Schnittfläche der Rinde des edlen Reifes oder Auges mit der des Wildlings. Denn aus der Beschreibung des Oculirens und' des Pfropfens geht hervor, daß hierbei die Verschmelzung des beiderseitigen zarten, saftreichen Bildungsgewebes innerhalb des Verdickungsringes (s.§. 35) des zu veredelnden Stammes stattfindet. Das Pfropfen wird meist im Anfange des Frühjahrs, wo der lebhafteste Safttrieb stattfindet, vorgenommen. II. 13 194 H.. Allgemeine Botanik. Die Knospe verwächst jedoch nicht mit einem jeden beliebigen Stamm, auf den man sie übertragen wollte, sondern sie läßt sich nur auf Pflanzen derselben Gattung übertragen, so daß man bekanntlich Rosen und Aprikosen nicht auf Eichbäume zu verpflanzen im Stande ist. 46 Aus dem Umfange des Stammes treten zahlreiche Seitenorgane hervor, die im Gegensatz zu dessen Walzenform zu einer Fläche ausgebreitet erscheinen und B l ä t t e r genannt werden. Dieselben bedürfen zur Entwickelung nothwendig des Lichtes und der Lust und werden deshalb niemals an den unterirdischen Theilen der Pflanze vollkommen ausgebildet angetroffen. Die äußere Gestalt würde jedoch nicht immer zur Unterscheidung des Blattes von Theilen des Stengels genügen, denn es giebt flache, blattähnliche Zweige und walzenförmige Blattgebilde, die wie Stengelglieder aussehen. Allein das Blatt wächst nicht gleichwie der Stamm an seiner Spitze, sondern an seinem Grunde, wo es in Verbindung mit dem Stamme sich befindet. Auch stirbt es zuerst an seiner Spitze ab. Sein anatomischer Bau ist im Wesentlichen bereits in §. 19 beschrieben worden. Ein vom Stamme abgezweigtes Gefäßbündel verbreitet sich in dem Blatte, das hauptsächlich ays chlorophyllhaltigen Parenchymzellen besteht und daher vorherrschend von grüner Farbe ist. Seine ganze Oberstäche ist überzogen von der flachzelligen O b e r h a u t mit ihren Spaltöffnungen und Athemhöhlen (s. Fig. 34 u. 35), wodurch die Blätter die Eigenschaft luftathmender Organe erhalten. Nicht selten führen kleine Infectenlarven, die im Parenchym des Blattes leben, eine Anatomie desselben aus, indem sie das grüne Zellgewebe herausfressen und so Gange zwischen der unverletzten Oberhaut der obern und untern Blattstäche erzeugen, welche deutlich sichtbar werden, wenn man das Blatt gegen das Licht hält» 47 Je nach Stellung und Bestimmung unterscheidet man verschiedene Arten von Blättern: 1. Die Keimblätter (Oot^isäousZ). Sie entwickeln sich, wie in §.24 gezeigt wurde, beim Keimen der Samen als sogenannte Samenlappen, fallen meistens bald ab, erreichen jedoch auch bei manchen Pflanzen die Ausbildung und Verrichtung eigentlicher Blätter mit Spaltöffnungen. 2. Die Knospenschuppen sind nur verkümmerte, blätterige Gebilde, deren Bestimmung im Schutze der Knospen beruht, nach deren Erfüllung sie abfallen. 3. Die L a u b b l ä t t e r oder S t e n g e l b l ä t t e r , die gewöhnlichste-nnv wesentlichste Art, die daher immer gemeint wird, wenn einfach vom Blatt die Rede ist. 4. Die B l ü t h e n b l ä t t e r , welche jedoch in ihrer Weiterentwicklung und Endbestimmung so eigenthümlich sind, daß sie unter dem Namen der B l ü t h e als besondere Organe beschrieben werden. 48 Das Blatt erscheint an seinem Grunde (Basis), d. i. an der Stelle, wo es am Stamme festsitzt, als eine halbrunde Hülle, die den Stamm theilweise I I . Gestaltungslehre. Die Blätter. 195 oder ganz umgicbt und daher Vlattfcheide genannt wird, wie dies z. V. die Blätter der Gräser deutlich erkennen lassen. Gewohnlich ist jedoch das Blatt an seinem Grunde als B l a t t s t i e l zusammengezogen, worauf es sich in eine Fläche, als eigentliches Blatt ausbreitet. Die Blattscheide gestaltet sich häusig zu den am GrundesitzendenNebenblättern, und der Blattstiel ist nicht selten so verkürzt, daß er fehlend erscheint und in diesem Falle wird das Blatt ein stielloses oder sitzendes genannt. Den Winkel, welchen das Blatt mit dem Stamme bildet, nennt man seine Achsel. Auch dem flüchtigsten Beobachter kann die große Mannichfaltigkeit der 49 verschiedenen Blattformen nicht entgehen, und in der That gehören die Blätter durch ihre eigenthümliche Bildung mit zu den wichtigsten äußeren Merkmalen nicht nur der einzelnen Pflanzen, sondern ganzer Geschlechter und Familien. Der Botaniker hat daher sehr auf die Blattformen zu achten und an lebendigen Beispielensicheinzuprägen, was hier nur im Allgemeinen angedeutet werden kann. Bei der Beschreibung des Blattes haben wir Rücksicht zu nehmen auf die Art der Vertheilung seiner Gefäßbündel, auf seine Form, auf die Beschaffenheit seines Randes, der Spitze und "des Grundes, d. h. der Stelle, wo es am Blattstiel oder Stamm aufsitzt, sowie endlich auf seine Stärke, Bedeckung und einige mehr ausnahmsweise auftretende Eigenschaften. Die vom Stamm in das Blatt ausbiegenden Gefäßbündel bilden die B l a t t n e r v e n oder Rippen und unterscheiden sich deutlich durch hellere Farbe und dichtere Masse vom übrigen Blatt; die Art ihrer Vertheilung im Blatt ist im Wesentlichen zweierlei: im ersten Falle treten gleichzeitig mehrere Blatt13* 196 H. Allgemeine Botanik. nerven in das Blatt ein, durchlaufen dasselbe ziemlich parallel der Länge nach und vereinigen sich wieder an dessen Spitze. Solche Blätter heißen krummner- vige oder p a r a l l e l n e r vig e undsindensichnur bei den Monokothlcdonen, z. B. bei den Gräsern, Lilien u. a. m. (Fig. 77 (a. vorig. S.) zeigt uns ein Mittelstück aus dem Blatte des Hafers und Fig. 78 (a. vorig. S.), die Spitze desselben; Fig. 79 ist ein Abdruck vom Blatte der M a i b l u m e . An beiden lassen sich stärkere und schwächere Nerven wahrnehmen, die neben einander laufen, jedoch niemals sich seitlich verzweigen. Bei der zweiten Art der Ncrventheilung tritt ein Hauptnerv in das Blatt und theilt sich in die Seitennerven. Letztere theilen und verzweigen' sich abcrmals in vielfacher Weise, so daß das ganze Blatt von einem aderigen Netzwerk durchzogen erscheint. Diese Vertheilung der Blattncrven ist nur den D i k o t y ledonen eigen und ein leicht aufzufassendes Kennzeichen derselben. Geht in diesem Falle ein starker Mittelnerv durch's ganze Blatt, der parallele Seitennerven abgiebt, so wird dieses ein fiedernerviges B l a t t genannt. Beispiele zeigen uns die Blatter der Weißbuche Fig. 80 und der Eiche, I I . Gestaltungslehre. Die Blätter. , 197 Fig. 81. Theilt sich dagegen der Hauptnerv alsbald strahlig in mehrere Neste, so bilden sie das handnervige B l a t t , das je nach der Zahl derstärkerhervor- tretenden Nerven drei-, vier- oder fünfnervig genannt wird, wovon wir am Wiesen-Storchschnabel (Fig. 82) und dem spitz blättrigen Ahorn Beispiele vor uns haben. Das Blatt des Letzteren ist besonders ausgezeichnet durch sein überausfeinadrigesNervennetz(s.S.295). Eigenthümlich ist die Nerventheilung beim spitzen Wegerich. Es laufen hier wie bei den Nonokothledonen mehrere Nerven parallel durch das Blatt (Fig. 83), welche jedoch seitwärts ein feines Netzwerk zeigen. 198 ^. Allgemeine Botanik. Beiden seither erwähnten Blättern liegen der Blattstiel und dessen Fortsetzung dieHaupt-und Seltennerven, in einerEbene. DasfchildnervigeBlattunterscheidetsichhiervon, indem die Blattnerven einen Winkel mit dem Blattstiel bilden. Deutlich wird dies Jedem sein, der sich eines Blattes der bekannten Capucinerkrefse (i'ropÄsolum) erinnert. 3tt Die Form des Blattes läßtsichin der Regel durch das Längenverhältniß des Hauptnervs zu den Seitennerven ausdrücken. Als Hauptformen bemerken wir: l i n i e n f ö r m i g , Fig. 84; lanzettförmig, Fig. 85; spateloder zungenförmig, Fig. 86; ei-lanzettförmig, Fig. 87; länglichrund (elliptisch), Fig. 88; eiförmig (oval), Fig. 89; spitz-eiförmig, Fig. 90; zugespitzt-eiförmig, Fig. 9 1 ; verkehrt-eiförmig, Fig. 92; rund, kreisrund, Fig. 93; viereckig, Fig.94; verkehrt-herzförmig, Fig. 95; mondförmig, Fig. 96. Als seltenere, jedoch leicht verständliche Blattformen sind noch die nadelförmigen, walzenförmigen, schwert- undsichelförmigen,sowie die röhrenförmigen Blätter anzuführen. 51 Die Spitze oder das obere Ende des Blattes erscheint entweder stumpf oder zugerundet, abgestutzt, eingedrückt, ausgerandet, spitzig, zugespitzt,stachelspitzig,stechend. Am Grunde oder unteren Ends P das Blatt nicht selten eingeschnitten, eingebogen oder getheilt, wodurch besondere Formen entstehen, wie z. B. herzförmig, Fig. 97; pfeilförmig,Fig.98;lanzenoder spießförmig, Fig. 99;nierenförmigu.s.w. I I . Gestaltungslehre. Die Blätter. 199 Der Rand des Blattes ist entweder gleichmäßig und ohne die geringste 52 Einbiegung oder Einschneidung, in welchem Falle dasselbe g a n z r a n d i g , Fig. 100, genannt wird, oder der Rand ist gekerbt, Fig. 1 0 1 ; g e z a h n t , Fig.^ 1 0 2 ; g e s ä g t , Fig. 103; wobei wie-" der manche Abänderungen und Nebenformen vorkommen, wie wellenförmig, bnchtig, doppelt gesägt u. a. m. Gehen die Einschnitte am Rande tiefer, so wird das Blatt, je nach der Stärke des Einschnittes und nach der Breite der dadurch entstehenden Theile g e l a p p t , g e s p a l t e n , g e t h e i l t oder z e r s c h n i t t e n genannt. So ist z. B. Fig. 104 ein handförmig gelapptes, Fig. 105 ein handförmig gespaltenes und Fig. 106 ein fußförmig getheiltes Blatt. Das ganze oder einfache Blatt ist, wie die seither betrachteten Blatt- 33 formen, auch bei der stärksten Theilung immerhin zu unterscheiden von dem zusammengesetzten Blatt, bei welchem an beiden Seiten eines Hauptblattstieles wieder Blattstiele mit besonderen Blättern fitzen. Am häufigsten findet man als zusammengesetzte Form das g e f i e d e r t e 200 ^.Allgemeine Botanik. f i n g e r f ö r m i g e , bei welchem man die Anzahl der Blätter zählt, als drei-, vier-, f ü n f f i n g e r i g e s Blatt, wie Fig. 110. Auch die Beschaffenheit der Oberfläche des Blattes und die Art seiner Bedeckung gehören mit zu den bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten desselben, denn entweder ist es g l a t t , glänzend, eben sder gestreift, gefaltet, kraus, mehr oder weniger behaart, steif, lederartig, verdickt u. s. w. Als besondere, von der gewöhnlichen Form abweichende Eigenthümlichkeiten sind das h e r a b l a u f e n d e , das verwachsene und durchwachsene Blatt zu bemerken, so wie die r a n k e n t r a g e n d e n und die d o r n i g e n Blätter. Eine der merkwürdigsten Blattbildungen findet sich bei dem ostindischen K a n nenkraut (X6p6iitk68 äsätiiiatoi-ia), indem aus einer Verlängerung der Mittelrippe des Blattes ein krugförmiges Gebilde hervorgeht (Fig. 111), das mit einem Deckel versehen ist und reines Wasser enthält. D i e S t e l l u n g der B l ä t t e r . 34 Wir haben bereits in §. 47 einige der Eigenthümlichkeiten und die denselben entsprechenden Benennungen kennen gelernt, die hinsichtlich der Stellung der Blätter am Stamme stattfinden. Manche andere, die Blattstellung betreffende Ausdrücke, wie zerstreute, gedrängte, büschelige, wechselständige, sind schon an sich ziemlich verständlich. Q u i r l - oder wirtelständig sind die Blätter, wenn drei, vier I I . Gestaltungslehre. Die Blätter. 201 oder noch mehr derselben in gleicher Höhe am Umfange des Stammes stehen. Ist dies nur bei zwei Blättern der Fall, so heißen sie gegenüberstehend. Der Blattstellung überhaupt, auch der scheinbar ganz regellos zerstreuten, liegt eine bestimmte Gesetzmäßigkeit zu Grunde. Verfolgt man, von dem unteren Blatte eines Stammes ausgehend, eine nach Oben, von Blatt zu Blatt gezogene Linie, so windet sich diese als Spirale aufwärts. Der seitliche Abstand der dabei nach einander folgenden Blätter bleibt sich stets gleich und ist von bestimmter Größe. Derselbe beträgt entweder die Hälfte, oder ein Drittel, oder zwei Fünftel vom Kreisumfang des Stammes und es erscheinen an diesem die Blätter im ersten Falle in zwei Längsreihen oder Zeilen, im zweiten in drei und im letzten Falle in fünf Zeilen geordnet. I m ersten Falle, der bei Gräsern und Lilien anzutreffen ist, steht nach einmaligem Umlauf der Spirale, das dritte Blatt wieder über dem ersten; bei der Drittelstellung findet man nach einmaligem Umlauf das vierte Blatt über dem ersten stehend, wovon die Birke und die Riedgräser Beispiele bieten; endlich bei der Zweifünftelstellung trifft man nach zweimaligem Umlauf der Spirale erst das sechste Blatt ^wieder über dem ersten, das siebente über dem zweiten u. s. f., was bei der Pappel und den Obstbäumen der Fall ist. Außer diesen einfacheren und bekannteren Verhältnissen, giebt es noch manche von mehr verwickelter Art, die jedoch in gesetzmäßiger Weise sich ableiten lassen. Man bezeichnet die Blattstellung durch einen Bruch, z. B. in den vorstehenden Fallen durch 1/2, V ^ Vö- Der Zahler giebt an, wie oft die Spirale um den Stamm geht, bis wieder ein Blatt über dem ersten . steht, somit ein W i r b e l oder Cyclus vollendet ist und ein neuer beginnt; der Nenner zeigt die Zahl der Blätter a n , welche einen Cyclus ausmachen, sowie die ihrer Längszeilen am Stamme. Auch die ganz gedrängt stehenden Deckblätter an Blüthen und an den Zapfen der Nadelhölzer entsprechen dm Gesetzen der Blattstellung. Die Blätter nehmen einen wichtigen Antheil an den Lebenserscheinungen 35 der Pflanze. Es geht dies schon daraus hervor, daß fast jede Pflanze, zu einer gewissen Zeit ihrer Blätter beraubt, in ihrer Entwickelung wesentlich zurückgesetzt wird oder selbst zu Grunde geht. ^ Die Verrichtung der Blätter ist zweierlei, nämlich: 1. Verdunstung von Wasserdampf; 2. Aufnahme und Ausscheidung von Gasarten. Die Pflanze verwendet bei weitem nicht die ganze Menge des von ihrer Wurzel eingesaugten Wassers, sondern dunstet 2/g und mehr desselben durch die Blätter wieder aus. Die Verdunstung geschieht durch die §. 19 beschriebenen Spaltöffnungen, deren durchschnittlich 300 auf einer Quadratlinie der gewöhnlichen Laubblätter vorhanden sind. Der in den Zellen der Blätter zurückbleibende Saft muß dadurch nothwendig concentrirter werden und nach den Gesehen der Endosmose (siehe §. 89) den Eintritt von verdünnterer Flüssigkeit aus den benachbarten Zellen und hierdurch die ganze Saftbewegung bewirken. Dagegen werden in den Blattzellen die nicht flüchtigen mineralischen Stoffe, die das Wasser dem Boden entzogen hatte, zurückbleiben, und in der That liefern die Blätter beim Verbrennen vorzugsweise viel Asche. 202 H.. Allgemeine Botanik. Durch die an ihrer Oberstäche reichlich stattfindende Verdunstung tragen die Pflanzen bedeutend zur Erniedrigung der Temperatur bei, und der Einfluß ausgedehnter Wälder und bebauter Felder auf das Klima eines Landes ist in die Augen fallend. Man hat beobachtet, daß ein Baum von geringer Größe in 24 Stunden 18 Pfd. Waffer, und daß ein Quadratfuß Rasen in derselben Zeit 5/4 Pfund Wasser verdunstet. Unsere Felder find durchschnittlich vier Monate oder 120 Tage lang mit den gewöhnlichen Culturpstanzen bestellt und ein Morgen derselben von 40,000 Quadratfuß verdunstet während dieser Zeit etwa I V2 bis 2 Millionen Pfund Wasser, der Rasen von einem Morgen Wiesen« land dagegen 6 Millionen Pfund. 56 Unter dem Einfluß des Sonnenlichts scheiden die Blätter Sauerstoff aus, während sie im Gegentheil des Nachts den Sauerstoffgehalt der sie umgebenden Luft vermindern und Kohlensäure an dieselbe abgeben. Auch steht die Thatsache fest, daß die Blätter im Stande sind, geradezu aus der Luft Kohlensäure und Wasserdampf aufzunehmen und so zur Ernährung der Pflanze mit beizutragen, die im Uebrigen jedoch als fast ausschließlich von der Wurzel ausgehend angesehen werden kann. Zu bemerken ist noch, daß die in diesem Abschnitte beschriebenen Verrichtungen der Blätter auch allen übrigen grünen und mit Spaltöffnungen versehenen Theilen der Pflanze zukommen. Die nicht grün gefärbten Theile der Pflanze, wie namentlich die Blüthe und am stärksten die Staubgefäße, nehmen dagegen aus der Luft Sauerstoff auf und geben Kohlensäure an dieselbe zurück. D5s 57 Nlütks. Bei dem ungeheuren Vernichtungswerk, welches der zersetzende Einfluß der Elemente, die Thierwelt und der Mensch mit Feuer, Axt und Zahn fortwährend gegen die Pflanzenwelt ausüben, würde dieselbe längst von der Oberfläche der Erde verschwunden sein, wenn ihr nicht selbst die Fähigkeit verliehen wäre, ihre fortwährende Verjüngung und Wiedergeburt zu bewirken. So aber erzeugt eine jede Pflanze während ihres Lebens eine meist außerordentlich große Anzahl von Gebilden, welche die Fähigkeit besitzen, unter günstigen Umständen zu neuen Pflanzen derselben Art sich zu entwickeln. Als solche "haben wir bereits die Knospen kennen gelernt, welche bestimmt sind, das Leben ihrer Mutterpflanze gleichsam fortzusetzen und die insbesondere bei den Zwiebeln und Knollen eine ausgezeichnete Lebens- und Entwickelungsfähigkeit besitzen. Hiervon abgesehen erscheint als Negel du Hervorbringung-und Weiterentwickelung einer neuen Pflanze an das Vorhandensein ganz eigenthümlich gebauter und vor den übrigen Pflanzentheilen sehr ausgezeichneter Gebilde gebunden, die man B l ü t h e n nennt. An gewissen Stellen der Blüthe entstehen kleine Samenknospen, gewöhnlicher Ei'chen genannt, welche bestimmt sind, durch den Blüthenstaub befruchtet zu werden, und sich nachher zu einem sehr kleinen, aber*vollständigen Pfiänzchen, E m b r y o genannt, auszubilden. Nachdem dieses geschehen ist, tritt ein Stillstand ein, das ganze Gebilde fällt von I I . Geftaltungslehre. Die Blüthe. 203 der Mutterpflanze ab und wird nun als S a m e n bezeichnet. Es ist hinlänglich bekannt, daß dieser Samen unter günstigen Verhältnissen sein Leben beginnt und zu einer Pflanze sich entwickelt, auch wenn er mitunter sehr lange Zeit gleichsam schlummernd ohne LebenstMgkeit zugebracht hatte. Wir haben bereits in §. 23 diejenigen Gewächse, bei welchen die eben erwähnten Verhältnisse in leicht erkenntlicher Weise sich beobachten lassen, als deutlich blühende P f l a n z e n oder Phanerogamen bezeichnet und erwähnt, daß hierher sämmtliche Monokotyledonen und Dikotyledonen gehören. Bei den Akotyledonen findet man dagegen die der Fortpflanzung dienenden Organe nur in sehr dürftiger Weise ausgebildet, weshalb sie K r y p t o g a m e n , d. i. undeutlich oder verborgen blühende P f l a n z e n , genannt wurden. Hier hatte man anfanglich nur staubartige, der Fortpflanzung dienende Keimzellen oder S p o r e n entdeckt, und unvermittelt schien eine große Kluft diese Abtheilung des Pflanzenreichs von der vorhergehenden zu trennen. Es gehört aber zu den merkwürdigsten Ergebnissen neuerer Forschung der Nachweis, daß auch bei den unvollkommneren Pflanzen die Hervorbringung eines neuen Individuums von der Zusammenwirkung zweier verschiedener Organe abhangig ist, daß auch bei ihnen eine Befruchtung Statt findet. Diese Annäherung an die Phanerogamen ist bereits für alle Kryptogamen mit Ausnahme der Pilze und Flechten aufgefunden worden. Indem das Wesentliche über die Fortpflanzung Letzterer der Einzelbeschreibung ihrer Familie vorbehalten bleibt, fassen wir hier als Blüthe diejenigen Pftanzentheile auf, die allgemein als solche bezeichnet werden. Möge es dem Botaniker nicht verargt werden, wenn er bei Betrachtung 58 der Blüthe zunächst weniger Werth auf deren Pracht, Anmuth, Duft und Farbenschmelz zu legen scheint^ als auf manches andere weniger in die Sinne Fallende. Es entgeht ihm bei dor Betrachtung der kleinen Einzelheiten ebenso wenig der Eindruck des Ganzen, als irgend ein Kunstwerk dadurch verlieren würde, daß wir uns vorher mit den Mitteln feiner Hervorbringung bekannt gemacht haben. Gin Anderes ist es, ein Kunstwerk oder einen Naturgegenstand ansehen und anstaunen, als denselben verstehen und genießen. Unter B l ü t h e verstehen wir eigenthümlich gestaltete Blätter, B l ü t h e n b l ä t t e r , welche zur Hervorbringung des Samens bestimmt sind. Diese Blätter unterscheiden sich in ihrer äußeren Form sichtlich von den übrigen Blättern der Pflanze und bilden bei der vollständigenVlüthe vier unter einander verschiedene Blüthenblattkreise. Die beiden äußeren Kreise nehmen an der Samenbildung keinen Antheil, sie sind der unwesentliche Theil der Blüthe und fehlen nicht selten theilweise oder gänzlich, ohne daß dadurch die Bestimmung jener vereitelt wird. Man bezeichnet daher im Allgemeinen die äußeren Blätter als Blüthendecke. Das Vorhandensein der beiden inneren Kreise der Blüthenblätter ist dagegen nothwendig, und sie sind deshalb als die wesentlichen B l ü t h e n t h e i l e zu betrachten. Von außen nach innen oder, richtiger gesagt, von unten nach oben gehend, haben wir bei der vollständigen Blüthe die folgenden vier verschiedenen Blattkreise: 1. Die Kelchblätter. 2. Die Kronenblätter. 3. Die S t a u b - 204 H.. Allgemeine Botanik. blätter. 4. Die Fruchtblätter, welche wir unter den gewöhnlicheren Namen von Kelch, Krone, Staubfäden und Stempel betrachten werden. So auffallende Verschiedenheiten die eben genannten Blüthentheile auf den ersten Blick auch-darbieten, so läßt V>ch*die vergleichende Peobachtung ihre gemeinsame Natur als Blattgebilde nicht verkennen. Die Aehnlichkeit vieler Kelchblatter mit den Stengelblättern fällt leicht in die Augen; andererseits aber lassen sich häusig die Kelchblätter nicht unterscheiden von den Kronblättern und diese bilden wieder Uebergänge in Staubfäden, während endlich die Stempel bei der Fruchtentwickelung eine große Blattähnlichkeit annehmen oder mitunter gar in völlige Blätter sich umbilden. Es ist das Verdienst Göthe's, das Einheitliche in diesen Umgestaltungen oder Metamorphosen der Pflanzentheile nachgewiesen zu haben. Dasselbe bestätigt sich auch in anatomischer Hinsicht; wir finden in all diesen Blüthentheilen Spiralgefäße und Parenchymgewebe, letzteres oft von äußerster Zartheit« 59 1. D e r K e l c h (Oai^x). Die Kelchblätter nähern sich durch ihre grüne Farbe und derbere Beschaffenheit noch sehr den Stengelblättern. Bei manchen Pflanzen hat der Kelch jedoch eine von diesen abweichende Farbe, wie z.B. bei derFuchsia eine schone fcharlachrothe. Nicht selten ist der Kelch fehlend oder abfallend, wenn er, wie beim Mohn und der Rebenblüthe, bei dem Aufblühen abfällt. Wenn die inneren Blüthentheile nur von einem Blattkreise umgeben sind, oder wettn deren zwei vorhanden, aber von gleicher Farbe sind, wie z. B. bei der Tulpe, so bezeichnet man diese äußeren Vlüthentheile als B l ü t h e n h ü l l e (Pcrigonium). Der Kelch ist entweder m e h r b l ä t t r i g , oder einblättrig. Am mehrblättrigen Kelch zählt man die einzelnen Blättchen und beschreibt ihre Form und Stellung. Beim einblättrigen Kelch nimmt man auf den Rand oder Saum Rücksicht, der gewöhnlich gezahnt ist, und auf seine Form. Der verengerte untere Theil desselben heißt der Schlund. Hinsichtlich der Form ist der Kelch: röhren-oderwalzenförmig, Fig.112; keulenförmig, Fig. 113; kreiselförmig, Fig. 114; glockig, Fig. 115; trichterförmig, Fig. 116; k r u g f ö r M i g , Fig. 117; kugelig, Fig. 118; aufgeblasen u. a. m. I I . Gestaltungslehre. Die Blüthe. 205 Der Schlund des Kelches ist entweder nackt oder behaart und durch die Haare bisweilen verschlossen. Regelmäßig heißt der Kelch, wenn alle seine einzelnen Blättchen einander vollkommen gleich sind; im entgegengesetzten Falle ist er unregelmäßig. Ein häusig vorkommendes Beispiel des unregelmäßigen einblättrigen Kelches ist der zweilippige Kelch, der durch einen Einschnitt in zwei sogenannte Lippen getheilt ist. Er findet sich unter anderen beim Salbei. 2. D i e Krone (Ooroiia.). Bei weitem auffallender weichen die Kronblätter i n ihrer Bildung von den 6N Stengelblättern ab. Durch ihre Zartheit und Farbenpracht verleihensieder Pflanze den herrlichsten Schmuck, die ja so häusig nur um dessen willen gepflegt wird, denn zu.allen Zeiten sind Blumen die Lieblinge des Menschen;sieschmücken seine Feste und sein Grab. Das weiche, sammtartige Ansehen, welches vielen Blumenblättern eigen ist, rührtdavonher,daß die Zellen ihrer Oberhaut, P u p i l l e n genannt, eine eigenthümliche, kegelförmige Gestalt, Fig. 119 a, haben. Die Farbe selbst rührt bei den blauen, violetten und karminrothm Blumenblättern von einem in den Zellen enthaltenen, entsprechend gefärbten Safte - her, bei den gelben und gelbrothen aber von chlorophyllartigen Körnern. Weiße Blumenblätter haben lufthaltige Zellen. Ein weiterer Reiz der Blüthe besteht i n ihrem lieblichen Duft. Sie verdankt denselben theils flüchtigen Oelen, theils ätherartigen Flüssigkeiten, welche in den Zellen gebildet werden. I m Uebrigen zeigt die Krone viel Übereinstimmendes mit dem Kelche. Sie ist wie dieser mehrblättrig oder einblättrig, regelmäßig oder unregelmäßig. An den einzelnen Kronblättern unterscheidet man die Blattfläche und den unteren, zuweilen stielartigen Theil, der N a g e l heißt und welcher mitunter ziemlich lang ist, wie z. V . bei der Nelke. Viele Formen der einblättrigen Krone stimmen mit den in §. 59 abgebildeten des Kelches überein und erhalten daher auch dieselben Benennungen. Als besondere Formen führen wir die folgenden an: kugelförmig, Fig. 120; eiförmig, Fig. 121;länglich oder kegelförmig, Fig. 122; glockenförmig 206 H.. Allgemeine Botanik. ^ Fig. 123; r ö h r e n f ö r m i g , Fig. 124; trichterförmig, Fig. 125; prasen-'! t i r t e l l e r f ö r m i g , Fig. 126; r a d f ö r m i g , Fig. 127. 61 Als unregelmäßige Vlumenkronen kommen zwei Formen besonders häusig vor, wovon die erste mehrblättrig und die zweite einblättrig ist. 128) besteht aus fünf Blättern, von welchen das obere einzelnstehendeund meist größere die Fahne heißt. Zu beiden Seiten befinden sich die F l ü g e l , und die zwei übrigen Vlättchen bilden zusammengeneigt einen spitzen Schnabel, das sogenannte Schiffchen. Solche Blüthen findet man bei der Bohne, der Erbse und vielen anderen Wanzen, welche die große Familie der Schmetterlingsblumen ausmachen. DielippenförmigeVlumenkrone (Fig. 129) ist durch einen Einschnitt in die Oberlippe und Unterlippe getheilt. Erstcrc ist zuweilen stark gewölbt und wird alsdann Helm genannt. Die Unterlippe ist in der Regel in drei Lappen oder Abschnitte getheilt. Der untere, röhrenförmige Theil der Lippenblume heißt Schlund. Kann M a n d e n s e l ben hineinsehen, so ist dieKrone rachenförm'ig oder offenstehend, ist der Schlund aber durch eine wulstige Auftreibung der Unterlippe geschlossen, wie dies bei dem bekannten Löwenmäulchen der Fall ist, so nennt man die Krone maskirt. Die Lippenblumen sind zahlreich und bilden eine große Familie, wohin unter anderen der S a l b e i und die Taubnessel gehören. I I . Gestaltungslehre. Die Bliche. 207 3. D i e S t a u b f ä d e n Mainina,). D m dritten Blattkreis der Blüthe bilden die S t a u b b l ä t t e r , die in 62 ihrer Gestalt von der gewöhnlichen Blattform so bedeutend abweichen, daß sie als Fäden bezeichnet werden. I n der That erscheinen dieselben meistens so zusammengezogen, daßsieNiemand als Blätter ansehen und bezeichnen würde, wenn nicht bei vielen Blüthen der Uebergang aus den Kronblättern in Staubfäden deutlich nachweisbar wäre. Untersuchen wir z. B. die Kronblätter einer weißen Seerose, einer gewöhnlichen gefüllten Rose und Nelke, so finden wir die nach der Mitte zustehendenKronblätter immer schmäler werdend, alsbald mit einem gelben Köpfchen versehen, sodann schon theilweise fadenförmig, wieFig. 130, und endlich erscheinen vollständig ausgebildete Staubfäden. I m Uebrigen finden wir die Staubfäden mehr oder weniger dünn, Fig. 131, mitunter breit, Fig. 132, und ebenso von sehr verschiedener Länge. Man unterscheidet an den Staubfäden den unteren, meist fadenförmigen, 63 daher vorzugsweise als Faden oder Träger(^iiainSutnia) bezeichneten Theil, und den oberen, der als kugeliger oder länglicher Schlauch mitstaubartigcmI n halt erscheint, und S t a u b b e h ä l t e r (^.rMsrÄ.) genannt wird. Der letztere ist der wesentliche Theil, und der Faden fehlt nicht selten oder ist vielmehr so verkürzt oder mit anderen Vlüthentheilen verwachsen, daß der Staubbehälter ungestielt oder sitzend genannt wird. Die Staubfäden gehören zu den wichtigsten Merkmalen für die Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen, und man nimmt dabei Rückficht auf ihre Anzahl, Länge und Stellung, sowie darauf, ob sie unter einander oder mit anderen Theilen der Blüthen verwachsen sind. Unter sich verwachsene Staubfäden werden v e r b r ü d e r t Genannt. Indem der Staubfaden, ähnlich wie der Blattstiel als Mittelrippe eines 64 Blattes fortläuft, durch den ßtaubbetzälter sich verlängert, theilt er denselben in zwei Fächer« Manche Pflanzen haben jedoch einfächerige oder vierfächenge Staubbchältcr. Als Inhalt derselben finden wir den P o l l e n oder B l ü t h e n staub, einen meistens gelb, zuweilen auch roth, braun, violett, blau oder grün gefärbten Staub, dessen Körnchen einen Durchmesser von V20 bis VZoo Linie haben. Betrachtet man dieselben mittelst starker Vergrößerung, sostellensichdiese winzige Stäubchm als rundli5)e Schläuche dar, die oft sehr zierlich mit kleinen Stacheln, Warzen oder Leisten besetzt sind, Fig. 133, 134,135 u. 136, und an manchen 208 H.. Allgemeine Botanik. Stellen freie, oder mit einem Deckel verschlossene Oeffnungen oder Poren zeigen. An solchen Oeffnungen erkennt man das Vorhandensein einer zweiten oder inneren Pollenhaut, welche eine schleimige, körnige Flüssigkeit, F o V i l l a genannt, einschließt, die mitunter Oeltröpfchen enthält. Wenn das Pollenkorn mit Wasser befeuchtet wird, so saugt es dieses kraftig ein, schwillt beträchtlich, die innere Haut wird an den Poren hervorgetrieben und endlich zerplatzt das Pollenkorn. Bei allmählicher Einwirkung von Feuchtigkeit sieht man dagegen dünne Röhren, die sogenannten Pollenschläuche, Fig. 137 und 136 aus den Körnchen hervortrciben, die bei der Befruchtung der Pflanze eine wichtige Rolle spielen. Denn die Pollenkörner dienen diesem Zwecke, indem jene schlauchartigen Fadensichverlängern und eine Samenknospe aufsuchen, um mit derselben in Verbindung zu treten. Letzere finden wir aber im vierten Blattkreis der Blüthe, in den Fruchtblättern oder Stempeln, und die von hier ausgehende Entwickelung werden wir bei der Beschreibung des Samens näher betrachten. Zu einer bestimmten Zeit springt daher der Staubbehälter der Länge nach oder an einzelnen Punkten auf und schüttelt als kleines Wölkchen seine Pollenkörner aus, von welchen dann einzelne an den Ort ihrer Bestimmung gelangen. I n der Regel ist die Stellung der Staubfäden zu den Fruchtblättern von der Art, daß diese den Staub leicht aufnehmen können. Mitunter ist dies jedoch nicht der Fall, indem die Fäden entweder zu kurz sind, oder in anderen Blüthen, ja auf anderen Pflanzen sitzen. I n diesem Falle übernehmen der Wind und die Insecten, namentlich die Bienen, das Geschäft der Übertragung des Staubes auf das Fruchtblatt. Entfernt man die Staubbehälter vor ihrem Aufspringen aus einer Blüthe, so entwickelt diese keine Frucht. Die künstliche Bestaubung geschieht, indem man einer Blüthe die eigenen Staubfäden nimmt und die einer anderen Blüthe auf dieselbe ausstauben läßt. Man bezweckt hierdurch die Hervorbringung gemischter oder sogenannter S p i e l a r t e n (Sorten) und befolgt dies namentlich bei Levkojen und Nelken. H. D e r S t e m p e l 63 (Visbiiinru.), Die Fruchtblätter oder S t e m p e l bilden endlich den vierten und letzten Blattkreis der Blüthe, und stehen in der Mitte derselben und an der Spitze der Achse, deren Wachsthum mit der Hervorbringung der Frucht abgeschlossen ist. Merkwürdiger Weise nähern sich die Fruchtblätter in ihrer Bildung wieder mehr den Stengelblattern, theils in der ihnen eigenen grünen Farbe, theils durch ihren Bau, der namentlich bei ihrem Heranwachsen zur Frucht oft die entschiedenste Blattähnlichkeit zeigt. Die Entstehung des Stempels aus einem I I . Gchaltnngslchre. Die Blüthe. 209 .Blatte hat man sich nach Fig. 139 in der Weise vorzustellen, daß dessen Ränder sich einwärts biegen und mit einander verwachsen, während der Mittelnerv zu einem längeren Theile fortmachst. Die Stelle, wo die Ränder des Fruchtblattes verwachsen, heißt N a h t , und an dieser entwickelt sich in der Regel die Anlage der künftigen Frucht, welche das Eichen (Ovniuni) oder die S a m e n knospe (AOWNnIg) genannt und später einer besonderen Betrachtung unterworfen wird. Man unterscheidet an dem ausgebildeten Stempel drei Theile, den unteren, meist etwas dickeren, welcher die Fruchtanlagen einschließt und daher Fruchtknoten (Ovarium oder (3-6i'N6n) heißt (Fig. 140 a), und in einen hohlen fadenförmigen Theil ö, G r i f f e l oder S t a u b w e g (ät^ins) genannt, übergeht, der an seinem Ende die Narbe (ZtiFms.) 6 trägt, die bald die Form eines Federchens hat, bald die einer Vertiefung, mit einem klebrigen Safte bedeckt. Der Griffel ist nicht selten so verkürzt, daß die Narbe als eine unmittelbar auf dem Fruchtknoten sitzende erscheint. Die Blüthe enthält entweder nur ein einziges Fruchtblatt, oder sie enthält deren mehrere. I n letzterem Falle ist entweder jedes einzelne Fruchtblatt für sich zu einem Stempel ausgebildet, oder dieselben find unter einander verwachsen. Dem Anscheine nach ist alsdann nur ein Stempel vorhanden, allein meist läßt sich aus der Anzahl der Griffel oder, wenn auch diese verwachsen find, aus der der Narben bestimmen, wie viel Fruchtblätter vorhanden Maren. Die Art des VerWachsens dieser bietet mehrere Abänderungen dar, die namentlich von Einfluß auf die Form der Frucht sind. Gleichwie die Staubfäden gehören die Stempel zu den für die Beschreibung und Einteilung der Pflanzen wichtigsten Merkmalen. Es muß jedoch bemerkt werden, daß bei manchen Pflanzen, z. B. bei den Nadelhölzern, die Stempel gänzlich fehlen, obgleich Samenknospen vorhanden sind. G e g e n s e i t i g e s V e r h a l t e n der B l ü t h e n t h e i l e . Abgesehen von den bisher angeführten Werkmalen der-emzelnm Blüthen« 66 theile bieten dieselben noch manche Eigenthümlichkeiten in ihrem gegenseitigen Verhalten dar, was bei der Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen sehr zu berücksichtigen ist. Hierher gehört zunächst die gegenseitige Stellung der Blüthentheile. Wir haben die Blüthen als eine Reihenfolge von eigenthümlichen Blattgebilden bezeichnet, welche übereinander stehend am Ende einer Hauptoder Seitenachse deren Wachsthum abschließt. Das blüthetragende Ende heißt der B l ü t h e n s t i e l (^etiolus). Die Abstände (Interfoliartheile, s. §. 28) der an ihm austretenden Blätter sind jedoch so verkürzt, daß mit seltenen Ausnahmen die vier Blattkreise der Blüthe dicht aneinander gedrängt stehen. Es hat somit der Stempel den obersten Theil, die Spitze der Blüthe, einzunehmen. H.. Allgemeine Botanik. 210 unterhalb welcher die Staubfäden und die Vlüthendecken (§. 58) folgen. Dich der Regel gemäße Stellung findet jedoch nicht immer Statt. Oefter erheben sich die unteren Blüthetheile über den Stempel und überragen denselben gänzlich. Dieses Verhältniß des Stempels ^— oder seines wesentlichen Theiles des F r u c h t k n o t e n s — zu den übrigen Blüthentheilen verdient besondere Beachtung, weil es bei der Eintheilung der Pflanzen mehrfach benutzt worden ist. Folgen der Regel gemäß alle Vlattkreise frei nach einander, so nehmen Staubfäden und Blüthendecken die ihnen zukommende Stellung unterhalb des Stempels wirklich ein; sie sind alsdann u n t e r s t ä n d i g st^o^ua.), Fig. 141. Pflanzen, bei welchen dies Statt findet, werden bod e n b l ü t h i g e (iii^Iamiüoi'aO) genannt. Andere heißen k e l c h b l ü t h i g e Pflanzen ( ( ^ I ^ M o i ^ s ) , weil ihre Staubfäden am Grunde mit Krone und Kelch derart verschmolzen sind, daß sie aufletzterem zu stehen scheinen. Umgeben hierbei die genannten Blüthentheile den in der Mitte frei verbleibenden Stempel, wie bei Fig. 142, so sind sie umständig ( p s r i ^ ua); während dieselben ob erstlind i g ( 6 ^ M I . ) genannt werden, wenn sie wie Fig. 1.43 u. 144 zeigt, M t den Fruchtblättern verschmolzen sind und oberhalb der Fruchtknoten stehen Auch begegnet man häusig einer Verschmelzung der Staubfäden mit der Krone, so daß die Staubbehälter an den Kronblättcrn angehestet erscheinen, wie dies derFall ist bei den sogenannten K r o n b l ü t h l e r n ( O o rolMoinS), Endlich trifft man bei manchen Pflanzen eine Verwachsung der Staubfäden mit den Stempeln, so daß die Staubbehälter auf letzteren sitzend erscheinen. 67 Blüthen, in welchen der Regel gemäß alle vier BlattMse werden vollständige Blüthen genannt; unvollständig sind sie, wenn eins oder mehrere dieser Organe fehlen. Z w i t t e r b l ü t h e n heißen solche, in welchen man Staubbehälter und Stempel findet. Enthält dagegen eine Blüthe nur Staubfäden, so wird sie eine m ä n n l i c h e , enthält sie nur Fruchtblätter, dann wird sie eine weibliche Blüthe genannt. Als geschlechtslos bezeichnet man Blüthen, denen beide innere Blattkreise fehlen. Es giebt Pflanzen, bei welchen männliche und weibliche Blüthen auf einem und demselben Stamme vorkommen, wie bei der Haselnuß und der Eiche, I I . Geswltungslehre. Die Blüthe. 211 weshalb dieselben einhäusig sind, während bei den zwcihäusigen Pflanzen die männlichen und weiblichen Blüthen auf verschiedenen Stämmen derselben Art angetroffen werden, was z. B. bei der Neide, dem Hanf und dem Hopfen der Fall ist. Zufällige Blüthentheile. Wir bezeichnen hiermit verschiedene Bildungen, die nur an manchen Blü- 68 then angetroffen werden, und daher als unwesentlich anzusehen sind, wie der K r a n z , eine Mittelbildung zwischen Krone und Staubblatt, besonders kenntlich bei der weißen Narcisse (Sternblume) als rother Ring. Aehnlich ist die Schuppe oder das Schüppchen, das man z. B. unten an den Kronblättchen des Vergißmemnichts findet. Beide Bildungen mögen als Nebenblätter der Kronblätter anzusehen sein. Sehr häufig finden sich drüsige Bildungen, die einen zuckerigen Saft absondern und Nektarien genannt werden. N1u.^d.6rl8taQä. Nachdem wir die Blüthe in ihren einzelnen Theilen kennen gelernt haben, 69 bleibt uns noch übrig, ihre Stellung als Ganzes zu anderen Blüthen und zum Stamme zu betrachten. Man bezeichnet dieses Verhältniß durch den Ausdruck Blüthenstand. Bei manchen Pflanzen ist der Stengel einfach, ohne Verzweigung und erzeugt daher nur eine einzige Endblüthe, wie z. B. bei der Tulpe. Ein solch einblüthiger Stengel wird S c h a f t (Ica^us) genannt. Der verzweigte Stengel ist dagegen mehrblüthig. Die Blüthen sind entweder gestielt, oder ungestielt, in letzterem Falle auch fitzend genannt. Beschließt die Blüthe das Wachsthum einer Achse, so heißtsieEndblüthe, im anderen Falle Seitenblüthe. Die achselständige Blüthe entspringt aus der Achsel eines Blattes, welches Deckblatt (6rNot6a) genannt wird. Dasselbe hat entweder eine besondere Gestalt, oder es hat die der übrigen Stengelblätter. Auch findet man ganz allmähliche Uebergänge von Stengelblättern in abweichend gestaltete Deckblätter, ja, es ssiebt Beispiele, wo letztere eine eigenthümliche Färbung annehmen, wie bei den schön purpurrothen Deckblättern des Ackerkuhweizen. gerstreut sind die Blüthen, wennsieeinzeln, ohne besonders ins Auge , fallende Ordnung an verschiedenen Stellen der Wanze auftreten; genäherte oder gedrängte Blüthen bilden dagegen Gruppen von eigenthümlicher Form und entsprechender Benennung. Bei dem gedrängten Blüthenflande bemerken wir den gemeinschaftlichen 7l) Blüthenstiel, der S p i n d e l (Rackis) genannt wird. Dieser gemeinsame Träger vieler Blüthen ist an seinem Grunde zuweilen von einem einzigen großen Blatte umschlossen, welches Blumenscheide (8xMa,) genannt wird; hat sich jedoch ein Kreis von Deckblättern um den Blüthenstand gereiht, so bilden diese die Blumenhülle (Involuornin). Die Scheide finden wir z. B. bei Calla, 14* N2 H.. Allgemeine Botanik. Aron und den Palmen; die H ü l l e bei der Sonnenblume und den übrigen Kompositen. S . Fig. 151, bi>. 71 Von der Länge, Dicke und Breite der Spindel, von der Länge der Stiele der einzelnen Blüthen und von der Form und Beschaffenheit der Deckblätter hängt nun hauptsächlich die äußere Erscheinung des Blüthenstandes ab, von dem wir folgende Hauptformen unterscheiden: 1. Die A ehre (Ioioch Fig. 145; ungestielte oder kurzgestielteVlüthchen sitzen längs der Spindel in den Achseln der Deckblättchen. Die Aehre ist zusammengesetzt, wenn aus den Blattachseln wieder kleine Aehrchen hervorkommen. 2. Das Kätzchen (^.mEntuui), Fig. 146, eine gewöhnlich herabhängende Aehre, deren ganze Spindel nach dem Verblühen abfällt (Haselnuß). 3. Der Kolben ( 8 ^ ä i x ) , eine Aehre mit sehr dicker,fleischigerSpindel (Kalmus). 4. Der Zapfen (Vtrodiins), ein Kätzchen mit holzigen, schindelartigen Deckblättern (Nadelhölzer). 5. Die Traube oder das Träubchen (Rao6uin8), Fig. 147, eine Aehre, deren Blüthchen etwas länger gestielt sind (Johannisbeere). 6) Die Rispe (?anioula) ist eine Traube mit verästelten, blüthetragenden Nebenachsen (Schilfrohr). 7. DerStrauMk^r» ans), eine stark vcrästelt-e Rispe, deren untere und obere Seiten ästchen kürzer sind, als die mittleren, so daß der ganze Blüthenstand eine eiförmige (straußförmige) Gestalt erhält (Flieder oder Synnga, Hartriegel). 8. Die Doldentraube (Ooi^uibnZ), Fig. 148, eine Traube mit verkürzter Spindel und verlängerten Nebenachsen (Bauernsenf). 9. Die Schelndolde oder Trugdolde (O^uia.), eine Doldentraube mit ver- I I . Gestaltungslehre. Die Blüthe. ' 21Z ästelten Nebenachsen (Hollunder, Schneeball). 10. Die D o l d e oder der S c h i r m (Ilmdsiia), Fig. 149, ein Vlüthenstand mit verschwindend kurzer Spindel, so daß alle blüthetragenden Nebenachsen an einer gemeinschaftlichen Stelle zu entspringen scheinen, an welcher alle Deckblätter in einen Quirl (§. 54) gestellt erscheinen und eine gemeinschaftliche Hülle bilden. Bei der zusammengesetzten Dolde tragen die einzelnen Nebcnachsen abermals kleine Döldchen, mit oder ohne Hüllchen« Dieser sehrcharakteristischeBlüthenstand findet sich namentlich bei der großen Familie der Doldenträger (vNdsIliksi'aS), zu welcher u. a. der Kümmel und die gelbe Rübe oder Möhre gehören. 11. Das Köpfchen (O^ituiuui) Fig. 150, besteht aus kleinen, kurzoder ungestielten Blüthchen, die auf einer sehr verkürzten Spindel dicht neben einander und über einander sitzen (Klee). 12. Wenn sich hierbei die Spin- del beträchtlich verdickt und zu einer Scheibe ausbreitet, so entsteht ein ganz eigenthümlicher, einer großen Anzahl von Pflanzen zukommender Blüthenstand, den uns die Durchschnittszeichnung, Fig. 151, erläutert. Wir sehen hier die verdickte Spindel oder Scheibe a, umgeben von mehreren Kreisen von Deckblättern, bi>, die zusammen eine gemeinschaftliche Hülle bilden. Die kleinen Deckblättchen, b ^ , die auf der Scheibe stehen und die wegen ihrer häutigen Beschaffenheit auch S p r e u b l a t t e r heißen, tragen i n ihren Achseln die kleinen ganz ungestillten Blüthen o und ei, die entweder einen Kelch (s) haben, oder desselben entbehren. Die auf der ScheibestehendenBlüthchen sind entweder alle von gleicher Form, oder sie sind theils r ö h r e n f ö r m i g (ck), theils zungen- oder bandförmig (o). Die Scheibe ist jedoch nicht immer stach, sondern häusig halbkugelig, kegelförmig, vertieft u. s. w. Nackt erscheint sie, wenn keine Spreublättchen vorhanden sind. Die in ihrem Umfange stehenden Blüthen heißen Rand- oder S t r a h l e n b l ü t h e n und umgeben die Scheibenblüthen. Man bezeichnet diesen Vlüthenstand als zusammengesetzte B l ü t h e (Ü08 conix08iw8) oder Blüthenkörbchen und findet diese als Merkmal einer gro- 214 ^.. Allgemeine Botanik. ßen Familie (OoinVositas), zu der u. a. die Sonnenblume, die Gänseblume, der Löwenzahn und der Rainfarn gehören. 72 Die Bestimmung der Blüthe ist erfüllt, nachdem die Übertragung des Blüthenstaubes auf die Fruchtanlage stattgefunden hat. Von diesem Augenblicke an geht die Blüthe in ihrem Wachsthum nicht mehr vorwärts, sie welkt und vertrocknet. Nur die Samenknospe mit ihrer Umgebung, mithin die Fruchtblätter gehen ihrer weiteren Entwickelung oder Reift entgegen und werden dadurch wesentlich verändert. Nicht selten nehmen jedoch auch der Kelch und zuweilen selbst die Deckblatter im Verlauf dex Ausbildung der Frucht eine neue Form an. Als wesentlichen Theil der Frucht müssen wir natürlich die entwickelte Samenknospe, den S a m e n , ansehen, während die denselben umgebenden Gebilde als Fruchthülle und Fruchtdecke zu bezeichnen sind. Die Form der letzteren bedingt das äußere Ansehen und die Benennung der Frucht. Die innere Anordnung der verschiedenen Fruchttheile ergiebt sich in der Regel als eine Folge der Anzahl, der Stellung und der Verwachsung der Stempel, weshalb wir nochmals zur Betrachtung derselben unter diesem Gesichtspunkte zurückkehren. 73 Die Fruchtblätter oder Stempel nehmen bekanntlich den obersten Theil der blüthetragenden Achse ein. Dieselbe endigt entweder in ein einziges Fruchtblatt, in welchem Falle derFruchtknoten (§.65) einfächerig ist, oder essindmehrere Fruchtblätter vorhanden, wo es dann von der Art ihrer Verwachsung abhängt, ob der Fruchtknoten einfächerig oder mehrfächerig erscheint. Die folgenden Abbildungen stellen Querschnitte verschiedener Fruchtknoten vor, wovon einige aus einem eingeschlagenen und mit den Rändern verwachsenen Fruchtblatt, andere aus mehreren Fruchtblättern bestehen. I n Fig. 152 erblicken wir den Querschnitt des aus e i n e m Fruchtblatte gebildeten einfächerigen Fruchtknotens, bei welchem « den Mittelnerv des Blattes und b die verwachsenen Ränder bezeichnet. Bei Fig. 153 ist durch die stärkere Einschlagung ein u n v o l l s t ä n d i g zweifächer i g e r Fruchtknoten entstanden. Der einfächerige Fruchtknoten, Fig. 154, ist durch seitliche Verwachsung von fünf Fruchtblättern entstanden. Wenn hierbei die Fruchtblätter zu- I I . Gestaltungslehre. Die Frucht. 215 gleich sich einwärts schlagen und verwachsen, so entstehen, je nach der Anzahl der vorhandene^ Blätter zwei-, drei-, fünffächerige u. f. w. Fruchtknoten Gig. 155 und Fig. 156). Endlich kann durch ein nach außen gehendes Wachsen der Achse ein mehrfächeriger Fruchtknoten entstehen (Fig. 157). So liegt denn schon im Fruchtknoten die Andeutung der Form der künftigen Frucht, wobei jedoch zu beachten ist, daß in vielen Fällen nicht alle im Fruchtknoten vorhandenen Samenknospen zur Ausbildung gelangen und alsdann auch die entsprechenden Fächer gar nicht oder nur unvollkommen sich entwickeln. Der Fruchtknoten der Eiche z. B. zeigt ursprünglich im Querschnitt drei Fächer, jeder mit zwei Samenknospen. Aber nur eine einzige der letzteren bildet sich zur Frucht aus, die daher stets einfächeng und einsamig ist. Die zur Fruchthülle ausgewachsenen Fruchtblätter springen bei der Samenreife häufig ganz oder theilweise auf, und zwar meist an denjenigen Stellen, welche der durch das Verwachsen entstandenen Naht entsprechen. Dieses ist nicht dcrFall bei Samen, die von emer fleischigen oder steinigen Hülle umgeben fmd. Aeußere Fruchtformen. Je nachdem die früheren Blüthentheile während der Fruchtreife eine beson- 74 dere Bildung annehmen, entstehen eigenthümliche äußere Fruchtformen. Wir finden dieselben bald blattarlig, bald lederartig oder steinhart, markig, fleischig u. s. w. Nicht selten begegnen wir in den äußeren Fruchttheilen einer Anhäufung von Zellgewebe, welches Stärkemehl, Zucker, Schleim, Fette oder Säuren u.s.w. enthält, wodurch jene unwesentlichen Theile der Frucht für unsere Lebenszwecke allerdings oft wesentlicher werden als ihr Samen. Die wichtigeren Fruchtformen, in deren Auffassung, Gintheilung und Benennung übrigens durchaus nicht die wünsch enswerthe Uebereinstimmung herrscht, sind die folgenden: 1. Die O f f e n f r u c h t ; die Samen liegen frei in der Achsel der verholzten Deckblätter und bilden den Japsen (OonuZ) der Nadelhölzer (OonilsraO). 2. Die Hülse AsAnniGn); sie besteht aus "einem einzigen Fruchtblatt, an dessen Naht die Samen angeheftet find ( H ü l f e n f r ü c h t e ; Bohnen). 3. Die B a l g frucht (^<Mou1n8); mehrere kleine Hülfen stehen meist paarweise beisammen (Rittersporn, Sturmhut, Immergrün). 4. Die Kapselfrucht (OgSZula); zwei oder mehrere Fruchtblätter sind mit einander verwachsen, und zwar entweder nur mit den Randern (einfächerige Kapsel, Fig. 154), oder mittheilweiser (Mohn) oder gänzlicher Einschlagung der Ränder und Verwachsung mit der Fruchtachse (mehrfächerige Kapsel, Fig. 156 und 157) (Veilchen, Reseda, Balsaminc). 5. Die Schote ( M i ^ n a ) ; zwei Fruchtblätter sind mit einander verwachsen und durch eine dünne Scheidewand in zwei Längsfächer getheilt (Levkoje, Kohl); das Schötchen hat denselben B a u , ist aber kürzer und wenig-samig (Hirtentasche, Baucrusenf). 6. Die Schalfrucht (Oa^oxsis); die einsamige Frucht ist von einer fest anliegenden oder mit dem Samen verwachsenen Fmchthülle umgeben, welche nicht aufspringt (Gräser, Ranunkeln, Lippen- 21ß ^. Allgemeine Botanik. blumen). 7. Die Schließfrucht (^HHninni); eine einsamige Kapsel mit trockner, nicht aufspringender Fruchthülle (Sonnenblume, Distel, Kümmel). 8. Die Nuß (Nnx); ist eine Schließfrucht mit fester, lederartiger oder holziger Fruchthülle (Haselnuß, Eichel). Dieselbe fitzt in der mehr oder weniger geschlossenen Becherhülle (Ouxula), welche aus Deckblättern entstanden ist. Das Nüßchen ist eine Schalftucht mit lederartiger fester Hülle (Sauerampfer, Hanf, Heidekorn, Buchweizen)« 9« Die Beere <ZWca); die Häute der Fruchthülle sind weich und der mittlere Theil derselben fleischig und sehr saftreich (Traube, Johannisbeere, Citrone). Als besondere Abänderung der Beere sind die sogenannten Kürbisfrüchte (Gurke, Melone) zu bemerken. 10. Die Steinfrucht (vruxa.); die äußere Haut der Fruchthülle ist fleischig, die innere steinhart (Pflaume, Mandel, Olive). 11° Die Apfelfrucht (^onmin); das lederartige Samengehäuse, G r ö p s genannt, ist von den während der Fruchtreift außerordentlich dick und fleischig gewordenen Fruchtdecken umgeben (Apfel, Birne). Als zusammengesetzte Früchte oder Sammelfrüchte sind die Erdbeere, Himbeere, Maulbeere n. a. m. zu betrachten. 73 So wie die Knospen in den Blattachseln aus dem Stamme heraustreten und zu einer kleinen Scitenachse sich ausbilden und entweder sogleich oder erst nach längerer Zeit weiter wachsen, ebenso entstehen an anderen Stellen der vollkommnerm Pflanzen Knospen, die eine eigenthümliche Entwickelung durchmachen, als deren Endergebniß der Samen erscheint und die daher Samenknospen genannt werden. Wir finden die Samenknospe stets an dem Ende einer Pstanzenachse, deren weiteres Wachsthum mit der Entwickelung der Samenknospe abgeschloffen ist. Verfolgen wir ihre Entstehungsgeschichte, so erscheint dieselbe zuerst in Gestalt eines sehr kleinen, weißen, aus Zellgewebe bestehenden Knöpfchens, das früher unpassender Weist Eichen genannt worden ist. I m Innern der Samenknospe bildet eine Zelle von beträchtlicher Größe eine kleine Höhlung, den KeimsqckFig. 158 o. Die Samenknospe an und für sich ist unfähig, zum Samen sich auszubilden, und es gehen eine Menge von Samenknospen zu Grunde, ohne ihre vollständige Entwickelung erreicht zu haben. Diese tritt nur alsdann ein, wenn ein von den Pollenkörnern der Blüthe ausgehender Pollenschlauch in die Samenknospe eindringt. 76 Bei manchen Pflanzen, wie z . B . bei den Nadelhölzern, hat die Stellung der Samenknospe eine große AehnliäMt mit der einer gewöhnlichen Knospe, indem sie in den Achseln vieler, dicht am Ende der Pflanzenachse zusammengedrängter, schuppenartiger Blätter hervorbricht, ohne alle Bedeckung und deshalb als nackte Samenknospe bezeichnet wird. Alsdann finden wir den später entwickelten Samen ebenfalls nackt unter den Schuppen der Tannenzapfen liegen, wie uns dies am deutlichsten an den großen, wohlschmeckenden Samen der P i n i e <?inu5 I>in63.) wird. II« Gestaltungslehre. Der Samen. 21? Allein bei weitem die Mehrzahl der Pflanzen erzeugt ihre Samenknospen in besonders gebauten blattartigen Gebilden, die bereits unter dem Namen dcr Stempel oder Fruchtblätter beschrieben wurden. Wir haben gesehen, daß diese Organe im Allgemeinen aus einem am Grunde dickeren Theile, dem Fruchtknoten, bestehen, in dessen Fruchtknotenhöhle eine oder mehrere Samenknospen sich zeigen, zu welchen durch eine Oeffnung, bald unmittelbar, bald durch den röhrenartig verlängerten S t a u b w e g oder G r i f f e l der Pollenschlauch gelangt. Die Samenknospe bietet bei den verschiedenen Pflanzen mehrere so eigen- 77 thümliche Abweichungen in ihrem Bau dar, daß eine Beachtung derselben nothwendig ist. So bildet sich um die eigentliche Knospe, die wir als K n o s p e n kern näher bezeichnen wollen, bald eine einfache, bald eine doppelte K n o s p e n h ü l l e , die jedoch an der Spitze des Knospenkerns sich nicht schließt, sondern als K n o s p e n m u n d geöffnet bleibt. Sowohl durch Krümmungen der Samenknospe selbst, als auch durch die Umbiegung ihres unteren verlängerten und in diesem Falle K n o s p e n t r ä g e r genannten Theilcs entstehen diejenigen Formen, welche man als umgekehrte, halb umgekehrte und gekrümmte Samenknospe bezeichnet und die sich von der geraden oder aufrechten Knospe dadurch unterscheiden, daß bei jenen der Knospenmund nicht dem Anheftungspunkt der Knospe gegenüber, sondern neben demselben'liegt. Zur Erläuterung der im Vorhergehenden gebrauchten Ausdrücke diene der in geeigneter Vergrößerung gegebene Durchschnitt einer geraden Samenknospe, Fig. 158« Knosp engrund. b. Knospenkern. o. Keimsack. Innere Knosftenhülle. s. Aeußere Knospenhülle. / . Knospenmund. - Wird ein nach der Ausstreuung des Blüthenstaubes auf die Narbe ge- 7 8 fallenes'Pollmkorn in seiner weiteren Entwickelung verfolgt, so bemerkt man, daß dasselbe zuerst etwas anschwillt und allmählich an einer Stelle zu einer fadenförmigen Zelle, dem sogenannten Pollenschlauch, auswächst. Dieser letzte dringt dann, indem er fortwächst, beim Vorhandensein eines Staubweges durch diesen in den Fruchtknoten ein und gelangt endlich durch den Knospenmund in den Keimsack des Knospcnkerns einer daselbst befindlichen Samenknospe. Er tritt daselbst in Berührung mit eigenthümlichen, sogenannten Keimkörperchen, welchen kleine Kugeln von schleimiger Masse beigesellt sind und es scheint nun eine Vermischung der beiderseitigen Flüssigkeiten stattzufinden. Die Befruchtung, ist hierdurch vollendet und es beginnt sofort die Entwickelung von neuem Zellgewebe an der Stelle, wo der Psllenschlauch eingetreten ist. Das anfangs rundliche Häufchen von Zellen nimmt alsbald eine bestimmte Form an und erscheint endlich als ein kleines selbstständiges Pflcmzchen, das Keim oder 218 ^. Allgemeine Botanik. Embryo genannt wird und mit einer beblätterten Knospe und einem Wurzelchen versehen ist. Fig. 159 zeigt uns vergrößert den Durchschnitt eines Stempels (von Ü61iant1i6iQNN äsntioulawm), wo von den auf der Narbe o liegenden Pollenkörnernck,die fadenförmigen Pollenschläuche durch den Staubweg t>, in die Höhle' des Fruchtknotens a zu den daselbst zahlreich vorhandenen Samenknospen dringen und in diese eintreten. 79 Mit der Ausbildung des Keimes verändern sich jedoch auch seine nächsten Umgebungen, indem durch Vermehrung des Zellgewebes der sogenannte Eiweißkörper entsteht, der den Keim vei manchen Pflanzen gänzlich, bei anderen theilweise einschließt. Das Zellgewebe des Eiweißkörpers enthält am gewöhnlichsten Eiweiß, Stärke oder Oel, Zucker u. a. m., Stosse, die abgesehen von^ dem Nutzen, den sie uns darbieten, dazu bestimmt sind, dem Keime die zu seiner ersten Weiterentwickelung erforderliche Nahrung zu liefern. Nicht selten sind jedoch diejenigen Pflanzen, deren Samen gar keinen Eiweißkörper enthalten, fondern nur au? dem Keim bestehen. Die Hüllen der Samenknospen erkennen wir am gereiften Samen wieder als Samenhäute in vielfach veränderter Form. Betrachten wir eine B o h n e , Fig. 160 und Fig. 161, so läßt sich Vieles I I I . Lebenslchre oder Physiologie. , 219 des seither Gesagten deutlich erkennen. Wir sehen bei a die Stelle, an welcher die ursprüngliche Samenknospe angehestet war, und beim Theilen der Bohne der Länge nach finden wir bei o dm Keim mit seinem Würzelchen b, und mit der von Blättchen umgebenen Knospenspitze, die wohl auch Federchen genannt wird; ferner den Samenlappen ci von beträchtlicher Größe. Ein Eiweißkörper ist hier nicht vorhanden. Derselbe fehlt ebenfalls im Samen des Nepses (Vi-kiHLioa), Fig. 162, achtmal vergrößert. Auf dem Längsschnitt, Fig. 163, sehen wir von der Samenhaüt cr eingeschlossen das Keimpstänzchen, welches hier ganz gekrümmt ist; es besteht aus dem Würzelchen b und den zusammengefalteten Samenlappen s und ci. Dagegen erkennen wir beim Leinsamen, Fig. 164, achtmal vergrößert, unter der Samenschale a eine dünne Schicht von Eiweißkörper b, ferner das Keimpstänzchen mit den Samenlappen o und ci, dem Knöspchen s und dem Würzelchen/. Auf dem Längsschnitt des H a f e r k o r n s M g . 165), in sechsfacher Vergrößerung (Fig. 166) finden wir unter der Samenschale einen großen Eiweißkörper i> und den Keim oci. " Der Keim unterscheidet sich von der gewöhnlichen, am Stamm auftretenden Knospe hauptsächlich dadurch, daß ersterer eine zwar sehr verkürzte, aber doch vollkommene, mit einer Wurzel versehene selbstständige Pflanzenachse ist, während die Ernährung der Knospe stets durch andere Pstanzentheile geschieht, so lange bis der kräftig gewordene Trieb im Stande ist, Wurzeln zu entwickeln und durch . diese Nahrung aus dem Boden aufzunehmen. Indem nun der Keim sich entwickelt, wie dies bereits früher ls- 24) geschildert worden ist, beginnt er ein neues selbstständiges Pflanzenleben, das wieder jene ganze Reihe mannichfacher Gebilde hervorzubringen im Stande ist, deren Betrachtung wir erschöpft haben, und so trägt die Pflanze, obgleich in ihrer Einzelheit ein vergängliches Wesen, dennoch in sich die Bedingung der ewigen Dauer. III. D i e Lebenslehre oder P h y s i o l o g i e . V o n den Lebenserscheinungen i m A l l g e m e i n e n . Bei Betrachtung der Pflanzen- und Thierschöpfung begegnen wir einer 80 Fülle eigenthümlicher Erscheinungen. Es ist der Odem des Lebens, der uns hier entgcgenweht, des Lebens, das in Stoff und Form, in Bewegung und Empfindung Gebilde uns vorführt, wie das Mineralreich sie nicht zu bieten vermag. Unendlich näher gerückt sind dieselben dem menschlichen Sinn und Gefühl, als die starren Formen und regungslosen Massen des todten Gesteins. Scheint es doch, als müßten hier durchaus andere Kräfte »und Gesetze walten, als diejenigen, welche wir als allgemein herrschende Naturkräfte im Bereich der Physik und Chemie bereits kennen gelernt haben. Denn während die unbelebte Materie einer Anziehungskraft unterliegt, die ihre kleinsten Theilchen zu festen Körpern vereinigt und anordnet zu regelmäßigen Krystallen, welche von ebenen Flächen und geradlinigen Kanten bcgränzt sind, finden wir alle 220 ^. Allgemeine Botanik. Pflanzen- und Thiergebilde ursprünglich als kugelförmige Zelle zum Vorschein kommend, aus nachgiebiger, der Umbildung fähiger Masse bestehend und selbst in der Weiterentwickelung und Vollendung Formen annehmend, die sich nicht auf einige geometrische Grundgestalten und ihre Combinationen zurückführen lassen, wie wir dies in der Mineralogie und Cheme bei den natürlichen und künstlichenchemischenVerbindungen gefunden haben. 81 Wir sehen bei Pflanzen und Thieren die verschiedenen Lebensthätigkeiten an gewisse Theile derselben gebunden, die Organe genannt werden, während die Masse des Minerals niemals Theile unterscheiden läßt, die besonderen Zwecken dienen. Ersten sind daher o r g a n i s i r t e Körper; die letzteren sind unorganisirt. Die Aeußerungen der Lebensthätigkeit haben wir zu verfolgen sowohl hinsichtlich des Stoffes, der ihr unterworfen ist, als auch in Hinsicht auf die Form, welche dem letzteren dabei gegeben wird. Ein jeder O r g a n i s m u s (d. i. lebendes Wesen) hat das Vermögen, aus seiner Umgebung fremde Stoffe in seinem Körper aufzunehmen, dieselbenchemischumzuändern und umzugestalten, so daß sie jetzt dem Stoff des eigenen Körpers ähnlich geworden, assimil i r t / s i n d und dessen Masse vermehren. Es sind dies die bekannten Erscheinungen der E r n ä h r u n g und des Wachsthums an organischen Körpern, welche diese so wesentlich von den unorganischen trennen. Denn ein Mineral nimmt keine Nahrung in sich auf und wächst nicht, und wenn wir bildlich von dem Wachsen eines Krystalles sprechen, so ist der Vorgang dabei ein ganz anderer. Es nimmt z. B. ein Alaunkrhstall, den wir in eine Alaunlösung legen, allerdings an Umfang zu. Allein dies geschieht, indem er die in der Flüssigkeit befindlichen Alauntheilchen, welche seiner eigenen Masse bereits vollkommen gleich sind, anzieht und auswendig an seine Oberstäche anlegt. EinechemischeUmbildung oder eine Umgestaltung des Stoffes findet hierbei nicht statt. 82 Eine weitere Aeußerung der Lebensthätigkeit ist die F o r t p f l a n z u n g . Pflanzen und Thiere erzeugen Gebilde, die sich vom mütterlichen Körper trennen und ein selbständiges Leben beginnen und weiter führen, indem sich an den Kindern alle Lebenserscheinungen der Aeltern wiederholen. Daher sehen wir trotz der außerordentlichen Mannichfaltigkeit belebter Wesen doch stets dasselbe Geschlecht, dieselbe Art in v e r M Oft schon ist die Frage aufgeworfen worden: Können neue Arten von Thieren und Pflanzen entstehen? Soweit geschichtliche Aufzeichnung und eine genauere Beobachtung der Natur reicht, hat man keine stehen sehen. Dagegen erfahren unsere Kulturpflanzen und Hausthiere im Verlaufe der Zeit sehr auffallende Aenderungen an Umfang und Gestalt ihres Körpers und nehmen gewisse Eigenschaften an, die sich von Geschlecht auf Geschlecht vererben. Diese und andere Beobachtungen führen zu dem Schlüsse, daß in der organischen Welt dasjenige entsteht, was unter den gegebenen Verhältnissen bestehen kann. So lange letztere sich gleich bleiben, werden auch die Pflanzen- I I I . Lcbenslehre oder Physiologie» . 221 und Thierformen keine Veränderung erfahren. Einer jeden wesentlichen Aenderung der allgemeinen Lebensbedingungen wird auch eine entsprechende Umgestaltung der lebenden Wesen nachfolgen. Hierfür sprechen insbesondere die sich folgenden und von einander so abweichenden Formen der vorweltlichen Wanzen und Thiere, welche im mineralogischen Theile beschrieben worden sind. Nach Gesetzen, die uns unbekannt sind, ist ferner die Z a h l , der Umfang 83 und die D a u e r der organischen Wesen bestimmt. Die Ausbreitung der unzähligen Einzelwesen der Pflanzenwelt ist beschränkt durch den auf der Erdoberfläche ihr gebotenen Raum; das Wasser, das wafferleere Gestein und der trockene Wüstensand setzen ihr, wenn auch keine vollkommene Gränzen, doch eine wesentliche Beschränkung. Die bewegliche Thierwclt ist nicht minder mancher Beschränkung unterworfen. Während diese den Pflanzen mehr durch die Naturgewalten gezogen ist, trägt die Thierwelt selbst durch gegenseitigen Kampf und Vernichtung zur Herstellung des Gesetzes bei. Der Umfang lebender Wesen hat für jede Art ein bestimmtes Maß. Ist dieses erreicht, so nimmt ein solches nicht mehr zu, auch bei der reichsten Nahrung und unter der günstigsten Bedingung. Wie hoch sie auch ihre Gipfel in der Luft erheben —- >,es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht i n den H i m m e l wachsen« — wie treffend das Sprichwort sagt. Aehnlich' verhält es sich mit der Lebensdauer. Auch hier ist jeder Art em Ziel gesteckt, wiewohl in höchst ungleicher Entfernung. Denn während bei manchen Pflanzen und Thieren die Lebensdauer nur nach wenigen Stunden oder Tagen bemessen ist, bei anderen nach Monaten, Jahren, und selbst nach Jahrhunderten, erreichen manche Bäume ein Alter von Jahrtausenden. So lange die Organe in regelmäßiger Weise, in normaler Thätigkeit 84 sind, ist auch der Verlauf der Lebenserscheinungen ein solcher. Der Organismus ist gesund. Mancherlei Einflüsse wirken jedoch im Verlauf der Zeit hemmend und störend ein auf die Verrichtung der Organe. Dieselbe wird alsdann regelwidrig oder abnorm und als Folge hiervon treten regelwidrige Erscheinungen auf, die wir als K r a n k h e i t bezeichnen. Der Organismus erzeugt alsdann mancherlei Krankheitsproducte, die im gefunden Körper nicht vorkommen; es entstehen Mißbildungen, Verkrüppelungen und Auswüchse der seltsamsten Art. Endlich nehmen die Folgen der regelwidrigen Thätigkeit so überHand, daß ein Stillstand aller Lebensthätigkeit eintritt, den wir als Tod bezeichnen. Die Pflanze oder das Thier ist jetzt eine Leiche. Zwar die Organe sind noch vorhanden, aber jede Thätigkeit ist erloschen;'die Aufnahme der Nahrung, die Umbildung derselben, das Wachsthum — Alles steht still. Neue Erscheinungen treten an die Stelle der bisherigen; die Leiche unterliegt der chemischen Zersetzung, der Fäulniß, der Verwesung. Aber noch die kleinsten Ueberreste organischer Körper verrathen ihren Ursprung. Das Mikroskop läßt uns die Form-Elemente erkennen, jene Zellen, Fasern und Gewebe, welche das organische Gebilde vom unorganischen unter- 232 ^. Allgemeine Botanik. scheiden, und so ist selbst der Steinkohle ihre pflanzliche Abkunft nachgewiesen worden. 83 I n dem Körper der Pflanzen und Thiere begegnet man einer Menge von eigenthümlichen Stoffen, wie dem Zucker, dem Oel, dem Fett, verschiedenen Sauren u. a. m. Obgleich man diechemischenNestandtheile derselben ausgemittelt und gefunden hatte, daß sie nur wenige Elemente enthalten, so war doch die künstliche Zusammensetzung derselben bisher nicht gelungen; ja man hielt ihre Erzeugung als nothwendig an die Mitwirkung organischer Thätigkeit gebunden. Daher nannten die Chemiker solche Stoffe: organische V e r b i n dungen. Die neuesten Entdeckungen der Chemie haben jedoch dahin geführt, daß man die Mehrzähl dieser organischen Producte aus ihren Elementen zusammensetzen kann und es ist zu erwarten, daß dies für alle gelingen wird. Anders Verhaltes sich jedoch mit den organischen F o r m - E l e m e n t e n , z . B . mit der Zelle und ihren Abänderungen.^ Kein Erfolg spricht auch nur entfernt dafm, daß durch Menschenhand jene zarten Gewebe entstehen werden, die unmerklich aus den organischen Säften wie von selbst hervorgehen. 86 Wir kommen endlich zu der Frage nach dem Grund der Lebenserscheinungen, nach der Kraft, die da waltet, und die Thätigkeit der einzelnen Organe und die Entwickelung des Ganzen anregt und weiter führt. Bei der Eigenthümlichkeit der hier auftretenden Erscheinungen und Stoffe glaubte man auch als Grund derselben die Wirkung einer eigenthümlichen Kraft annehmen zu müssen welche man Lebenskraft nannte. Die fortschreitende Naturbeobachtung zeigte jedoch, daß die Wirkung der allgemeinen Naturkräfte, wie Schwere undchemischeVerwandtschaft, sowie der Wärme, des Lichtes und der Elektricität auch auf den lebenden Organismus sich erstreckt und daß eine nicht geringe Anzahl von Lebenserscheinungen sich auf den Einfluß derselben zurückführen läßt. Freilich treten diese Kräfte in den Pflanzen- und Thierkörpern in einer oft verwickelten und höchst schwierig festzustellenden Weise auf. Allein man ist der Ansicht geworden, daß sie wohl die meisten, wenn nicht alle Lebenserscheinungen bedingen und daß man die Annahme einer eigenthümlichen Lebenskraft gänzlich aufzugeben, oder sie nur für gewisse besondere Falle, wie z. B. als formbildende Kraft, beizubehalten habe. D i e Lebenserscheinungen der Pflanze. I m Vorhergehenden haben wir die allgemeinsten Grundsätze kennen gelernt, die für das Leben sowohl der Pflanze als auch des Thieres gelten. Von den besonderen Lebenserscheinungen der Pflanzen haben wir im Verlauf der Darstellung ihrer Organe bereits Vieles mitgetheilt. ^ ^^^^^^ ^ 87 " Einer weiteren Ausführung bedarf jedoch vorzüglich die E r n ä h r u n g der Pflanze, denn ein Verständniß dieser ist von der größten Wichtigkeit für den Ackerbau und die Pstanzencultur überhaupt, durch welche das Bestehen vieler Millionen von Menschen und Thieren bedingt wird. III. Lebenslehre oder Physiologie. 223 Zur richtigen Vorstellung über die Ernährung der Pflanzen gelangen wir: 88 l . durch die Betrachtung ihrer Organe und deren Verrichtungen. 2. Durch Untersuchung der von außen aufgenommenen Nahrungsmittel und ihrer Veränderung in Psianzenkörper. Ueber den ersten dieser Punkte ertheilt uns die Gewebelehre Auskunft; in Betreff des zweiten haben wir uns an die Ch emie zu wenden. Verrichtung des Zellgewebes. So wie eine jede Pflanze, gleichgültig welches ihre Größe sei, nichts au- 89 deres <M die Summe vieler einzelnen Zellen ist, so ist auch ihr Gesammtleben die Summe der Thätigkeit aller Zellen, aus welchen sie besteht. Die ganz besondere Aufgabe des Zellgewebes ist die S a f t l e i t u n g . Letztere besteht darin, daß das für die Pflanze erforderliche Waffer sammt den darin aufgelösten Nahrungsstoffen aus ihrer Umgebung aufgenommen und in dem ganzen Pstanzenkörper verbreitet wird. Die Saftverbreitung innerhalb einer Pflanze findet keineswegs durch röhrenartige Canäle statt, sondern dadurch, daß der Saft von einer Zelle in die ihr benachbarten nach allen Richtungen übertritt. Da die Zellen keine Oeffnungen haben, so sieht man auf den ersten Blick nicht ein, auf welche Weise die Flüssigkeit von außen in die Pflanze und innerhalb dieser von Zelle zu Zelle gelangt. Es beruht dieses jedoch auf der besonderen Eigenthümlichkeit sowohl der pflanzlichen als thierischen Haut, daß sie von manchen Flüssigkeiten durchdrungen wird. Wie die Beobachtung zeigt, geschieht dieses mit einer bestimmten Gesetzmäßigkeit. Wenn nämlich zwei Flüssigkeiten von verschiedener Dichte, z.B. reines Nasser und eine Zuckerlösung, durch eine Scheidewand aus Schweinsblase von einander getrennt sind, so sehen wir alsbald das Bestreben thätig werden, auf beiden Seiten ein Gleichgewicht in der Dichte der Flüssigkeiten herzustellen. Ein Theil des Wassers durchdringt die Haut und begiebt sich zur Zuckerlösung, und ein Theil der letzteren macht den umgekehrten Weg. I n obigem Beispiel begiebt sich mehr Waffer durch die Haut zur Iuckerlösung, als von dieser zum Wasser übertritt. Man bezeichnet diese eigenthümliche Art des Durchgangs von Flüssigkeiten durch pflanzliche oder thierische Häute mit dem Namen der Endosmose oder D i o s mose. Die Art des Durchgangs, insbesondere ob die dünnere Flüssigkeit zur dichteren wandert oder umgekehrt, hängt einestheils von der Beschaffenheit der Flüssigkeiten, anderntheils von der Natur der Haut ab. Thierische Haut zeigt in manchen Fällen ein anderes Verhalten als pflanzliche. Es ist femer gewiß, daß letztere gegen verschiedene ihr dargebotene Auflösungen eine ungleiche Anziehung ausübt, daß sie manche vorzugsweise, andere gar nicht hindurchläßt, daß sie gleichsam eine Wahl hierin ausübt. Mitunter findet man für diese Erscheinungen auch den Ausdruck D i f f u s i o n gebraucht, der jedoch mehr für die Durchdringung gasförmiger Körper gilt. Man vergleiche Physik §. 3 1 : Der flüssige Zellemnhalt ist dichter, als das mit der Pflanze von außen 224 ^. Allgemeine Botanik' in Berührung kommende Nasser. Ein Theil des letzteren tritt daher in die zunächst liegenden Zellen und von da in die folgenden und gelangt so immer weiter. Bald würde jedoch auf diese Weise ein Zustand des Gleichgewichtes zwischen der in und außer der Pflanze befindlichen Flüssigkeit eintreten und die weitere Aufsaugung ein Ende nehmen, wenn nicht die durch die Blätter bewirkte Verdunstung von Wasser den Zellenwhalt wieder verdichtete. Allein nicht nur durch Verdunstung entsteht eine Saftströmung innerhalb der Pflanze/sondern auch durch die fortwährende Neubildung fester Theile. Denn sobald aus dem Saft einer Zelle feste Theile sich ausscheiden, so wird er verdünnter und veranlaßt einen Austausch mit dem dichteren Safte benachbarter Zellen. Das Grundwesen der Saftbewegung überhaupt kann man als das Bestreben nach Herstellung eines Gleichgewichtes in der Dichte des Inhalts aller Zellen und der Flüssigkeit ihrer Umgebung bezeichnen. Die Bewegung des Zellsaftes kann demzufolge nach allen Richtungen stattfinden. Vorherrschend unterscheidet man jedoch eine von unten nach oben gehende Saftströmung, welche ihren Weg durch das Bildungsgewebe und den Splint nimmt; sodann eine abwärtsgehende durch den Bast und eine dritte zwischen Rinde und dem Innern des Stammes, welche durch das Gewebe der Markstrahlen vermittelt wird. Eine besonders vorherrschende Längsrichtung einer Zellform scheint zugleich auch die Richtung zu bezeichnen, in der sie vorherrschend den Saft leitet. Von dem Vorhandensein des abwärtsgehenden Saftstromes überzeugt man sich durch Abschälung eines um einen Zweig gehenden ringförmigen Stückes der Rinde. Hierdurch wird die Vastschicht entfernt und die Leitung des absteigenden Saftes unterbrochen, die nun oberhalb des Ringes zur Zellbildung in Verwendung kommt und eine Anschwellung bewirkt. Ja es tritt eine merkliche Steigerung der ganzen Entwickelung oberhalb des Schnittes ein, der daher Z a u b e r r i n g genannt wurde. 99 Die Zellen haben, wie erwähnt, das Geschäft, den Saft durch die ganze Pflanze zu verbreiten; sie haben jedoch auch die weitere Aufgabe, den Zelleninhalt wesentlich zu verändern, so daß wir sowohl in verschiedenen Pflanzen, als auch in verschiedenen Theilen derselben Pflanze, ja in denselben Theilen zu verschiedenen Zeiten, Stosse von wesentlich anderer Beschaffenheit antreffen. So ist das Bildungsgewebe (Cambium) reich an stickstoffhaltigen Verbindungen; es bildet kein Stärkemehl, wohl aber neue Zellen. Das P a r e n chymgewebe bildet vorzugsweise die servestoffe genannt, weil dieselben häufig wieder verflüssigt und von der Pflanze verwendet werden, wie Zellstoff, Stärke, Zucker, Oele. I m Vastgewebe trifft man vorzugsweise Kautschuk und Alkaloide an. Beachtenswerth ist ferner die sogenannte Resorption oder Wiederauflösung vorhandener fester Theile durch den Saftstrom. Diese ist es, welche die Querscheidewände der Gefätzzellen und das Mark aus dem hohlen Stengel so mancher Pflanzen hinweggenommen hat und die Verschmelzung der Schmarotzerpstanzen mit dem Gewebe ihrer Nährpstanzen bewirkt« H I . Lebenslchre. Ernährung der Pflanze. 225 Die Verbreitung des Saftes durch die gellen geschieht mit ziemlicher 91 Schnelligkeit. Man beurtheilt diese aus der Zeit, welche im Frühjahr der Saft braucht, um zu den Einschnitten zu gelangen, die in verschiedenen Höhen an Baumstämmen gemacht werden, oder aus der Zeit, die eine welke Pflanze beim Begießen oder Einstellung in Wasser zur Aufrichtung nöthig hat. Die Kraft, mit welcher die Zellen Flüssigkeiten aufzunehmen und zu verbreiten im Stande sind, ist sehr beträchtlich und läßt sich nach folgendem Versuche beurtheilen. I m Frühjahr wird das frisch angeschnittene Ende eines Rebenzweiges in eine senkrecht gestellte Glasröhre gesteckt und mittelst Blase oder Kautschuk dicht mit derselben verbunden. Das aus der Schnittstäche des Rebschosses tretende Wasser steigt nun in der Glasröhre zu der beträchtlichen Hohe von 30 bis 40 Fuß, woraus hervorgeht, daß die weitere Aufsaugung durch die Zellen noch unter einem Drucke vor sich geht, der größer ist als der Druck der Atmosphäre (Physik §. 103). D i e N a h r u n g s m i t t e ! der Pflanze« Welche S t o f f e s i n d N a h r u n g s m i t t e l der P f l a n z e ? Diese 92 Frage können wir nur mit Bestimmtheit dadurch beantworten, daß wir untersuchen, aus welchen chemisch einfachen Stoffen der Körper der Pflanze besteht. Da die Chemie festgestellt hat, daß Letztere nicht das kleinste Theilchen ihrer Masse selbst zu erzeugen, ebenso wenig einchemischesElement in ein anderes umzuwandeln vermag, so muß Alles, woraus sie besteht, von außen aufgenommen worden sein. Die Hauptmasse einer jeden Pflanze besteht aus Zellgewebe, das als I n halt theils feste Substanzen, wie Stärke, Blattgrün, Harze, Salze, theils eine wässerige Lösung von Zucker, Gummi, Eiweiß, Säuren, verbunden mit Metalloxyden, enthält, wozu in manchen P stanzentheilen noch flüchtige und fette Oele hinzutreten. Eine tägliche Erfahrung lehrt uns ferner, daß die Hauptmasse der Pflanze beim Verbrennen verschwindet, indem sie in luftförmige Verbindungen übergeht und daß nur die nicht flüchtigen Metalloxyde und Salze als sogenanteAsche einen dem Gewichte nach höchst unbeträchtlichen Rückstand bilden. Sind demnach Zellstoff, Stärke, Zucker, Fette, Eiweiß u. s. w. die Nahrungsmittel der Pflanzen? I n der T h a t , wäre dieses der Fall, dann müßten die Erde, das Wasser und die Luft, worin die Pflanze ihr Leben zubringt, jene Körper enthalten, so daß die Pflanze dieselben einfach daraus nur aufzunehmen und am gehörigen Orte zu verwenden hätte. Allein nirgends treffen wir Zellstoff, Stärke, Zucker, Eiweiß u. s. w. an, als in der Pflanze selbst, und diese muß daher das Vermögen befitzen, dieselben zu bilden, sie aus einfachen chemischen Siosfen zusammenzusetzen. . N a h r u n g s m i t t e l der Pflanze sind daher diejenigen einfachen chemischen S t o f f e , woraus alle die verschiedenen Gebilde bestehen, welche die Gesammtmasse einer Pflanze ausmachen. II. " 15 Z26 93 ^.. Allgemeine Botanik. ' Die Chemie lehrt uns aber in §. 145 u. a. m. die einfachen Stoffe kennen, aus welchen die Pslanzenftoffe gebildet sind. Es bestehen demnach aus: Kohlenstoff und Wasserstoff, . . die flüchtigen Oele, Kautschuk; Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, . die Pflanzensäuren, Zellstoff, Stärke, Gummi, Zucker, Schleim. Fette, Harze, Farbstoffe; Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, . die organischen Basen, das Blattgrün, der Indigo; Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel, die Niweißstoffe. Alle diese Stoffe verbrennen bekanntlich vollständig, und wir nennen daher den Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel die verHrennlichen Bestandtheile der Pflanze im Gegensatz zu denjenigen, welche als Asche zurückbleiben und als die u n v e r b r e n n l i c h e n oder mineralischen Bestandtheile der Pflanze bezeichnet werden. 94 Untersuchen wir die Asche der verschiedensten Pflanzen, so finden wir darin folgende .Säuren und Kohlensäure, Kieselsaure (Kieselerde), Phosphorsäure, Schwefelsäure, Metalloxyde: Kali, Natron, Kalk, Bittererde (Magnesia). Diese Metalloxyde und Säuren fehlen in keiner Asche und sind daher als wesentliche Bestandtheile der Pflanzen anzusehen. Dasselbe gilt von dem C h l o r n a t r i u m (Kochsalz), das wohl in keiner Asche gänzlich fehlt. Außerdem finden sich meist in sehr geringer Menge, oft nur Spuren, das Eisenoxyd, M a n g a n o x y d , Kupferoxhd und die Thonerde; ferner J o d , an Natrium gebunden, vorzüglich reichlich in den Seepflanzen. Die letztgenannten Stoffe kommen entweder nur in gewissen Pstanzenarten, oder in so geringer Menge vor, daßsiefür das Bestehen der Pflanzen im Allgemeinen als nothwendig nicht anzusehen sind. Wenn der Saft mancher Pflanzen salpetersaure Salze enthält (z. B. beim Borasch), so kann die Salpetersäure in der Asche sich nicht vorfinden, dasiebeim Verbrennen der wird. Die mineralischen Stoffe machen nicht ein bestimmtes Organ der Pflanze aus, sondern sie sind entweder aufgelöst in dem Safte der Zellen enthalten oder in Krystallform darin abgelagert. Auch betheiligen sich dieselben an der verdickenden Schicht der Zellwand und verleihen letzterer eine große Festigkeit. Es enthalten manche Theile des Bambusrohres eine solche Menge von Kieselsäure, daß sie am Stahle Funken geben. I n den Zellen der 3licdgräser, I I I . Lebeuslehre. Ernährung der Pflanze. ' 227 an deren Blatträndern findet sich eine Menge von kleinen harten Kieselerdekrystallen, so daß sie schneiden wie ein Messer. Aehnlich verhält es sich bei dem Schachtelhalm, welcher daher zum Poliren des Holzes dient. Kohlensaure MctaÜoxyde sind in der lebenden Pflanze nicht vorhanden; die Kohlensaure entsteht beim Verbrennen derselben durch Zerstörung der organischen Säuren (Klcesäure, Weinsäure ?c.). Auch ein Theil der Schwefelsäure und Phosphorsäure bildet sich erst während der Verbrennung. Eine jede Pflanze stellt demnach ein abgeschlossenes Magazin oder ein 93 Inventarium vor, das verschiedene einfache Stoffe in ungleichen Gcwichtsverhältnisscn enthält. Keiner dieser Stoffe kann innerhalb der Pflanze erzeugt werden; die ganze Menge derselben muß von außen aufgenommen werden. Neberall bietet die Natur das zur Entwickelung von Pflanzen Erforderliche, allein in ^ungleicher Weise vertheilt. Die steilsten Felsen, die Sümpfe, der Flugsand, die Tiefe des Meeres, der Ackerboden, die Schutthaufen und das Gartenland, sie alle ernähren Pflanzen und bedecken sich damit. Allein diese Pflanzen sind nicht dieselben, sie sind so verschieden wie ihre Standorte. Die künstliche Ernährung der Pflanzen, der Ackerbau (Agricultur), besteht nun darin, die äußeren Bedingungen zu erfüllen, damit eine gewisse Menge von Pflanzen, die für die Zwecke der Menschen vonWerth sind, in ihrer Umgebung die zu ihrer Entwickelung nothwendigen Stoffe hinreichend vorfinden. Es ist unmöglich, über diese äußeren Bedingungen des Pflanzenlebens eine klare Vorstellung zu haben, wenn man nicht aufs Genaueste die Bestandtheile der Pflanze und die Wege verfolgt und kennen gelernt hat, auf welche sie in dieselbe gelangen. Wir werden in dem Folgenden zuerst die Aufnahme ( A s s i m i l a t i o n ) der verbrennlichen Pstanzenbestandtheile und nachher die der mineralischen betrachten. A u f n a h m e der v e r b r e n n l i c h e n Pflanzenbeftandtheile. Der Kohlenstoff ist an und für sich ein im Wasser unlöslicher Körper 96 und kann daher als solcher nicht von der Pflanze aufgenommen werden, da nach §. 89 die Zelle nur lösliche Stoffe aufzunehmen vermag. Aller Kohlenstoff, den wir in der Pflanze antreffen, ist in Form einer in Wasser austöslichen Verbindung in die Pflanze getreten, und diese ist unter allen Umständen die K o h lensäure, welche aus Kohlenstoss und Sauerstoff besteht (Chemie §. 58). Wir betrachten daher die Kohlensäure als ein Hauptnahrungsmittel der Pflanze. Wir haben uns nun die folgenden Fragen zur Beantwortung vorzulegen: Woher nimmt die Pflanze die ihr nothwendige Kohlensäure — auf welcheWeisc wird dieselbe aufgenommen — und wie wird sie in der Pflanze selbst verwendet? Die Beantwortung des ersten Punktes scheint nicht schwierig. I n §. 211 der Chemie wurde gezeigt, daß der bewachsene Boden eine Menge in Zersetzung begriffener Pflanzen- und Thierstoffe enthält, die als H u m u s bezeichnet wer15" 2Z8 " H.. Allgemeine Botanik. den. Das Hauptzerschungsftroduct dieses Humus ist die Kohlensäure, welche in hohem Grade in Wasser löslich ist und daher mit dem von den Wurzeln aufgesaugten Waffer in die Pflanze gelangen kann. Diese Erklärung erscheint um so wahrscheinlicher, als wir in der Regel da, wo wir ein üppiges Pstanzenwachsthum antreffen, den Boden mit einer beträchtlichen Humusschicht bedeckt oder durch seinen Humusgehalt ganz schwarz gefärbt sehen. Auf Grund dieser Beobachtungen war der Humus selbst als der Haupternährer der Pflanzenwelt erklärt worden. Eine, genauere und allgemeinere Betrachtung wird uns jedoch leicht die Ueberzeugung gewähren, daß diese Ansicht nicht die richtige ist, daß der Humus nicht die Ursache, sondern die Folge der Vegetation ist. Die Bildungsgeschichte der Erde (Mineralogie §. 130) zeigt, daß dieselbe aus dem feurig flüssigen Zustande sich gestaltete, woraus folgt, daß die zuerst erhärtete Erdkruste unmöglich eine Humusschicht enthalten konnte. Woher nahm nun die erste Pflanzenwelt ihre Nahrung? Ja noch heutigen Tages kommt der Fall vor, daß ein durch vulkanische Thätigkeit aus dem Meere gehobener nackter Fels alsbald mit einer Vegetation sich überzieht, daß auf der glühend ausgeworfenen Lava, nachdem sie verwittert ist, ein üppiges Pflanzenwachsthum entsteht, daß auf Sandböden, die einen äußerst geringen Gehalt an organischen Stoffen enthalten, Wald und Wiesen mit dem besten Erfolg sich anlegen lassen, daß endlich Cactus und Hauswurz auf humusfreiem Gestein wachsen, und daß wir Vergißmeinnicht, Kresse und Hyacinthen in reinem Wasser ziehen. Noch auffallender erscheinen aber die folgenden Thatsachen: Wir sehen, daß Pflanzungen jeder Art, die auf humusarmem Boden angelegt werden, den Gehalt an Humus fortwährend vermehren. Es werden aus manchen Zucker« und Kaffeepstanzungen, sowie von Bananenfeldern jährlich viele Millionen Pfunde von Kohlenstoff in den Producten der Ernte hinwegführt, ohne daß der Boden hierfür den mindesten Ersatz, etwa durch Dünger, erhält, und dennoch nimmt sein Humusgehalt nicht ab, sondern es findet eine Vermehrung desselben Statt. I n dem Heu, das ein Morgen fruchtbarer Rieselwiese liefert, werden 2000 Pfund Kohlenstoff hinweggeführt, und obgleich dieses Jahr für Jahr geschieht, so macht sich doch keineswegs die Nothwendigkeit fühlbar, durch irgend eine Zufuhr diesen Kohlenstoff wieder zu ersetzen. Ebenso nimmt in unseren Wäldern die Humusdecke fortwährend zu durch die Zersetzung der abfallenden Blätter, falls diese nicht theilweise oder gänzlich hinweggenommen werden. Aus dem seither Angeführten geht unwiderleglich hervor, daß der Humus unmöglich die ursprüngliche Quelle der Kohlensäure sein kann, wodurch d i ^ P M n zen ernährt werden. Wir haben vielmehr als das Magazin, aus welchem diese ihr Hauptnahrungsmittel beziehen, die Atmosphäre zu betrachten. Dieselbe enthält zwar in 5000 Maaßtheilen nur zwei Maaß Kohlensäure, allein bei ihrem ungeheuren Umfang berechnet man ihren mittleren Gesammtgehalt an Kohlensäure auf 8440 Billionen Pfund, ein Vorrath, der mehr als ausreichend erscheint, um eine Vegetation zu ernähren, die sich über die ganze Oberstäche der Erde verbreitet. I I I . Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 229 Aus der Luft kann die Kohlensäure direct durch die Spaltöffnungen der Blätter aufgenommen werden und Versuche haben gezeigt, daßeinerkohlensäurehaltigen Luft Kohlensäure entzogen wurde, als man sie durch einen Ballon leitete, der grüne Blätter oder Zweige enthielt. Der Hauptbedarf von Kohlensäure wird jedoch, in Wasser gelöst, durch die Wurzeln der Pflanze zugeführt. Die fortwährende Hinwegnahme von Kohlensäure aus der Luft müßte jedoch den Gehalt derselben alsbald merklich vermindern. Allein wenn wir bedenken, daß durch das Athmen der Thiere, durch die Processe der Verbrennung und der Verwesung, und endlich durch die vulkanischen Ausströmungen fortwährend große Mengen von Kohlensäure der Atmosphäre wieder übergeben werden, so erklärt sich hieraus, daß ihr Gehalt an. diesem Gas, soweit unsere Beobachtungen reichen, sich vollkommen gleich bleibt. I n der That sehen wir den Kohlenstoff in einem ewigen Kreislauf begriffen, bald durch die bildende Lebensthätigkeit zu den Gestaltungen derPsianzenund Thierkörper verwendet, bald wieder der formlosen Luftmasse zurückgegeben. Gehen wir nun zur Beantwortung der Frage über die Verwendung der 97 Kohlensäure in der Pflanze selbst über, so herrscht die Ansicht, daß erstere eine Zersetzung erleidet, indem ihr Kohlenstoff von der Pflanze aufgenommen und ihr Sauerstoff durch die Blätter ausgeschieden wird. Thatsache ist, daß die Blätter und die übrigen grünen, mit Spaltöffnungen versehenen Pflanzentheile, so lange sie der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzt sind, Sauerstoff entwickeln. Dies geschieht ganz besonders rasch und reichlich, wenn grüne Pstanzentheile unter Wasser gebracht werden, welches Kohlensäure enthält, wie z. B. Selterser Wasser (Chemie §. 26). Es wäre jedoch auch möglich, daß die Kohlensäure unverändert aufgenommen wird. Der ausgeschiedene Sauerstoff würde alsdann daher rühren, daß die Pflanze einen Theil des von ihr aufgesaugten Wassers zersetzt, so daß, sie den Wasserstoff assimilirt und den Sauerstoff ausscheidet. Jedenfalls erscheint die Gesammtwirkung der Pflanzen in Beziehung auf ihre Nahrungsmittel als eine desoxydirende, d. h. sie scheidet aus denselben Sauerstoff und bildet aus dem Rest ihre Gebilde. Hierfür spricht auch diechemischeZusammensetzung letzterer (Chemie §. 179). Obgleich oben gezeigt worden ist, daß der Humus das Product der Vege- 9 8 tation ist, so läßt sich doch andererseits nicht leugnen, daß das Vorhandensein desselben in einem Boden auf das Wachsthum der Pflanzen einen ungemein begünstigenden Einfluß äußert. Gerade daher ist die Ansicht entstanden und lange vertheidigt worden, daß der Humus das Hauptnahrungsmittel der^Pflanzen sei» Allein dagegen spricht die oben erwähnte Thatsache, daß es ganz humusarme Böden giebt, die außerordentlich reiche Ernten liefern, und daß der fast nur aus Humus bestehende Torf- und Moorboden eine ganz dürftige Vegetation zeigt. Der Humus ist im Wasser ebenso unlöslich, als die Kohle, und kann daher als solcher von der Pflanze gar nicht aufgenommen werden. Wir haben seine unverkennbar günstige Wirkung auf das Pflanzenwachsthum in anderen Verhältnissen zu suchen. Erinnern wir uns daß der Humus aus organischen, Z30 H.. Allgemeine Botanik. in Zersetzung begriffenen Resten besteht, so finden wir unter den durch seine Zersetzung gebildeten Productcn mehrere, die für sich oder in Verbindung mit Ammoniak im Wasser löslich sind, wie die Humussäure, Ulminsäure und Quellsäure, und auf diese Weise der Pflanze zugänglich werden. Endlich ist das letzte Zcrsetzungsproduct alles Organischen, also auch des Humus, die Kohlensäure. Daher wird ein humusreicher Boden stets eine große Menge von Kohlensäure enthalten und das in ihn eindringende Wasser mit derselben gesättigt den Wurzeln der Pflanzen sich darbieten. Noch wichtiger sind aber einige weitere Eigenschaften des Humus und erhöhen dessen Werth für die Bodencultur. Er besitzt nämlich das Vermögen, Wasser aus der Luft anzuziehen und dasselbe zurückzuhalten, in höherem Grade, als, mit Ausnahme der Thonerde, alle übrigen im Boden gewöhnlich vorkommenden Bestandtheile desselben. Die schwarze Farbe, die er dem Boden ertheilt, macht diesen für die Wärmestrahlen der Sonne bei weitem empfänglicher, als die Heller gefärbten Bodenarten (Physik §. 154), und außerdem trägt er zur Auflockerung der Ackerkrume bei, so daß sie dem Zutritt und Einfluß des atmosphärischen Sauerstoffs zugänglicher und der Verbreitung der Wnrzelfasern günstiger wird. Neberdies ist die in humusreichem Boden überall vorgehende Verwesung von einer Wärmeentwickelung begleitet, ähnlich wie dieses in so merklichem Grade der Dünger zeigt, der ja deshalb zur Anlegung der warmen Mistbeete angewendet wird. So sehen wir den Humus als einen Vermittler der Pflanzen-Ernährung auftreten, indem er den Boden reicher macht an Wasser und Wärme, zweien für »das Pflanzenleben so wichtigen Elementen. M i t Recht legt daher der Landwirth dem Humus großen Werth bei, und obwohl seine Menge im Boden schon einigermaßen durch die schwärzere Farbe desselben sich beurtheilen läßt, so erhält man doch ein genaueres Resultat, wenn man eine Probe der ausgetrockneten Erde ausglüht, wodurch der verbrennliche Humus zerstört wird und die mineralischen Bestandtheile zurückbleiben. 99 Während der Nacht und im Dunkeln (in Kellern) findet keine Aufnahme und keine Ausscheidung von Sauerstoff durch die Blätter Statt. Durch den Abschluß des Lichtes erscheint überhaupt die ganze Lebensthätigkeit der Pflanze verändert. Sie kann in diesem Falle zwar neue Theile bilden, aber sie nimmt den Stoff dazu nicht von außen, sondern aus ihrer eigenen Masse, wie dies am deutlichsten bei den M Finstern Schößlinge treibenden Kartoffeln sich nachweisen ' läßt. Manche Pflanzenbeftandtheile, wie das Blattgrün, der bittere Milchsaft und das reizende Oel der Cruciferen, bilden sich nur unter de-m Einfluß des Lichtes. ter des Salates, der Endivie, des Weißkrautes sind gelblich oder weiß, und erstere haben keinen bitteren und letztere keinen beißenden Geschmack. Dagegen bilden sich bei mangelndem Lichte andere Stoffe in den Pflanzen, wie z. B. Zucker in dem Weißkraut und Solanin in den Keimlingen der Kartoffel. Ueberdeckt man während der Nacht eine Pflanze mit einer Glasglocke, so enthält die dadurch abgeschlossene Lust am Morgen eine größere Menge von I I I . Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 231 Kohlensäure als vorher. Es beruht dies theilweise darauf, daß der Sauerstoff der die Pflanze umgebenden Luft einen oxydirenden Einfluß auf die Oberstäche derselben ausübt und so die Bildung von einer gewissen Menge von Kohlen« säure veranlaßt, die bei verschiedenen Pflanzen höchst ungleich ist. Am größten ist sie bei solchen, welche in ihren Drüsen leicht oxydirbares flüchtiges Oel enthalten. ' Anders verhält es sich mit der Aufnahme von Sauerstoff durch diejenigen Theile der Pflanze, welche nicht grün gefärbt sind, wie die inneren Blüthenthetle und die Keimlinge. Hier nimmt der Saunstoff wesentlichen Antheil an der Ausbildung dieser Organe, welche von einer merklichen Entwickelung von Wärme begleitet ist, wie wir diese überall auftreten sehen, wo Sauerstoff gebunden wird. So findet man innerhalb der Blüthenscheide des A r o n s (Fig. 167) in der Nähe des mit zahlreichen Fruchtorganen besetzten Blüthenkolbens a, eine Temperatur, welchen bis 12« C. höher ist, als die der äußeren Luft. Wir bemerkenferner eine beträchtliche Erhöhung der Temperatur, wenn keimende Samen in Menge zusammengehäuft sind, wie dies bei der Bereitung des Malzes der Fall ist. Letzteres erhitzt sich so beträchtlich, daß es öfter umgeschaufelt werden muß, damit die der Malzbereitung zuträgliche Temperatur von 18 bis 20<> E. nicht überschritten wird. Es folgt hieraus, daß für das Leben der Pflanze die Gegenwart von Sauerstoff nothwendig ist. Bringt man eine Pflanze in Luft, die keinen Sauerstoff enthält, so steht ihre Entwickelung still, sie stirbt ab und dasselbe findet Statt im luftleeren Raum. Bei den meisten Pstanzentheilen, welche Wasserstoff und Sauerstoff enthal- 1 W ten, stehen die Gewichtsmengen dieser beiden Körper zu einander im Verhältniß Hon 1Hu 8 , wie dasselbe auch in der Zusammensetzung des Wassers stattfindet (Chemie §. 32). Daraus schließen wir, daß diese beiden Stoffe fast ausschließlich durch die Wurzel aufgenommen werden und zwar in der Form von Wasser. Da jedoch manche Pflanzenstoffe, wie namentlich die flüchtigen Oele und die Harze, zwar Wasserstoff, aber entweder gar keinen Sauerstoff oder weniger enthalten, als obigem Verhältniß entspricht, so muß die Pflanze die Fähigkeit befitzen, auch einen Theil des von ihr aufgenommenen Wassers in seine Bestandtheile zu zerlegen. Der Wasserstoff wird in diesem Falle verwendet, der Sauer- 232 ^ . Allgemeine Botanik. stoff durch die Blätter ausgeschieden. Ueberdies macht das Wasser selbst einen beträchtlichen Theil des Pflanzenkörpers aus. Denn der gellsaft besteht größtentheils aus Wasser, in welchem, andere Stoffe gelöst find; dasselbe durchdringt und erfüllt mehr oder, weniger alle die Pflanzentheile, welche Biegsamkeit zeigen, die mit dem Verluste des Wasser§ abnimmt. Insbesondere wasserhaltig erweisen sich jüngere, krautartige Gebilde, deren Wassergehalt oft 70. ja bis 90 Procent beträgt. Inmitten der tropischen Wälder hatte H u m b o l d t mitunter die größte Noth bei Anzündung eines Feuers wegen der außerordentlichen Saftfülle der Gewächse. I n frischem Zustande enthalten unsere schweren Hölzer, wie Eichenund Buchenholz, 20 bis 30 Procent Wasser; die leichten, wie das von Pappeln und Weiden, 40 bis 50 Procent. Die Gegenwart von Wasser ist daher unumgänglich nothwendig zur Entwickelung der Pflanze; dieselbe nimmt jedoch noch bei weitem mehr auf, als sie i n obiger Weise verwendet. Dieser Uebcrschuß wird durch die Blätter wieder verdunstet. Letztere besitzen übrigens auch die Fähigkeit, dampfförmiges Nasser aufzunehmen, ohne welche der Thau nicht den vortheilhaften Einfluß haben würde, welchen er hervorbringt. Auf das Verhältniß des Wassers zur Pflanze kommen wir bei der Aufnahme ihrer mineralischen Bestandtheile nochmals zurück. 3. K.UMNWH6 6.63 Ktiokstoü'L. INI Die Pflanzen enthalten im Vergleich mit ihren übrigen Bestandtheilen nur eine geringe Menge von Stickstoff. Derselbe findet sich hauptsächlich in dem Zellsast, besonders der jüngsten Theile und in den Samen. I n 2500 Pfund Heu sind 984 Pfund Kohlenstoff, aber nur 32 Pfund Stickstoff enthalten. Obgleich die Blätter der Pflanze beständig von dem Stickstoff umgeben sind, welcher vier Fünftel der Luft ausmacht, so wird er doch nicht durch dieselben aufgenommen. Die Pflanze erhält denselben in Form derchemischenVerbindung des Stickstoffs mit Wasserstoff, die A m m o n i a k genannt wird (Chemie §. 84). Dieser durch seinen eigenthümlichen durchdringenden Geruch ausgezeichnete Körper ist in hohem Grade in Wasser löslich und gelangt mit dkm durch die Wurzeln aufgesaugten Wasser in die Pflanze. Die Atmosphäre ist ebenso die ursprüngliche Quelle des in den Pflanzen- und Thierkörpern enthaltenen Stickstoffs, wie dies bereits für den Kohlenstoff angeführt worden ist. I n dem rein mineralischen Boden gehören stickstoffhaltige Minerale zu den SeltenhMm^^die^ wie z. B. der Chilisalpeter u m auf einzelne Gegenden beschränkt find (Chemie §.30). Die Atmosphäre enthält dagegen überall eine gewisse Menge von Ammoniak, die zwar so gering ist, daßsienicht durch den Geruch bemerklich und auch dem Gewicht nach nicht bestimmbar ist, deren Anwesenheit sich jedoch in jedem Regen- und Vachwasser nachweisen läßt. Die Ackererde, besonders die ihonund humusreiche, absorbirt begierig das Ammoniakgas, so daß dieser stickstoffhaltige Körper überall verbreitet und der Pflanze zugänglich ist. Allerdings würde durch eine mächtige Vegetation und die von dieser er- III. Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 233 nährte Thierwelt der Ammoniakgehalt der Luft mit der Zeit eine Erschöpfung erleiden müssen. Allein gleich wie beim Verwesen der organischen Körper der Kohlenstoff wieder als Kohlensäure der Atmosphäre zurückgegeben wird, so ist auch W Ammoniak ein niemals fehlendes Zersttzungsproduct der Verwesung und besonders reichlich liefern denselben die faulenden Thierstoffe aus dem einfachen Grunde, weil diese sehr viel Stickstoff enthalten. Einen weiteren Zuwachs an Ammoniak erhält die Atmosphäre überdies durch die Vulkane, welche jenes Gas in großer Menge ausströmen. Aus dem Vorhergehenden erklärt sich die vortheilhafte Wirkung, welche auf das Pflanzenwachsthum durch solche Stoffe hervorgebracht wird, die entweder schon Ammoniak enthalten, wie Mist, Pfuhl, Gaswasser, Ruß und Ammoniaksalze, oder die, in den Boden gebracht, allmählich sich zersetzen und dabei die Bildung von Ammoniak veranlassen, wie alle thierischen Abfälle, z. B. Hornspäne, Knochenmehl u. a. m. Der Stickstoff wird der Pflanze auch in der Form von Salpetersaure geboten, welche aus Stickstoff und Sauerstoff besteht (Chemie §. 39) und an Alkalien gebunden, wiewohl in geringer Menge, im Boden sich findet. Thatsache ist es, daß salpetersaure Salze als vorzügliche Dungmittel sich erweisen. 4. H.Ä.Qia,d.N1G 6.63 IoV^SksiZ« Der Schwefel ist in noch geringerer Menge i n der Pflanze enthalten als l l ) 2 der Stickstoff. Er fehlt jedoch niemals in den eiweißartigen Stoffen, die nach §. 195 der Chemie 1/2 bis 2 Procent Schwefel enthalten. Aller Schwefel gelangt durch die Wurzel in die Pflanze, und zwar in Form von Schwefelsäure, die wir daher als ein Nahrungsmittel der Pflanze zu betrachten haben. Diese Säure wird in kleinen Mengen fast in jedem Boden angetroffen, und zwar vorzugsweise in Verbindung mit Kalk, als sogenannter Gyps, ein Salz, das in Wasser löslich und dadurch zur Aufnahme mit diesem geeignet ist. Es enthält ferner aller Stalldünger schwefelsaures Ammoniak, das wegen seines Gehaltes an Stickstoff und an Schwefel als ein vorzügliches Beförderungsmittel der Entwickelung derjenigen Pflanzentheile angesehen werden muß, welche diese Stoffe enthalten. A u f n a h m e der m i n e r a l i s c h e n P f l a n z e n b e s i a n d t h e i l e . Als die gewöhnlichen mineralischen Bestandtheile der Pflanzen sind die M Z Verbindungen der Kieselsäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure mit Kali, Natron, Kalk und Bittererde anzusehen, und außerdem noch Chlornatrium und Chlorkalium. Seltenere Stoffe sind Thonerde, Eisen- und Manganoxyd, Kupferoxhd, sowie Verbindungen von Jod, Brom oder Fluor mit Metallen. Die Summe der unverbrennlichen Stoffe macht nur einen sehr geringen Theil vom Gewicht der Pflanze aus. 100 Pfund der folgenden Pflanzenstoffe geben an Asche- Tannenholz s / ^ Pfd.; Eichenholz 2 ^ Pfd.; Weizenstroh 5 bis 6 Pfd.; Lmdenholz 5 Pfd.; Kartoffelkraut 15 bis 17 Pfd. 234 ^ . Allgemeine Botanik. Die verschiedenen Theile einer und derselben Pflanze enthalten ungleiche Mengen mineralischer Stoffe. I n der Regel sind die Blätter und die Rinde daran bei weitem reicher, als Stamm und Wurzel. Es geben Asche: 100 Pfd. Runkelrüben 6,2 P f d . Kartoffeln 3,9 » Erbsen . 3,1 » Weizenkörner . . . . 2,4 » ^ Eichenholz..... .2,5 » Blätter derselben 21,5 Kartoffelkraut . . . . . . . 17,3 Erbsmstroh 11.3 Weizenstroh . 6,9 Eichenblätter 9,8 Pfd. » » » « Schwefelsäure. Kieselerde. Talkerde. Kalk erde. Kochsalz. Natron. Giscnmyd. 23,7 Phosphorsäure, 8,2 Klee ^ l i l o i l u r a ;>rut6N3s), ganze Pflanze . . . . > Raygras (I^oÜum pei-enns), ganze'Pflanze . . . . ! Kali. Von allen Pstanzentheilen haben die Samen und die Wurzeln stets den geringsten Aschengehalt. Aber nicht allein die Menge der von verschiedenen Pflanzen gelieferten Asche ist ungleich, sondern auch die Zusammensetzung dieser selbst, wie die Analysen einiger Aschen zeigen: 13.3 1,8 a,3 0,3 Esparsette (Onodr^cdi» 8ü.t,ivll.j, ganze Pflanze . Eichenholz Tannenholz ... 5,4 5,6 3,7 7,1 0,0 50,5 6,3 0,8 25,9 0,4 — Weizenstroh 9,0 — Buchweizen ( k o i ^ o n n m ?«.^op/rnm), Körner. . - 8,4 20,1 39,2 . . . . Runkelrüben, Wurzel . . . Weizen (Körner) Erbsen, Samen . . . . . . . . . . Kartoffel, Knollen 21,5 1,1 2,3 0,3 2.0 3,0 2,3 — 60.3 1,3 1,0 3,1 1,0 2,1 50,0 1,0 4,8 34,2 1,0 7,1, 11.3 0,5 1.6 6,6 2,5 3,0 0,5 0,7 31,5 9,1 5.7 1,9 6,2 3,3 0,5 8,5 5,0 67,6 ^ 6,6 10,3 0,6 3,9 3,6 5,8 6,4 — 47,9 — __ 1,8 5,4 5,6 39,0 1,4 8,5 7,0 4,4 8,0 Die vorstehende Tafel läßt aufs Deutlichste erkennen, schiede i n den Aschen verschiedener Pflanzen und selbst bei einer und derselben Pflanze i n ihren verschiedenen Theilen stattfindet. W i r schließen daraus, daß jede Pflanze zu ihrer Ausbildung bestimmte mineralische Stoffe in gewisser Menge nöthig hat. Diese Menge ist aber weder nach oben noch nach unten mit Sicherheit festgestellt, indem dieselbe bei einzelnen Pflanzen oft bedeutend wechselt. Die i n vorstehender Tafel gegebenen Zahlen haben daher nur einen beschränkten Werth; es ist möglich, daß die Aschen derselben Pflanzen, sobald letztere einem anderen Standorte öder Jahrgange entnommen m. Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 235 werden, eine hiervon sehr verschiedene Zusammensetzung ergeben. Man glaubt jcdoch, daß das Verhältniß der Säuren zu den Basen für jede Gattung ein ziemlich feststehendes sei; ebenso, daß einerseits Kali und Natron, andererseits Kalk und Talkerde sich gegenseitig zu vertreten vermögen. Auch hat man gesetzmäßige Bezeichnungen aufzustellen gesucht zwischen dem Gehalt der Asche an Kalk- und Talkerdesalzen und dem Gehalt der Psianzentheile an Eiweißstoffen; ferner zwischen dem Alkaligehalt der Asche und der Menge von Kohlenstoffhydraten (Chem. §. 178) in den betreffenden Pstanzentheilen/ Es bedarf jedoch zu völliger Aufklärung dieser Verhältnisse noch zahlreicher und ausgedehnter Untersuchungen. Immerhin steht fest, daß die Natur der unorganischen Stoffe, welche wir in der Asche einer Pflanze vorfinden, für dieselbe eine Lebensbedingung bildet. Enthält der Boden dieselben gar nicht, oder in unzureichender Menge, so werden diejenigen Pflanzen oder.Pflanzentheile, welche derselben bedürfen, gar nicht oder nur unvollkommen ausgebildet. Genaue Versuche haben dieses vollkommen bestätigt. I n reinem Quarzsande keimen und wachsen zwar Erbsenpflanzen, ' allein sie entwickeln keine Samen, was der Fall ist, wenn man jenem Sande Kalk- und Kalisalze zusetzt. . Während wir die Kohlensäure, das Waffer und das Ammoniak, welche dm 194 Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff der Pflanze liefern, überall in hinreichender Menge verbreitet.finden, herrscht eine bei weitem größere Ungleichmäßigkeit hinsichtlich der mineralischen Bestandtheile. Aller Boden ist, wie wir aus der Mineralogie ersehen, nichts Anderes als verwittertes Gestein. Es hängt daher ganz von dessen Natur ab, welche Bestandtheile der Boden enthält. Neiner Kalkstein oder Sandstein würden beim Verwittern Böden liefern, die nur Kalk oder Kieselerde enthalten und daher keiner Pflanze das erforderliche Kali geben könnten. Die gemengten Felsarten dagegen, wie namentlich der Granit, Basalt, Porphyr, Thonschiefer, die Grauwacke, Lava und andere mehr, enthalten alle die in der Pftanzenasche vorkommenden Metalloxyde und geben daher vorzugsweise fruchtbare Bodenarten (vergl. Mineralogie Z. 98 bis 118). Man unterscheidet den w i l d e n Boden, wie er aus dem verwitterten Gestein hervorgegangen ist und ohne menschliches Zuthun mit Gewächsen sich bedeckt hat, von der Ackererde oder Ackerkrume, welche durch den Anbau gelöchert, geebnet, gleichförmiger zertheilt und meist auch reichlicher mit organischen Neberresten vermischt ist. I n den Körnern der Getreidearten und in den meisten anderen Samen 1 W sind der Kalk und die Bittererde stets verbunden mit Phosphorsäure. Es enthalten 100 Pfd. der Asche von Weizenkörnern 60 Pfd.; von gelben Kocherbsen 34 Pfund Phosphorsäure. Dieselbe findet sich ursprünglich im Mineralreich, am häufigsten in Verbindung mit Kalk den A p a t i t (Min. §. 53) bildend. Durch die Pflanzen wird der phosphorsame Kalk in ihre Samen aufgenommen, und indem der Mensch und die Thiere dieselben verzehren, erhalten sie die zur Bildung der Knochen (Chemie §. 49) erforderliche Masse. 236 186 ^. Allgemeine Botanik. I n vielen Pflanzen herrscht einer der mineralischen Bestandtheile gegen die übrigen besonders vor. So nach §. 103 die Kieselsäure im Weizenftroh, der Kalk in dem Klee, das Kali in den Wurzelgewächsen und man kann hiernach die Pflanzen in Kali-, Kalk- und Kieselpstanzen unterscheiden. Zu den K a l i p f l a n z e n gehören der Nermuth, die Melde, die Runkelrübe, die weiße Rübe, der Mais, die Kartoffel, der Taback. Kalkpflanzen sind die Flechten, der Cactus, der Klee, die Bohnen, die Erbsen, die meisten "unserer einheimischen Orchideen. Kieselpflanzen sind der Weizen, Hafer, Roggen, Gerste, überhaupt Getreide und Gräser, sodann Heidekraut, Pftiemenkraut oder Ginster, das Heidekorn, die Akazie. Bei weitem die meisten Pflanzen gehören jedoch nach den Bestandtheilen ihres Samens zu der einen, und nach denen ihres Stengels oder ihrer Blätter zu einer anderen Abtheilung, so daß eine Eintheilung derselben in dieser Beziehung nicht durchzuführen ist» Nachdem wir die Bedeutung der mineralischen Bestandtheile für die Pflanze kennen gelernt haben, wird auch das vereinzelte Auftreten mancher Pflanzen an bestimmten Orten erklärlich sein. So z. B. trifft man den wilden S e l l e r i e und die sogenannten S a l z p f l a n z e n (82.IL0I3.) nur in der Nähe des Meeres oder von Salinen, weil sie eine beträchtliche Menge von Natron bedürfen, die sie anderwärts nicht finden. Der Borasch und der Stechapfel erscheinen in der Nähe der bewohnten Orte, denn beide Pflanzen haben Salpeter nöthig, der sich aus den verwesenden Abfällen der Menschen und Thiere bildet. Ebenso fehlen einzelne Pflanzen in manchen Gegenden gänzlich, die dicht neben diesen in anderem Boden in Menge vorkommen. I n dem Mergelboden und Moorgrund des Rheinthales sucht man vergeblich das homgreiche Heidekraut und die gelbe Ginster, die in dem benachbarten Haardtgcbirge und Odenwalde den Boden des Waldes und der Bergabhänge bedecken. Für den mit« diesen Verhältnissen Vertrauten giebt das Erscheinen und Fehlen solchercharakteristischerPflanzen häufig Aufschluß über die Beschaffenheit des Bodens, ohne daß er eine Untersuchung desselben zu machen hat. Das Bestehen einer Pflanzengattung hängt jedoch nicht allein von den Bestandtheilen des Bodens, sondern auch wesentlich von anderen Bedingungen ab, was hierbei wohl zu berücksichtigen ist. 107 Das Wasser ist den Pflanzen nothwendig, nicht allein weil es selbst ein Hauptnahmngsmittel derselben bildet, sondern auch als LösunFsmitte! der Kohlensäure, des Ammoniaks, sowie der mineralischen Stoffe. O^ne die hinreichende-Wassermenge ist daher kein Pftanzenwachsthum denkbar. Ein Boden mag Ueberfluß haben an Humus, Ammoniak und Salzen, alles dies ist ein verschlossener Schatz ohne die lösende Kraft des Wassers. Die Einwirkung des Wassers aus die mineralischen Bestandtheile des Bodens ist nicht bloß eine auflösende, sondern auch einechemischzersetzende. Denn vorherrschend wird der Ackerboden gebildet von Verbindungen der Kieselerde mit Thonerde, Kalkerde, Talkerde und Alkalien, welche in Wasser für sich un- I I I . Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 237 löslich find. Dasselbe gilt für die Kieselerde selbst, welche die Hauptmasse der Sandböden ausmacht. Indem jedoch das Wasser zunächst 'die im Boden befindliche Kohlensäure und das vorhandene Ammoniak aufnimmt, äußert es jetzt unter Mitwirkung dieser Stoffe eine aufschließende, d. i. chemisch zersetzende Einwirkung auf die unlöslichen Silicate (Min. §. 46). Während einerseits in kohlensäurehaltigem Wasser lösliche kohlensaure Erden und Alkalien entstehen, wird andererseits die Kieselerde in löslichem Zustande (Chem. §. 67) abgeschieden und es ist somit diesen Mineralstoffen der Gintritt in die Zellhaut ermöglicht. Aber hier drängt sich die Frage auf: werden denn nicht solche in aufgelöstem Zustande befindliche Mineralstoffe sofort durch das Regenwaffer hinweggespült und der Pflanze entzogen? Wir sehen doch wochenlange Regengüsse die Felder durchdringen und wir begießen fortwährend die Kulturpflanzen unserer Gärten und Blumentöpfe mit stets erneuertem Wasser. Wird in beiden Fällen die Erde nicht förmlich ausgewaschen und ihrer löslichen Nahmngs-^ Mittel beraubt? Allerdings sollte man dieses erwarten. Allein die Ackerkrume befitzt die höchst merkwürdige Eigenschaft, lösliche Salze anzuziehen und in der Art zurückzuhalten, daß dieselben von Wasser nicht ausgewaschen, wohl aber von den Wurzelfasern aufgesaugt werden können. Ein einfacher Versuch zeigt dies Vermögen der Ackerkrume sehr deutlich. Man füllt einen Trichter mit Ackererde und übergießt dieselbe mit der Auflösung irgend eines Salzes, deren Gehalt bekannt ist. Es zeigt sich alsdann, daß die ablaufende Flüssigkeit weniger von dem^Salze enthalt, als die aufgegossene. Nicht alle Salze verhalten sich hierin gleich; von dem Einen wird mehr zurückgehalten als von dem Anderen. Es scheinen gerade die als Nahrung der Pflanzen wichtigeren Stoffe, das Kali, das Ammoniak, die Phosphorsäure und Kieselsäure in höherem Grade festge' halten zn werden als Natron, Kalk, Schwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure. Die ablaufenden Gewässer können somit dem Boden nur den Ueberschuß seiner löslichen Bestandtheile entziehen. Durch längere Einwirkung der Sonnenstrahlen kann, der Boden endlich 198 eine solche Erwärmung annehmen, daß er völlig austrocknet und alles Pstanzenleben abstirbt. Es verhalten sich jedoch die verschiedenen Bodenarten hierin sehr ungleich, indem der eine das Wasser stärker zurückhält und weniger rasch austrocknet als der andere. Die Wasserhaltigkeit des Bodens ist daher eine höchst wichtige Eigenschaft desselben und wird bedingt durch seine Bestandtheile. Während Quarzsand eine außerordentlich geringe Wasserhaltigkeit besitzt, daher leicht ausdörrt, erweisen sich feinpulveriger Kalk, Humus und T h o n (Min. §. 115) bei weitem wasserhaltender. Insbesondere ist es der Letztere, welcher die Feuchtigkeit unserer Ackerböden bedingt. Allzuviel Thon ist jedoch dem Boden nicht minder nachtheilig, als der Mangel desselben. I n diesem Falle ist der Boden beständig naß, zusammenhängend und der Luft unzugänglich und beim Austrocknen hart und undurchdringlich für die Wurzeln. Nur schneidende Riedgräser und Nmsen kommen auf solchem Thonboden kümmerlich fort. 233 H.. Allgemeine Botanik. ViQÜu.38 Hsr Mäi?ru.S, ÄS3 I l i o ^ s s U.NÄ 6.61' Vicktrioität. 199 Das Leben der Pflanzen wird nicht allein von den Nahrungsmitteln der.selben bedingt, es ist nicht bloß einchemischerUmsetzungsproccß, vermittelt durch die Thätigkeit der Zellen. Auch die physikalischen Kräfte, die Wärme, das Licht und die Elektricität haben daran ihren Antheil und es ist bereits (§. 99) der Einfluß des Lichtes auf die Bildung gewisser Pflanzenstoffe hervorgehoben worden. I n welcher Weise jedoch in diesem Falle und überhaupt das Licht auf die Pflanze wirkt, ist näher nicht nachzuweisen und noch weniger wissen wir über die Wirkung der Elektricität zu sagen. Auffallender und daher bekannter ist der Einfluß der Wärme. W i r wissen, daß derselbe im Allgemeinen ein dem Pflanzenleben günstiger ist, welches mit der abnehmenden Temperatur allmälig erlischt. Doch verhalten sich die Pflanzen hierin sehr ungleich. Denn es erfrieren zum Beispiel: Bohnen bei . . . . . . . Gurken und Kartoffeln bei . . . . Mhrthen, Orangen und Citronen bei. . . Lorbeeren, Cypressen und Feigen bei . . ° Kirschlorbeer und Pinien bei : . . . . Buxbaum b e i . . . Weinstock bei . . . . . . . . . Mandeln, Pfirsich, Aprikosen, Centifolien und Mispeln bei . . . . . . . Wallnuß und Kastanien bei . . . Pflaumen und Kirschen bei. . . . . Aepfcl und Birnen bei ° . . . . Wachholder bei . . . . . ' — — — — — 2 7 8 16 20 - s - . 1<>N — 0<>N. bis — 4 " R . hjs -_ 90R. bis — 1 1 " R. bis — 200R. bis — 21«R. — 2 1 bis — 2 4 " N. — 24 bis — 2 6 " R . — 2 5 bis — 2 6 " R. — 25 bis — 2 7 " R. — 30 bis —- 400R. Es bedürfen ferner um zu reifen einer mittleren Sommcrwärme: Weizen von . . . . . « . . 13«C. Wem von . « 18o C. Baumwolle und Zuckerrohr von . . . . 1 9 ^ C . Oelbaum von . . . . . . . 230C. Dattelpalme von . . . . 260C. 11l> V o n der Wärme ist ferner die V e g e t a t i o n s z e i t abhängig, nämlich Qie Anzahl der Tage, welche eine Pflanze vom Beginn ihrer Entwickelung bis zur Fruchtreife bedarf. Dieselbe ist geringer für wärmere Gegenden als für kältere. S o z. B . betrug i m gleichen Jahre die Vegetationszeit der Gerste im Elsaß 92 Tage, bei Kopenhagen 1 2 0 Tage.' Multiplicirt man jedoch die mittlere Temperatm verschiedener Orte mit der Anzahl ihrer Vegetationstage für dieselbe Pflanze, so erhält man als Product sehr nahezu übereinstimmende Zahlen. Es geht hieraus hervor, daß zur Fruchtreife bei jedem Gewächse eine gewisse sich III. Lebenslehre. Ernährung der Pflanze. 239 gleich bleibende Menge von Wärme erforderlich ist, die jedoch auf ungleiche Zeiten Vertheilt sein kann. Für tausend Fuß Erhebung über den Meeresspiegel verspätet sich die Blüthezeit für Getreide und Kartoffel ungefähr um 20 Tage; das Ausschlagen und die Blüthezeit tritt für jeden Grad höherer Breite etwa um 4 Tage später ein. Allzuhohe Temperaturen setzen jedoch ebenfalls der Fruchtreife mancher Gewächse eine Gränze. I n den eigentlichen Tropenländem reifen weder Birnen und Aepfel noch Weizen. Wir haben im Vorhergehenden gesehen, in welcher Weise die Pflanze die I N unorganischen Stoffe der Natur als Nahrung aufnimmt und sich aneignet. Merkwürdiger Weise begegnen wir jedoch einer nicht geringen Anzahl von Gewächsen, welche nicht in der Erde, sondern auf anderen Pflanzen wachsen. Dieselben sind in der Regel mit dem Basttheil der Rinde desjenigen Stammes verwachsen, auf welchem sie angetroffen werden. Offenbar nehmen die Schmarotzer einen Theil der Säfte ihrer Ernährer hinweg und beeinträchtigen dadurch dessen Wachsthum, ja führen häufig seinen Untergang herbei. Ihre Ernährungsweise läßt sich mit der der blntsaugenden Thiere vergleichen, die ebenfalls bereits assimilirte Stoffe verspeisen. Der bekannteste Schmarotzer ist der M i s t e l (Visouin), der auf Obst- und Waldbäumen häufig vorkommt, und aus dessen weißen, schleimigen Beeren der Vogelleim bereitet wird. Manche Schmarotzer entwickeln sich auch auf den Wurzeln anderer Pflanzen, wie namentlich die Schuppenwurz (I^tkrg.63.) und das Fichten-Ohnblatt (NonotropÄ.), die Sommerwurz, auch Hanfwürger genann t(0i-0ka.iiH6 rauivM), Fig. 168, weil sie, wie F i g . 169 ^ zeigt, aus der Wurzel des Hanfes S hervorwächst und diesem schädlich wird. Auf dem Lein, Thymian und Klee erscheint in manchen Jahren besonders 240 H. Allgemeine Botanik. häusig die^Flachsseide (Onscuw), Fig. 170 und Fig. 171, als ein zierlicher, aber höchst schädlicher Schmarotzer. 112 Wir schließen unsere Betrachtung der Aebenserschcinungen der. Pflanzen mit einem Blick auf ihr Alter und auf den Umfang, welchen sie erreichen. Während die zum Theil nur durch Vergrößerung sichtbaren Pilz- und'Schimmelgebilde kaum einige Stunden zu ihrer Entwickelung brauchen und dann absterben, sind für manche Schwämme hierzu mehrere Tage oder Wochen erforderlich. Es ist bekannt, daß die Lebensdauer bei den vollkommneren Pflanzen eine größere ist. Abgesehen von den ein- und zweijährigen erreichen die ausdauernden Pflanzen ein merkwürdig hohes Alter. Aus den Jahrringen mehrerer Bäume hat man mit Bestimmtheit nachgewiesen, daß dieselben mehr als 2000 Jahre alt waren und dennoch fortwährend neue Zweige entwickelten; ja man schätzt das W e r der an den Ufern des Senegal angetroffenen A f f e n b r o t b ä u m e (ManLonia) auf 6000 Jahre! Einem hohen Alter entspricht in der Regel auch ein bedeutender Umfang der Pflanze. Während unsere Edeltanne eine Höhe von 160 bis 180 Fuß und einen Durchmesser von 6 Fuß erreicht, giebt es Palmen, die, ohne"'"N3er zu sein, 250 Fuß hoch werden. Auf dem Aetna stehen einige alte Kastanienbäume, deren Umsang 60 bis 80 Fuß beträgt. Der Lutherbaum bei Worms, eine Rüster, ist 116 Fuß hoch und hat 35 Fuß im Umfang. Sein Alter mag wohl 600 bis 800 Jahre betragen. Als Berühmtheit ist ein Drachenbaum (Dr2.Q3.6Q2.) bei Orotava auf Teneriffa anzuführen, der bei einer Höhe von nm 60 bis 80 Fuß eine Dicke von 27 Fuß im Durchmesser hat und bereits im Ackerbau. 241 Jahre 1402 bei der Eroberung der Insel wegen seines Umfanges bewundert und beschützt wurde. Als Riesen der Baume sind jedoch die M a m m u t h b ä u m e CsssiliuStonig. AiSantsa) anzusehen, mächtige Tannen Califormms, die eine Höhe von 400 und mehr Fuß erreichen und somit den höchsten Gebäuden der Erde nur wenig nachstehen und dabei am. Fuße einen Umfang von 60 bis 80 Fuß haben. Freilich besitzen einige Schlinggewächse der tropischen Urwalder eine noch beträchtlichere, wohl 500 Fuß erreichende Länge, indem ihr nur zoUdicker Stamm an Bäumen emporklettert, Von Ast zu Ast und zu benachbarten Bäumen sich schlingt, herabhängt und von Neuem eine Stütze gewinnend wieder aufsteigt« E i n derartiges Wachsthum hat die R o t a n g p a l m e , deren Schöffe unter dem Namen von spanischem Rohr bekannt sind. Auch die Lebensdauer und Keimfähigkeit der Samen ist höchst ungleich. Sei vielen ist sie schon im ersten Jahre erloschen. Man hat jedoch Gerste zum Keimen gebracht, die zur Zeit der Einfälle der Araber in Frankreich, also vor etwa 600 Jahren, vergraben wurde, ja solche, die aus den Gräbern der Pyramiden Aegyptens genommen und folglich mindestens 2000 Jahre alt war« Ackerbau. Eine ausführlichere Darstellung dieses für das Bestehen des menschlichen 113 Geschlechtes allerwichtigsten Culturzweiges würde die Gränzen dieses Buches weit überschreiten. Allein das, was seither über den Bau und die Verrichtung der Organe, sowie über die Bestandtheile und die Ernährung der Pflanze mitgetheilt worden ist, wird dazu dienen, die hohe Bedeutung der wissenschaftlichen Betrachtung und Behandlung des Ackerbaues hervorzuheben. Wenn es als die Aufgabe des Ackerbaues erscheint, von einem Grundstück den höchsten Ertrag nutzbarer Pstanzenstoffe zu erzielen, so wird der Gewinn um so größer sein, je geringer hierbei der Aufwand an Arbeit und sonstigen Cultmmitteln ist« Das Gedeihen der Pflanzen hängt aber einesteils vom Vorhandensein ihrer Nahrungsmittel, anderntheils von den Bedingungen ihrer Aufnahme, insbesondere von Wärme, Luftzutritt und Lockerheit des Bodens ab. I n Beziehung auf letztere ist nun die mechanische Bearbeitung des Ackerlandes, das Graben. Pflügen, Walzen u. s. w. desselben, von größter Bedeutung. Es wird hierdurch nicht nur das Erdreich für die Wurzelverbreitung geeigneter gemacht, sondern auch der Zutritt der Luft befördert, welche die erforderliche zersetzende Einwirkung auf seine Bestandtheile ausübt» Wie wesentlich letzterer ist, erweist sich recht augenfällig bei nassem Boden, der, von Wasser durchtränkt, der Luft weder Zutritt noch Einwirkung gestattet und somit auch der Erwärmung nicht fähig ist. Hier bewirkt die Entwässerung Wunder. Sie geschieht, indem nach tieferen Stellen Gräben gezogen werden, sogenannte D o l e n . Man füllt dieselben theilweise mit Steingerölle, auch mit Reisern aus und wirft sie nachher mit Erde zu« Dem Wasser ist hierdurch ein Abzug gestattet» Auch stellt man zu gleichem Zwecke unterirdische Canale m s 51° , ,. 16,, 242 H.. Allgemeine Botanik. Hohlziegeln oder aus besonders geformten Thonröhren dar, welche das Waffer einlassen und fortführen« Die Bodenentwässerung wird gewöhnlich D r a i n a g e genannt« Dünger. 114 Eine andere Seite der landwirtschaftlichen Thätigkeit bezieht sich dagegen auf die Zufuhr der Nahrungsmittel für die Culturgewächse. Nach angestellten Versuchen werden einem Felde von 4 Morgen (—30,000 ll Meter, Physik §. 7) durch eine Wchenemte entzogen: 130 Pfd. Kalisalze, 67 Pfund Kalksalze und 260 Pfund Kieselerde, zusammen 357 Pfund mineralische Bestandtheile. Darunter sind 112 Pfund phosphorsaurer Salze« Wiederholen wir auf einem und demselben Felde eine Reihe von Iahreu hinter einander dieselbe Ernte, so ist es offenbar, daß demselben sehr bedeutende Mengen jener mineralischen Stoffe entzogen werden, daß die Oberstäche des Bodens an denselben fortwährend ärmer werden muß. I n der That, nach wenig Jahren nimmt der Ertrag unserer Ernten mehr und mehr ab und lohnt alsbald nicht mehr die Aussaat. Die Ursache hiervon liegt darin, daß die Wanze jene mineralischen Stoffe, die sie zu ihrer vollkommenen Ausbildung bedarf, entweder nicht in hinreichender Menge oder nicht in löslichem Zustande vorfindet. Wollen wir fortwahrend ernten, so müssen wir Sorge tragen, dem Boden wieder so viel an mineralischen Stoffen zurückzugeben, als wir demselben nehmen. Dies geschieht durch den Dünger« Wir verstehen hierunter alle Stoffe, welche auf das Ackerland gebracht dessen Ertragsfähigkeit für irgend ein gewünschtes Pflanzenproduct herstellen. Der gewöhnlichste und althergebrachte Dünger ist der M i s t , bestehend aus den Absonderungen der Menschen und Thiere, vermengt mit allen möglichen Abgängen der Haushaltung und Landwirthschaft. Es ist klar, daß darin sich alle jene organischen und mineralischen Stoffe zusammenfinden muffen, welche wir mit den Ernten vom Acker hinweggenommen hatten und die wir daher im Miste demselben wieder zurückgeben. Die kohlenstoffhaltigen Theils des Mistes, vorzüglich das Stroh, dienen zur Lockerung des Bodens, zur Vermehrung seines Gehaltes an Humus und an Kohlensäure; die stickstoffhaltigen Substanzen liefern Ammoniak. Diese im ' Boden vorgehende Zersetzung der genannten Stoffs ist zugleich eine Quelle von Wärme. Gedüngtes Land ist stets etwas wärmer als ungedüngtes, und es kann eine reichliche Düngung die Ungunst des Klimas theilweise ersetzen. Die flüssigen Absonderunzen sind vorzüglich reich an Salzen, insbesondere an phosphorsauren. Daher hat auch der flüssige Theil des Mistes, der P f u h l , einen ganz besondern Werth als Dünger« Die sorgfaltigste Aufsammlung und Verwendung dieser unappetitlichen Flüssigkeit ist eine Hauptaufgabe für den Landwirth. Es ist begreiflich, daß eine Menge von Substanzen als Dünger verwendbar sind, auch wenn sie nicht in der Form thierischer Abfälle uns zu Geböte stehen. Ackerlau« Dünger. 243 Gyps, gemahlene Knochen, Holzasche, Torf- und Steinkohlenasche, ausgelaugte Asche, gebrannter Kalk, ammoniakhaltige Abfälle aus verschiedenen' Fabriken, alle diese Substanzen sind als Dünger von großem Werth zu betrachten« Zahlreiche Fabriken, welche sogenannten künstlichen oder M i n e r a l dünger bereiten, erfüllen die Aufgabe, derartige Stoffe zu sammeln und sie in die geeignetste Form zu bringen, in der sie als Dünger wirksam sind. Es ist für den Gesammthaushalt eines Landes von größter Wichtigkeit, daß keine Substanz unbeachtet und unbenutzt verloren wird, welche, dem Ackerboden zugeführt, das Wachsthum nützlicher Gewächse befördert. Je genauer wir die Bestandtheile des Bodens kennen, desto zweckmäßiger wird die Wahl des Düngers ausfallen. Man wird sich begnügen, jedem Boden nur das Fehlende zu ertheilen, und oft mit einigen Säcken voll düngender Substanz dasselbe ausrichten, wozu ebenso viele Wagen voll unpassenden Düngers nöthig waren« I n dieser Beziehung haben sich mehrere Stoffe von auffallend günstiger Wirkung erwiesen, indem sie, in verhältnismäßig geringer Menge auf den Acker gestreut, die Ertragsfähigkeit desselben ungemein erhöhen. — Diese sind: der Gyps, das Knochenmehl und der G u a n o . Die Wirkung des Gypses ist so auffallend, daß F r a n k l i n , der das Verfahren, die Felder und Wiesen mit Gyps zu bestreuen, in Europa kennen lernte, dasselbe nach Amerika zu verbreiten suchte. Er fand jedoch bei seinen Landsleuten wenig Bereitwilligkeit, denn Niemand glaubte an die versprochenen Wunder, welche ein Sack voll Gyps auf ein Feld ausüben sollte. Da streute denn FMnklin in großen Buchstaben auf ein Feld am Verzabhcmge die Worte hin: » W i r k u n g des Gypses«« Das üppige Wachsthum der Pflanzen an den bestreuten Stellen machte bald den Werth dieses neuen Düngemittels jedem Vorübergehenden ins Auge fallend, und es bedurfte nun zu semer Anwendung leiner weiteren Empfehlung. Der Gyps besteht aus Schwefelsäure und Kalk (Chemie §. 87). Er enthält demnach Schwefel und Kalk, zwei Stoffe, die als wesentliche Bestandtheile vieler Pflanzen angeführt worden sind. Ueber die Wirkung des Gypses herrschen verschiedene Ansichten; theils schreibt man sie seinem Gehalt an Schwefel zu, theils seinem Verhalten gegen das im Boden befindliche kohlensaure Ammoniak« Er zersetzt sich mit diesem in schwefelsaures Ammoniak und in kohlensauren Kalk; ersteres ist wenig flüchtig und wird daher mehr im Boden zurückgehalten, als dies bei dem sonst leicht in die Atmosphäre entweichenden Ammoniak der Fall ist. Der kohlensaure Kalk kann i n kohlensäurehaltigem Wasser gelöst in die Pflanzen übergehen. Endlich wird die Wirksamkeit des Gypses einfach aus seinem Kalkgehalt hergeleitet, da er sich den Kalkpstanzen und insbesondere dem Klee so förderlich erweist. Seiner leichten Vertheilbarkeit als feines Pulver, seiner Löslichkeit im Wasser wird sein Vorzug vor anderen im Boden vorkommenden Kalkverbindungen zugeschrieben. Es ist möglich, daß alle diese Ursachen zusammenwirken. Der Einfluß der Düngung mit Knochenmehl, besonders auf den höheren 16* 244 H.. Allgemeine Botanik« Ertrag der Weizenernten, ist außerordentlich günstig. Der Stickstoffgehalt der Knochcngallerte, die Anwesenheit der Phosphorsäure und des Kalkes, diesen Bestandtheilen der Weizenasche machen die Wirkung der Knocben erklärlich. Dieselbe ist um so vortheilhafter, je feiner die Knochen zermahlen sind. Noch gesteigert wird die Wirkung, wenn das Knochenmehl mit Schwefelsäure angerührt verwendet wird. Es entsteht in diesem Falle schwefelsaurer Kalk und löslicher phosphorsaurer Kalk« I n dem Handel kommt dieses Präparat unter dem Namen S u p e r P h o s p h a t vor. Es ist in hohem Grade zu bedauern, daß die deutsche Landwirthschaft dem Werthe der Knochen als Dünger noch lange nicht die gehörige Beachtung beilegt. Wäre dieses der Fall, so würden nicht viele Tausende Centner von Knochen in ganzen Schiffsladungen nach Holland und England jährlich ausgeführt werden. Der Ertrag der Felder in England hat sich seit der Einfuhr der Knochen und Oelkuchen auf das Doppelte erhöht. Der Guano ist eine bräunliche, zerreibliche oder pulverige Masse von scharfem, ammoniakalischem Geruch. Er wird von einigen Inseln und Punkten des Festlandes des östlichen Amerika eingeführt, die einer fast regenlosen Region angehören. Daselbst hat -sich seit Jahrtausenden der Mist von MeeresVögeln angesammelt, die in ungeheuren Schwärmen jene Niederlassungen oft ganz bedecken. Theilweise in Zersetzung übergegangen bildet derselbe den Guano des Handels (Chemie §. 404), Ein reicher Gehalt an Ammoniak und Phosphorsäure verleihen diesem Dünger seine überraschende Wirkung. Als ein Düngemittel von vorzüglichem Werthe wegen seines Gehaltes an Stickstoff und Phorphorsäme werden auch die Oelkuchen verwendet« , P r a ch e. 115 Ein durch Ernten erschöpfter Boden erreicht auch ohne Dünger seine Ertragsfähigkeit wieder, wenn wir ihn mehr oder weniger lange Zeit unbebaut sich selbst überlassen. Dieses Verfahren, die Brache genannt, ist in manchen weniger bevölkerten Gegenden so üblich, daß dort niemals gedüngt wird. Diese auffallende Erscheinung erklärt sich daraus, daß während der Brachzeit die Luft und das Wasser unausgescht auf den Boden einwirken und fortwährend eine weitere Verwitterung desselben verursachen. Dadurch werden dessen lösliche mineralische Bestandtheile wieder in hinreichender Menge für eine künftige Ernte den Pflanzenwurzeln zugänglich« Zur besseren Verständigung dessen muß man sich an das in §. 107 Gesagte erinnern, wonach die meisten der von der Pflanze aufgenommenen Mineralstoffe erst in Folge einer Zersetzung löslich werden und daher eine ziemliche Zeit erfordert wird, bis das in den Boden gedrungene Wasser damit sich gesättigt hat. Ein brachlieKM bedeckt sich bald mit Unkraut, wodurch die Feuchtigkeit mehr in demselben zurückgehalten und der Humusgehalt vermehrt wird. Nur die hinsichtlich ihrerchemischenZusammensetzung allergünstigsten Bodenarten, wie z. B. die verwitterte Lava, erträgt unausgesetzte Ernten ohne Dünger und Brache, Ackerbau. Wechfelwlrthschaft. 24b Wechselwirthschaft« Wir haben gesehen, daß verschiedene Pflanzengattuugen dem Boden N 6 nicht allein verschiedene mineralische Stoffe, sondern auch, daß sie dieselben Stoffe in höchst ungleicher Menge entziehen« Während einem Felde von vier Morgen durch eine Weizenernte 112 Pfund phosphorsaurer Salze entzogen werden, nimmt eine Rübenernte nur 38 Pfund derselben hinweg. Drei Rübenernten werden demnach einem Felde weniger phosphorsaure Salze entziehen, als eine einzige Weizenernte. Hieraus erklärt sich, daß ein Boden, der für eine gewisse Pflanzengattung erschöpft ist, für eine zweite und dritte noch ertragsfähig sein kann. Nach Weizen können ohne frische Düngung ganz vortheilhaft Klee oder Kartoffeln gebaut werden, denn diese erfordern nur sehr wenig phosphorsaure Salze zu ihrer Ausbildung. Welche Reihenfolge hierin einzuhalten fei, läßt sich im Allgemeinen nicht bestimmen, sondern richtet sich durchaus nach der Bodenart eines jeden Ortes. Eine gut geregelte Wechselwirthschaft erträgt nach einmaliger Düngung fünf bis sieben Ernten und macht die Brache unnöthig, die ohnehin bei unserer dicht gedrängten Bevölkerung ganz unausführbar wäre. Die Erfahrung hat für verschiedene Gegenden die ihr am besten zusagende Fruchtfolge festgestellt, d. h. in welcher Reihe verschiedene Gewächse auf demselben Felde am vortheilhaftesten gebaut werden. Beispielsweise geben wir hier eine am Mittelrhein ziemlich übliche Fruchtfolge mit fünfjährigem Umlauf, wobei stets im Anfang des ersten, folglich alle fünf Jahre gedüngt wird: Erstes Jahr: Kartoffeln oder Runkelrüben (Kalipflanze); zweites Jahr: Weizen (Kieselpstanze); drittes Jahr: Klee (Kalkpflanze); viertes Jahr: Weizen und Stoppelrüben (Kiesel- und Kalipflanzen); fünftes Jahr: Hafer, Roggen oder Gerste (Kiesel-und Kalkpstanzen); im sechsten Jahre beginnt die Reihe aufs Neue. So sehen wir, wie die wissenschaftliche Botanik, indem sie die Lebens- 117 erscheimmgen erforscht und darlegt, berufen ist. der Landwirthschaft die wichtigsten Dienste zu leisten und somit das allgemeine Wohl zu befördern, denn dasselbe ist m dem ergiebigen Ackerbau sicherer gegründet, als durch die Blüthe eines jeden anderen Gewerbes. Wenn erzählt wird, daß der Kaiser von China jährlich einmal die Hand an den Pflug legt, sowie daß einst der Kaiser Joseph auf seiner Reise durch Böhmen eigenhändig eine Furche zog, so sind diese Handlungen nur ein Ausdruck der Anerkennung der hohen Wichtigkeit des Ackerbaues« Nicht minder bezeichnend für die culturgeschichtliche Bedeutung des Ackerbaues erscheint im Alterthum als mythische Gottheit zugleich des Ackerbaues und der Gesittung die Ceres — »Die Bezähmerin wilder Sitten, Die den Menschen zum Menschen gesellt.« Einfach und rührend endlich sind die trefflichen Worte, mit welchen ein Häuptling der nordamerikanischen Rothhäute seinem Stamm den Ackerbau als einziges Mittel der Erhaltung gegenüber dem Vordringen der weißen BevölksF rung anempfiehlt 3 246 L . Besondere Botanik. «Seht ihr nicht, daß die Weißen von Körnern/ wir aber von Fleisch leben? Daß das Fleisch mehr als 30 Monden braucht, um heranzuwachsen, und oft selten ist. Daß jedes der wunderbaren Körner, die sie in die Erde streuen, ihnen mehr als tausendfältig zurückgiebt? Daß das Fleisch, wovon wir leben, vier Beine hat zum Fortlaufen, wir aber deren nur zwei besitzen, um es zu haschen? Daß die Körner da, wo die weißen Männer sie hinsaen, bleiben und wachsen? Daß der Winter, der für uns die Zeit unserer mühsamen Jagden, ihnen die Zeit der Ruhe ist? Darum haben sie so viele Kinder und leben länger als wir. Ich sage also Jedem, der mich hören will, bevor die Cedern unseres Dorfes vor Alter werden abgestorben sein und die Ahornbämne des Thales aufhören uns Zucker zu geben, wird das Geschlecht der kleinen Kornsäer das Geschlecht der Fleischeffer vertilgt haben, wofern diese Jägersichnicht entschließen, zu säen!« 118 Die Pflanze belohnt auf das Entsprechendste jede ihr gewidmete Aufmerksamkeit, jedes ihr gebrachte Opfer. Man vergleiche die erbsengroßen Knöllchen der wilden Kartoffel in den Gebirgen Mexicos mit den Riesenknollen unseres Culturlandes, die federkieldicke wilde gelbe Rübe und Cichorie mit den zuckerreichen saftigen angebauten Wurzeln derselben, den kleinen sauren Holzapfel mit dem Reichthum köstlicher, durch die Cultur veredelter Apfelsorten. Wir können uns nicht versagen, in dem Folgenden einen Beweis der Vortheile mitzutheilen, welche namentlich die Obstbäume ihren Pflegern erweisen. I n Wallerstädten, einem kleinen Dorfe bei Darmstadt, blieb im siebenjährigen Kriege ein französischer Soldat krank und elend liegen. Menschenfreundliche Bauern pflegten ihn, er gesundete, und aus Anhänglichkeit an seine Wohlthäter entschloß er sich, bei denselben zu bleiben und mit seiner Hände Arbeit sich zu ernähren. D a man ihm die Obhut der Hcerde anvertraute, so bemerkte er bald, daß auf der großen Trift, welche das Viel) beweidete, Raum genug sei für manchen nützlichen Baum. Dies bestimmte ihn, zur Zeit, wo die Heerde eingestellt war, eine Wanderung in seine Heimath anzutreten, und auf seinem Rücken trug er von dort eine Anzahl junger Stämmchen von edlen Obstsorten heraus. Mehrmals wiederholte er diese Reise und bepflanzte nach und nach die ganze Trift mit Bäumen, die jetzt einen herrlichen Obstwald bilden, jedes Jahr eine bedeutende Summe eintragen und eine Quelle des Wohlstandes für die ganze Gemeinde sind. L« Besondere oder specielle Botanik.' ^ ^ ^ ^ 119 Nachdem in der ersten Abtheilung, die als allgemeine B o t a n i k bezeichnet wurde, die Lehre von den Organen der Pflanze und deren Thätigkeit abgehandelt worden ist, haben wir nun in dieser zweiten Abtheilung, die wir als die besondere oder specielle B o t a n i k bezeichnen, die einzelnen Pflanzenarten, ihre Merkmale, Emtheilung, Verbreitung und Verwendung kennen zu lernen. Verbreitung der Pflanzen« 247 V e r b r e i t u n g der Pflanzen« Die Oberflache der Erde ist in sehr ungleicher Weise mit Pflanzen bedeckt. I M Während nach den Polen hin die Mannichfaltigkeit und die Stärke der Pflanzen fortwährend abnimmt, so daß Tannen und Birken nnr noch verkrüppelt, und die Weide als krautartiger Strauch sich finden, dann nur noch Moose und Flechten sich erhalten und endlich im ewigen Schnee und Eis alles Leben erstarrt, sehen wir nach dem Aequator hin die Pflanzenwelt in größtem Reichthum und in der vollkommensten Entwickelung prachtvoller Blüthen, ungeheurer Blatter und gewürzreicher Früchte austreten. I n diesen tropischen Gegenden finden wir nicht nur die größte Anzahl verschiedener Pflanzen beisammen, sondern es walten hier auch die Dikotyledonen gegen die übrigen Pflanzen vor. Bei weitem die meisten Pflanzen sind an bestimmte Gränzen gebunden, innerhalb welcher die Bedingungen ihres Gedeihens gegeben sind, und es lassen sich Linien um die Erde gelegt denken, welche die Gränze für den Oelbaum, für den Weinstock, die Getreidearten und andere mehr bezeichnen. Dieselben sind durchaus nicht parallel mit dem Aequator verlaufend, denn schon in der Physik (§. 224) habm wir gesehen, welche örtliche Einflüsse die mittlere Temperatur einer Gegend verändern können. So dauern in dem gleichmäßigeren Klima Englands manche Pflanzen im Freien aus, z.V. der Kirschlorbeer, die in Deutschland erfrieren, während die Trauben in England nicht reifen, dasieeine Hitze verlangen, die jenes vom Meere gekühlte Inselland nicht erreicht. Hohe Gebirge der warmen Länder vereinigen in ihren verschiedenen Höhen die Pflanzen der ungleichsten Klimate« Während ihr Fuß in Palmen- oder Orangenhainen steht, ist der kahle Scheitel mit Flechten und mit ewigem Eise bedeckt. I n Verfolgung dieser Verhältnisse, vorzüglich durch H u m b o l d t , haben sich als besondere wissenschaftliche Zweige die Pflanzengeographie und die Pflanzenstatistik ausgebildet und es wird hiernach die Erde in 8 verschiedene Zonen und in 25 Reiche der Pflanzenwelt eingetheilt. Bei ersteren ist es die mittlere Temperatur, bei letzteren das Vorwalten gewisser Pflanzenfamilien, welche die Gränze bestimmen« So hat die Aequatorialzone, auch Zone der Palmen oder Pisange genannt, 15 Grad beiderseits vom Aequator, 28^ bis 360C« mittlere Iahreswärme; in Nebergängen folgen die tropischen, subtropischen und die wärmeren gemäßigten Zonen» worauf unsere kältere gemäßigte, vom 45sten bis bssten Grade, mit 12o bis 6^C. mittlerer Temperatur folgt, welche auch als die Zone der blattwechselttden Laubhölzer bezeichnet wird« Es folgen dann nach den P s l m : die subarktischen, arktischen und die Polarzonen« I n letztgenannten ist die mittlere Temperatur unter dem Gefrierpunkt. Ein pftanzengeo graphisch es Reich bilden zusammen diejenigen Erdstriche, welche gemeinsam mindestens die Halste der ihnen eigenthümlichen Arten, mindestens ein Viertel der Gattungen und einzelne Familien ausschließlich oder vorwaltend haben. M s Beispiel führen wir an; das Reich der D s l d e n pflanzen oder Coniferen, auch Lin,ns's Reich genannt, welches N o r d - 248 V . Besondere Botanik. und M i t t e l e u r o p a bis zum Nordabhang der Pyrenäen, Alpen, des Balkan und Kaukasus und einen in gleicher Breite durch das nördliche Asien laufenden Gürtel umfaßt« Als statistisches Beispiel werde bemerkt, daß die Anzahl der Arten der Monokotyledonen sich zu denen der Dikothledomn verhält wie 1 zu 4. 121 Für die Verbreitung der Pflanze innerhalb ihrer natürlichen Gränzen hat die Natur auf mannichfache Weise Sorge getragen. Sie hat die Samen theils mit Federkrönchen versehen, daß der Wind weithin sie fortträgt, oder mit Häkchen, daß sie an den Thieren hängend verbreitet werden. Die Vögel, die pflanzenfressenden Thicre, die Bäche und Flüsse, ja selbst das Meer verpflanzen vielfach den Samen weiter« Nichtsdestoweniger ist uns die Pflanzenwelt Amerikas und Australiens erst durch die kühnen Entdecker jener Länder aufgeschlossen worden, und noch jedes Jahr bringt uns neue Pflanzen, von welchen manche, die anfänglich nur Mit besonderem Schutze zu erhalten sind, allmälig an unser Klima sich gewöhnen und selbst verwildern. Die schone gelbe Nachtkerze (OsNotkGrN), die im Jahre 1614 zuerst nach Europa kam, blüht jetzt an allen Rainen und das kanadische F l o h k r a u t (NriAsron), welches erst nach der Entdeckung Amerikas zufällig mit Roggen herüberkam, ist jetzt das gemeinste Unkraut unserer Felder. 122 Unter der F l o r a eines Landes oder einer Gegend versteht man den I n begriff der daselbst wild wachsenden Pftanzenarten. Dieselbe bedingt mehr oder weniger den Charakter der Landschaft, je nachdem der Anbau darauf eingewirkt oder die Verwüstung zerstört hat. Immer seltener werden jedoch reine Vegetations-Ansichten — Blicke in eine von Menschenhand unberührte oder unverändert belassene Pflanzenwelt«. Beispiele solcher bieten der tropische und der böhmische Urwald, die nordischen Nadelgehölze, die Matten der Alpen, die Grassteppen, die Haiden und Moore. Eigenthümlich ist es, daß manche Pflanzen vorzugsweise als gesellige auftreten, wie die Buche, die Kiefer, das Heidekraut, und dadurch den landschaftlichen Charakter besonders ausprägen. Aber nicht allein durch den malerischen Reiz und die Stimmung, welche die Pflanzenwelt der Landschaft ertheilt und die so vielfach dichterisch ausgesprochen worden ist, macht sich uns dieselbe werth und wichtig; auch auf die Beschaffenheit des Landes, auf sein Klima, auf seine Gewässer und hierdurch auf die Landesbewohner erstreckt die Pfianzenbedeckung ihren weitgehenden Einfluß. Rasch rinnen, von den freventlich entblößten Gebirgen die niederfallenden Regengüsse und bilden schnell anschwellende Ströme, die in den NiedOUUgen verheerende Ueberschwemmungen herbeiführen Dem übereilten Ablauf der Gewässer folgt Trockmh und Dürre; waldloses, ausgewaschenes, ödes Gebirge und Hochland erblickt dann weithin das Auge. Wohlthuend sticht hiervon ab der sorgsam gehaltene Gebirgswald. Wie mit liebenden Armen empfangen feine Bäume den niederthauenden Regen, den sie zurückhaltend, und langsam nährend den tausend Quellen abgeben, die in dm Thälern hervorsprudeln» Eintheilung der Pflanzen. 249 G i n t h e i l n n g her Pflanzen« Daß man sich bei Beschreibung und Eintheilung der Pflanzen an sehr 123 bestimmte und bleibende Merkmale halten muß, leuchtet von selbst ein. Denn wollte man dieselben etwa nach ihrer Größe in Kräuter, Sträucher und Bäume eintheilen, so müßte man z. B. die Weide zu jeder dieser Abtheilungen rechnen, da sie auf Gebirgen krautartig erscheint, und in der Ebene bald als Strauch, bald als Baum« Eine jede Eintheilung setzt eine vorhergehende genaue Untersuchung und Beschreibung ihrer Gegenstände voraus. Je nach Art dieser letzteren hat sich in allen Wissenschaften eine besondere beschreibende Sprache oderTerminologie ausgebildet, welche den Theilen, Formen und Eigenschaften der Dinge bestimmte Namen giebt. Zur Erlernung dieser Sprache ist empfehlenswerth: das Handbuch der botanischen Terminologie und Systemkunde von G. W. Bisch off. Die gegenwärtig allgemein geltende Eintheilung der Pflanzen verdanken wir LinNG, einem Schweden, der 1707 geboren wurde, und der stets eine der ersten Stellen unter den ausgezeichnetsten Naturforschern einnehmen wird. Bei der Betrachtung der Pflanzen verfolgte L i n n ö zwei verschiedene Wege. Einmal nahm er nur auf gewisse Unterschiede in Einzelnheiten Rücksicht, namentlich auf die der Vlüthentheile, und bildete danach verschiedene Klaffen und Ordnungen. Da diese Eintheilung etwas Künstliches hat, so wurde sie das künstliche oder Linns'sche System genannt. Außerdem stellte jedoch L i n n s die Pflanzen auch nach ihrer Gesammterscheinung, nach gewissen allgemeinen Aehnlichkeiten, in natürliche Familien zusammen. Dieses Verfahren ist später von I u s s i e u , einem Genfer, weiter ausgebildet worden und führte zur Aufstellung der sogenannten natürlichen Systeme von Decandolle und von Endlicher» Diejenigen Pflanzen, welche in allen wesentlichen und unveränderlichen 124 Merkmalen übereinstimmen, gehören zu einer A r t . Pflanzmarten, die eine gewisse Uebereinstimmung, namentlich in ihren Fruchtbildungstheilen Zeigen, bilden eine G a t t u n g oder ein Geschlecht. Alle zu einem Geschlecht gehörigen Pflanzen erhalten dessen allgemeinen Gcschlechtsnamen und sodann einen Beinamen, welcher die Art bestimmt. So haben wir das Geschlecht Viola, Veilchen — welches die Arten: Viola oäo» Ma,, wohlriechendes Veilchen — Viola, trioolor, das dreifarbige Veilchen oder Stiefmütterchen — Viola oauinA., das Hundsveilchen und andere mehr enthält. Eine Mittheilung der lateinischen Namen bei der Beschreibung der Pflanzen ist darum nothwendig, weil dieselbe Pflanze nicht nur in verschiedenen Ländern, sondern selbst in jedem Lande/ ja in jeder Provinz oft die verschiedensten Namen hat, so daß eine allgemeine Verständigung unmöglich wäre« Gattungen von gewisser Aehnlichkeit stellen die F a m i l i e n dar« Man nennt die Pflanzen derselben verwandt, eben wegen ihrer Aehnlichkeit, und Z50 V . Besondere Botanik. verwechselt dies nicht mit der Verwandtschaft der Chemie, die gerade zwischen denjenigen Körpern am größten ist, welche die geringste Ähnlichkeit haben.' Die Sonnenblume, das Gänseblümchen, die Aster und die Dahlie sind z. B. Pflanzen verschiedener Gattungen, welche jedoch einer und derselben Familie angehören. Daß endlich alle Pflanzen wieder i n drei Hauptgruftpen, in Akotyledonen, Monokotyledonen und Dykolyledonen zerfallen, wurde bereits im §. 23 gezeigt. Am lebendigsten werden diese Begriffe nur durch die Anschauung sowie durch das fleißige Sammeln, Bestimmen und Ordnen der Pflanzen« 125 Sämmtliche Pflanzen werden in 2 4 Klassen getheilt. Die 23 ersten Klaffen enthalten vermischt die Msnokotyledonen und Dikotyledonen. Die 24ste Klasse enthält nur die Akotyledonen. Die Klassen werden nach der Anzahl, Stellung und Länge der Staubfäden, nach dem Verwachsen derselben unter sich oder mit anderen Blüthentheilen und endlich nach dem Fehlen derselben gebildet. Jede Klasse zerfällt in mehrere O r d n u n g e n , die in verschiedener Weise gebildet werden, wie z. B« in den dreizehn ersten Klassen mach der Anzahl der Stempel oder Griffel. Es sind also hauptsächlich die zur Fortpflanzung dienenden Blüthentheile, welche diesem System zu Grunde gelegt werden« Uebersicht der Klassenbildung. l ' Zahl . . Klaffen« 1. N(ML.näri»« 2. viQnäri«.. 3. Ilmuäria. 4. Fstranäria. 5. Ventanäria. 6. HSXÄnärm. ^ UN8. Ootanärw. ""halt9. N^eanäria. Freie ? A " ^ 10. Dsoünäria. Staub- ^stimmt 11. vaäeoanärm, Staubbesth^. Zahlu.Ve-si2. loosauäria. M e r v. festigung l13. I>o^anäria. FruchtLangmvertzaltniß be-s14. vichmamia. knoten bestimmt 1 i S . l e t r ^ n k i m a . ' Zwitter- getrennt 16. Nx>NÄ^iMia. . Staubfaden ^ g ^ ^ ^ . ^ an den ) Staubbe- >19. Z^ügsnsLia. Haltern ) PstauM Stanhbch. mit dem Fmchtk. verwachsen 20. ^ n a u ä r i g . l""' l 2 1 . Nouoooia. Eingeschlechtigen B l ü t h e n ° « « « « . « « . . < 2 2 . v i o e o m . l.23. V o i ^ s a m l a . Verborgenen M ü t h e n t M e n . . . . . « « . , , . . . 24. Or/ptoFamiN. Sichtbaren Blüthentheilen Verwachsene Stauborgane Das künstliche ober Anns'sche Wanzenspftem. 251 Uebersicht der Klassen und Ordnungen. Klassen: Ordnungen: I. UouQnäria: 1 Staub-site: 1 Griffel: Nono^ni».. behältcr. i2te: 2 Beispiele: OaliitrioAs. Griffel: NonoF^nia. ^,NtIi0X2.A.tAUW » Tri^MM. Griffel: NonoZ^ni». behält«. ße- 2 Iris. Noräsum. IV. ?etranäria: 4 Staub-^^' 5 Griffel: NonoFMi». bchälter. ß<°- 2 Ite: 2te: V. Vont«l.näria: 5 Staub- 3te: behälter. 4te: 5te: 6te: VI. Hex. 1 Griffel: NlonoF^uia. 2 3 4 5 6 und mehr Griffel: Voi^g^ni». Ite: 1 Griffel: » » 4te: 4 » Nvxakäriü'. 6 Staub- 2te: 2 3te: 3 bchalter. NlonoF^inQ. vi^^nia. ^liFMi». 1«traFMia. Zte: Mehr Griffel: k o i ^ M i a . 1 Griffel: NlouoF/nia. 2 3 7 Ite: 1 G r i M : NouoZ^ma. VIII. OotLnäria: 8 Staub- 2te: 2 3te: 3 behälter. » Lstr»FMia. 4te: 4 /Ite: VII. A e x t a n ä r i a : 7Staub->2te: behaltet. <3te: l4te: IX. Nuubanäria: 9 Staub-- y!^! « behälter. ^ ' ^ Vorr«,Fo. I'osniouium. Oaiubuous. ^ürnassia. I^iunm. N/08UrU3. Rumox. H-esouIus. NtoekriQ^iH. I*oI^g0Qurü. Griffel: NonoFM». Ite: 1 Griffel: NIanoZMiN. 2te: 2 X. Vetzauäria; 10 Staub- 3te: 3 betzälter. 4te: 5 5te:10 Ite: 1 Griffel: NouogMa. XI. voäsoanäria; 12 bis 2te: 3 » LriLMia. 3te: 3 19 Staubbchalter. 4te: ö 5te:12 Butoinus. Moduls. V. Besondere Botanik. 252 Klassen: Ordnungen: Ite: XII. looLänäria: 20 und 2tc: mehr Staubbebälter auf dem 3te: 4tc: Kelche eingefügt. öte: 1 Griffel: NonoF^nia. 2 » viFMia. 3 » Iri^ma. 5 » ?enta^)siiia. Viele Griffel: Voi^^üi». 'Ite: 1 Griffel: K<moA^ni». l2te: 2 » Di^nia. Irig^ia. XIII. V o i ^ a Q ä r i a : viele 13 te: 3 » » iLtraF^nia. Staubbehälter im Vlüthen- /4te: 4 wte: 5 » ?6ntNFMi2.. bodcn eingefügt. föte: 6 » NexQ^niQ. ^7te: Viele Griffel: k o i ^ ^ l l i » . XIV. Diä^naiüis.: 2 lange und 2 kurze Staubbehäl- Ite: 4 nackte Samen: ^ m n o s p y r w w . ter (Lippen- und Rachen^2te: Samen m Kapseln: H-u^iosVormia. blumen). Beispiele! ?runu8. ^ OrQtas§U8. 8ordu3. ?^ru.8. ?Nxav^r. ^.oonituin. 'Wilitsra. RanunculuL. I^vanHuI». I^iiiNri«.. XV. i ' s t r a ä ^ Q s . m i n . : 4 Ite: breites Schd'tchen und j « - i . ^ ^ ^ lange und 2 kurze Staubdeutlicher Griffel: j 3^u1o^. 2te: lange Schoten ohne Griffel: 8i1iHN05a. LrasLics« behältcr (Kreuzblumige). Ite: 3 Staubbehälter: Irianäria. XVI. UoN2ä«Ixkill: 2te: 5 » ^entauäriN« Staubfäden i n 1 Bündel 3te: 10 » D«o2.QÜria. verwachsen. 4te: 11 bis 19Staubbeh.: Voäecaiiäria. 5te: Viele Staubbehälter: ?o1^anäria. laniNrinäug. <3sr2,niuln. Naiva. Ite: 6 Staubbehälter: Nsxanäiia. (3 V'umariü« rechts, 3 links; oder 3 oben, 3 unten.) X V I I . V i a ä e i p k i « . : Staub2te: 8 Staubbeh.: Qowuärin. (4 oben, fäden in 2 Bündel verwach4 unten, am Grunde alle verwachsen.) sen (wovon meist 9 i n einer Röhre und 1 frei) 3te: 10 Staubbeh.: vsoanäria. (1 oben, Visum. 3 unten in eine den Fruchtknoten um- Iriloiwm. (SchmetterlmaMumen). gebende, oben gespaltene Röhre ver- (Houista. wachsen.) Ite: 10 Staubfädenbündel: Deoünäri», lüsodrornN. 2te: 12 Staubfädenbündel: Ooäsoanäri»« MromN. (JederVündel 3 Antheren— 36 Staubbehälter.) X V I I I . V o 1 ? 2 ä e l x k i 2.: 3te: Viele Staubbehälter i n Bündeln, Oitrug« Staubfäden i n mehr als im Kelche eingefügt: looLanäria. (20 Staubbehälter i n Bündeln von un2 Vündel verwachsen. gleicher Anthermzahl.) 4te: Viele Staubbehälter i n 8 bis 5 bis 9 Bündeln im Vlüthenboden eingefügt: koi^klläri». 253 Das künstliche oder Linns'sche Pflanzmfystem. Klassen: Beispiele: Ordnungen: 1t°- Lau.« Zwltterblü.hen: f ° ^ ' I^aetnoa» 2te: Zwitterblüthen in dcr> Scheibe, fruchtbare weib-! ^ol^airüs. liche Blüthen im Strahle! LnpsrMa ^.stsr. (d. h. am Rande): ) XIX. 8 ^ n g o u e » i N : Staubbehälter 5: die Staubfäden 3te: Zwitterblüthchen in der Scheibe, geschlechtslose (d.h. frei, die Antherm unter sich ohne Staubbehälter und verwachsen. Vlume Iblätterig; Blüthen meist i n / Griffel) im Strahle: einen Knopf vereinigt. ()ouipositi. Bei der ersten bis ^4te: Scheibenblüthch. Zwitter mit undeutlichem Griffel, vierten Ordnung bloß ein gemeinschaftlicher Kelch (siehe Randblüthen sind fruchtbare weibliche (d. h. ihnen S. 7 1 , Fig. 151). fehlen die Staubbehälter, aber der Griffel ist stark): 'koi^a.nna frustr^n-sa I'I<2llNNtIlU3. rol^anüa nsoeggarm ONleuäuIa. 5te: Gin gemeinschaftlicher Kelch für alle Vlüthchen, ^ o i ^ a m i a und ein besonderer für je- LV^rs^Htl». des einzelne Vlüthchen: OrHis. Ite: 2 Staubbehälter: via.no.ria. 2te: 3 » Irlanäria. » Lytranäria. XX. y ^ u a n ä r i » , : Staub- 3te:. 4 5 » ?6utaii<1ria. fäden und Glifftl »erwssch» 4te: 5te: 6 » ÜSxg.Qärla. ^riütolocünH. 6te: 10 » Veaanärla. 7te: 11 bis 19Staubbeh.: voäscanäria. 8te: 20und mehr Staubbeh.: ^oi^anäria. sm. 3X1. NonoooiN: Blüthen getrennten Geschlechts auf einer Pflanze. ., Ite: 2te: 3te: 4te: 5te: 6te: 7te: 8te: 9te: 1 Staubbeh älter: Nonanäria. 2 » vianäria. 3 H Lrianäria. 4 » ^stranäria. 5 » ^entanäris.. 6 » HsxaMria. 7 » N6ptll.näria. Mehr als 7 Staubbeh.: r o l ^ M r w . Staubfäden verwachsen: Nonaäsi' H.IUM. I^einnn. Oarsx. H.m2,rantnu8. Oooo3. <^u,srclU3. 10te: Staubbehalter verwachsen: 8?aFy. nssi». Ute: Staubfäden und Griffel verwach^ fen: 6MauärM. Ite: XXII. v i 0 O o i »: Vlüth en2te: getrennten Geschlechts auf 3te: 4te: zwei Pflanzen. öte: 1 Staubbehälter: Nonnnäria. 2 » Vianäria. 3 » ^ril!.näri2. 4 » i'strHQävia. b » ^VQtanclria. ?8>nä2QUg« 8aUx. Viscnm. OannNdig, 254 L. Besondere Botanik. Klassen: Beispiele: Ordnungen: 6te: 6 Staubbehälter: Hexanäria. 7te: 8 » Ootauäria. 8te: 9 » Nnnsauäria. 9te: 3.0 » Veellnäi-Ia. 10te: 11 bis 19 Staudbehälter: voäe- 8milax. ?0pu1u5. Nsrc:u.ria1ig. Darios.. 8trü.tiftteg. XXII. vioecia, Blüthen getrennten Geschlechts auf U t e : Viele Staubbehälter: Vol^anärm. 2n.raia. zwei Pflanzen. 12te: Staubfäden in einen Bündel ver- ^UQiVLrug. wachsen: UoimäelrMg.. 13te: Staubbehälter verwachsen: s / n - ^.ntsnnk!.ria. 14te: Staubfaden und Griffel verwachsen: <3/QÄnäria. Ite: Zwitterblüthen und eingeschlechtige Blüthen auf einer Pstanze: Nlonosoia. X X I I I . I»o1?gn.m!2: Zwitterblüthen und eingeschlech- 2te: Zwitterblüthen und eingeschlechtige FraxinuF. Blüthen auf zwei Psianzen: viosoia. tige Blüthen in einer Art. Zte: Zwitter und eingeschlechtige Blüthen Ooratoul». auf drei Pflanzen: Irioeoia. Ite: Farne, Mlioss. ?tsrig. XXIV. Or^toßaraia: mit 2te: MooseMu3lli. unkenntlichenVlltthentheilen.! 3te: Algen, ^ a s . 4te: Pilze, VunFi« M Das künstliche System gewährt den großen Vortheil, daß sich die Pflanzen nach seinen einzelnen, i n der Negel nicht schwierig aufzufindenden Merkmalen leicht bestimmen lassen. Es wird daher von dem Anfänger benutzt, um eine möglichst große Anzahl von Pflanzen kennen zu lernen, aus welchen sich bei gehöriger Aufmerksamkeit die natürlichen Familien ziemlich von selbst ergeben. l27 D a s natürliche System nach Iusfieu« Klassen. H.. H.oot^Ioäonou« Ordnungen« , 1 . Staubbehälter hppogynisch l3. Uouooot/Isäcmou 3. Staubbehalter sa. 2. ohne Krönend. so. 2. 2. mit ein- b. 0. DlootF-isäonen Coh orten. Sippschaft. I. I I . Norloti^oZMiV. m. Non6ViZ^Qi«l. e p i g y n i s c h . . . . . . . IV. Staubbehälter epigynisch . V. Staubbehälter pengynisch . VI. Staubbehalter hypogynisch VQ. hypogynisch« Krone» . « VIH. perigynischer Krone . . . IXI / «. Untheren) blätteriger o. epigynifcher) i n eine Nöhre > X. Krone: ^verwachsen) ^F. Antherenftei XI. 3. mit mehr- la. Staubbehälter epigynisch . XII. blätteriger <d. Staubbehälter hypogynisch XIII. Krone ( c Staubbehälter perigynifch . XIV. Dikllmsch irreguläre . . . . . . . . . . XV. NVigtaminio. kyristaniiiii«!. N/p08taminis. H^paooroMs,,^, VeMorolÜs. sMantborio. OariLNQtbsris. Vpii)6tl>.lis. N?poxstkUs. ^sripytMy. vioiwis. Das natürliche System. 255 Wie maT sieht, ist auch diese Eintheilung theilweise auf einzelne Orgaue gegründet und daher gewissermaßen künstlich. Ueberdies erwiesen sich die unterscheidenden Merkmale der Unterabtheilungen nicht bestimmt genug, so daß dieses System aufgegeben worden ist. Decandolle versuchte ein natürliches System i n den Hauptabtheilungen auf den inneren anatomischen Bau zu begründen. Er Heilte hiernach alle Pflanzen ein in Gefäßpflanzen und Zellenpflanzen. Erstere unterschied er in Außenwachsende oder Exogenen (Dikotyledonen) und in I n n e n wachsende oder Endogenen (Monokotyledonen), Die zahlreichen Exogenen werden nach den Seite 210 erläuterten Verhältnissen der Blüthe eingetheilt i n : 1. Bodenblüchler; 2. Kelchblüthler; 3. Kronblüthler; 4. Hüllblüthler. Spätere anatomische Untersuchungen haben die diesem System zu Grunde gelegten Ansichten über das Wachsthum als theilweise unrichtig befunden. E n d l i c h e r in Wien unterschied sämmtliche Gewächse in zwei Reiche: 1. in Lagerpflanzen ( I ^ a H o ^ ^ t a ) , welche, wie z . B . die Flechten, aus einem Lager von Zellgewebe bestehen ohne Wurzel und S t a m m ; — 2. in Achsenpflanzen ( O o i - m o ^ M ) , mit Stengel und Wurzel. Die Letzten werden zuerst nach der Art ihres Wachsthums und dann nach Beschaffenheit der Blüthe in weitere Hauptabtheilungen gebracht, deren im Ganzen 1 0 vorhanden sind. I n diese vertheilen sich 61 Klassen oder Hauptfamilien, welche nochmals in 275 Ordnungen oder Familien zerfallen. Dieses System hat eine vorherrschende Geltung gewonnen und liegt im Wesentlichen auch der nachfolgenden Anordnung zu Grunde, nach welcher wir die Pflanzen überblicken werden: l Erste Klasse: Thallophyten ober Lagnpslanzen. < Zweite Klasse: Laubkryptogamen. B. Norwoot^isäoQOQ « ° Dritte Klasse; Monocotyledonen oder einsamenlappige Pflanzen. Vierte Klasse: Npetalen, Pflanzen mit Vlüthenhüllen. 0, DiootMsäonen « .< Fünfte Klaffe: Monopetalen, Pflanzen mit einblätteriger Vlummkrone. Sechste Klasse 5 Polypetalen, Pflanzen mit mehrblattmger Vlummkrvne. Beschreibung der Pflanzen. ! ' ! ! ! ! Welche erstaunliche Mannichfaltigkeit die Pflanzenwelt in ihrer Form und 128 Bildung zeigt, geht daraus hervor, daß man die Zahl der bis jetzt beschriebenen Pflanzen auf etwa 150,000 Arten schätzt und daß man fortwährend noch neue auffindet. Dieselben sind jedoch über die ganze Erde verbreitet, und man trifft daher in den einzelnen Landern bei weitem nicht alle Pstanzenarten. I n Deutschland zählt man deren nur ungefähr 7000. Die Beschreibung der Pflanzen geschieht eben wegen ihrer bedeutenden An- 256 V . Besondere Botanik. l Zahl in besonderen Werken, die entweder alle Pflanzen umfassen, oder nur die^ eines größeren oder kleineren Landes oder die einer besonderen Gegend« Die. ersteren sind der allgemeinen Verständlichkeit wegen in lateinischer Sprache ge-! schrieben. ^ Deutschlands Flora ist mehrfach beschrieben worden, und wir erwähnen von den vielen Werken: W. V. I . Koch's Synopsis der deutschen und schweizer Flora und dessen Taschenbuch der Flora Deutschlands, sowie das von K i t t e l . Auch die Pflanzen einzelner Theile sind von vielen Seiten her zusaw mengestellt worden, wie z. B. die von Frankfurt am Main durch Fresenius, von Baden durch G m e l i n , von Würtemberg durch Schübler und auch Mariens, von Hessen durch Schnittspahn, die rheinische Flora durch D ö l l , von Oesterreich durch Schultes, von Schlesien durch Wimmer, von Berlin durch Schlechtendahl, von Preußen durch Ruthe, von Braunschweig durch Lachmann und Andere mehr. Irgend eines dieser Werke, in welchen die Pflanzen nach einem der genannten Systeme geordnet und beschrieben sind, ist dem Botaniker unentbehrlich, um nach demselben die Pflanzen zu bestimmen» Das einzige Mittel, die Pflanzen kennen zu lernen, ist das Sammeln derselben, die genaue und sorgfältige Vergleichung mit ihrer Beschreibung und den zunächst ähnlichen Pflanzen. Ohne diese, die Beobachtungsgabe i n hohem Grade befördernde Uebung ist es unmöglich, die mannigfaltigen Formen dem Gedächtniß einzuprägen und auch nur einigen Ueberblick der Pstanzenfamiüen zu erlangen. I n dem Folgenden ist mehr eine Aufzahlung der wegen ihrer Anwendung in den Gewerben oder in der Medicin und der in anderer Hinsicht merkwürdigen Pflanzen gegeben, als eine Beschreibung derselben. H., 129 ^ H.kOt2sIsH0NGQ« Wir haben als Akotyledonen oder Kryptogamen diejenigen Pflanzen bezeichnet, welche keine fichtbaren Blüthentheile und daher auch keine eigentliche Frucht haben. Ihre Fortpflanzung geschieht durch sogenannte S p o ren oder Keimkörner, die einen höchst feinen Staub darstellen. Viele derselben verbreiten sich durch ihre Leichtigkeit überall, wo wir der Lust Zutritt gestatten, so daß man sich nicht wundern darf, manche dieser Pflanzen scheinbar von selbst entstehen zu sehen. Besonders merkwürdig ist es, daß die Sporen der meisten dieser Pflanzen bewegliche feine Fäden oder Wimpern haben, mit welchen sie, gleich lebendigen Thieren, im Wasser umherschwimmen. Dergleichen Sporen, werden Schwärmsporen genannt und find lange für Infusionstierchen gehalten worden. Die Sporen bilden sich i n besonderen Zellen, S p o r a n g i e n genannt, welche sich auf den Sporenträgern oder Sporenftüchtm oft in großer Anzahl beisammen finden, z« B. auf der Rückseite der Blätter der Farnkräuter, kleine Wärzchen bildend, oder sie sind in kleine Behälter eingeschlossen. Bei den höher entwickelten Akotyledonen sind Bsfruchtungsorgane vorhanden, welche den Stempeln und Staubfäden der vollkommenen Pflanzen entsprechen» Akotyledonen: Klasse I. Algen. 257 I. Klasse: Es gehören hierher die niedersten Pstanzengebilde, welche nur aus Zellen 13U bestehen, die entweder vereinzelt oder fadenförmig an einander gereiht oder zu einem ausgebreiteten Gewebe vereinigt sind. Die meisten derselben leben im Waffer oder in feuchter Umgebung. l. ? a n i M S 6.6? H.1FGD. <MAN6). Zu diesen, im Wasser oder i n ganz 131 feuchter Luft vorkommenden Pflanzen gehören eine Anzahl mikroskopisch kleiner Formen, die nur aus einer einzigen Zelle bestehen und theils einzeln, theils in Menge zusammenhangend im Waffer schwimmen. Bei vielen derselben ist die Zellhaut durch einen großen Gehalt an Kieselerde so starr, daßsiemit geradliniger Umgränzung krystallähnlich erscheinen. Sie bilden unter dem Namen der Stückelalgen (DiatoiaaoOHs) eine besondere Unterabtheilung, sind häufig in Sumpfwassern und ihre Kieselhüllen finden sich wohlerhalten nicht selten in ganzen Erdschichten als Niederschläge der Gewässer früherer Zeit. Betrachtet man den Staub des K i e f e l g u h r s oder des Polirschiefers von Bilin in Böhmen durch das Mikroskop, so erkennt man die zierlichen Gestalten dieser Kieselpstänzchen, die stabförmig, uachenförmig, spindelförmig, halbmondförmig oder rundlich und mit zarten Querstreifen gezeichnet sind. I h r Entdecker, E h renberg, berechnete, daß 500 Millionen derselben nur den Raum einer Kubiklinie einnehmen. Diese Pslanzcngebilde wurden irrthümlich für Thiere gehalten und als Infusorien beschrieben, welche in Kieselpanzern stecken. Am gewöhnlichsten vorkommend sind die gemeine S t ü ckelalge (Diatoma), die S p i n d e l a l g e (Mvioula, Fig. 172) und die S t a b a l g e (Vaeiiiaris,). Zu den Algen gehören ferner allerlei bald schleimige, baldstockige,fadenförmige oder netzförmige Gebilde, instehendenundstießendenGewässern, wie die in ungereinigten Wasserflaschen allmälig entstehende sogenannte Priestley'sche M a terie; die am Holzwerk unter Wasser sich anhängenden grünen Wasserfäden (Oonlsrva. und Vanokoria); die Schwingfädcn (Os^iiiatoria); das Wassernetz (H^äroäiot^on) u. a. m. Beim Austrocknen stehender Gewässer filzen sich dergleichen Algen zu dem sogenannten Meteorpapier in einander. Die grünliche, schleimige Masse des Z i t t e r t a n g s (Nostoo) erscheint nach Gewitterregen in Menge, oft plötzlich, wie vom Himmel gefallen., daher auch Sternschnuppen genannt. Die kleine rothe Schneealge (?r0tooooou8) ertheilt zuweilen ganzen Schncestächen der Alpen und der Polarzonen eine lebhaft rothe Färhung. Die Gattung Okara., Armleuchter genannt, von der Stellung ihrer Aestchen, ist eine äußerst kalkhaltige Alge der Torf- und Salzwasser. An ihren Zellen läßt sich die lebhafte Bewegung des Zellsaftes vorzüglich gut' beobachten. Von größerer Bedeutung sind jedoch die Algen des Meeres, die sogmannten T a n g e , größere Gewächse, zum Theil mit Stengeln und Blättern. Alle Z58 b. Besondere Botanik. hinterlassen beim Verbrennen eine reichliche Asche, die unter dem Namen von Kelp nnd Varek zur Gewinnung von Soda und von Jod (Chemie §^ 47 und 79) benutzt wird. Die Abtheilung der Ledertange (^nooiäsks) hat olivengrnne bis braune, lederartige Blätter, wie der B l a s e n t a n g (^uens), häufig an Küsten, und der B e e r e n t a n g (8arFN88nm), der frei schwimmend auf hoher See Tausende von Quadratmeilen derselben bedeckt; der im Südpolarmeere vorkommende Riesentang (Naoroc^LtiZ), welcher eine Länge von 700 Fuß erreicht. Einige Ledertange find eßbar; auch dienen sie unzähligen Mceresthieren als Aufenthalt und Nahrung. Die B l ü t h e n t a n g e ^MoriHsas) haben vorherrschend eine rothe Färbung und es giebt darunter ungemein zierliche Formen, wie z. B. die schön purpurrothe D e l e s s e r i a M g . 173). Als Nahrung und schleimiges Vrustmittel dient das irländische P e r l m o o s oder C a r r a g h e n (3-pk3.6roo0oon8 orispns); gegen Würmer wird der W u r m t a n g (8^1i. IisiiräntooKoi-HoK) gebraucht. 132 2. V a m i l i S d s r V i s o k t s u . (Iäok6U68). Sie überziehen theils als trockene, lederartige Gebilde von gelber und weißer Farbe die Ninde der Bäume, die Bretterwände, Felsen und Mauern, theils sind sie mehr ausgebreitet und fast blattartig. Von Ersteren ist am bekanntesten die gelbe Schüsselflechte (I^rinslia) mit schüfselförmigen Sporenbehältern; von Letzteren ist bemerkenswerth die M o o s flechte (Ostrava), gewöhnlich isländisches Moos genannt, da sie auf I s land häusig ist. Diese als Brustmittel sehr geschätzte Flechte findet sich häusig auf fast allen Gebirgen Deutschlands. Die Rennthicrflechte (Olaäomli) Akotyledoneu: Klasse I. Pilze. 259 überzieht im hohen Norden deu Boden und dient als Nahrung des Nennthiers. Aus der in Schweden und im nördlichen Deutschland die Felsen überziehenden Lackmus flechte AeoNnorg) wird das Lackmusblau (Chemie §. 187) bereitet, und die zum Violett- und Nothfärben dienende O r s e i l l e wird aus der Färberflechte (Koocsila) der cananschen Inseln gewonnen. Die Flechten ziehen ihre Nahrung aus der Luft und besitzen von allen Pflanzen die größte Genügsamkeit und Unempstndlichkeit, daher wir denselben noch auf den äußersten Felsspitzen der höchsten Gebirg- und Polarregionen begegnen. Sie bilden stets 1>en ersten Anfang des auf Gesteinen sich einstellenden Pftanzenlebens, indem sie sich festsetzen, die Feuchtigkeit zurückhalten, wodurch die Verwitterung des Gesteins begünstigt wird und eine Humusschicht entsteht, in welcher alsbald höhere Pflanzen ihr Fortkommen finden. 3. VNmiliS Ä s r ? i i 2 s (I^uuZi). Wir begegnen hier einer Familie von 133 besonderer Eigenthümlichkeit, deren Glieder in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme vom Verhalten aller übrigen Pflanzen machen. Dieselben ernähren sich von den Zersetzungsprodukten anderer organischer Körper sowohl des Pflanzen- als Thierreichs, und enthalten in ihrem Zellgewebe niemals Chlorophyll. Hierauf mag es beruhen> daß dieselben zu ihrer Entwickelung des Lichtes entbehren können, und daß sie keinen Sauerstoff ausscheiden, sondern Kohlensäure. Pilze sind daher nicht allein die fast nie fehlenden Begleiter verwesender organischer Stoffe, sondern sie treten auch häufig an lebenden Pflanzen- und Thierkörpern, ja selbst im Inneren derselben auf. Indem sie überhand nehmen, beschleunigen sie einestheils diechemischeZersetzung organischer Stoffe, anderntheils führen sie bei lebenden Organismen Krankheiten herbei oder fördern dieselben in verderblichster Weise. Man kennt gegen 8000 Arten von Pilzen, von denen viele nur aus einzelnen oder zu Schnüren und Fäden gereihten Zellschläuchen bestehen, oder aus einem feinzelligen Lagergewebe, M i c e l i u m . Aus Letzterem erheben sich dann die Sporenträger, oft von beträchtlichem Umfang in Gestalt der wohlbekannten Schwämme. Wir bemerken: Von den S t a u b p i l z e n , den schwarzen F l u g b r a n d und rothen Rostbrand (Hrsäo) am Getreide; den Hefenpilz (Or^toooocus l6rni6nti), der bei der Nahrung zuckeriger Flüssigkeiten auftritt, insbesondere bei der Biergährung. Die ganze Masse der Hefe besteht aus solchen Hefenzellen, welche, zu einer zuckerhaltigen Flüssigkeit gebracht, sich vermehren, indem gleichzeitig Gährung eintritt. Auch die sogenannte Essigmutter (Illvina ao6ti) besteht aus Staubpilzen. Zu den Fadcnpilzen gehören die unter dem Mikroskop sehr zierliche und mannich.faltige Formen darbietenden Arten des Schimmels, wie der Obstschimmel (Oiäinrü), worunter der gefährliche T r a u b e n p i l z . ( 0 . luoksri). Nicht minder zu fürchten sind: der K a r t o f f e l pilz (Voti'^ws), welcher bei der Kartoffelkrankheit auftritt, und der Muscard i n p i l z , der die verderbliche Krankheit der Seidenraupen erzeugt. Von den Bauchpilzen find bemerkenswerth: die Boviste (VoviLtg), eirund, weiß, später mit braunem Sporenstaub angefüllt, häusig auf Triften; der Riesen17' 260 L. Besondere Botanik. bovist (I^ooxsi'äou), kopfgroß werdend; die T r ü f f e l n (IndSr), schwarze rundliche Knollen, die bis 1^/2 Fuß tief unter der Erde liegen und da sie als Speise hoch geschätzt sind, mit abgerichteten Hunden aufgesucht werden. Die wichtigste Abtheilung der Pilze bilden jedoch die H a u t p i l z e , zu welchen die wie ein Hirschgeweih verzweigten Keulenpilze (Olavaria), wie der gelbe Hirsch schwamm, der Ziegenbart und die Morchel (Noi-ok-sHa.), sämmtlich eßbar, gehören; endlich die eigentlichen Schwämme oder H u t p i l z e , welche auf einem Stiel oder Strunk einen Hut oder eine Scheibe tragen. Dieselben erscheinen besonders reichlich in feuchten Waldungen, und ihr schnell aufschießendes Wachsthum ist sprichwörtlich geworden. Man unterscheidet zunächst die Vlätterschw ämme(^Ärion8) mit zarten Blättchen auf der unteren Seite, wobin der gelbe Eierschwamm (0g.Qtkar6iw8), und der weiße, unten mit blaßrothen bis braunen Blättchen versehene Champignon (^.A2.rion8 o^inxsLtris), beide eßbar, gehören. Dagegen sind giftig: der scharlachrothe, weißgesteckte Fliegenschwamm (^.. nni.809.i'inL) und der scharlachrothe T ä u b l i n g . Die Löcherschwämme (Voisws) sind auf der unteren Seite von größeren und kleineren Löchern durchbohrt. Man findet häufig den wohlschmeckenden S t e i n - oder Herrenpilz (V. sänUs); ein großer Pilz mit braunem Hut und sehr dickem Strünke, der blaßröthlich und mit netzförmigen Adern gezeichnet ist, wodurch er sich von ähnlichen giftigen Löcherpilzen (V. 1uriän8 und 8a.t3.n«.8) unterscheidet; letztere laufen blau an, wenn man sie drückt oder zerbricht. Der Feuerschwamm ( k o i ^ o r n s lomentarins) wächst an Buchen oder Eichen und wird durch wiederholtes Klopfen, Einweichen in Wasser und schwacher Lauge zu dem bekannten Zunder verarbeitet; der weiße und außerordentlich bittere Lärchenschwamm (?o1vp0ru8 olüoluaUL) wird als Thierarzneimittel gebraucht. Der Holzschwamm oder H a u s s c h w a m m (MsnäiuL) entsteht in feuchtem Holze und wird durch die große Schnelligkeit, womit er wächst und dadurch das Holz zerstört, wahrhaft gefährlich. Man hindert seine Verbreitung durch Bestreichen des kranken Holzes mit verdünnter Schwefelsäure und seine «Entstehung durch Tränken des Holzes in einer Auflösung von Sublimat. Die eßbaren Schwämme, von welchen wir nur die bekanntesten erwähnt haben, sind eine ebenso wohlschmeckende als nahrhafte Speise. Oefter werden sie jedoch mit giftigen Schwämmen verwechselt, wodurch Unglücksfälle entstehen; der Genuß von Schwämmen ist daher nur bei genauer Kenntniß derselben räthlich. Zur Erlangung letzterer sind zu empfehlen: Lenz, die nützlichen und schädlichen Schwämme, mit 46 Abbildungen; B ü c h n e r , Schwammkunde, mit plastischen Nachbildungen. I n kälteren Ländern mindert sich die Wirkung giftiger S W ä N e o ^ verliert sich gänzlich. Reisende erzählen, daß die Bewohner der Ukräne ohne Unterschied die Schwämme verzehren, welche den Boden der Wälder bedecken, und daß der Fliegenschwamm ein Leckerbissen der Kirgisen ist. Akotyledonen: Klaffe I I . Moose. 261 I I . Klasse: L a u b k r y p t o g a m e n ; L r ^ p t o Z N m a G t o 1 i 0 8 ä 6 . Wir begegnen in dieser Klasse, wie ihr Name andeutet, höher entwickelten Pflanzen mit Wurzeln, Stengeln und grünen Blattern. Dieselben sind indessen noch K r y p t o g a m e n , d. h. Pflanzen mit verborgenen Befruchtungsorganen. I n der That sind letztere zum Theil so verhüllt, daß sie erst durch die Forschungen der neuesten Zeit bekannt wurden. Diese führten zu dem überraschenden Ergebniß, daß auch hier zweierlei Organe zur Befruchtung vorhanden sind, ähnlich wie bei den vollkommenen Pflanzen. Es finden sich erstlich S p o r e n , welche in den Sporenzellen oderSporangien enthalten find. Letztere trifft man bei jeder Familie an eigenthümlich gestalteten Sporenträgern gehäuft. Die Sporen selbst sind theils ruhende, theils Schwärmsporen (Zoosporen), von denen bereits in §. 129 die Rede w a r . — Zweitens finden sich die A n t h e r i d i e n , zellige Gebilde, welche die Samenkörper oder Spermatozoi'den enthalten. Diese sind theils kleine, mit Wimpern besetzte, eiförmige oder stabförMge Körperchen, theils sind sie fadenförmig , oft an einem Ende verdickt und spiralig gedreht (Fig. 174). I m Wasser bewegen sie sich auf das Lebhafteste hin und her, als ob sie die Sporen aufsuchten, in welche sie endlich eindringen und hierdurch, den aus der Anthere getretenen Pollenkörnern höherer Pflanzen entsprechen, deren verlängerte Pollenschläuche dir Keimzelle aufsuchen und befruchten (§. 64). 4. F'NiniliO ä6r Mooss Mn8oi). Die Moose sind Zellenpflanzen mit 134 kleinen, abwechselnd am Stengelsitzenden,ganzrandigen Blättchen ohne Spaltöffnungen. Dieselben werden nicht über einige Zoll hoch,stehenin Masse zusammengedrängt auf dem Boden, auf Bäumen, Brettern, Felsen und Mauern, weiche Nasen und Polster bildend. Aus diesen erheben sich borstenartige Träger mit den Sporenbehältern, welche die Gestalt einer kleinen Büchse haben, mit einem Deckelchen verschlossen, worüber noch ein schleierartiges Häubchen gestülpt, ist. Nach dem Aufspringen des Deckels zeigen sich am Nande der Büchse kleine Zähnchen, nach deren Zahl und Zeichnung die zahlreichen Moosarten hauptsächlich unterschieden werden. Dieselben gewähren bei ihrer großen Verbreitung mannichfachen Nutzen, namentlich getrocknet, zu Streu, Lager und Polster. Am häusigsten begegnet man den vielen Arten des Astmsoses (U^xunN); der W i d e r t h o n (poi^tr^oknin) iit das größte Moos; goldglänzende Borsten hat das Goldhaarmoos (Ortlioti'^oku.m). Besonders merkwürdig ist^dasTorfmoos (ZxKaSQurQ), das, wie wir (Chemie §. 212) erwähnt haben, hauptsächlich die Bildung der Torflager veranlaßt. Die Lebermoose (N6xktiog.6) bilden eine besondere Familie und erinnern mit ihrem flach ausgebreiteten Laub an die Flechten, wie namentlich das Leber< 262 L. Besondere Botanik. kraut (Narokantia); zur Gattung der I u n g e r m a n n i a gehören zahlreiche, sehr zierliche Arten. 135 5. V a n i M s <3.sr äoliaczKtslIiNiNS (VgräLOwosas). Diese Pflanzen zeichnen sich durch einen solchen Reichthum an Kieselerde aus, daß ste bei vorsichtigem Verbrennen in ihrer ganzen Form sich erhalten, da gleichsam ein Ekelet von weißer Kieselerde übrig bleibt. Sie erhalten hierdurch die Eigenschaft einer Feile und der große Schachtelhalm <MniZ6wN. kiGn^is) dient daher zum Poliren des Holzes; er wächst in Gräben und Sümpfen; der Ackerschachtelhalm (N. arv6Q86) ist ein auf sandigen Aeckern gemeines, nachtheiliges Unkraut. Die Sporenträger der Schachtelhalme bilden an der Spitze der Zweige stehende, ährenartige Zapfen. Baumartige Schachtelhalme finden sich häusig versteinert (Mineralogie §. 155). 136 s. V a u M i s Hsr VNnrHrä-u.tsX (VÄioss). Wir begegnen hier einer bedeutenden Familie, die in ihrem Aeußeren den vollkommenen: Pflanzen sehr genähert erscheint. Auch haben sie, gleich diesen, Gefäßbündel. Die meisten zeichnen sich durch große Blätter, sogenannte Wedel aus, die am Nande sehr zierlich eingeschnitten, fast gefiedert und vor der Entfaltung spiralförmig eingerollt find. Auf ihrer Rückseite tragen sie in braunen Wärzchen ihre Sporen. Die Entwickelungsgeschichte dieser letzteren ist besonders merkwürdig. Aus der keimenden Spore entsteht ein blattartiges Gebilde, Vorkeim (?rot1ia11iiiN) geWnnt, auf welchemsichKeimsporen (Archegonien) und Anthendien ausbilden« Nachdem eine Spore befruchtet worden ist, entwickelt sich aus ihr, während der Vorkeim abstirbt, ein regelmäßiges Farnkraut. Letzteres erzeugt nur Sporen, aber keine Anthcridien. I n unsern Wäldern findet sich häufig der A d l e r f a r n (?t6ri8), der W u r m f a r n (^Zpiämui), gegen den Bandwurm gebraucht, sodann an Mauern und Felsen das schöne F r a u e n h a a r , auch Krullfarn (^HiemtnW) genannt, mit dünnem, schwarza/änzendem Blattstiel, und die M a u e r r a u t e ( ^ Z ^ i s n i u i n ) . Ausgezeichnet sind die Farne der feuchten Tropenländer, insbesondere der Südsee-Inseln, welche die Größe von Bäumen erreichen und palmenartige Wälder bilden. Daß die untergegangene Flora der früheren Zeiten ebenfalls reich an großen Farnen war, ist.in der Mineralogie (§. 155) bereits angeführt worden. 137 7. Fg.Mi1is Hsr VäriapVON. (I^o0poäiaos3.6). I n Oebirgswäldern wächst der B ä r l a p p (I^ooxoäiuin), deffen Sporangien in Aehren stehen und einen schwefelgelben, außerordentlich feinen Staub liefern, der unter dburNamen von Streupulver oder Hexenmehl bekannt ist und zur Nachahmung dös Blitzens auf Theatern dient, indem man ihn durch die Flamme eines Lichtes bläst. N. 138 M o n O K o b ^ 16 ckonSQ. Als gemeinsames Merkmal der Pflanzen dieser Abtheilung finden wir den vereinzelten Samenlappen, unregelmäßig im Stamm vertheilte Oefäßbündel und parallele Blattnerven. Dieselben bilden für M Mouokotyledonm: Klasse I I I . Gräser. 263 I I I . Klasse: Ginsamenlaftpigc P f l a n z e n ; N o n o o o t ^ i b ä o n S L . 8. F a i n i l i s Äor G-eässr (^raiuinsas). Die Gräser bilden eine der groß- 139 tcn Pflanzenfamilien mit etwa 5000 Arten, wovon 250 in Deutschland vorkommen. Sie sind gesellige, meist krautartige Pflanzen, in ihrer äußern Erscheinung sehr übereinstimmend und wohl charakterisirt; ihr Stengel ist ein hohler, durch Knoten abgetheilter Halm. Nur beim Welschkorn und Zuckerrohr ist der Stengel von saftigem Mark ausgefüllt. Die Blätter sind schmal und umfassen am Grunde den «Stengel scheidenartig. Nur wenige Graser sind verästelt. Ihre Blüthen sind unscheinbar, fast immer in einfachen oder zusammengesetzten Aehren beisammenstehend. Fast alle haben drei Staubfäden und zwei Pistille oder Narben und gehören somit zur zweiten Ordnung der dritten Klasse von Linnä. Dieselben sind von zwei häutigen Schüppchen und von den beiden B l ü thenspelzen (palsas) eingeschlossen, deren äußere meist in eine borstenartige Spitze, Granne genannt, endigt. Die Blüthenährchen werden in der Regel von zwei sogenannten Kelchspelzen (AluMas) umgeben. Zugleich ist diese Familie aber auch die wichtigste, denn sie enthält die Futtergräser und die Getreidearten und liefert somit unser HauptnahmngsMittel. Die Futtergräser bilden vorherrschend' den herrlichen Nasen der Wiesen des Tieflandes und der Matten im Alpenlande. Als die werthvollsten führen wir an: Die D r a h t schm i e l e (^.ira. Ü6xuo 89.); die Rispengräser (?0Hprat6N8i8, Fig. 1 7 5 , und ?. HUQU9.); der W i e senschwingel (V'sLtu.CH prg.tSN813), 264 L. Besondere Botanik. Fig. 176; das Lieschgras oder Timothygras (?1Ü6um xi-at6ii86), Fig. 177; der Wiesenfuchsschwanz (^i0x6ouru3^i-^6Q3i8); das Ruchgras s^ntkox- Nntlinlli oäoratiiM); der ausdauernde Lolch oder das englische Rahgras (I^Unm xsi-suns), Fig.178; das PerlgrasMslioH); die Trespen(Zl0MU8 rao6M08U8 und V. moiiis); das Straußgras (^roätig vni^ariL), Fig. 179; das F i o r i n g r a s (^.. ZtolonilOra.); das Knäuelgras (vact^iis AloNOrata); das zierliche Zittergras (Vri^a msäia), Fig. 180; der Goldhafer (^.V6na Äav68osn8) und der Wiesenhafer (^. xi>s.t6U8i8); die Qnegge (Iritioum Monokotyledonen: Klaffe I I I . Gräser, 265 r«3P6N8), aufÄeckem ein lästiges Nnkraut, deren süße Wurzel unter dem Namen G r a s w u r z e l in der Medicin angewendet wird, auch als Viehfutter dient. Die Futtergräser sind Kiesel- und Kalipstanzen, und reichliche Zuleitung von Wasser zur Auflösung der Kieselerde sowie Zufuhr von Kali (Asche) erweisen sich als Hauptbeförderungsnuttel ihres Wachsthums. Die Getreidearten zeichnen sich durch den Reichthum ihrer Körner an Stärkemehl, Fibrin und an phosphorsaurem Kalk aus. Sie sind dadurch zu Nahrungsmitteln des Menschen vorzüglich geeignet, und der Anbau hat nicht 266 V. Besondere Botanik. allein ihre Samen außerordentlich vervollkommnet, sondern auch eine Menge von Spielarten erzeugt. Der Anbau der Getreide ist so alt als die Geschichte, und von keiner Art läßt sich die ursprüngliche Heimath mit voller Sicherheit angeben, noch findet man eine derselben irgendwo wild wachsend. Als vorzüglichste Brotfrucht gilt von jeher der Weizen (Iritiouin vulFars), von welchem der gegrannte Bartweizen, Fig. 181, und der ungenannte Kolbenweizen, Fig. 182, vorwaltend im südlichen und südwestlichen Europa angebaut werden; ein gleich feines Mehl liefert der D i n k e l oder Spelz (1?. spsita), Fig. 183; Roggen oder K o r n (Zsoals), Fig. 184, sowie Gerste (Noräsnm), Fig. 185, werden mehr im mittleren und nördlichen Monokotyledonm: Klasse I I I . Gräser. 267 Europa gebaut; der Hafer (^vsuI. 8g.tiva), Fig. 186, wird meist als Pferdefutter verwendet. ' Neben den Getreidearten ist der Reis (Or^a), Fig. 187, die verbreitere Körnerfrucht, welche im warmen Sumpftande des Michen Europas und ebenso in Asien, Afrika und Südamerika angebaut wird. Noch einige weitere grasartige Gewächse liefern ernährende Körner, wie der gemeine Hirsen (?9,uiouni uii1i3.o6nm), Fig. 188, der Kolbenhirsen (sswi-ia, italiog.) und der Moor- W8 L. Besondere Botanik. Hirsen oder D u r r h a ( I o r ^ u i n vul^ars), Fig. 189; der Schwaden ( G ^ LLi'i^ üuitaus), in Sumpfgegenden des östlichen Europas wachsend, liefert die sogenannte Mannagrütze; vom K a n a r i engras (kka» lai'iä oHuarisusiL) dient der Samen als Vogelfutter. Endlich ist der Taumellolch (1^olium tsinulOntuia) anzuführen, eine Grasart, dessen Körnern eine betäubende Wirkung zugeschrieben wird. Amerika, in welchem man zur Zeit seiner Entdeckung keine einzige europäische Getreideart fand, ist dagegen das Mutterland des M a i s oder Welschkorns (26a), welches damals bereits angebaut wurde und jetzt besonders im südlichen Europa eingebürgert ist. Die Körner seiner prächtigen gelben Kolben liefern ein süßliches Mehl, woraus die in Oberitalien so beliebte P o l e n t a , ein dicker Brei, bereitet wird. Als letzte Gruppe dieser Familie betrachten ckir die rohrartigen Gräser. Hierher gehört unser einheimisches, 12 bis 18 Fuß hoch werdendes Schilfrohr (^rnnäo pki-ÄAuiät6L), aus welchem die Hirtenflöten geschnitten werden und das zum Verrohren der Wände dient. Das Bambusrohr (LaNdusa) wird 50 Fuß hoch und über armesdick und ist wegen seiner Leichtigkeit und Festigkeit zum Bauen sehr geeignet. Auch sonst findet es mannichfache Verwendung, wie namentlich zu Wassergefäßen; es ist sehr verbreitet in den Tropenländern und bildet in Indien die schwer durchdringlichen Rohrdickichte, Dschungels genannt*. Das Zuckerrohr (Zaookarum) ist von seinem Vaterlande Ostindien nach Westindien verpflanzt worden und man gewinnt von demselben den Zucker, den Shrup und den Rum. Der Anbau des Zuckers in den sumpfigen Niederungen der heißen Länder ist eine der beschwerlichsten und der Gesundheit verderblichsten Arbeiten, die sich besonders den Europäern nachtheilig erwies und die Veranlassung zur Negersklaverei wurde. I n das Gebiet des Zollvereins, mit einer Bevölkerung von 29 Millionen, werden jährlich im Durchschnitt 1,480,000 Centner Rohrzucker im Werthe von 14 Millionen Thaler eingeführt. 140 9. T a u n u s ÄV? 8otwiu.F2Ä8637 ((!^x6r2.o6as). Man rechnet hierher die Seggen oder Riedgräser (0a.r6x), deren zahlreiche Arten sich durch ihren Mouokotpledonen: Klasse I I I . Rohrkolben. 269 dreikantigen schneidenden Stengel, der nicht hohl und gegliedert ist, sowie durch ihre einhäusigen Blüthen auszeichnen. Sie sind als Viehfutter nicht geeignet und werden als saure Gräser bezeichnet, die verschwinden, wenn die Wiesen etwas trockner gelegt und mit Asche gedüngt werden. Die Sandsegge (Oa.r6x arsuaria) kommt auf dem trockensten Flugsande fort und wird deshalb benutzt, um denselben zu befestigen; ihre Wurzel wird als Heilmittel angewendet. Auch liefert eine Seggenart (0. drisoiäss) das sogenannte W a l d h a a r , welches zum Polstern benutzt wird. Aus dem Marke der Papyrusstaude (O^xsruZ ? 3 ^ r u 8 ) , welche in den Sümpfen Egyptens wächst, wurde das erste Papier bereitet. Die Wurzelknollen des Cypergrases (0. sgouisutuZ) sind eßbar und werden Erdmandeln genannt. Die verschiedenen Arten der Binsen (8oirxu8), deren Anwendung bekannt ist, sowie das W o l l g r a s ( N r i o ^ o r o n ) gehören ebenfalls dieser Familie an. 10. VamiliV d s r A o l i ^ o i d G i i ( i ^ k a c s Ä s ) . I n Gräben und sumpft- 141 > gm Gewässern finden wir häufig den auf schlankem, markigem Halme stehenden ! braunen Rohrkolben ( I ^ i m ) , und den Igelkopf(8x>3.rAÄnium) mit seinen stachlichen Früchten. Die breiten Blätter des Rohrkolbens werden unter dem Namen Liesch von den Faßbindern zwischen die Dauben gelegt. 11. VarailiO 6.6? ^.roidsu. (^.roläsas). Zu diesen Pflanzen, die sich 142 durch einen Blüthenkolben auszeichnen, gehören der A r o n (^rnm, s. S . 231), innerhalb dessen großer Blüthenscheide bemerkbare Wärme sich entwickelt, mit scharfen Wurzelknollen, und der K a l m u s (^.oorug), dessen bitter-aromatische Wurzel ein gebräuchliches Arzneimittel ist. Als beliebte Zierpflanze wird die durch ihre große weiße Blüthe ausgezeichnete, aus Afrika stammende C a l l a in Töpfen gezogen. I n reicher Mannichfaltigkeit begegnet man den Aroiden in den Tropenländern, mit ungemein kräftig entwickelten Blättern, wie insbesondere bei der Gattung Caladium. Sie bilden daher in den Gewächshäusern, mit anderen Blattformen zusammengestellt, prachtvolle Gruppen. Mehrere Aroiden (OolooNZia) werden auf den Südsee-Inseln angebaut, indem ihre knolligen Wurzeln, T a r o genannt, als Nahrung dienen. 12. V a i n i l i s cl.sr?NiiQSN. (Valrnas). Diese riefenmäßigen Monokotyledo- 143 nen, mit ihren schlanken, mitunter mehrere Hundert Fuß hoch werdenden, oben mit einem Blätterschirm geschmückten Stämme verleihen den Tropenländern einen eigenthümlichen Reiz und Charakter. Die Eigenthümlichkeiten ihres Baues und Wachsthums haben wir bereits S . 180 geschildert. Die herrliche Blatterkrone der Palmen wird entweder von fächerförmigen oder gefiederten Blättern gebildet, aus welchen in großen Trauben die Blüthen und Früchte herabhängen. Erstere sind getrennten Geschlechtes, öfter zweihäusig, die männlichen mit sechs Staubfäden. Vor dem Aufblühen sind sie von einer lederigen Scheide eingeschlossen. Die jungen Vlattknospen mancher Palmen werden unter dem Namcn P a l m k o h l als Gemüse verzehrt; auch liefern manche beim Einschneiden der Blüthmscheide große Mengen eines zuckerigen Saftes, aus welchem der Palmwein oder Toddi bereitet wird. Wir verehren die Palmen nicht Kur als Sinnbild des Friedens, sondern 270 L. Besondere Botanik. schätzen sie auch als höchst nützliche Pflanzen. Besonders bemerkenswert!) ist die D a t t e l p a l m e (?^06nix), «eine Hauptnahrungspflanze Afrikas, die mit Sorgfalt gepflanzt und bewässert wird; sie. kommtauch im südlichen Europa fort, jedoch ohne Früchte zu reifen. Die Cocospalme (O0003) ist bekannt durch ihre großen Nüsse, deren wohlschmeckender Kern im Innern eine milchartige Flüssigkeit, Co cos milch, enthält. Durch Auspressen liefern die Kerne ein festes Fett, Cocostalg genannt, welches zur Fabrikation von Seife dient. Gleiche Verwendung hat das butterartige P a l m ö l ; es ist gelbroth, von veilchenähnlichem Geruch und kommt aus Afrika von der O e l p a l m e (Mais Anin66Q8i8), Von beiden Fetten zusammen wurden 1855 ins Zollvereinsgebiet eingeführt 350,000 Centner. Aus dem Markzellgewcbe der S a g o p a l m e n (IsAus), das ein vorzügliches Stärkemehl enthält, wird der S a g o bereitet. Der Stamm der Wachspalmeslüsi-ox^i011), sowie die Blätter der C o r y p h a p a l m e (Ooi-^xka osr-iisi-a) sind mit dem Palmwachs überzogen, das gleich dem Bicnenwachs verwendbar ist. Die Fächelpalme, auchZwergpalme genannt sOkaMHsi-o-pZ kurailis), mitstachelspihigenFächerblättern, die sehr verbreitet ist und oft große Gebiete überwuchert, hat sich an den Küsten des Mittelmeers eingebürgert. Die von der Arecapalme (^.r-Soa cntsokn) kommenden gerbstoffhaltigen Nüsse liefern das in der Gerberei verwendete Catcchu; auch werden sie in Indien mit den Bctelblättcrn und etwas gebranntem Kalk gekaut. Die R o t a n g p a l m e ^ (OaiarnnZ), welche ganz die Form eines Schlinggewächses hat und eine Länge von 300 bis 500 Fuß erreicht, liefert das sogenannte spanische Rohr. 144 13. V a N l I i s Äsr I l i l i S i i (I^i1ig.o6Ä6). Eine sechsblättrige Blumcnkrone, sechs Staubfäden, sowie eine zwiebeiförmige Wurzel finden sich bei allen Pflanzen dieser Familie, unter welchen sich die Gattung Lauch (^Iiinui) durch ihren Gehalt an Schleim und an einem flüchtigen, schwefelhaltigen Oel auszeichnet, das reizend und von durchdringendem Geruch ist. Bekanntlich sind die Z wie bei M i u m osxa), Fig. 190, der Knoblauch (^. porrniu.), der S c h n i t t tauch (^.. 8o1w6N0Prg.8n.rQ) vortreffliche und vielfach benutzte Küchengewächse. Die im südlichen Europa gebaute Zwiebel wird roh gegessen. Durch schöne B l ü t h e n machen sich Vlüche. Frucht, dagegen bemerklich: die Vogelmilch (OimiHoANiniu.); die Meerzwiebel (8oi11g.); die T r a u b e n h y a c i n t h e Musoari) und die woylduftende, aus dem Morgcnlande stammende gemeine H y a c i n t h e , eine unserer beliebtesten zen. Einen unvergleichlichen Anblick gewähren im Frühling die mit Hyacinthen bedeckten Wiesen in Algerien, in der Krim und auf dem Caplande. Noch sind zu erwähnen: die Z a u n l i l i e (^ut^OrionM), die T u l p e (Inlixg.), die aus Palästina zu uns gekommene weiße L i l i e (I^iliuiri oNnäiäurQ), die F e u e r l i l i e (1^. kulkitsrnw), der T ü r k e n b u n d ( I , . ruHi-t^on) und die stattliche aber giftige Kaiserkrone (I^ritiiiaria irüpOriaiis). — Monokotylchouen: Klasse I I I . Zeitlosen. 271 Es gehören ferner hierher die verschiedenen Arten von Aloe (^.los), stachelige Pflanzen mit bitterem, als Abführungsmittel gebräuchlichem Safte. Sie haben sich von Amerika nach den wärmeren Ländern verbreitet und erscheinen verwildert im südlichen Europa. Der neuseeländische F l achs (?korniium tsnax) enthält in seinen Blättern sehr zähe, zu Flechtwerkon benutzte Fasern. 14. V'NNI.ilis Ä6e2siti0S6n(()0io1iioao6H6). Pflanzen mit giftigen Wurzeln 143 und Samen, die übrigens in der Medmn gebraucht werden. Am bekanntesten ist die Herbstzeitlose (Oolokiouw), deren zarte, blaßrothe Blumen noch im Spätherbste die Wiesen schmücken, während die Blätter und Samen erst im nachfolgenden Sommer zum Vorschein kommen. Die Nießwürze (V6rg.tru.iii) wachsen auf Waldgebirgen. 15. V a m i l i s Äsr 8mii3.os6u. (3ini1g.otj2.6). Die Familie hat ihren Namen 146 von der südamerikanischen Gattung S m i l a x , welche die als Heilmittel gebräuchliche S a s s a p a r i l l w u r z e l liefert. I h r gehören die tropischen Drachenbäumc (Di-acaLua) an, bei uns wegen ihrer schönen, palmähnlichen Blätterkronc beliebte Topfgewächse mit lilicnartigen Blüthen. Der D r a c h e n b l u t bäum (D. Hi'Hco s. S . 240) schwitzt eine blutrothe, harzige Masse aus, die Drachenblut genannt und als Farbe verwendet wird. Von einheimischen Gewächsen bemerken wir den bekannten S p a r g e l (^paraAns), der im Sandboden wild wächst; aus seinem unterirdischen Wurzelstock treibt er im Frühjahr als Sprossen die Spargeln, das beste und nahrhafteste Gemüse, das jedoch zu kräftiger Entwickelung eines reichlich stickstoffhaltigen Düngers bedarf. I n den Wäldern finden wir die liebliche M a i b l u m e (Oonvaiiaria) und die giftige Einbeere (^arig). Aus einer nahverwandten Familie stammt die Mutterpflanze der mehlreichen U a m s w u r z e l (DioLoorsa), die in Ostindien gleich der Kartoffel angebaut und benutzt wird. 16. V a m M G Äsr UaroisäSU. (MroiLLsas). Hier be- 147 merken wir ihrer schönen Blüthen wegen die gemeine N a r cisse oder S t e r n b l u m e (Mroissnä postionZ) und die unter dem Schnee aufsprießenden Schneeglöckchen (Oklantkn8 und I^noHnrn). " 17. V a n u l i s 6.61' L o k ^ o r t i M G U . (Iriäsas). Sumpf- 148 gewachst mit knolligen Wurzeln, von welchen als Zierpflanzen in unseren Gärten die gelbe und blaue Schwertl i l i e (Iris xLOnäaooriiL nnd I . A6r>iu.3.nio3.) und die Z w e r g l i l i e ( I . pniniia.) aufgenommen worden sind. Die V e i l chenwurz (I. ÜorSnting.) kommt von einer im südlichen Europa wachsenden Schwertlilie und wird wegen ihres veilchenähnlichen Geruchs zu Zahnpulver und Parfümerie verwendet. Von der S a f r a n pflanze (Ooous), Fig. 1 9 1 , werden die Narben eingesammelt, welche unter dem Namen S a f r a n sowohl als gelbe Farbe, als auch in der Medicin Anwendung finden und deren 20,000 auf ein Pfund gehen. Z72 Z. Besondere Botanik. 149 18. ? N l l M l 6 ÄST» VrOTMSilSN (Ll>0N16iia<;63.6). Aus Südamerika ist in unsere Treibhäuser die A n a n a s (VroniMg. ^.NNNN8) gewandert, deren durch die Cultur vergrößerte Früchte wegen ihres feinen, erdbeerähnlichen Geschmackes ungemein geschätzt sind. Einer nahverwandten Familie und demselben Vatcrlande angehörig ist die Agave ( ^ a v s amorieHna), welche uns häufig in Gärten aus großen Kübeln mit ihrett langen, stacheligen Blättern entgcgenstarrt. Diese Pflanze bedarf bei uns, um zu blühen, eines sehr beträchtlichen Alters — man sagt gewöhnlich 100 Jahre — und treibt alsdann schnell einen 28 bis 30 Fuß hohen Schaft mit Tausenden von Blüthen geschmückt, worauf sie abstirbt. Sie hat daher fälschlicher Weise den Namen der h u n d e r t j ä h r i g e n A l o e erhalten. I n ihrer Heimath wird sie in großer Ausdehnung gebaut, weil in der Blüthenscheide ein reichlich zuckerhaltiger Saft sich bildet, der zur Bereitung der P ulque dient, eines allgemein gebräuchlichen Getränkes. I5N 19. VN.MÜIG ÄS3> NNQNNSN (Nu.3a.o6a6). Richt selten erblicken wir in Treibhäusern einen palmeyartigen Schaft mit riesigen Blättern. Es ist der P i sang oder P a r a d i e s f e i g e n b a u m M n 8 a PWaäimaoa), auch Banane genannt, der für die Bewohner der Tropenländer dieselbe Bedeutung hat, wie für . andere Länder das Getreide, die Kartoffeln oder die Dattelpalme. Außer seinen wohlschmeckenden Früchten werden auch die 8 bis 10 Fuß lang werdenden Blätter benutzt. 181 20. V N N i l i s Ä s r G-SMürMUsQ (Zoitamiusas). Pflanzen der heißen Länder mit scharf aromatischen Wurzeln und Samen, wie der I n g b e r ( N u ^ i dsr), die gelbfärbende K u r k u m a Wurzel (Ourou.iu.MH), die Kardamomen (^nomum). Z u einer nahverwandten Familie gehören die P f e i l w u r z ( N ^ a n t a ) , welche zerrieben das unter dem Namen A r r o w - r o o t bekannte Stärkemehl liefert, und das indische B l u m e n r o h r (Oarma), eine schöne Zier- Pflanze. 152 21. VNMiliG ÄSi» OroMcksSN. (OrokiHOHs). Sämmtliche Pflanzen dieser Familie gehören in die zwanzigste Klaffe von L i n n s , weil sie Blüthen haben, deren Staubbchälter mit dem Stengel verwachsen sind. Die sechstheiligcn Blüthen erregen die Aufmerksamkeit und das Staunen des Beschauers theils durch ihre höchst eigenthümliche Bildung, indemsiemitunter verschiedenen Insekten, wie . Fliegen, Spinnen, Schmetterlingen, täuschend ähnlich sind, theils durch prachtvolle Farbe und Zeichnung. Es ist dies besonders bei den Orchideen der feuchten Tropenlander der Fall, die, auf Baumstämmen lebend, durch Lustwurzeln ihre Nahrung aufnehmen und zu welchen auch die feingewürzige V a n i l l e (Vanilia Äroünatica) gehört. . Unsere einheimischen Orchideen, auch Knabenkräuter genannt^ schmücken besonders reichlich die kalkigen Gründe;siehaben knollige und handförmige Wurzeln (s. Fig. 52 und 5 3 ) , die getrocknet unter dem Namen S a l e p als schleimiges Mittel gebräuchlich sind und hauptsächlich von Orokis niasoula., 0 . morio und 0. nMtariL gesammelt werden. Eine zierliche Blüthe hat der F r a u e n schuh (^pi-ipsäium). D i k o t M o n e n : Klasse I V . Zapftnträger. 273 22. PainiliS äsr ^ l i s n i G n (Misuiaosas). Eine kleine Familie, welche 153 von der Gattung Froschlöffel (^lisma.) und dem P f e i l k r a u t (8aZitwri«.) gebildet wird, das nach seinen großen pfeilförmigen Blättern benannt ist. Aus nahverwandten Familien führen wir an: die schöne Wasserviole (Lutomug) und den Wasserriemen (Aostsra), eine schmalblättrige Wasserpflanze, häufig an den Küsten der nördlichen Meere; dient getrocknet als sogenanntes Seegras zum Polstern. Die bekannte Wasserlinse (I^uma), deren kleine, runde Blättchen oft ganze Teiche bedecken, bildet die einzige Gattung einer besondern Familie. 0. DiKot^iGÄOHSN. Das Reich der Dikotyledonen enthält die meisten und wichtigsten Pflanzen, 154 welche mit zwei oder mehr Samenlappen keimen, ringförmig gestellte Gefäßbündel und netzförmig verbreitete Blattnerven haben. Sie werden nach Beschaffenheit der Blumenkrone in drei Klassen abgetheilt. I V . Klasse: A p e t a l e n ; H.p6t9,1k6. Pflanzen mit einer Vlüthenhülle. 23. P a r n i l i s äsr 2a.pk6Qträ3Si7 (Ooinksi-Hy). Diese Pflanzen werden auch 155 Naktsannge (O^MuosxSrinHs) genannt, weil in der weiblichen Blüthe die Samenknospen ohne alle Bedeckung in der Achsel schuppiger Deckblätter stehen, die als gemeinschaftlichen Fruchtstand einen Zapfen bilden. Die Eigenthümlichkeit ihres innern Baues ist §. 38 beschrieben worden. Wegen ihrer immergrünen, nadelförmigen Blätter heißensieauch Nadelhölzer. Sie enthalten in allen Theilen flüchtiges Oel und Harz und bilden somit eine sehr wohl charakterisirte Familie, die in Bau-, Nutz- und Brennholz, sowie durch mannichfache Producte großen Nutzen gewährt. Zu letzteren gehören der Terpentin, das Terpentinöl, Kolophonium, das Fichtenharz, Pech, Theer. Auch wird aus den Nadeln, nachdemsiegeröstet und gebrochen wordensind,die zum Polstern verwendbare W a l d w o l l e bereitet. Wir bemerken: die Kiefer oder Föhre (?iuu8 8?1v68ti-i8), mit zwei Zoll langen, zu ZweistehendenNadeln, im nördlichen Europa ausgedehnte Wälder bildend; die Rothtanne oder Fichte (?. Ndieg), Nadeln einen halben Zoll lang, rings um die Zweige stehend, Rinde röthlich; die Weißtanne (?. pioes.), Nadeln einen Zoll lang, platt, unten mit zwei weißen Streifen, kammförmig an die Zweige gereiht, Rinde grauweiß, im Schwarzwalde vorherrschend. Die beiden letzten liefern das vorzüglichste Schiffbauholz. Die Samen der italienischen Pinie (?. pinsa.), P i g n o l e n genannt, werden gegessen; ebenso die Zirbelnüsse, von der in Tyrol wachsenden Arve (I>. Oencki-g.). Büschelständige Nadeln haben die Ceder des Libanon (?. csärus) und die Lärche (?. lar^x). Die Nadeln der letzteren werden im Herbste gelb und fallen ab. II. 13 274 L. Besondere Botanik. Ein bekanntes heimisches Gewürz sind die Beeren des W a c h h o l d e r s . ^uni^sriiZ o0in!nu.ni8); das rothe, wohlriechende Holz des virginischen Wachholders (5. vir^iniana.) wird als sogenanntes Cedernholz zu Bleistiften und Cigarrenkisten verwendet; in Anlagen und Friedhöfen wird häufig der L e b e n s b a u m ( N u . ^ ) gepflanzt, wie i n südlichen Ländern die Cypresse (LuxrsLLQZ). Der E i b e n b a u m (L'axrlL) eignet sich vorzüglich zu geschnittenen Hecken; sein Laub ist giftig, seine rothen Beeren sind es nicht« 136 24. V a n M i s Hsr V56O9rMNH26ii (I>ip6raos2.6). Aus dieser nur Ostindien angehörigen gewürzreichen Familie liefert der Pfeffer strauch (?i^6r niZrum) kleine Beeren, die unreif abgepflückt und getrocknet als schwarzer P f e f f e r bekannt sind. Der weiße P f e f f e r ist der geschälte reife Samen. Auch die §.143 erwähnten Vetelblätter kommen von einem Strauch dieser Familie (?i^6r dstis). 157 25. V a M l i o H s r ' M s i Ä s u . (ZaUoinOHe). Sträucher und Bäume mit zweihäusigen Blüthenkätzchen, welche besonders in feuchtem Boden gedeihen, schnell wachsen, aber Holz von geringem Werth erzeugen. Die Weidenrinde wird wegen ihres Gehaltes an Bitterstoff Galicin) in der Medicin verwendet. Wir bemerken: Die Bruchweide (8a1ix AsSilik); P u r p u r w e i d e (8. xni-xnrsa.); Korbweide (3.viiniuaU8);dieTrauerweide (8.'kad^ioniog.); dieSchwarzp a p p e l (?0Miu,s n i ^ r a ) ; die S t r a ß e n p a p p e l ( ? . italiog.); die S i l b e r p a p p e l ( ? . alba.); die Z i t t e r p a p p e l ( ? . trsinnlg.). 138 26. VaniiliG 6.63? N i i ' ^ S n (LstniaoSHe.). Von den hierher gehörigen Binomen mit einhäusigen Plätzchen find anzuführen: Die E r l e (^.Iniis), die in Sumpfland vorzüglich gedeiht und ein unter Waffer sehr dauerhaftes Holz liefert; die B i r k e (Lstula.), ausgezeichnet durch ihre weiße Rinde, kommt im höchsten Norden noch als Strauch fort. Der in Nußland aus der Rinde gewonnene Theer dient zur Bereitung des Iuchtenleders. 139 27. Pg,nii1is 6.6r Ni.'U.Iätr'äZsr ((Xixniilsra.6). Sie haben nußartige Früchte, die i n einer Hülle sitzen: die männlichen Blüthen bilden Kätzchen. Wir finden darunter die stattlichsten Laubhölzcr wie unsere deutsche Eiche, ein Sinnbild der Hoheit und Kraft. Man unterscheidet die S t ein ei 5) e (Husrous robur) und die Stieleiche (tz. p6HnQcniI.ta) mit gestielten Früchten, beide mit gerbstoffreicher Rinde. Die G a l l e ich c (H. iickctoi-ia.), im östlichen Europa und Kleinasien, liefert, von der Gallwespe angestochen, die G a l l ä p f e l . Von der immergrünen Korkeiche (<H. Lu.IiLi') Südeuropas wird dcr Kork abgeschält; die Rinde der Färbereiche (H. tinotorig.) dient unter dem Namen Q u e r c i t r o n zum Geldfärben. Die Buche (^gAiiL) giebt das beste Brennholz und ihre dreikantigen Nüßchen enthalten ein wohlschmeckendes O e l ; die Weißbuche oder Hainbuche (lüarxinns) hat gefältelte Blätter. Geschätzt sind die mehlreichen Früchte der in Süddeutschland häufig vorkommenden Ka< stanie (0a.Lt3.n63.), und die Nüffe des Haselstrauchs (Oor^ins). Wir reihen hier einige Baume an, welche für sich allein stehen, indem sie verschiedenen kleinen Familien angehören, die theils den vorhergehenden, theils den 275 Dikotyledoueu: Klasse I V . Nesseln. nachfolgenden verwandt sind: Der amerikanische Wachsbaum (N^i-ioa.) hat mit brauchbarem Wachs überzogene Früchte; die aus Amerika eingewandertePlatane (?1ataQN8); derWallnußbaum (^ugiaus), aus Persienstammend,der außer den bekannten Nüssen ein vorzügliches Möbelholz liefert; die Ulme oder Rüst er (U1wog), vereinzelt in Wäldern und angepflanzt an Straßen, giebt ein vorzügliches Nutz- und Brennholz. 28. Vg.ini1i6 6.or Nss38Gin (Ui-tioÄQ0N6). Männliche und weibliche Blüthen 16l) finden sich getrennt auf den verschiedenen Pflanzen derselben Gattung. Auch zeichnen sich die meisten aus durch starke Entwickelung der Pflanzenfaser, die aus langgestreckten Bastzellen besteht und zu Gespinnsten benutzbar ist. Wir finden dies besonders beim H a n f (Oauna'diL), Fig. 1 9 2 , dessen Samen zugleich ein grünes Oel geben, sodann bei der B r e n n - Nessel (Urtioa.), die zu Nesseltuch verarbeitet wird. Unbedeutend erscheint der durch die Vrennhaare unserer Nesseln erzeugte Schmerz gegen die fürchterlichen Wirkungen mehrerer Nesselarten Ostindiens. Die weibliche Blüthe des Hopfens (Ulimulns),Fig. 193, enthalt einen aromatisch - bitteren Stoff und wird bei der Bierbereitung verwendet; der Hopfen ist deshalb Gegenstand eines ausgedehnten Anbaues und man halt die böhmischen (von Saaz) und die bayerischen Hopfen (von S p a l t ) für die besten. Auch der Hanf hat etwas Aromatisches, das jedoch 18* 276 L . Besondere Botanik. betäubend ist, und ein daraus bereitetes, Haschisch genanntes Extract wird wie Opium als Berauschungsmittel verwendet. 161 29. V a i n i l i s Äsr ^ r t o o g ^ p o n (^.rtooÄi-xsas). Mehrere Arten dieser Familie werden durch ihre fleischigen und genießbaren Früchte sehr nützlich, wie namentlich der auf den Südseeinseln einheimische Vrotbaum (^.rtooarxuL). Auch der Feigenbaum (^ious) und der Maulbeerbaum Morus) sind ihrer köstlichen Früchte wegen geschätzt. Von weit größerer Bedeutung ist jedocb der letztere als Ernährer der Seidenraupe. Die Hindu der, ehren den heiligen Feigenbaum oderBaniane (V'iouI i-eiiZioZa.), aus dessen Frone Luftwurzeln sich herabsenken und den Baum zu einem Walde ausbreiten; aus seinen Zweigen stießt durch die Stiche der Lackschildlaus das zu Schellack verwendete Harz. DieMaulbeerfeige oder Shkomore ( I ' . I^eouwruZ) wird in Egypten angepflanzt. Eigenthümlich ist ferner vielen dieser Pflanzen ein Milchsaft, der bei einigen scharf und giftig ist, wie bei dem Upas- oder A n tiarbaume (^.ntiaris toxioaria.), aus welchem die Javaner das furchtbare Gift für ihre tödtlichen Pfeile gewinnen. Der Milchsaft mehrerer Feigenarten, insbesondere des bei uns als Topfgewächs häufig gezogenen Gummibaums ' <M<mß Olastiaa) u. s. w., liefert dagegen beim Eintrocknen das wohlbekannte Kautschuk. Merkwürdig ist der Kuhbaum (^alaotoHOnäroN) Venezuelas, dessen Saft der Kuhmilch so ähnlich ist, daß er gleich jener genossen wird. 162 30. VamiUs Äs? M n s k s n (N^iLtiooas). Der auf den Molukken einheimische Moschusbaum (N^ristioa. moLokata.) liefert die bekannten Muscatnüsse, welche von der sogenannten Müscatblüthe umgeben sind und die Muscatbutter enthalten. 163 31. Vä.ikMS Äsr N n M o r d i s Q (Nn^kordiaosas). Mit wenig Ausnahmen enthalten die zahlreichen Pflanzen dieser Familie einen Saft, der äußerlich als scharfes Reizmittel, innerlich als heftiges Gift wirkt. Sie gehören größtentheils den wärmeren Klimaten an. Am be« kanntesten ist uns die Wolfsmilch (NuxKoMg) als Nährpstanze der schönen Raupe des Wolfmilchschwärmers. Einige Euphorbien Afrikas, deren Form dem Cactus sehr ähnlich ist, liefern ein scharfes, in der Medicin gebräuchliches Harz. Giftig sind die Früchte, des Mansche nillenbaumes(NiprwrQ9.Q6) und des indischen Purgirstrauchs (Oroton), aus dessen Samenkörnern das heftig Purgirende Crotonöl gewonnen wird. Dagegen liefert der W u n derbaum(Kioum3)das mild eröffnende Ricinusöl. I n Südeuropa wird der Dikotyledlmen: Klasse I V . Knöteriche. 277 Turnesol (Oro^oxiioi'a.), Fig. 194, angebaut wegen seines Farbstoffs, der zum Vlau- und Rothfärbcn dient. Merkwürdig verhält sich die Wurzel der M a niokpflanze (^atropkN Nanikot), die in rohem Zustande höchst giftig ist, diese Eigenschaft durchs Kochen jedoch gänzlich verliert und ein Satzmehl liefert, das unter den Namen von M a n i o k , Cassawa und Tapioka in Südamerika ein allgemeines Nahrungsmittel ist. Den Buxbaum (Vuxu.8) dürfen wir nicht vergessen, da er in seinem harten, dichten Holze ein vortreffliches Material zu den Holzschnitten liefert. Er wächst im südöstlichen Europa und wird bei uns meist nur als kleiner Strauch zum Einfassen der Blumenbeete gezogen. Der Milchsaft mehrerer amerikanischer Bäume, besonders der Z^xlionia ei^tioa, wird zur Gewinnung von Kautschuk eingetrocknet. 32. VaniiliS ÄSr XnötGriczliS (koi^AousHS). Die Pflanzen dieser Familien haben als Samen kleine, meist dreikantige Nüßchen, die bei dem Heidekorn s?o1^A<Mnni iaAop^i-nm), Fig. 195, hinreichend groß und mehlreich sind, um als Grütze eine nahrhafte Speise abzugeben, die von dem schlechtesten Boden in rauher Gegend gewonnen werden kann. Der Vogelknöterich (?. 3.viouig.i-6), ein verbreitetes Unkraut, und der Färberknöierich (?. tinotoi-iuin), Fig. 196, enthalten Indigo und werden zu dessen Gewinnung angebaut. — Die Gattung Ampfer (Kninsx) enthalt Kleesäure, die dem bekannten Sauerampfer (Rumex aostosI.) seinen Geschmack verleiht. Von den Steppen des nördlichen Asiens kommt, vorzüglich durch den russischen Handel, zu uns die Wurzel verschiedener Rhabarberpflanzen (Rdsnui) als eins der werthvollsten Arzneimittel. Diese stattlichen Pflanzen findet man öfter als ^. 278 V. Besondere Botanik. Ziergewächse in Anlagen, doch erreicht ihre Wurzel bei uns nicht die erforderliche Heilkraft. I n England werden die Blattstiele und Blüthenknospen der Rhabarber gegessen. 165 33. I ' a i n M S ÄSI» OkSQOpoäisQ (0k6Q0poä63,6). Am Meeresstrande, in der Nähe der Salinen des Binnenlandes finden wir die Salzkräuter (Valsola und Iaiioornia), deren Bedeutung größer war, als noch aus ihrer Asche alle Soda (Chemie §. 79) gewonnen wurde. Auf Schutthaufen gemein sind die verschiedenen Arten von Gänsefuß (t)Ii6Q0V0äiuin), also benannt nach der Gestalt ihrer Blätter. Nichtige Küchen - und Oekonomiepstanzen enthält die Gattung M a n g o l d (Vsta.); als Futtergewächs wird angebaut die Runkelrübe (Vota, vul^aris), auch Dickwurzel genannt, von der eine Art wegen ihres Zuckergehaltes denNamen derZuckerrübe erhalten hat und ein Culturgewächs von größter Bedeutung geworden ist, da sie z. B . in Frankreich und im-Zollvereinsgebiete mehr als «den halben Bedarf an Zucker liefert. Auch die zu Salat verwendete rothe Rübe ist eine Spielart des Mangold. Als Gemüse sind noch der S p i n a t (Ixinacig.) und die Melde (^.trixiox) anzuführen. Einer nahverwandten Familie gehört der rothe Fuchsschwanz (^uiaranwä) an. 166 34. V'Nlu.iIiS clsr ZsiÄsidasts (I)ap1m6N6). Nur die Gattung S e i d e l bast oder K e l l e r h a l s (DgFkns) bildet diese Familie. Die schöne, pfirsichrothe Blüthe desselben erscheint schon im März; er ist giftig und seine Rinde enthält eine solche Schärfe, daß sie zum Blasenziehen dient. 167 35. V'Nm.ilis cl.sr I.Ordssr'Oii Akmrinsas). Wir haben hier eine sehr aromatische Familie vor uns, die vorzüglich Ostindien angehört. D a finden wir den Z i m m t l o r b e e r (I^aurnZ oinnainoianui), der den feinen Ceyloner Zimmt, und den Cassienbaum (I<. oa.L8ig), der die gemeine Zimmtrinde liefert, von welchen beiden Zimmtol gewonnen wird. Der immergrüne Lorbeer ( I ^ u r n g nodilis) verleiht nicht allein Kränze und Zweige für Dichter und Künstler, sondern auch gewürzrciche Blätter zu unseren Braten. Die Beeren geben ein dickes, grünes Oel, das in der Medicin gebraucht wird. Endlich erhalten wir vom Kamp Herbaum ( L . oainxlioi'a) den vielfach verwendeten, stark riechenden Kampher. 168 36.1'aniQiS Ä s r OstOrintnSQ (^i-iFtoloMas). Diese kleinere Familie hat meist scharfe Schlingpflanzen, deren einige als Zierpflanzen verwendet werden, wie der Pfeifenstrauch (^riätolookiN Zipko) mit großen herzförmigen Blättern und pfeifenkopfförmigen Blüthen, beliebt zu Lauben. I n der Medicin benutzt man die Schlangenwurz (ZsrxsntÄi-ia) und Haselwurz (^ai-uin). Merkwürdig ist die einer nahverwandten Familie angehörige R a f f l e sie ( l i ^ Ü6813.), eine Schmarotzerpstanze auf Sumatra, durch ihre große, nach faulem Fleische riechende Blüthe, welche drei Fuß im Durchmesser hat und zehn Pfund wiegt. Dikotylcdonm; Klasse V. Compositen. 279 V. K l a s s e : M o n o p e t a l e n ; N 0 N 0 Z ) 6 t I . 1 a 6 . Pflanzen mit einblättriger Blumenkrone. 37. V'g.uiMs ä s r (Donipositsn (OoinxoZitas) oder P f l a n z e n mit zu- 169 sammengesetzten B l ü t h e n hat man diese Familie genannt, weil man bei denselben auf einem verdickten oder scheibenartigen Blumenstiel eine Menge kleiner Blüthchen zusammengchäuft findet, die umgeben sind von einer gemeinsamen DeckblätterhüUe (siehe §. 71). Die kleinen Blüthchcn sind entweder zungenförmig oder röhrenförmig und haben fünf Staubbehälter, welche seitlich mit einander zu einer Röhre verwachsen sind. L i n n ö bildete aus sämmtlichen hierher gehörigen Gewächsen seine 19. Klasse. Dieselben sind meist krautartig und in ihrer ganzen Erscheinung von wohl ausgeprägter, ins Auge fallender Eigenthümlichkeit. Die Compositen bilden die größte Familie der Phanerogamen mit mehr als 9000 Arten, und werden daher nochmals in drei Unterfannüen getheilt: 1. OiokoriGu. (OiHoriH06a6). Sie haben lauter zungenförmige Blüthchen und enthalten einen bitteren Milchsaft, wie unser bekannter Salat, der Lattich (I^owoa), der G i f t lattich (I<. viro8a) die E n d i v i e (Oiokoriuiu. 6uäivia), der als Medicin gebräuchliche Löwenzahn (I^ontoäon taraxaoan) und die als Gemüse geschätzte Schwarzwurzel (Ioo^onsrH). Die an Wegen häufig anzutreffende Wegwarte hat blaue Blumen und wird unter dem Namen Cichorie (Oiokorium Mt^duL), Fig. 197, angebaut und ihre Wurzeln werden zur Fabrikation des Cichorieu-Kaffees verwendet. 2. D i s t s i n (<ü)?n9,r6H6). Wir begegnen in dieser Abtheilung einem kopfförmigen Blüthenstand, der aus lauter röhrenförmigen Blümchen zusam- 280 L . Besondere Botanik. mengesetzt ist; bei vielen sind die Blätter der gemeinschaftlichen KelchMe stachelig. Dies ist namentlich der Fall bei der Distel (OarännZ) und der Kratzdistel (^irswm). Wegen ihres bitteren Stoffs sind gebräuchlich die Cardobenedicte (0uion8 bsusäictg.) und die Eberwurz (OaMus). Die Kornblume (OsutaiirGa o^auus) ist durch ihre herrliche blaue Farbe bekannt, jedoch als Unkraut im Getreide beim Landmann nicht beliebt, während die auf Wiesen gemeine Flockblume (OGQtkmr^a. jN06g.), Fig. 198, ein gutes Futterkraut ist; die Klette (^rotimn) macht sich durch ihre Anhänglichkeit selbst bemerklich. Die Artischocke (OM^rs.), Fig. 199, wird wegen ihrer fleischigen eßbaren Deckblätter angebaut, und der S a f f l o r (Oartka.uin8), Fig. 200, wegen seines schön rothen, aber nicht haltbaren Farbestoffs. 3. 8trg,k1d1ü.tki6r (KNäiNtH6). Sie bilden die größte Abtheilung der ^ Compositen und haben diesen Namen, weil ihre auf dem scheibenförmigen Blüthenboden stehenden Röhrenblümchen strahlig von am Nande stehenden zungenformigen Blümchen umgeben sind, wie dies die Sonnenblume am auffallendsten zeigt. Als werthvolle Arzneipflanzen sind anzuführen: die bittere Schafgarbe (^okiHes. nMskoliniri), Fig. 2 0 1 , der Wohlverleih (^r-nioa), der A l a n t (Innig.) und die heilsame Chamille iM^tricHria.), die durch eine hohle kegelförmige Vlüthenscheibe von der Hundschamille (^Qtk.6, uns) sich unterscheidet, deren Blüthenkegel nicht hohl und deren Geruch Dikotpledonen: Klasse V . Compositen. 281 unangenehm ist. Einen reichen Schmuck gewähren unseren Gärten die. aus China gekommenen Astern (^Lwr), die D a l i e n (AsorAing,), welche aus Mexico stammen, beide durch die Cultur in unzähligen Spielarten vorhanden, und die stattliche Sonnenblume (H6iia.QtIin8). Die Knollen des Topinambur stl. tudsroLus), Fig. 202, sind der Kartoffel sehr ähnlich und werden angebaut als Viehfutter. Der Mad (Naäia) liefert in seinem Samen ein wohlschmeckendes Oel. liebchen ( M M ) darf hier nicht ungenannt bleiben. Bei vielen Radiaten sind die Strahlblümchen schmal und kurz, daher die ganze Blume unscheinbar bleibt, wie bei dem Kreuzkraut (Zsnsoio), das man dem Canarienoogel als Futter reicht, bei der I m m o r t elle ((3-ua^IiNiiu.M), deren Kränze wir den Hingeschiedenen weihen, und bei dem sogenannten schottischen Epheu (Nikania. LoanäsuF), einem beliebten Gewächs für schwebende Töpfe. I n der Medicin gebräuchlich sind: dessen gelbe Blüthen im Frühjahr erscheinen, während die Blätter erst spät im Sommer nachkommen; der Rainfarn (lanacSwin), der ebenso wie der von ^.rtsmiÄN oontra Mittelasiens kommende Wurmsamen ein starkriechendes wurmwidriges Oel hat; der Wermuth (^i-tsinisig. adsMtiänW) ist durch seine Bitterkeit ausgezeichnet. 38. ?3,ini1is Äsr Q-iooksndiniQsn (0Hin^ailu1ac6ao). Wenn wix, 17l) durch Flur und Wiese wandelnd, einen Strauß von Feldblumen pflücken, so 282 L. Besondere Botanik. gereichen demselben zu besonderer Zier die blauen Glöckchen der Glockenblume (OarQ^nnia.). Es giebt deren viele Arten mit größeren und kleineren Glocken und einige haben in den Blumengärten Aufnahme gefunden. Als Salat verspeist man Blätter und Wurzel der R a p u n z e l ( k k ^ k s u r n a ) und der Glocken-Rapunzel (OaM^annia Ra.xunoulu8). 171 39. I'a.miliG Ä s r OaprikOiisn (Oa^riloli^osas). Wir finden in dieser Familie bekannte Sträucher. Besonders beliebt zu Lauben ist das G e i s b l a t t (I^oiliosra caxi-ikolium), von welchem man mehrere Arten hat. Als ein schweißtreibendes Mittel verwendet man die Blüthen und die Beeren des H o l l u n ders (8Hllcku.on8 ni^ea), auch Flieder genannt; den Schneeball sVidnrnmn) und die Schneebeere (Z^m^orioai-ML) trifft man häusig als Ziersträucher angepflanzt. Merkwürdig ist der M a n g l e - B a u m (Misopkora.), aus dessen Zweigen Wurzeln sich herabsenken und so an den Küsten und Flußufern der Tropenländer jene undurchdringlichen Wälder bilden, die als Heimath der Muskito's und des gelben Fiebers den Europäern verderblich sind. 172 40- Waiuilio ä s r X a r ä s N (vip83.o6I.6). Die wichtigste Pflanze dieser kleinen Familie ist die Weberkarde (DipLaous kulionnin), Fig. 203, wegen der mit stacheligen Häkchen versehenen Blüthenköpfe,die zu Tuchkratzen benutzt werden, weshalb man die Pflanze anbaut. Als Wiesen- und Zierpflanzen sind dieScabiosen ( I o M o s a ) anzuführen. 41. V a m i U s Hsr 173 Aus dieser kleinen Familie istunsimWinterderFeldsalat st'GäiN), der eine Menge verschiedener Namen hat, wie z. B. Mauseöhrchen, Sonnenwirbel u.a.m., sehr willkommen. Als eines der vortrefflichsten iw ländischen Arzneimittel bemerke man den B a l d r i a n (Valsriana) mit stark aromatischer Wurzel, welche die Katzen sehr lieben. 174 4 2 / J a m i l i o Äsr O i n o k o n s i i (Oinokoiiaosas). I n einer Höhe von 5000 bis 9000 Fuß wachsen auf den Cordilleren von Bolivia die F i e b e r r i n d e n Bäume (Oinokoua), stattliche Bäume mit großen, glänzenden Blättern und schönen Blüthen, deren verschiedene Arten die Sorten der C h i n a - oder F i c - Dikotyledonen: Klaffe V . Sternkräuter. 283 berrinde liefern. Dieselbe wurde gegen das Ende des 17. Jahrhunderts nach Europa gebracht und wegen ihrer Seltenheit anfänglich fast mit Gold aufgewogen.' Man gewinnt aus ihr das C h i n i n (Chemie §. 174), das wirksamste Mittel gegen das Wechselsieber. Eine andere amerikanische Pflanze, die Brechwurz (O^KaNis), liefert die als Brechmittel angewendete IpecacuanhaDer Kaffeestrauch gehört zur Familie der Cinchonen. 43. VaniiliG 6.sr 8tsrrckrZ,u.tsr (ZtOiiatao), Beiden meisten der hierher 175 gehörigen Kräuter stehen die Blätter sternförmig in Wirteln um den Stengel, wie der Familiennamen andeutet. So findet man es bei dem zierlichen Waldmeister (^8M'nIk), dessen Kraut in versüßten Wein gelegt den "Maitrank« liefert, der besonders am Rhein beliebt ist; ferner bei dem Klebkraut (Oa.Unin Karins), dessen Blätter, mit Häkchen versehen, leicht an die Kleider sich heften; dem Labkraut (A. vsr n u i ) , mit gelber, honigduftender Blüthe; endlich bei dem Krapp (Rnbia. tinotoi-Nin), Fig. 204, dessen Wurzel eine ebenso schöne als dauerhafte rothe Farbe liefert und deshalb angebaut wird. AIs die bedeutendste Pflanze dieser Familie wird aber Jedermann den Kaffeestrauch (lDoOsa Nradiaa) anerkennen, dessen kirschenähnliche Frucht zwei harte Samen, die Kaffeebohnen, enthält. Seine eigentliche Heimath ist Afrika, von wo er, nach Arabien, Ost- und Westindien verpflanzt, einen höchst bedeutenden Einfuhrartikel nach Europa liefert. Die ersten Kaffeehäuser wurden errichtet in Konstantinopel (1554), in London (1652), in Marseille (1671). Man schätzt jetzt die jährliche Production an Kaffee auf etwa 500 Millionen Pfund, wovon im Zollverein 1 Million Centner im Werth von 15 Millionen Thaler verbraucht werden. Der Kaffee enthält einen krystallisirbaren Stoff (Caffei'n), der auch in dem Thee und in dem Cacao gefunden worden ist, also merkwürdiger Weise in denselben Pstanzenstossen, die in so bedeutendem Maße Genußmittel des Menschen geworden sind (Chemie §. 174). 284 L . Besondere Botanik. 176 44. Va.uii1is ä s r N s i Ä s i l . (Nrioaosas). Außer dem gemeinen Heidekraut (Og.11nng, oder Nrioa vul^aris) giebt es no5) eine Menge von Heidearten, die größtentheils aus Afrika stammen und durch ihre zierlichen, meist röthlichen Blumenglöckchen sich auszeichnen, wie insbesondere die schöne Gattung Ep acris. Häusig bildet das Heidekraut die fast einzige Bekleidung unfruchtbarer Sandstächen; den Bienen liefert es reichlich Honig. Aus der Verwitterung der abfallenden, nadelförmigen Blättchen geht ^die zur Blumenzucht sehr geschätzte Heide-Erde hervor. Als Schmuck der Hochgebirge berühmt ist die Alpenrose (Moäoäsnäi'oii), während in Gärten und Töpfen die reichen Blüthen ausländischer Rhododendren und Azalien (^aisg.) prangen. Aus nahverwandten Familien bemerken wir die den Boden der Bergwaldungen bedeckenden Sträucher der schwarzen Heidelbeere (Va.ooiQiri.iQ m^rtiHus) und die rothe Preis, selbeere (V. viti8 iäasa), welch letztere jedoch nur mit Zucker eingemacht genießbar ist; ferner die P y r o l e n (I^rola), zierliche Waldpstänzchen, und das Hichten-Ohnblatt (Nonoti-oxa), ein gelblich weißes, blattloses Schmarotzergewächs, das vorzüglich aus den Wurzeln der Nadelhölzer seine Nahrung zieht. 177 45. Vg.iu.i1i6 6sr 3ok1i5.88s1d1n.msii (?rimni9.o6Ä6). Wer freut sich nicht beim Anblick der Frühlings-Schlüsselblume (?riinn1a V6i-i8), die gleichsam den winterlichen Boden aufschließt, worauf Tausende von Blumen nachfolgen. Noch gar manche niedliche Pstänzchen zählt diese Familie, wie die Aurikel (?. aui-ionia.), auch häusig veredelt in Gärten, die S o l d a n e l l e n (ZoläansiiH) und das Alpenveilchen (O^oiklNsu), welche namentlich die Alpen schmücken; ferner den Gauchheil (^naFaiiis) und das Pfennigkraut (I^äilliHeliiÄ.). 178 46. Z'HiniiiG dsr OlivsN. (OlsaoSas). Meist liebliche Pflanzen, enthält diese Familie, wie den wohldustendcn J a s m i n ( ^ m i n n m ) , die verschiedenen Arten des spanischen Flieders (8^1-inAa), auch Nägelchen genannt nach der Gestalt ihrer Blümchen, verbreitete und beliebte Sträucher in Gärten und Anlagen, und den meist zu Hecken verwendeten H a r t r i e g e l (I^AiiLti-nin). Dann bemerken wir den Oelbaum (Olea), dessen fleischige Früchte, die O l i v e n , das wohlschmeckende Baumöl enthalten und ein Reichthum Italiens, Südfrankreichs und Griechenlands sind. Der Oelzweig ist das Sinnbild des Friedens. Die gemeine Esche (?i-axi.QU8), ein stattlicher Baum mit abgerundeter Laubkrone und großen, gefiederten Blättern, wächst einzeln in Wäldern oder Anpflanzungen und liefert ein Holz, das besonders zu Wagner-Arbeit geschätzt wird; die Manna-Esche (0rnii8) der warmen Länder schwitzt als weißen, zuckerigen Saft die M a n n a aus. Bemerkenswerth ist, daß der Blasenkäfer (die spanische Fliege) nur an Pflanzen dieser Familie sich findet. 179 47. V a m i l i s d s r ^ i n Ä 6 n (OonvolvräkosaS). Krlütärtige Pflanzen mit trichterförmiger Blumenkrone, fünf Staubfäden und meist windendem Stengel. Einheimisch sind die Zaunwinde (Oonvolvnins 86-piniQ.) und die Ackerwinde (0. 2.I-V6N318). Den Tropenländern gehören an die I a l a p p e (0. ^'ala^a). deren harzreiche Wurzel ein gebräuchliches Arzneimittel ist, und die Batate (0. Va.t3.tn3), Fig. 205, deren große mehlreiche Wurzeln gleich der 285 Kartoffel benutzt werden. Dieser Familie nahverwandt ist die Seite 240 besprochene Flachsseide (0ii8onta). Wurzelwolleu der Batate. 48. P a u i M y d s r 80I2.HSQ (Zolansas). Die Blüthen dieser bedeutenden 18l> Familie haben fünf Staubfäden und eine regelmäßige Krone; ihre Samen sind vielsamige Kapseln oder Beeren. Aber vorzüglich sind die hierher gezählten Pflanzen ausgezeichnet durch ihre Eigenschaften, denn fast alle find mehr oder weniger betäubend-giftig (narkotisch), was namentlich in den Wurzeln und Samen sich ausspricht. Wir erwähnen als Giftpflanzen den Stechapfel (DatuM), das Bilsenkraut (N^oso^auuiZ), die Tollkirsche (^tropa dMkäoiuia.), welche letztere durch ihre schwarzen, glänzenden Beeren häusig die Kinder verlockt und in lichten Laubwäldern nicht selten ist. Weniger gefährlich sind der weißblühende Nachtschatten (Iolarmin nigruiu) mit schwarzen Beeren, gemein auf Schutthaufen, und der Bittersüß (8. äräcamara) mit violetten Blüthen und rothen Beeren. Alle vorgenannten Pflanzen finden jedoch Verwendung in der Medicin. Der baumartige Stechapfel (D. arkorGk) mit weißen, trompetenförmigen Blüthen ist ein schönes Ziergewächs. Der Taback (Xiootiana) verliert seine betäubenden Eigenschaften nur zum Theil durch das Trocknen und die Zubereitung (Beize), was mancher Anfänger im Rauchen auf herzbrechende Weise in Erfahrung bringt. Dieses Kraut, sammt der üblen Gewohnheit des Rauchens, ist seit 1540 aus Amerika einge- 286 L . Besondere Botanik. führt worden und wird in Europa häufig angebaut. Vorzüglichen Taback erzeugt Ungarn; sein Anbau erstreckt sich bis ins nördliche Deutschland, doch werden die süddeutschen oder pfälzer Tabacke am meisten geschätzt. Von den verschiedenen Arten dieser Pflanze wird der virginische Taback (X.tabaoum), Fig. 206, am häufigsten gepflanzt. Dankbarer sind wir demselben Welttheil für die im Jahre 1585 von dem englischen Admiral Franz Drake nach Europa gebrachte K a r t o f f e l (Zolaünm. tnkei'OZiiin), welche in den Hochgebirgen von Peru und Mexiko wild wächst und in jenen Ländern schon seit ältester Zeit angebaut wurde. I n Europa hat sich ihr Anbau jedoch erst seit 100 Jahren allgemein verbreitet. Nachtheilig sind Kartoffeln, die in den Kellern Keime oder Sprossen getrieben haben, und selbst als Viehfutter erweisen sich letztere schädlich. Erfrorene Kartoffeln werden genießbar, wenn man sie iu kaltes Wasser legt, welches eine Eiskruste erhält, worauf die Kartoffeln herausgenommen und schnell verbraucht werden. I n nassen Jahren bildet sich in den Knollen nicht die erforderliche Menge von Stärke, während gleichzeitig die Entwickelung eines Pilzes (siehe §. 133) begünstigt erscheint, unter dessen Mitwirkung sie rasch in Fäulniß übergehen. Seit Einführung des Kartoffelbaues glaubte man das Eintreten einer Hungersnoth nicht mehr fürchten zu müssen. Nichtsdestoweniger wurde Europa in den nach 1840 folgenden Jahren durch die fast überall auftretende Kartof- DikotMonen: Klasse V . Enzlane. 287 felfaule in große Noth versetzt. Dieselbe trat am schrecklichsten i n Irland hervor, wo viele Tausende dem Hunger erlagen. Von allen Nahrungsgewächfen hat die Kartoffel die größte Verbreitungsfähigkeit, indem sie die bedeutendsten Unterschiede des Klimas und Bodens verträgt. Sie liefert überdies den reichsten Ertrag. Von 1 Hektare ( — 4 preuß. Morgen) wurden geerntet: 3400 Pfund Weizen, welche enthalten: 2300 Pfund Stärke und 400 Pfund Wasser; dieselbe Flache lieferte: 38000 Pfund K a r t o f f e l n , welche enthalten: 8700 Pfund Stärke und 27000 Pfund Wasser. Zu den Solanen gehören ferner die E i e r p f l a n z e (Zolarmui oviisr-u-m) und der Liebesapfel (8. 1^<nx6r8ionni), beides Zierpflanzen; die Früchte des letzteren werden unter dem Namen T o m a t o besonders häufig in Südamerika gegessen; endlich die Judenkirsche (?K^ZNii8) und der scharfe, rothe spanische Pfeffer (Oa^Lionra). 49. V a i n i l i S 6.sr N n s i a n S (<^6ntim26^s). Eine durch die Schönheit ihrer 181 Blüthen sowie durch ihre außerordentlich bitteren Blätter und Wurzeln bemerkenswerthe Familie. Ihre Heimath sind vorzüglich die Alpengegendm und als eine wahre Zierde derselben überraschen dort den Reisenden der stengellose Enzian (OsntiHiia aoaniiä) und der F r ü h l i n g s - E n z i a n (O. v^na.) mit tiefblauen Blumen. Wegen ihres Bitterstoffs werden medicinisch angewendet der g e l b e E n z i a n (6-. Intsg.), das T a u s e n d g ü l d e n k r a u t (Nr^ijiinsa) und der Fieberklee (Nsn^antiiW). Aus der Wurzel des gelben Enzians, die außer Bitterstoff viel Stärkemehl enthält, wird in Tyrol der Enzian-Branntwein bereitet. 50. V'a.iu.iliG c3.Gr H.P001N.SN. (^ooin.63.6). Wir finden hier Pflanzen mit 182 vorherrschend giftigen Eigenschaften, deren Mehrzahl in den Tropenländern vorkommt. So enthalten die Samen des Brechnußbaums (Zti-^oimos rmx vomiokl.), K r ä h e n a u g e n genannt, eins der furchtbarsten Gifte, das Strhchnin (Chemie §. 174). Auch der aus Südcuropa stammende und wegen seiner schönen, rosenrothen Blüthen beliebte O l e a n d e r (Nsi-iuni) ist giftig, was man jedoch unserem in Wäldern häufigen I m m e r g r ü n (Vinca.) nicht nachsagen kann. Als nahe Verwandte führen wir an die giftige S c h w a l b w u r z (iÜMNiioliurQ), die S e i d e n p f l a n z e (^.sois^iaI s^i-iaoa.) und die cactusähnliche A a s pflanze (8ta-po1ia), deren Blüthe nach Aas riecht. 51. ^ N n i i l i s Ä s r B o r r a ^ S r i (Vorr^iQEHO). Diese Pflanzen mit rauhhaa- 183 rigen Blättern und Stengeln haben eine regelmäßige, fünftheilige Krone und fünf Staubfäden. Ihren Namen erhielt die Familie von dem bekannten Borrasch (Vorra.Ao), der wegen seines gurkenähnlichen Geschmackes zu Salat verwendet wird. Als ziemlich verbreitete Arten sind anzuführen: B e i n w e l l (Z^rapli^win), K r u m m h a l s (I^ooxsis), S t e i n s a m e n (I.itKos^i'niu.M), Ochsenzunge (^ucknäa), N a t t e r k o p f (Nokiniü), von welchen einige, die Schleim und einen zusammenziehenden Stoff enthalten, noch hier und da als Heilmittel gebraucht werden. Eine ebenso treffende als sinnige Bedeutung wurde in dem Namen V e r g i ß m e i n n i c h t <M^02otiZ) einem bescheidenen 288 L. Besondere Botanik. Pstänzchen dieser Familie beigelegt, dessen himmelblaue Blumensternchen aus frischem Wiesengrün freundlich uns anblicken. I n den Gärten findet man eingewandert aus Südeuropa das G a r t e n - V e r g i ß m e i n n i c h t (OMxkÄioäss) und aus Südamerika die Sonnenwende (Nslioti-o^iniü) mit vanill-duftender Blüthe. 184 52. ?g.ini1i6 Hör I l i p p s Q d i n m s n (^.Mat^s). Die sehr zahlreichen krautartigen Pflanzen dieser Familie sind wohl kenntlich an ihren zweilippigen Blüthen mit vier Staubfäden, von denen je zwei länger sind als die anderen, weshalb sie mit wenig Ausnahmen der 14. Klaffe ^.angehören. Auch zeichnen sich die meisten derselben durch einen Reichthum an flüchtigem Oele aus, so daß sie aromatisch sind und theils in der Mediän, theils als Gewürz oder als wohlriechende Mittel angewendet werden. Dies ist der Fall bei der Pfeffermünze (NsiMg.) und Melisse (N6I1883.), bei dem R o s m a r i n (Ko8inHriiiu.L), T h y m i a n (LKPMN8) und Q u e n d e l ( I I i . 86rMi1nm), ferner bei dem M a j o r a n (Oo^Mnra), Dosten (Ori^anuiQ), Hhssop M^880M3), S a l b e i . (Valvig) und Lavendel(I<9.vaiiäui3.), welche wild wachsen oder aus wärmeren Ländern in unsere Gärten oerpstanzt worden sind. Als nicht aromatisch bemerken wir dagegen die Taubnessel (I,ainiuui) die Gundelrebe ((U60K01119.) und den G ü n s e l (^ju^a), überall verbreitete Kräuter, deren Blüthen im Frühjahr von den Bienen eifrig aufgesucht werden. Zu einer nahverwandten Familie gehört das Eisenkraut CVsrdOug.), ein gemeines Gewächs mit unscheinbarer Blüthe, während die aus Amerika gekommenen Verbenen sich durch lebhaft gefärbte rothe Blumen auszeichnen; berühmt als Erzeuger des besten Schiffbauholzes ist der ostmdische Teckbaum 185 53. P a m i l i s Hsr L o r o V ^ i ^ i a r i S u (8or0xKu.iNriQ63.6). Diese Familie, nach dem früher gebräuchlichen S c r o p h e l k r a u t oder B r a u n w u r z (8oroxkn1g.ri3.) benannt, ist in mehrere Unterfamilien getheilt worden. Wir begegnen da manchen niedlichen einheimischen Pflänzchen, öfter mit rachenförmiger Blumenkrone, wie dem L e i n k r a u t (I^nkris.), Löwenmäulchen (^ntii'MQnin), Augentrost (Nupkre^ia), Läusekraut (?6äion.Iai-i3), Kuhweizen (Nsi3.n1p^ruM), Hahnenkamm (KK1112.1M11.8) und dem E h r e n p r e i s (Veroräoa). Die im Waffer lebende Bachbunge (V.VsooabunAa) wird als Salat gegessen. I n der Medicin werden verwendet die Blätter des prächtig roth blühenden, giftigen F i n g e r h u t s (DiSitaiiH, und als Brustthee die gelben Blüthen der stattlichen Königskerze (Verb^orlin), auch W o l l b l u m e genannt. Von Ausländern sind als Zierpflanzen beliebt die Pantoffelblümchen (OalosoiariH) und das Moschuskraut (Nimn1ii8), mit gelben, stark nach Moschus riechenden Blumen. Ziemliche Verbreitung hat der seit Kurzem aus Japan eingeführte P a u l s b a u m (kanio-nina) gefunden; er wird als Zierbaum gezogen, gleich dem Trompetenbaum (Vissnonig. Oatalpa), der einer Nachbarsamilie angehört. Beide haben schöne, straußförmige Blüthen. 186 Am Schlüsse der M o n o p e t a l e n zählen wir noch einige Pflanzen auf, die, vereinzelt für sich stehend, nur kleine Familien bilden, jedoch in verschiedener DikotMonen: Klasse V I . KreWräger. 289 Hinsicht bemerkenswerth sind, wie der M i s t e l (Visonm) als Schmarotzer; der spitze Wegerich (?1gaMA0 iauosolata), Fig. 207, als gutes Futterkraut; der G u t t a - Percha- B a u m (Isonanära ^ntta) auf Malakka uud der E b e n h o l z - B a u m (DiOZ^roZ Nbsnuin) in Ostindien wegen ihrer Producte; die S t o r a x b ä u m e (Zt^i-ax vul^aris und 8t. V6Q20W), .welche wohlriechende Harze, den S t o r a x und die B e n z o s liefern. V I . Klasse. Polyp etaleu; (Pflanzen mitmehrblättrigerVlumenkrone.) 54. V a m i l i G ä s i ' XrsuHträSSe 187 (Oruoifsi'as). Wir- haben hier wieder eine der großen und wohlcharakterisirtcn Familien des Pflanzenreichs vor uns. Ihre Gewächse gehören der lö.Klassel^. an, denn die Blüthen haben vier lange und zwei kürzere Staubfäden; auch haben sie vier, in Form eines liegenden Kreuzes ( X ) gestellte Blätter, und ihre Früchte find Schoten oder Schötchen. Alle Theile der Pflanze enthalten ein reizendes, schwefelhaltiges, flüchtiges Ocl und die Samen liefern fettes Ocl. Die Blätter werden durch die Cultur sehr mächtig und geben unsere gewöhnlichsten Gcmüse. Ich darf nur des S a u e r , t r a u t e s erwähnen, um die Bedeutung dieser Familie festzustellen. Die Wurzeln werden durch die Cultur fleischig und reich an Pflanzengallerte. Erwähnung verdienen als Zierpflanzen mit Blüthen von starkem Wohlgeruch: die Levkoje (Nattkiola.), der gelbe V e i l oder Goldlack (Ok^remtkus), die Nachtviole (HsspSiäs), die M o n d r a u t e (I^nnaria). Das an den Seeküsten hausige Löffelkraut (OoMsaria. ONoiHÄUs) ist ein vorzügliches Mittel gegen den Skorbut. Ein gemeines Unkraut ist die H i r t e n t a s c h e (OgWOiia). Als Küchengewächse sind zu bemerken: der auch als Heilmittel verwendete S e n f (3in3Pi8), die Kresse (IlSpiäiuiri), die B r u n n e n k r e s s e (Nkstui-tiurli), der M e e r r e t t i g (Oocziiisai-iH ^rinoi-aoia), richtiger Mährrettig, d.i. Pferdcrettig genannt; der N e t t i g (RNxkNnns), von dem die Cultur eine, große Anzahl von Spielarten erzeugt hat, was in noch höherem Grade bei dem Gemüsekohl (Lrassica olsraoSa) der Fall ist, dessen Abkömmlinge unter den Namen Krauskohl, Wirsing, Blumenkohl, Blaukohl, Kohlrabe, Weißkraut oder Kopfkohl, Nothkraut u. a. m. unsere geschätzten Gemüse sind; als solches II. . w 290 L . Besondere Botanik. sowie als Viehfutter dient auch die weiße Rübe (Vi-3.L8ioa ra^g.). Als Hauptölgewächs wird der Reps oder Raps (Vra83ioH uapus), Fig. 208, an- gebaut. Der Waid (IsatiL tinctoria), Fig. 209, hatte vor der Einführung des Indigos als blaue Farbe eine größere Bedeutung. Z88 55. WainiliG Äsr VioiSN (Violariusas). Das wohlduftende Veilch en sViola oäoratg.) verdient schon um semer Bescheidenheit w ^ Platz. Weitere Arten sind das dreifarbige Veilchen oder S t i e f m ü t t e r chen (V. trioolor) und das Ackerveilchen oder Freisamkraut (V. arvsn8i8), das als Thee gegen Hautkrankheiten gegeben wird. Die Wurzeln der Veilchenarten wirken brcchenerregmd. 189 56. Painilis Äsr M o l i n s (?IP3.vsra.o63.6). Die bedeutendste Pflanze dieser Familie ist der gewöhnliche M o h n (?ap9.v6r soiuMsi'UN), Fig. 210. Er enthält einen Milchsast, welcher eingetrocknet das O p i u m bildet. I n der 291 Dikotpledouen: Klasse V I . Mohne. Türkei und in Ostindien wird der Mohn zur GcwiANUNg des Opiums angebaut. I n Deutschland ist er weniger saftreich, allein man baut ihn wegen» des wohlschmeckenden Oeles seiner Samen. Der Mohnsaft wirkt narkotisch-giftig, und die Orientalen bedienen sich desselben,-als eines berauschenden Mittels, mit höchst verderblichem Erfolg für ihre Gesundheit. Das Opium ist ein Gemenge von Kautschuk, Harz und mehreren Wanzensamen und Pflanzenbascn, von welchen das Morphin (Chemie §.174) die wich« tigste ist. Wild wachsend finden wir den Feldmohn oder die Klatschrose (?a^3.v6r rliosag) und das S c h ö l l k r a u t (Ok6iiä0Qinui) mit gelbem Milchsafte. 57. VamMs dsr DroLSriSU. (Drose- 19l) riHosas). Sie wird benannt nach dem S o n n e n t h a u (ViDASra), einem niedlichen Torfboden-Pstänzchen, dessen Blättchen mit rothen Haaren besetzt sind, aus deren Spitzen helle Wassertröpfchen sich ausscheiden. Merkwürdiger ist die nordamerikanifche F l i e g e n f a l l e (VionaGs. Ansoipnia.). Das, behaarte Blatt derselben zieht sich zusammen, wenn es durch ein sich darauf setzendes Infekt gereizt wird. Letzteres wird dadurch erfaßt und erst wenn es todt ist breitet sich die Blattstäche wieder aus. b8. Pganilis Hsr 3SOrQ86u. ( ^ i n ^ k ^ a c e a s ) . Als Zierde derstehenden191 Gewässer kennen wir unsere weiße Seerose ( ^ m ^ I ^ e a ) , die nahe verwandt ist mit der cgyptischen Seerose oder L o t u s b l u m e (5l. lotus), deren Samen und Wurzel eßbar sind und die man als Sinnbild des Reichthums auf egyptifchen Denkmälern häufig abgebildet findet. Wohl als die prachtvollste aller Pflanzen dürfen wir die g u i a n i s c h e S e e r o s e (Victoria rsssia) mit ihren weiß und rosenrothen Blüthen, die 4 Fuß im Umfang haben, und mit Blättern von 15 Fuß im Umfang, anführen. 59. PannUs Äsr NaNnukGin (KanuNoulacoaG). Die Ranunkeln bil- 192 den eine zahlreiche, fast ganz liche Glieder mehr oder weniger Schärfe haben und zum Theil giftig sind. Viele derselben sind ihrer schönen Blüthe wegen Zierpflanzen, und einige werden in der Medicin angewendet. Bemerkenswerth sind: die Gattung R a n u n k e l oder Hahnenfuß (Raunneräug), worunter die sogenannte B u t t e r b l u m e (K. acris und anriooinnL) auf allen Wiesen und der g i f t i g e H g h n e n f u ß (K. LasisratuL) in sumpfigen Gegenden gemein ist; die schwarze N i e ß w u r z (N6ii6li0ru.8); die Leberblume (^QSinoiis); der Eisenhut (^.oonituni); der R i t t e r s p o r n (Oslxkiniuiu); der A k e l e y ( ^ n i l s g i a ) ; das B l u t s t r ö p f c h e n (^äonis); der 33« 292 L. Besondere Botanik. Schwarzkümmel ( M ^ s i i a ) , und endlich die T e l l e r - oder E s s i g r o s e (kasoma). Die verschiedenen Arten der W a l d r e b e (Olsmatiä) sind kletternde Sträucher, die häusig zu Lauben gezogen werden. 193 eo. V a i n M s ä s r M a g n o l i e n (NaAnoliHoyas). Von diesen ausländischen Gewächsen erblicken wir in Lustgärten zuweilen den schönen T u l p e n b a u m (lärioäsnäron) und die M a g n o l i e n (Na^noliN), strauchartige Bäume, ganz bedeckt mit großen, lilienförmigen und wohlriechenden Blumen. Die sternförmigen Früchte des AnisDaums (IllioiuM) werden unter dem Namen S t e r n anis als Gewürz verwendet. 19^ 6l. V a i n i l i s Äsr Nsdsu. (^uix6iiHs3.6). Der Weinstock (Viti8 viniksra) bildet für sich allein eine Familie. Obgleich sein Vaterland Persicn ist, so hat er sich doch in Deutschland aufs Vortrefflichste heimisch gemacht, und die deutschen Zungen sind wenigstens im Lobe des Rheinweins einig. Die edelsten Torten-desselben übertreffen an feinem Wohlgeruch und Geschmack alle Weine der Welt und werden aus dem R i e s l i n g gewonnen, einer kleinbeerigen Traube, der nur in den heißesten Jahren seine vollste Reife erlangt und alsdann ganz bräunlich wird. Der rheinische Weinbau erfordert einen großen Aufwand von Arbeit und Dungmitteln. Es giebt unzählige Traubcnsortcn und die daraus erzeugten Weine find höchst verschieden (s.Chemie §. 207). Unter demNcunen der K o r i n t h e n , R o s i n e n und C i beben kommen, namentlich aus Griechenland, die getrockneten Weinbeeren in den Handel. Die aus Nordamerika stammende w i l d e Rebe (^in^sio^Lig) eignet sich vortrefflich zur Bekleidung von Lauben und Wänden; ihr Laub wird im Herbste schön purpurroth. 183 62. L'g.milis H6I7 AH-litSQ (KutaosÄs). Die Familie hat mehrere Untcrabtheilungen, die zum Theil als selbstständige Familien betrachtet werden. Bemerkenswerth sind: die R a u t e ( N n w ) , enthält ein stark riechendes, flüchtiges O e l ; der D i p t a m (DiotaNnnL), eine der schönsten unserer wildwachsenden Pflanzen, an dessen reicher, purpurrother Blüthe in warmen Sommernächten zuweilen ein Leuchten beobachtet werden soll; das außerordentlich bittere F l i e g e n holz (HugHsia) und das sehr dichte Pockenholz oder F r a n z o s e n h o l z ((Tii^aoum), beide Arzneimittel. Das letztere wird besonders zu Kegelkugeln verarbeitet. 196 63. WainiliG Her N s i k s n (0g^oxdM6H6). Als Zierpflanzen finden wir in allen Gärten die N elken (Diantkus) und verschiedene Arten der Lichtnelke ( I r i n a s ) . Die S t e r n m i e r e W s i i a r i a insäia), auch H ü h n e r d a r m genannt, ein verbreitetes Unkraut, dient als Vogelfutter. Das S e i f e n k r a u t (Zaponaria.), dessen zerquetschte Blätter mit Wasser gerieben dieses^m ^ M u m versetzen, und die in Getreidefeldern wachsende gemeine K o r n r a d e ( I ^ d i u i L ssitliaZo) gehören gleichfalls hierher. 197 64. ?g.iu.i1is äse I,siiiG (länsas). Die wichtigste Pflanze dieser kleinen Familie ist der L e i n oder Flachs (läunni), dessen spinnbare Faser zur Leinwand verarbeitet wird, die man in mehrfacher Hinsicht den Geweben aus Baumwolle vorzieht; sie ist namentlich sehr dauerhaft und selbst ihre Lumpen haben großen Werth, da sie das beste Papier geben. Der L e i n (Fig. 211) ist eine Dikotyledouen: Klasse V I . Camellien. 293 zierliche Pflanze mit himmelblauer Blüthe, daher ein blühendes Leinseld einen schönen Anblick gewährt; sein Anbau ist in den gemäßigten Kümaten sehr verbreitet und vorzüglichen Flachs erzeugen die russischen Ostseeprovinzen, woher man zur Aussaat den Leinsamen aus R i g a kommen läßt. Der Leinsamen wird als schleimiges Mittel in der Medicin, das Oel desselben zu Firniß und Oclfarbcn verwendet und der rückständige Oelkuchen dient als gutes Viehfutter. es. VainiliO Hör O3.N6iij.On (Oa- 198 in6i1ik06Ä6). Außer den C a m e l l i e n (0^N6i1iÄ Ha^oiäoa), welche eine der schönsten Zicrden der Gewächshäuser sind, enthält diese Familie den Theestrauch ( I k s a L1Q6N818), dessen einziges Vaterland China ist, so daß alle Völker Europas dem Reich der Mitte für seinen Thee zinsbar sind. Je nach der Jahreszeit, in welcher die Blätter gesammelt werden, nach dem Alter derselben und dem Theile, von welchem sie entnommen sind, namentlich aber nach der Art ihrer Zubereitung, liefern sie die verschiedenen Theesorten. Frischgepstückte Blätter, auf heißen Blechen rasch getrocknet und dabei gerollt, geben den grünen Thee; der schwarze Thee wird erhalten, indem man die Blätter einige Tage aufschichtet, wodurch sie welken und sich erhitzen, worauf man sie langsamer trocknet. Uebrigens ist aller nach Europa ausgeführte grüne Thee künstlich gefärbt. Auch wird der Thee durch aromatische Blätter und Blüthen parfümirt. Das in den Theeblättern enthaltene Theein ist übereinstimmend mit dem krystallisirbaren Stoff des Kaffees (s. d.). Nach Europa beachte eine russische Gesandtschaft im Anfang des 17. Jahrhunderts den ersten Thee aus China, dessen jährliche Thceproduction man auf ungefähr 500 Millionen Pfund anschlägt. 66/^Hnii1i6äsrVMtQ6i'1sii(Zu6ttn.6i'iao6as). Die Umgegend von Mexiko 199 ist das Vaterland des Cacaobaumes (Llieobromg, 02.09.0). Seine gurkenartigen Früchte enthalten fettreiche Samen, die Cacaobohnen, welche zerrieben und mit Zucker vermischt die Chocolade liefern; auch enthalten sie denselben krhstallijirbarcn Stoff wie der Kaffee. 67. L'Niuilis Ä6r MHivsu. (N3.1vao6g.s). Diese Familie entspricht der W l ) 16. Klasse^., da in den Blüthen der hierher gehörigen Pflanzen viele Staubfäden zu einem Bündel verwachsen sich vorfinden. Es kommen krautartige Gewächse, Sträucher und Bäume vor, letztere in d.m warmen Ländern, worunter der A f f e n b r o t b a u m oder B a o b a b (^äanZonia) in Afrika sich auszeichnet durch seinen dicken Stamm von 30 bis 40 Fuß Durchmesser; seine Früchte find 294 L . Besondere Botanik. eßbar. Als Ziergewächse dienen: die G a r t e n m a l v e (I^avatsra), der M a l venstrauch (Hidi8ou3 s^i-iao-lis) und die Stockrose M t ^ s a roLea) oder Stockmalve mit mannshohem Stengel und reichen Blüthen in allen Farben, von welchen die dunkelrothen zum Färben verwendet werden. Wegen ihres Gehaltes an Schleim werden medicinisch verwendet die kleine Malve oder K ä s p a p p e l (Naiva rownäilolia) und die weiße Wurzel des Eibisch i M k a s a Eine der wichtigsten Pflanzen ist jedoch der B a u m w o l l e n s t r a u c h (6o8L^inw.), der aus seinem Vaterlande Afrika und Ostindien auch nach Nestindien verpflanzt worden ist und selbst im südlichen Europa gedeiht. I n seinen Samenkapseln entwickelt sich mit dem Reifen der Samen die Baumwolle, wie wir diese in ähnlicher Weise bei manchen unserer Pappeln und bei den Weidenröschen (Rxilokiliiri) wahrnehmen. Bei weitem die Mehrzahl der Menschen kleidet sich in Baumwolle, und nicht allein der Anbau dieses Strauches, sondern auch die Verarbeitung beschäftigt Millionen von Menschen, ungeheure Fabrikanstalten und die kunstreichsten Maschinen. Der Verbranch und die Verarbeitung der Baumwolle innerhalb des Zollvereinsgebiets ist in steter Zunahme begriffen, wie nachfolgende Zahlen ergeben: Einfuhr. 201 A u s f u h r. Nohe Baumwolle Verarbeitete Baumwolle Rohe Baumwolle Verarbeitete Baumwolle Zoll-Ccntncr Zoll-Ccntmr Zoll-Cmtncr Zoll-CciUncr 1850 494/298 523.157 151,953 153,734 1857 1,041,408 580,790 263,094 243,739 68. ?9.inili6 dsr LtorokLoknädsi (66i-ani3.o63.6). Den Namen hat die Familie von der Form der Früchte der hierher gehörigen Gewächse, die überdies durch schöne Blüthen und zierlich eingeschnittene Blätter sich auszeichnen. Von den bei uns wildwachsenden sind am schönsten das W i e s e n - G e r a n i u m (Osranium ^ratsi^s) mit großer blauer Blume (dessen Blatt siehe Fig. 82), und das purpurrothe Rosen-Geranium ( 6 . i-086u.rQ). Besonders aber werden die vom Cap der guten Hoffnung stammenden P e l a r g o n i e n (?s1arS0iiinin) cultivirt, deren man über Hunderte von Spielarten hat, wovon das prachtvoll scharlachrothe S k a r l e t ( ? . ^onais) das bekannteste ist. 202 69. V a m i l i S 6.6? O r a n F s n (^rg.ntig.<:s3.6). Diese dunkelblättrigen, immergrünen Bäume des südlichen Europas zeichnen sich fast in allen ihren Theilen durch einen Gehalt an lieblich duftendem Oele aus und durch schöne gelbe Früchte, welche Zitronensäure, zum Theil auch Zucker enthalten. Auch findet sich in den Schalen der Früchte, namentlich der unreifen; ein aromatisch bitterer Dikotyledonm: Klasse V I . Ahorne. 295 Stoff. Anzuführen sind: Ora^genodcr Pomeranzenbaum (0. anrantinin) und der Vergamottbaum ( 0 . limetta); die Frucht des letztgenannten liefert das wohlriechende Bergamottöl. 70. V a i n i l i s ä s r ^ I i o r i i S (^a6riQ6N6). Ein vorzügliches Material zu ver- 203 schiedenen Holzarbeiten, nnter Anderm auch zu Pfeifenköpfen, liefern mehrere Arten des Ahorns iAosr), deren Holz überdies als Brennstoff geschätzt wird. Der Frühlingssaft aller Ahornbäume ist sehr zuckerreich und aus dem des Zucker-Ahorns (^.. La<nk2.riQuui) wird in Nordamerika Zucker gewonnen. Blatt des fpitzblättngen Ahorns. 71. L'a.iu.U.i.s äor ONatSSn (Oaotsae). Aus Amerika erhielten wir an 400 W 4 Arten der wunderlichsten Pflanzen, die, gleich Mißgeburten von der gewöhnlichen Bildung abweichend, aus saftigen, bald walzenförmigen, oder kgntigen, kugeligen oder lappigen, einfachen oder verzweigten Stengeln bestehen und an welchen zahlreiche oft gefährliche Stacheln die Stelle der Blätter vertreten. Aber prachtvolle Blüthen brechen aus den meisten dieser krüppelhaften Gestalten und erregen durch den Gegensatz um so mehr unsere Verwunderung. Einige Cactccn sind im südlichen Europa eingebürgert. Nützlich ist besonders der Feigeneactus (Oxuntia vul^aris) durch seine eßbaren Früchte, indische Feige genannt, und derCochenillencactus(0MQtiN00oAQs11i56rel.), auch Nopal genannt, als Nährpfianze der Cochenille, I n den Wüsten sind die Cactecn erquickend durch ihren säuerlichen Saft und außerdem dienen sie als Brennstoff und zu undurchdringlichen Umzäunungen. Wegen ihrer Blüthen zieht man am gewöhnlichsten Osröns 8psoi08U8, 0 . Äa.As1M)nni8 und 0. ^viiaiMoiäoL. 296 L. Besondere Botanik. 205 72. Z'aznilis äs? Q-rogssin s^roILuiNi-iiiO^ß). Eine kleine Familie, deren Sträucher fast in keinem Garten fehlen, denn die Stachelbeere (RiKsL Sr088ularia) und die Johannisbeere (K. ruki-um) sind allerwärts beliebt. Aus der letzteren wird Citronensäure gewonnen. Einige amerikanische Straucher dieser Familie werden als Ziergewächse gestanzt. 2V6 73. V'g.mMG ä s r DolÄSn.träFGi' (Hmb6i1ilsra6). Die Dolden- oder Schirmträger sind krautartig und haben kleine, ^fünfblättrige Blüthen mit fünf Staubfäden, gehören daher zur 5. Klasse I,. Ihre Blüthendolden und vielfach getheilten Blätter sind weitere sehrcharakteristischeKennzeichen. Die Samen sind kleine Doppelfrüchtchen mit verschiedenen Rippen und Streik fen, welche hauptsächlich zur Unterscheidung der Gattungen dienen; auch sind sie meist reich an flüchtigem Oel, und werden, deshalb theils als Gewürze theils als Arzneimittel benutzt. Von mehreren wird die saftige und zuckerreiche Wurzel gegessen, und wir erwähnen in dieser Beziehung die gelbe Rübe oder Dikotyledotten: Klasse V I . Dolbenträger. 29? Möhre (Dances oai-ota), den Sellerie (^piniu AlavSoIsus), die Petersilie (^.xium p6tr086iinnra) und den Pastinak (?g,8tiuaeg,). Durch ihre aromatischen Samen sind ausgezeichnet der Kümmel (Oarnni oarvi), Fig. 213, zugleich ein gutes Futtcrkraut; der Fenchel (^oouioränua), Anis ( L i m ^ nslia aniLuiu), der Coriander (Oorianärum), der Wasserfenchel (?Ii6ilauärium), der D i l l (^.nstliniQ) und der Kerbel (^.ntw-iLons), zugleich ein Küchenkraut. Auch der Bärenklau (Nsraolonui splionäMnui), Fig. 214, wird jung vom Vieh gcrn gefressen; der Riesenbärenklau (U. AiAantOnm) wird wegen seinerstattlichenBlatt- und Doldenbildung in Anlagen gepflanzt. Neben diesen in mehrfacher Weise verwendeten Pflanzen treffen wir jedoch einige sehr gefährliche, nämlich den Schierling (Oonium inaoulatuin) und unserer Giftpflanzen, welche bei weitem die meisten Unglücksfälle veranlassen. 298 L . Besondere Botanik. da sie.mit einigen der oben genannten nicht nur ziemliche Ähnlichkeit haben, sondern häufig an denselben Standorten wie diese vorkommen, daher Verwechselungen leicht möglich sind. Diese haben sich schon ereignet, indem beim Sammeln die Wurzel des als Salat gebräuchlichen Pastinaks mit der des Schierlings, und die Hundspctersilie für die gewöhnliche Gartenpetersilie oder statt des Kerbels genommen wurde. Der S c h i e r l i n g hat einen 3 bis 4 Fuß hohen Stengel, der rund, hohl und mit dunkelrothen Flecken besprengt ist. Seine Blätter sind glatt, dreifach- Dikotyledonen - Klasse V I . Doldenträger. 299 gefiedert, die Vlättchcn lanzettförmig, eingeschnitten, gesägt, mit einem weißen Haarspitzchen an den Zähnchen. Die Hauptdolde hat eine Hülle, die aus einem bis fünf Blättchen besteht; die Döldchen haben dreiblättrige, herabhängende Hüllchen; die Blüthen" sind klein und weiß; die Frucht ist eiförmig, von der Seite zusammengedrückt, und die Früchtchen sind mit fünf gekerbten Nippen versehen. Die ganze Pflanze hat einen widrigen Geruch, namentlich wenn sie welkt oder zwischen den Fingern gerieben wird. Der Pastinak unterscheidet sich vom Schierling durch seine gelben Blüthen und das Fehlen der Hülle'und Hüllchen. M i t der Petersilie, Fig. 216, kann der Schierling fast nur verwechselt werden, so lange er noch keinen Stengel getrieben hat. Die kleinen Blättchen der Petersilie sind eirund, eingeschnitten und gezahnt und haben gerieben einen angenehm aromatischen Geruch. Die Hundspetersilie hat doppelt gefiederte Blätter mit schmalen Blättchen. Die Dolde entbehrt der Hülle, dagegen sind die Döldchen mit dreiblättrigen herabhängenden Hüllchen versehen. Die Frucht ist kugelförmig, an den "Früchtchen befinden sich fünf dicke Hauptrippen. Diese Pflanze kommt sehr häufig in den Gärten vor und kann mit dem Kerbel und der Petersilie verwechselt werden. Ihre schmäleren und geruchlosen Blättchen unterscheiden sich jedoch von jenen beiden. Besser als nach jeder Beschreibung lassen sich diese Pflanzen nach den beigefügten Abdrücken, Fig. 217 bis 219, unterscheiden, die von ihren Blättern selbst genommen worden sind. 300 L. Besondere Botanik. Noch giftiger als die beiden vorhergehenden ist der Wasserschierling WioutÄ viroZK), allein da er entfernt von den Wohnungen instehendenWassern wächst, so ist er weniger gefährlich. Der Schierling hat eine gewisse geschichtliche Berühmtheit, wiewohl tramiger Art. Der Saft desselben diente im alten Athen zur Hinrichtung von Staatsverbrechern. S o k r a t e s , der edelste der griechischen Weisen, fälschlicherweise von seinen Feinden als Verbreiter gefährlicher Lehren angeklagt, wurde zum Tode durch den Schierlingtrank vcrurtheilt. Einige Doldenträger Persiens enthalten Milchsäfte, die zu Gummiharzen (Chemie §. 191) eintrocknen, worunter der heftig nach Knoblauch riechende Teufelsdreck oder Äsa f ö t i d a (von l ^ n i a ) und das A m m o n i a k - G u m m i (von Dorsina) in der Medicin Anwendung finden. 207 74. Va.iu.i1i6 Äsr N^Su.2äOriis (Kkamnoas). Der K r e u z d o r n (Ma.ui'uns oNtkarticmZ) hat schwarze Beeren, die einen blauen Saft enthalten, welcher mit Kalkwasscr vermischt und eingetrocknet, das S a f t g r ü n darstellt. Die Kohle des F a u l d o r n s (RK. lran^ula) wird vorzugsweise zur Vereitung des Schießpulvcrs geschätzt. Der im südlichen Europa wachsende I u d c n d o r n ( N s ^ I i n I ) liefert dieBrustbeeren. Aus nahverwandten Familien find anzureihen: die immergrüne S t e c h p a l m e (Ilsx aHnitolirun) mit hochrothen Beeren, in England »H oly« genannt und als Fcstschmuck am Christabend dienend; der Matestrauch (Ilsx xÄra.SQ3.^sQ8i8), dessen Blätter den in Südamerika allgemein gebräuchlichenParaguaythee geben; der S p i n d e l b a u m (Nvon^. inus), ein Zierstrauch mit schönen, rosenrothen Früchten, Pfnffcnkäppchen genannt, die orangefarbige Samen enthalten. 208 ?5. ?HnMiG 6.sr RKrdi880 (Ouourkitaosas). Diese krautartigen, rauhbehaarten Gewächse gehören meist den wärmeren Ländern an. Sie haben einen klimmenden, mit Ranken sich aufrichtenden Stengel, große Blätter, ein-und zweihäusige Blüthen, beerenartige Früchte, meist von ungewöhnlicher Größe. Aus Asien sind eingeführt worden: die Gurke (Ononmis sativ^s), die Melone (0. m ^ o ) , Fig. 2 2 0 , mit saftigen, süßen Früchten, vorzüglich im südlichen Eu- Dikotyledonen: Klasse V I . Kürbisse. 301 ropa angebaut; derKürbis (Onaurbita.), bei uns als Viehfutter gepflanzt, hat Früchte, die mitunter 100 bis 200 Pfund wiegen; sie enthalten über 4 Proc, Zucker und werden in Ungarn zu dessen Fabrikation benutzt. Es giebtviele Kürbisarten, von welchen wir nur den Flaschenkürbis (oder Calabasse) erwähnen, der cusgehöhlt zur Aufnahme von Flüssigkeiten dient. I n der Medicin finden Anwendung: die S p r i n g g u r k e (Nomordia. NiHt6riu.ni), die bittere Coloquinthe (0uc;iinii8 Ooloo^ntliiZ) und die an Hecken gemeine Z a u n r ü b e (Zr^ouia) mit großer, rübenförm.iger Wurzel. 76. L'NMIiS Ä6r ?6ttFS^Ho3iZ6 (OrNäZniaoeaG). Sie zeichnen sich durch 299 ihre dicken und saftigen Blätter aus, obgleich sie meist auf ganz trockncm Sand oder Gestein wachsen, wie der gelbbluhende, brennend scharf schmeckende M a u e r pfeffer (8säniu. aors) und die bekannte H a u s w u r z (86Mp6rvivu.m). 77. ^ a i n i i i G Äsr ^srsdiiit!3i6Q (^srOdiQtiiaos^ Die Baume und 2II) .Sträucher dieser großen, nur den wärmeren Landern angehörenden Familie liefern eine Menge von Harzen, aus welchen wir als die.wichtigsten den M a f t i z (von ?iLtaoi9.) und die M y r r h e (von ValsallioäeiKirou) erwähnen. Die verschiedenen Arten des Sumach(Nrl.8) sind gerbstoffreich und insbesondere werden die Blätter des in Süde'mopa angebauten Gerbersumach (Rk. coi-iHria.) unter dem Namen Schmack zum Gerben und Färben benutzt. Der G i f t su mach (RK. toxicoHsnäi-OQ) enthält ein flüchtiges Gift von eigenthümlicher Wirkung, die gewöhnlich ein Anschwellen desjenigen veranlaßt, der nur einige Blätter in der Hand hat oder sich in der Nähe des Baumes länger aufhält. Doch wlrkt es nicht in gleicher Weise auf alle Personen. Als Zierstrauch findet man häufig den Perrückenbaum ( M . potiims). Eßbar sind die grünen, man« 302 L. Besondere Botanik. delartigenFrüchte der Pistacie (?i8t3.oig.Isutiäous) und die indischen Mangop f l a u m e n (von 8p0Q<1ia8 man^ilSva). 211. 73. Vanniis äor On^Frarisn (OuassrarisaS). Sie enthält vorzüglich wegen ihrer schönenBlüthcn bemerkenswerthe Gewächst, wie dieWeidenröschen (Nxilodiuin), von welchen das schmalblättrige Weidenröschen (N. anAULtikoliuui) mit hoher, purpurfarbiger Vlüthenähre eine Zierde unserer Wälder ist; die Nachtkerze (Osnotksi-a siehe S . 248) öffnet ihre gelbe Blüthe gegen Abend; die Fuchsie (^nokäia), aus Südamerika stammend, eine der beliebtesten, in vielen Spielarten gezogene Zierpflanze. Auch wird die aufstehenden Gewässern am Rhein schwimmende Mutterpflanze der stacheligen Wassernuß (Lrapa. nataus) hierher gerechnet. 212 79. FNinilis Äsr M ^ r t s n (N^rtaesHs). Aus derselben ist in Europa heimisch nur der Myrtenstrauch (N^rtus oommninZ), dessen Zweige mit glänzend-grünen Blättern und weißen Blüthen eine freundliche Verwendung zu Brautkränzen finden. Die übrigen Pflanzen gehören den Tropenländern an, und zeichnen sich meist durch einen Gehalt an aromatischem Oel aus. Der Nelkenbaum (Oar^o^IiMuL) liefert die bekannten Gewürznelken; der Cazeputbaum (Neiaisnea.) das Cajcputöl, beide in Ostindien zu Hause. I n Südamerika erzeugt der Pimentstrauch (N^-rtuL xiinGnta) den Nelkenpfeffer oder Piment, und die birnähnlichen Früchte des Cujavabaums (?8iäium) werden als ein wohlschmeckendes Obst verwendet. Nahe verwandt ist dieser Familie der Granatbaum (?unio3.), mit prächtig feuetrother Blüthe und eßbaren Früchten; er wächst im südlichen Europa. 213 so. VainiliG äsr Ac)86n (KoLaosas). Als das sehr bestimmte Merkmal dieser Familie erscheint es, daß die Blüthen der ihr angehörenden Pflanzen zahlreiche Staubfäden haben, welche auf dem Kelchrande stehen. L i n n s bildete aus denselben seine zwölfte Klasse. Mit Recht wurde an die Spitze dieser großen und ausgezeichneten Familie die Königin der Blumen, die Rose, gestellt, die von den Dichtern aller Zeiten und Zungen gefeiert, hier keiner weiteren Verherrlichung bedarf. Doch hat man neuerdings ihrer unmittelbaren Herrschast die Gewächse mit Apfelfrüchten und Steinfrüchten entzogen und daraus besondere Familien gebildet. Die gefüllte oder hundcrtblättrige Rose (RoZa osntiiolia) stammt aus dem Orient, wo aus den Blättern verschiedener Rosenarten das kostbare' Rosenöl gewonnen wird; die Monatrose (R. ^allica) stammt aus dem südlichen Europa. Von beiden hat die Cultur unzählige Sorten erzeugt." Die^ Heckenrose A . oaninI.) liefert die Stämme, auf welchen die veredelten Rosen oculirt werden; ihre Früchte, Hagebutten genannt, werden gegessen. Wir schätzen ferner wegen ihrer Früchte den Himbeerstrauch (Rickus Iä9,6N8), den Brombeerstrauch (K. als Ziersträucher, die verschiedenen Arten der Spierstaude (Zxirasa); als zierliche Pflänzchen das Fingerkraut (Votsptiiia) und den Frauenmantel (^.1« oksuiilia); in der Medicin die Nelkenwurz ( M n m ) ; endlich als Futterkram Dikotyledoneu: Klasse V I . Apfelträger. 303 den blutrothen Niesenknopf(?0t6riuni), Fig. 2 2 1 , unter dem Namen B i b e r nell auch als Küchenkraut verwendet. 81. Sg.ru.i1iG 6.sr H.pks1träF6r st>0iQN- 214 osas). I n ihrer Blüthe stimmen sie im Wesentlichen überein mit den vorhergehenden; die Samen stecken in einem lederartigen oder körnigen Gehäuse, das von saftigem Fleisch umgeben ist. Wir finden hier die nützlichsten Obstbäume, den A p f e l b a u m ( V ^ u s raaluä) und den B i r n b a u m (?. oonirauuiZ), welche das Kernobst liefern. Beide Bäume wachsen vereinzelt - wild in unseren Wäldern mit ungenießbaren Früchten, den sogenannten HolzAepfeln und Birnen. Die feinen Kernobstsorten, die durch Cultur erzeugt worden sind, können nur durch Pfropfen vermehrt werden, da die aus Kernen gezogenen Sämlinge wieder in Wildlinge zurückschlagen. Auch die Früchte des Q u i t t e n baumes ((^äonia.) und des M i s p e l s <Ms8M u s ) sind genießbar. Der Vogelbeerbaum (8 ordus) wird an Wegen und Anlagen, der W e i ß d o r n (NrI.t3.6AU8) in Hecken gepflanzt. 82. ^ H N i l i G HSV 3tSiHOd8tti'I.FS37 (vl.'uxac6Ä6). Die Blüthe ist den 215 vorhergehenden sehr ähnlich; der Same ist in ein steinhartes Gehäuse eingeschlossen, das von saftigem Fruchtfleisch umgeben ist. Die Samenkerne enthalten Blausäure (was auch beim Kernobst der Fall ist) und mehrere außerdem fettes Oel. Nächst der vorhergehenden verdanken wir dieser Familie unser vorzüglichstes Obst. Aufzuzählen sind: der gemeine P f l a u m e n b a u m (?i'nrm8 äoiQSLtiekl.) mit runden Früchten; eine Abart desselben mit länglichen und süßeren Früchten ist der g w e t s c h e n b a u m ; der A p r i k o s e n b a u m (?. ^ r rasuiacg.); die Haferschlehe (?. inLititm), von welcher die R e i n e - C l a u d e und Mirabelleabstammen; d e r V o g e l k i r s c h b a u m ( ? . a v i u i u ) , von welchem die S ü ß k i r s c h e n , und der W e i c h s c l b a u m ( ? . Q6in8U8), von welchem die Sauerkirschen abstammen; in der Medicin sind gebräuchlich die Blüthen der Schlehe (?. 8Pino83.), auch Schwarz d o r n genannt, eines gewöhnlichen Heckenstrauchs, und die blausäurehaltigen Blätter des K i r s c h l o r b e e r s (V. la.uro-ooi'HZus). Den Schluß bilden der M a n d e l b a u m (^.in^äg.1u8 aoininrmis) und der P f i r s i c h b a u m (^.. xerLicg.). 83. L'NuiiliO Hsr NKIssickäFSr (I,sAniinQ0L3.o). Diese große, gegen 216 4000 Arten zählende Familie ist wohlcharakterisirt durch ihre meist schmetterlingsförmigen Blüthen, durch ihre hülsenförmigen Früchte und gesiedeten 304 L. Besondere Botanik. Blätter. I n der Regel ist in den Blüthen neben neun verwachsenen Staubfäden ein freistehender vorhanden und es gehören somit diese Pflanzen in die Dikotyledonen: Klasse V I . Hülsenträger. 305 17. Klasse 1/. Wir begegnen hier einer Menge sehr nützlicher Gewächse und stellen dieselben nach ihrer Verwendung in mehrere Gruppen. Den An- fang machen die Hülsenfrüchte, deren Samen neben Stärke besonders reichlichstickstoffhaltigesFibrin und phosphorsauren Kalk enthalten, so daß sie zn den nahrhaftesten aller Pflanzenstoffe gerechnet werden. Bekannt als solche sind die Bohne (?kH86ows), Erbse (?i8uin), Fig.222, Puffbohne (Vioia. iada), Linse (Nrvum), Fig. 223, Platterbse (katk^rug). Als Futtergewächse werden viele Arten des d r e i b l ä t t r i g e n Klees ClrikoUum) angebaut, wie der rothe Klee s?. xratsugs), der kriechende weiße Klee ^ 1 . rsxsng), der purpurrothe I n carnatklee ( 1 . inoarnatnin); ferner der ewige Klee oder die Luzerne (NbäioNAo sativa), Fig. 224 und der türkische Klee oder die Esparsette (Onodr^okig Lativg.), Fig. 225. Außerdem wachsen wild auf den Wiesen noch viele Hülsengewächse,, welche, dem Gras und Heu beigemengt, als vortreffliches Futter dienen. Solche Zs)6 L. Besondere Botanik. sind: die Vogelwicke (Vioia o^oca), Fig. 226, der Sichelklee (NsäiLNZo 5aloaw), Fig. 227, der Hornklee (I^otuL cormoulaws), Fig. 228 und die Wiesenplatterbse(I^atIi^ru8^2.t6Qsi8). Der S tein-klee (Nsiilotus) hat besonders im getrockneten Zustande einen angenehmen Geruch und wird unter den sogenannten K r ä u t e r k ä s e gemischt und dem Schnupftaback zugesetzt. Auch ein Oelgewächs findet sich in dieser Familie, nämlich die tropische E r d n u ß (^.inokis k^oFasg.), Fig. 229, deren Anbau in Europa mit Erfolg versucht worden ist. Merkwürdigerweise dringen ihre Blüthenstiele nach dem Abblühen in den Boden, unter welchem dann die Frucht reift. Die Gewerbe erhalten aus dieser Familie einige der wichtigsten Farbestoffe, wie namentlich d e n I n d i g o (von InäiZolsra), die dauerhafteste aller blauen Pstanzcnfarben. Der meiste Indigo kommt aus Ostindien, wo man die Zweige der Pflanze in Kasten mit Waffer übergießt. Es entsteht eine Zersetzung, in Folge deren ein grüner Schaum auf die Oberfläche der Flüssigkeit sich erhebt, die gelb und trübe wird, an der Luft sich dunkelblau färbt und dann einen Dikotyledonen: Klasse 'VI. Hnlstnträger. 307 blauen Schlamm absetzt. Dieser wird gesammelt, in viereckige Stücke gepreßt und getrocknet. Das Kampeschen- oder B l a u h o l z (von UasrnÄtox^ioii) dient zum Färben von Blau, Violett, Schwarz, das Fern am bück- oder Rothholz (von 0N633.1xiiiig.) zur rothen Farbe und Tinte. Eine gelbe Farbe, » Schüttgelb « genannt, wird. aus der Färbeginster (HskistI. tinotoria) gewonnen. Noch größer ist die Anzahl hierhergehöriger Pflanzen, welche die Medicin bereichern. Wir bemerken die verschiedenen Mimosen (^oaoia), dornige Sträucher, mit feingesiederten Blättern (siehe Fig.109), welche das arabische Gummi liefern; die abführenden Blätter des Scnnesstrauchs (OaLsia.); die süße, fleischige Fruchthülse des I o h a n n i s b r o t b a u m s (OerÄtonia); das säuerliche Mark der Tamarinde (lamarinäuä); die bekannte Wurzel der Süßholzpflanze (AI^O^-rrliiLia.), aus welcher der Lakritz bereitet wird; das Tragantgummi (von ^.8ti-a.Aa1n8). Andere erzeugen harzige und balsamische" Producte, von welchen wir die Mutterpflanzen des Cop a l harz es (H^mGnasa) und des Perubalsams (loiräksra.) anführen. Endlich sind nicht zu vergessen die sogenannten Aca cien (Rodinia.), der Goldregen (O^tiLus) und die Gleditsche (Msäitoliia.), letztere mit großen dreispihigen Dornen, die, aus Amerikastammend,häusig angepflanzt werden, während die Besengin st er (8xart1nw) in Menge wild wächst. Auch am Schlüsse der P o l y p e t a l e n haben wir noch eine Ncihe von 217 Pflanzen aufzuzählen, die entweder vereinzeltstehen,oder solchen Familien entnommen sind, deren übrige Glieder uns nicht bemerkcnswerth erscheinen. Dies verdienen wegen ihrer Blüthen die nachstehenden, theils wildwachsenden, theils als Gartengewächse gepflegten: Die wohlduftende Reseda (It.686äa oäorata), die Kapuzinerkresse (L'ropaGoliiia), die B a l s a m i n e (luixatieuL), die Hortensia (N^ära.QA6g. kortGQLis), das J o h a n n i s k r a u t (A^x6rioum), der Sauerklee (Oxklis) und die zierlichen Steinbreche (8axikr^a) deren zahlreiche Arter bis in die Hochalpensichverbreiten. I n der Heilkunde sind gebräuchlich der bittere Erdrauch (^umaria) und das Kreuzkraut (koi^ANia.). Von Sträuchern sind bemerkenswert!) der S a u e r d o r n oder die B e r beritze (Lsi-dOris) mit sehr sauren, scharlachrothen Beeren; die K o r n e l « kirsche (Oornns ui.g.8<m1g.) mit rothen, länglichen, eßbaren Früchten und sehr hartem Holz; der Pfeifenstrauch oder wilde Jasmin (?kii2.ä.s1xkn8) mit weißen, wohlriechenden Blüthen. Kletternde Sträucher sind der immergrüne Epheu (Nsäsra kslix) und die Passionsblumen (?2.s8iÜ0r2,), von welchen wir mehrere Arten aus dem heißen Amerika erhalten haben. Zu unseren schönsten Bäumen rechnen wir die Linde ( l i l i a ) , die, eine herrliche Krone bildend, eine Höhe von 100 Fuß und ein Alter von über tausend Jahren erreicht. Sie liefert ein leichtes, zähes Werkholz und zu Matten verwendbaren Bast. Von ihren lieblich duftenden Blüthen sammeln die Bienen reiche Honigschätze; auch geben sie'einen heilsamen Thee. 308 8. Besondere Botanik. Von Ausländern erwähnen wir den amerikanischen Mahagonibaum (Z^iswuia.), der ein vorzügliches rothes Möbelholz liefert; den Cocabaum iNr^tiirox^ion O00I.), dessen Blätter in Südamerika gekaut werden; den oftindischen Gummigutt-Baum ^ed^aHsnärou), eine bekannte gelbe Malerfarbe liefernd, und den Koclelst rauch (Ooeonius), von welchem die giftigen Kockelkörner kommen. Nachtrag zur Botanik. Seite 261, Zeile 5 und 6 von unten statt »OtKotr^olniM und ? o 1 ^ tr^oknui« sehe »Ortkotrioliuiu. und ^oi^triolmui.« Zu §. 143. Aus den Blattstielen der Steincocos (Oooos I ^ ä s a oder H.tta.162, lnnikOrg.) wird eine zähe Faser dargestellt, die unter dem Namen Piassava zu Stricken und Tauwerk verwendet wird. Von einer Palmenart, ?K.M1sPii3.8 w.g.orooarpa, kommt das sogenannte Vegetabilische E l f e n b e i n , einesteinharteweiße Masse, welche das Eiweiß ihrer Samen bildet. Zu §. 150. Nii83. t6xti1i8 u. a. m. von den Philippinen und Ostindien liefern den M a n i l a h a n f , auch Abaca- oder P i n a s H a n f genannt. Ausfuhr aus Manila 1862 — 450,000 Centner. 1 Ctr. — 14 Thlr. Zu Z. 156. Auf den Inseln der Südsee wird aus der gekaueten Kawawurzel, von I>ixsr M6tIiMiouM, durch Gährung ein berauschendes Getränk, Kawa genannt, bereitet. Zu §. 163. Der Manschenillenbaum oder M a n z a n i l l o auf den Antillen enthält zwar in allen Theilen einen scharfen, giftigen Milchsaft, allein die früheren Angaben, daß er giftige Dünste aushauche, wodurch dem Menschen ein längeres Verweilen unter demselbensichtödtlich erweise, ist durch genaue Beobachtungen widerlegt worden. §. 165. Den neuesten Berichten über die Erzeugung des Zuckers aus der Zuckerrübe in Deutschland entnehmen wir die nachfolgenden bemerkenswerthen Thatsachen. Es betrug: I w Jahr M l w ^ ^ ^ Ue Steuers den Centner 1837 122 284,102 Ctr. V4 Sgr. 1865 296 3,413,204 » 71/2 « Der Zuckerverbrauch für den Kopf war 1834 — 0,11 Pfund und stieg 1841 auf 1,11 Pfd. und beträgt 1865 10,26 Pfd. Die Ausbeute an Nohzucker aus einem Centner Rüben war im Jahre 1846 — 6 Proc.; 1855 — 6^/Z Proc.; 1865 — 8 Proc. Die Erzeugung deckt gegenwärtig den Verbrauch vollständig und es betrug die im Jahre 1865 aus der Zuckerfabrikation erhobene Steuer 11,956,723 Thaler oder 10 Sgr. für den Kopf. 2 Nachtrag zur Botanik. Zu §. 173. Für den hier angeführten Feldsalat ist der lateinische Namen VÄsriNnsiia. gebräuchlicher als ^säia. Zu §. 174. Die Befürchtung, daß durch eine verwüstende Ausbeutung der Chinawälder in Südamerika der nachhaltige Bezug der Chinarinde gefährdet erscheine, ist nach den Beobachtungen neuerer Reisenden ungegründet. Dieselben berichten auch von mit vieler Sorgfalt angestellten Versuchen, die Chinabämne auf Java anzupflanzen. Der Kaffeestrauch ist der Familie der Cinchonen anzureihen und nicht den nachfolgenden Sternkräutern. Zu §. 187. Für die Gattung Hirtentasche ist der Name OaxLÄla. gebräuchlicher als I K I g ^ i . Zu §. 208. Zeile 4 von unten statt »zweihäusige« setze »ein- und zweihäusige«. Zeile 2 von unten statt »OnouiQu.U« setze «OnonimL«. Zu §. 209. Statt »OrasLuIarsHO« setze »0rW8u1a.L6a6«. Zu §. 216, Seite 306. Als Futterpflanzen sind noch anzuführen die Gemeine Wicke (Vioig. sativH), wild wachsend und angebaut, sowie die Feigbohne oder Lupine (I^uxinuL Intsa), mit gelber Blüthe, besonders für Sandflächen geeignet. Zu §. 217. An die Linde reihen wir, als der gleichen Familie angehöriA das Geschlecht Corchorus, vornehmlich Ostindien und China angehörig von deren krautigen Arten (Oorokorus olitorius) die Blätter und jungen Sprossen im Orient allgemein als Gemüse gegessen werden. Eine andere Art, OorokornI tsxtiliZ, liefert eine Gespinnstfaser, die unter dem Namen von J u t e , Jutehanf oder Dschut einen bedeutenden Handelsartikel bildet. Einfuhr in England 1861 — 1,071,000 Centner. 1 Ctr. — 10 bis 12 Thlr Z o o l o g i e. „Und G o t t sprach: Die Erve bringe hervor lebendige Thiere, ein jegliches nach seiner A r t ; Vieh und Gewürm und Thiere der Erde nach ihren Arten! Und es geschah also." G e n e s i s I , 5tck. Hülfsmittel: B l a s i u ö , Prof. I . H . , Fauna der Wirbeltl'iere Deutschlands und der angrenzenden Länder von M i t t e l «Europa. Erster B a n d : Säugethiere. M i t 2U9 i n den Text eingedruckten Holzschnitten» gr. u. Fein Velinpapier, geh. Braun schw.. Fr. Vieweg u. Sohn. 1857. 2 Thlr. «o Sgr. H e n l e , 0 r . I . , Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen, i r B d . 1.—ö. Abth. 2r B d . ftLfg.). Braunscklveig, F r . Vic»veg u. Sohn. 1»55—S5 l ö Thlr. H S g r . L e u n i s , Synopsss der Naturqeschlchte des ThierreichH» 2te A u f l . Hannover, Hahn/sche Buchhan». lung. lUüu. 4 Tblr. 20 S ^ r . » L i e b i g , I . von, die Thicrckemic oder die orga». Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. 3te A u f l . 1. Ablh. gr. s. Vraunschw., F r . Vieweg u . Eodn. l»4s. i T h l r . i<1 T a r . L u d w i g , Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 2te A u f l . 2 Bde. Leipzig, C. F. Winter. 165« biS 1SS1. s Thlr. 25 E g r . Ö l e n , Zoologie. 4 Vde., gr. ». Stuttgart, Hoffmann. 1833—40. 11 Thlr. 10 Sgr. T r o s c h e l u. M u t h e , Handbuch der Zoolossi?, « t e A u f l . Berlin, Lüderiß. 1859. 2Ttzlr.2<»Sgr. V a l e n t i n , G., Lehrbuch der^hyslologle des Menschen, itte verbesserte Aust. 2 Bde. gr. 8. Vraun» schweig, F r . Vieweg u. M h n . Wi7—5U. i l Tblr. 2<i S g r . V a l e n t i n , G . , Grundriß der Physiologie des Menschen. 4te uerbessertt Auflage, zr. ». B r a u n . schweig, Fr. Vleweg u. Sohn. 1L55. 4 Thlr. N i e Z o o l o g i e oder Thierkunde ist die Wissenschaft von den ungleichartigen I Gegenständen der Natur, die eine freiwillige Bewegung haben. Wir nennen dieselben T h i e r e , und es erscheint ein solches ungleichartig, da an seinem Körper verschiedene einzelne Theile wahrgenommen werden, welche zu den Zwecken des Ganzen nothwendig sind und von diesem nicht getrennt werden können, ohne jene Zwecke mehr oder weniger zu beeinträchtigen. Wir haben bereits in der Botanik diese Theile als O r g a n e bezeichnet und nachgewiesen, daßsieden Mineralen fehlen. II. 20' 310 Zoologie; Einleitung. Die Bewegung der Thiere zeigt sich in dem Vermögen, ihre Stelle zu ihrer Umgebung oder die Lage ihrer einzelnen Theile zu verändern, und zwar unabhängig von zufälligen Einflüssen, denn diese find es, die auch bei einigen Pflanzen vorübergehend eine äußere Bewegung veranlassen, wie z. B. bei der Sinnpflanze (Niiuo83.Mäies.), die bei der geringsten Berührung ihre Blättchcn zusammenfaltet und ihre Zweige senkt. 2 Ein weiteres'Merkmal des Thieres ist sein E m p f i n d u n g s v e r m ö g e n . Dieses ist schon dadurch ausgesprochen, daß jedes Thier von selbst die günstigsten Bedingungen für sein Bestehen aufsucht, daß es durch ein inneres Gefühl dazu angetrieben wird. Aber auch jeder von Außen auf das Thierlebcn störend wirkende Eingriff wird von diesem lebendig empfunden; das Thier nimmt ihn nicht, wie die Pflanze, mit leidender Duldung hin, sondern setzt demselben nach Kräften einen selbstthätigen Widerstand entgegen. Die den Thieren eigene Empfindung ist einer bedeutenden Ausbildung fähig. Es ist bekannt, daß Thiere, die stets in der Umgebung des Menschen sind, ein so feines Empfindungsvermögen erlangen, daß sie jede Bewegung, deu Ton der Stimme, ja den Blick ihres Herrn auf das Genaueste verstehen und diesem gemäß sich verhalten. Die Fähigkeit des Thieres, ein den äußeren Verhältnissen und seinen Bedürfnissen und Empfindungen angemessenes Verhalten anzunehmen, bezeichnen wir als W i l l e n , und nennen daher auch die Bewegung des Thieres eine w i l l k ü r l i c h e oder freiwillige« Diese sichtbare, freiwillige Bewegbarkeit des äußeren Thicrkörpers wird sich stets als das wesentliche, unterscheidende Merkmal desselben vom Pflanzcnköcper erweisen; denn eine nothwendige Bewegbarkeit innerer Theile, die von keinem Willen abhängig ist, wie die Saftbewegung und der Blutumlauf, ist den Pflanzen und Thieren gemeinsam. Wie schwierig im Uebrigen eine scharfe Trennung der niedersten Formen der Thier- und Pflanzenwelt ist, wurde bereits in §. 4 der Botanik gezeigt. 3 Ein Thier erscheint um so vollkommener, je rnannichfaltiger die Anzahl seiner Organe "ist, und je wehr diese einzelnen Organe ausgebildet sind. Es giebt Thiere, deren ganzer Körper nur ein einziges Organ ist, und welche die größte Ähnlichkeit mit einer Pstanzcnzelle besitzen, während andere aus einer großen Anzahl der verschiedensten Organe bestehen. Zum Verständniß eines Thierkörpers ist daher die Kenntniß aller thierischen Organe durchaus nothwendig. Am vollständigsten finden wir diese am Körper des Menschen vereinigt, und die genaue Betrachtung desselben macht uns mit allen Organen, die im Thierleben eine Rolle spielen, bekannt. Vergleichen wir hernach den Körper eines Thieres mit dem des Menschen, so werden wir leichter im Stande sein, über den Grad von dessen Vollkommenheit ein Urtheil zu fällen. Es ist gleichsam, als ob man sich mit den Einzelnheiten eines höchst vollkommen eingerichteten Hauswesens öder Staates bekannt gemacht habe, worauf man mit Leichtigkeit jedes minder Zusammengesetzte über« blickt. Zoologie; Einleitung. 311 Der eigene Körpcr ist uns überdies der Nächste. Nicht nur sind wir mit seiner äußeren Gestaltung von jeher vertraut, sondern auch über manche seiner inneren Thätigkeiten können wir uns leichter bestimmtere Vorstellungen bilden, als am fremden Thierkörpcr und seinen Organen, auf welche wir ohnehin immer die Bedeutung der menschlichen übertragen müssen. Indem wir daher mit der Betrachtung, des menschlichen Körpers beginnen und denselben nachher mit oem Baue der Thiere vergleichen, schreiten wir vom Bekannteren zum Unbekannteren. Wir unterscheiden das Gesammtgebiet der Zoologie in zwei Hauptabthei- ^ lungen. Der erste Abschnitt lehrt uns die thierischen Organe und deren Verrichtungen kennen. I m zweiten Abschnitte werden die Thiere nach ihren inneren und äußeren Merkmalen eingetheilt, benannt und beschrieben« I. Die Organe und ihre Verrichtungen. (Anatomie und Physiologie.) Betrachten wir den menHlichen Körper, so fällt uns die Verschiedenheit 5 seiner Theile in F o r m und S t o f f leicht in die Augen. I n Hinsicht des Stoffes sehen wir, daß der Körpcr theils aus flüssiger, theils aus fester Masse besteht. Die Flüssigkeit des Thierkörpers ist von den festen Theilen desselben entweder eingesaugt oder von denselben ringsum eingeschlossen. Ersteres ist der Fall bei den sogenannten Weichtheilen) namentlich beim Fleisch; von letzterem bietet das in den röhrenförmigen Adern befindliche Blut ein Beispiel. Immerhin ist das Wasser der Hauptbestandtheil aller thierischen Flüssigkeit und es mag vorläufig bemerkt werden, daß seine Menge ungefähr zwei Drittel vom ganzen menschlichen Körpergewicht beträgt. Die naher eingehendechemischeUntersuchung führt uns zu den S t o f f Elementen, d. h. zu denchemischenElementen, aus welchen der Thierkörper desteht. Bek der Ernährungslehre werden wir uns mit denselben bekannt machen. Die Zergliederung des Körpers mit dem Messer und die Verfolgung seiner feinsten Theile durch das Mikroskop sühn zu den F o r m - E l e m e n t e n , d. h. zu solchen Gebilden, an welchen sich keine Zusammcnfügung aus anderen erkennen läßt. Dieselben sind daher die G r u n d gebilde oder Elementarorgane des Thierkörpers. Die Untersuchung lehrt uns, daß bei der Pflanze die verschieden gestalteten ß kleinsten Organe derselben nichts Anderes" als Umbildungen und abgeänderte Formen der einfachen, schlauchförmigen Zelle sind, auf die alle sich zurückführen lassen. <V Ein ähnliches Verhältniß ergiebt sich bei der mikroskopischen Anatomie des Thierkörpers. Auch hier findet man häutige Bläschen, die Zellen genannt werden, welche einen dunklen Körper, den Z e l l k e r n , einschließen und somit eine große Uebereinstimmung mit der in §. 9 beschriebenen Pflanzenzello zeigen. Ja es geht das Leben eines jeden Thieres ursprünglich aus von einem Zellen- 31Z Zoologie. I. Physiologischer Theil. gebilde, indem dasselbesichvermehrt, vergrößert und in andere Gebilde umwandelt. Diese letzteren weichen jedoch in Gestalt und Beschaffenheit in hohem Grade ab von der Zellform; auch ist ihre Entstehung aus Zellen zum Theil mehr erschlossen als erwiesen. Man unterscheidet demnacb drei verschiedene Grundgebilde des thierischen Körpers, nämlich: Zellgewebe, Muskelfaser und Nerven, röhren. ) 7 Wir finden im Thierkörper die Zellen theils frei, theils zu Zellgewebe vereinigt. Freie Zellen kommen in Gestalt kleiner Kügelchen im Blute vor, wovon später die Rede sein wird. Aus Zellgewebe besteht dagegen die Oberhaut unseres Körpers. Diese Zellen sind stach, rundlich oder vieleckig, Fig. 1, und mit einem Zellkern versehen. Mit der Zeit wird die Wand dieser Zellen hornig und die äußersten werden in Gestalt kleiner weißer Schüppchen abgestoßen, während von unten her eine Neubildung derselben erfolgt. Betrachten wir ferner das F e t t , so zeigt sich auch dieses als eine Zusammenhäufung von Zellen, die mit fettigen Stoffen erfüllt find; in seiner äußeren Erscheinung hat dasselbe mitunter die größte Aehnlichkeit mildem lockeren Parenchymgcwebe der Pflanzen (s. Botanik Fig. 3). Bei Betrachtung der Knochen werden wir sehen, daß diese ebenfalls aus einem Zellgewebe bestehen, in welches nachträgt lich feste Kalkmasse sich abgelagert hat. Außer der Oberhaut bestehen jedoch auch ^>ie feineren Uebcrzüge der inneren Schleimhäute ( ^ i t k s i i u M ) aus Zellen, welche theils stach, Fig. 2 ^4, theils in die Länge gestreckt sind, Fig. 2 Z . Solche Zellen bilden den inneren Ueberzug derMund- und Nasenhöhle, des Schlundes und der Luftröhren. Einen wunderbaren Anblick gewähren manche Zellen der Art unter dem Mikroskop. Si? erscheinen, wie Fig. 2 0 zeigt, an ihrem Ende mit einem Büschel ganz feiner Wimpern besetzt, welche in beständiger Bewegung sind, indem sie sich krümN m und wieder geradestrecken,wodurch ein eigenthümliches Flimmern entsteht. Man hat sie daher W i m p e r - oder F l i m m e r z e l l c n (Flimmer-Epithelien) genannt und man erhält solche, wenn man z. B. ein wenig Schleim von der Zunge des Frosches abschabt oder ein Stückchen von dcm inneren Ncbcrzug der Zoologie. I . Physiologischer Theil. 313 Luftröhre eines Ochsen nimmt. Die Bewegung dauert mitunter noch längere Zeit nach dem Tode des Thieres fort. Nicht selten begegnet man Zellen, welche gefärbte Körnchen enthalten, die sogenannten Pigmentmassen, von denen die verschiedenfarbigen Flecken herrühren, welche wir öfter an der Haut der Thiere und des Menschen wahrnehmen. Noch ist die ursprüngliche Entstehung der Zellen unvollständig aufgeklärt. Denn während Einige annehmen, daß aus eiweißartiger Flüssigkeit des Thierkörpers sich zuerst der Zellkern ausscheide und nachher mit einer Haut sich umkleide, wird andererseits behauptet, daß alle Zellenbildung nur durch Theilung von bereits vorhandenen Zellen ausgehe, ähnlich, wie es bei Vermehrung der Pflanzenzclle (s. Botanik §. 12) der Fall ist. Wir hätten nun auch der beiden übrigen thierischen Grundgebilde, nämlich der Muskelfasern und N e r v e n r ö h r c n , näher zu gedenken; allein es wird hierzu die beste Veranlassung später gegeben, wenn wir von den Muskeln und Nerven sprechen, die aus jenen Form-Elementen bestehen. E i n t h c i l u n g des Körpers." Da wir vorzugsweise den menschlichen Körper im Auge behalten, so er- 8 scheint es für die spatere Beschreibung zweckdienlich, die Masse desselben in räumlicher Beziehung sowohl im Aeußeren als Inneren in mehrere Gebiete abzutheilen und entsprechend zu bezeichnen. Die größere äußere Leibesmasse wird R u m p f genannt, von welchem gleich Nesten vier G l i e d e r ausgehen. Ebenso vom Rumpfe abgesondert erscheint der K o p f , der beim Menschen die höchste, bei den Thieren die vorderste Stelle einnimmt. Außerordentlich wechselnd sind in dieser Beziehung die Verhältnisse im ganzen Thierreich, indem dieselben nur bei den vollkommneren Thieren denen des menschlichen Körpers entsprechen. Dagegen sind die niederen Thierformcn meist nach einem hiervon ganz verschiedenen Plan entwickelt, so daß wir z. B. häufig die Anzahl der Glieder ungemein sich vermehren und ebenso oft dieselben ganz verschwinden sehen. I m Allgemeinen unterscheidet man im Thierreich dreierlei Gestaltungen, nämlich: symmetrische, die nur durch einen einzigen Schnitt in zwei gleiche und sich entsprechende Theile zerlegt werden können; r e g e l m ä ß i g e , die durch mehrere Schnitte sich in gleiche Hälften theilen lassen; u n r e g e l m ä ß i g e , bei welchen kein Schnitt gleiche Hälften liefert. Von ersteren dient als Beispiel jedes Säugcthicr, von den zweiten, ein Scestern, von den letzteren ein Infusionsthier. Am Rumpf unterscheiden wir als oberen Theil die Brust, als unteren Theil den Bauch. Beim Aufschneiden des Rumpfes zeigt es sich, daß derselbe im Inneren eine Aushöhlung darbietet, die jedoch von gewissen Organen, welche im Allgemeinen als die Eingeweide bezeichnet werden, so vollständig ausgefüllt ist, daß nirgends ein eigentlich hohler Raum sich befindet.. Die Leibcshöhle wird durch ein starkes Hautgebilde, das Zwerchfell (viax>1ir2Auig.), in die Brusthöhle und in die Bauchhöhle abgetheilt. I n 314 Zoologie. I. Physiologischer Theil. der Brusthöhle finden wir die Lunge mit der Luftröhre und das Herz mit den Hauptaderstämmen; die Eingeweide der umfangreicheren Bauchhöhle sind der Magen mit den Gedärmen, die Leber, die M i l z , die Nieren und die Blase. E i n t h e i l u n g der Organe. 9 Die Organe werden nach ihrer Verrichtung unterschieden und bilden hiernach mehrere Hauptgruppen. Die erste wird von denjenigen Organen gebildet, durch welche der Körper in Beziehung zur Außenwelt tritt, daher sie auch Beziehungsorgane oder Organe der R e l a t i o n genannt werden. Dieses geschieht entweder durch die äußere Bewegung der Körpertheile, vermittelst welcher wir auf Gegenstande unserer Umgebung einzuwirken vermögen, oder indem wir von diesen Eindrücke verschiedener Art, die sinnlichen Wahrnehmungen, empfangen. Hiernach unterscheiden sich die Beziehungsorgane in Bewegungsorgane und in SinnorganF. Die Verrichtung einer Reihe von anderen Organen bezweckt die fortwährende Erhaltung des Körpers durch Umsetzung der zugeführten Nahrungsmittel; es sind dies die Er nähr ung sorg ane. Insofern mehrere Organe derselben oder verschiedener Art zu einem gemeinsamen Zwecke zusammenwirken und daher in gegenseitiger nothwendiger Beziehung gedacht werden, bilden sie ein System. Man spricht in diesem Sinne vom Knochensysteme, von den Systemen der Verdauung, des Blutumlaufs u. a. m. I. IN V e w e g u n g s o r g a n e. Die Bestimmung dieser Organe ist die Bewegung der einzelnen Theile des Körpers, und es gehören hierher: 1. die Knochen; 2. die M u s k e l ; 3. die Nerven. Dieselben treten niemals einzeln für sich, sondern stets in gegenseitiger Verbindung und Wechselwirkung auf und bilden somit das System der Bewegung (animalisches System), welches den Pflanzen gänzlich fehlt. 1. D i e II Knook.su. . Die Knochen, als die festen Theile des Körpers, von sehr bestimmter Form, geben demselben eine Unterlage, an welche sich die Muskel anheften und die Häute befestigen. Anderntheils schützen sie die zartesten und empfindlichsten Gebilde unseres Körpers, indem sie die Hauptmasse der Nerven, das Gehirn und das Rückenmark, umgeben und einschließen. Sämmtliche Knochen zusammengenommen bilden das. Knochengerüste oder Skelet. Da alle höheren Thierformcn nur die Umkleidung des Skelett sind, so stellt dieses gleichsam die Grundlinien für den Bau eines Thieres dar und ist zugleich wegen seiner Dauerhaftigkeit der werthvollste Theil zur Erkennung der Thiere. I n der That ist die aufmerksame Betrachtung der Skelete ebenso nothwendig zum gehörigen Vechändnifse eines Thieres, wie etwa nur die innere Fügung des Dachstuhls und nicht die äußere Bekleidung uns ein richtiges Urtheil über den Bau eines Daches giebt. Bewcgnngsorgane; Knochen. 315 Alle Knochen sind aus K n o r p e l entstanden. Untersucht man letzteren 12 mit dem Mikroskop, so zeigt er sich aus dickwandigen Zellen bestehend, die von einem reichlichen durchscheinenden Zellenzwischcnstoss umgeben sind, Fig. 3. Dieses Ansehen ist bleibend bei dem ächten K n o r pel, den man z.B. am Kehlkopf, an der Luftröhre, der Nase und als Ueberzug der Knochengclcnke antrifft. Beim Kochen verwandelt er sich in sogenannten Knochenleim ( C h o n d r i n ) , der sich in seinemchemischenVerhalten mehrfach vom gewöhnlichen Leim unterscheidet. Bei weitem die meisten Knorpelgebilde verwandeln sich jedoch allmählich in Knochen. Dieser Uebcrgang geschieht, indem in dem Zellenzwischenstoff phosphorscmrcr Kalk, sogenannte Knochenerde, sich ablagert. Die Zellen selbst erfahren unterdessen eine eigenthümliche Umbildung, indem von denselben zahlreiche verästelte Röhrchen ausgehen, die mit ähnlichen Kanälchen zusammentreffen, die von anderen Zellen herkommen. Schleift man aus dem Querschnitt eines. Knochens ein höchst dünnes Vlättchen, so erscheinen unter dem Mikroskop die Zellenränmf schwarz und bilden die spinnonartigen Zeichnungen, welche in Fig. 4 abgebildet sind. Dieselben sind ringförmig geordnet um längliche Nöhren a , die dem bloßen Auge als die Poren des Knochens erscheinen und zur Aufnahme der feinen Ernährungsgefäße desselben dienen. Von der Menge des in dem Knorpel abgelagerten Kalkes hängt die Härte 13' der Knochen ab. Durchschnittlich sind in 100 Pfund Knochen 3Z Pfund Gewebe enthalten. Das Uebrige besteht aus 58 Pfund phosphorsaurem Kalk und 9 Pfund kohlensaurem Kalk, nebst geringen Mengen anderer Salze, insbesondere von phosphorsaurer Magnesia. Die Knochen der Knorpelfische und manche Knochenthcile enthalten weniger und oft kaum Spuren von Kalk; sie sind daher weich und knorpelartig. Sehr harte Knochengebilde, wie die Zähne, sind reicher an Kalk. Legt man einen Knochen in Salzsäure, so löst diese die Kalksalze auf und es bleibt das Knorpelgewebe zurück, welches durch Kochen in Wasser gelöst und in Leim übergeführt wird. Man vergleiche hierüber sowie über die Benutzung der Knochen zu Leim, Knochenkohle, Phosphorgewinnung und Dünger Chemie §. 49, 56 und Botanik §. 114. Die Knochen sind mit einer feinen, meist sehr gefäßreichen Haut, der so- 14 genannten B e i n h a u t , überzogen. Von dieser ausgehend, verbreiten sich in die Knochenmasse nur wenige Nerven, aber zahlmche, höchst feine Blutgesäße, 316 Zoologie. I. Physiologischer Theil. welche das Wachsthum der Knochen unterhalten. I m Inneren sind die Knochen in der Regel weniger dicht. Sie erscheinen da häusig porös, oder als ein Gewebe von Knochenmaße, oder gänzlich hohl. Die Röhrenknochen sind gewöhn« lich mit einer fetten Substanz, dem M a r k , ausgefüllt, welches mit Nerven und Blutgefäßen versehen ist. Auch enthalten die weiteren Knochenhöhlen häufig noch Lust und Wasserdampf. I m Alter nimmt die Kalkmasse der Knochen zu, die Knorpelmaffe dagegen ab, wodurch dieselben spröder und leichter zerbrechlich werden. Die Knochen der Vögel sind dünn und fast alle hohl, wodurch sie ein zu ihrem Umfange verhältnißmäßig geringes Gewicht haben. Die gegenseitige Verbindung verschiedener Knochen ist entweder eine feste, wodurch die Theile unbeweglich werden, oder sie gestattet letzteren die Beweglichkeit. Unbewegliche Knochen schieben entweder ihre ausgezackten Ränder in einander, wodurch eine sogenannte N a h t entsteht, oder find durch eine Fuge vereinigt, die aus Knorpel besteht, oder sie sind in Höhlungen eingekeilt, was bei den Zähnen der Fall ist» Die beweglichen Knochen haben an den Stellen, wo sie sich berühren, stets eine eigenthümliche Form, so daß sie aneinander passen und der auszuführenden Bewegung entsprechen. An den hierdurch gebildeten Gelenken stoßen jedoch die Knochen nicht unmittelbar aneinander, sondern sie find durch Knorpel verbunden, und namentlich sind die Gelenkköpfe und Gelenkpfannen mit außerordentlich glattem Knorpel überzogen. Ueberdies befindet sich zwischen beiden noch die sogenannte Gelenkflüssigkeit (Z^ovia.), so daß die Bewegungen der Glieder ohne alle Reibung mit der größten "Leichtigkeit ausgeführt werden können. Die Oberfläche der Knochen bietet mancherlei Erhabenheiten und Vertiefungen dar, welche zu Anhestung und Einlagerung von Sehnen, Bändern, Muskeln und Blutgefäßen dienen; rauhe Stellen der Knochenstäche begünstigen diese Anheftungen. Oefter findet man Löcher, welche die Knochen durchbohren, um an diesen Stellen einem Blutgefäß, Nerv, oder der Lust den Durchgang zu gestatten. I n Hinsicht ihrer Form lassen sich die Knochen in l a n g e , p l a t t e und dlcke unterscheiden; wir werden dieselben jedoch nach ihrer Lage abtheilen in Knochen des Rumpfes, der Glieder und des Kopfes, und unter Anweisung auf Fig. 5 beschreiben. ^ g.. Knochen des Rumpfes. 13 Der wichtigste Theil des Rumpfes ist die W i r b e l s ä u l e , die von einer Reihe unregelmäßiger kleinerer Knochen gebildet wird, welche W i r b elbeine heißen, und deren beim Menschen 33 gezählt werden, nämlich 7 Halswirbel, 12 Rückenwirbel, 5 Lendenwirbel, 5 Kreuzwirbel, welch letztere unter einander verwachsen sind, und 4 Schwauzwirbel. Die Wirbelsäule, auch Rückgrat genannt, stellt gleichsam eine der Länge nach durch den Körper gelegte Achse vor, die M s einzelnen Theilen zusammengesetzt und daher biegsam ist. Die einzelnen Wirbel haben nach vorn einen Bewegungsorgane; Knochen, 317 318 Zoologie. I. Physiologischer Theil. ' plattenförmigen Tßeil, den sogenannten K ö r p e r , Fig. 6 a, mit welchem sie auf einander liegen, und nach hinten den Dornfortsatz b, der bel manchen Thieren sehr hoch ist (s. Fig. 13). Zu beiden Seiten sind die Querfottsätze o und in der Mitte eine Oeffnung 6, das Markloch, wodurch beim Aneinanderfügen mehrerer Wirbelbeine ein Kanal entsteht, welcher zur Aufnahme des Rückenmarkes dient. Bei unserer Abbildung giebt ^. dk untere Ansicht eines Brustwirbels und F die seitliche Ansicht zweier Ein senkrechter Längsschnitt durch die Wirbelsäule zeigt, daß dieselbe keine - gerade, sondern eine mehrfach aus- und einwärts gebogene, schlangenartige Linie bildet. Hierdurch, sowie durch die elastische Beschaffenheit der die Wirbelbeine verbindenden Theile, wird nicht allein die Beweglichkeit und die Tragfähigkeit der Wirbelsäule begünstigt, sondern auch der Widerstand, welchen sieden Einwirkungen des Stoßes beim Springen und Fallen leistet. Manche Thiere haben eine geringere Anzahl von Wirbelbeinen als der Mensch, andere bei weitem mehr. So zählt man an Schlangen bis gegen 400 Wirbelbeine. 16 Die Rippen sind paarweist an den Querfortsätzen der 12 Rückenwirbel befestigt, so daß deren 24 vorhanden sind. Die sieben oberen Paare heißen ächte oder Brustrippen, die fünf unteren werden die falschen oder Bauchrippen genannt. Wie Fig. 7 zeigt, sind dieselben durch Knorpel mit einem länglichen platten Knochen, dem Brustbeine F , verwachsen, das mitten auf der Brust liegt. Es ist auf diese Weise das Gerüst des Brustkorbs (Ikorax) geschlossen, welcher die edelsten Lebensorgane, das Herz und die Lunge, beschützt. 17 b. Knochen der Glieder. Die Glieder sind immer paarweise, in völlig gleicher Ausbildung vorhanden. Man unterscheidet dieselben in Ober- oder Vorderglieder, und in Nnteroder Hinterglieder. Bewegungsorgane; Knochen. 319 Knochen der Vorderglieder: Das S c h u l t e r b l a t t , Fig. 7 s b , ist ein flacher, dreieckiger Knochen von beträchtlicher Breite, der oben am Rücken liegt, und dessen oberster Theil die Schulter bildet. Am Ende derselben fügt sich das Schlüsselbein I an, das nach dem oberen Theile des Brustbeins Z reicht und an diesem befestigt ist. Der Schulterknochen und das Schlüsselbein bilden an ihrer Vereinigungsstelle eine rundliche Gelenkhöhle, in welche das Oberarmbein mit einem entsprechenden Gelenkkopfe eingefügt ist. Der Unterarm wird von zwei Knochen gebildet, wovon der vordere, am Daumen liegende, Speiche, und der Hintere, am kleinen Finder liegende, die Elle heißt. Die Hand besteht aus drei Abtheilungen, nämlich Handwurzel, , Mittelhand und Finger. Die H a n d w u r z e l wird von acht kleinen, unregelmäßig eckig-rundlichen Knochen gebildet, die in zwei Reihen neben einander liegen. Diese Knochen gestatten der Hand eine große Beweglichkeit; insbesondere brechen sie die Wirkung einer plötzlich und heftig eintretenden Gewalt, so daß z. V. das Fallen auf die Hände in der Regel eine nachtheilige Folge verhütet. Die M i t t e l h a n d besteht aus fünf, ziemlich gleich langen Knocheu. Die F i n g e r zählen am Daumen zwei, an jedem anderen Finger drei Knochen, welche die entsprechenden Glieder bilden. I m Ganzen zählen wir demnach an beiden Armen 64 einzelne Knochen. Knochen der Hinterglieder: Dieselben haben in Zahl, Form und Stellung 18 große Uebereinstimmung mit denen der Vorderglieder. Den obersten Theil derselben bildet das Becken, Fig. 8, ei^e umfangreiche, muldenförmige Knochenpartie, welche an dem unteren Theile der Wirbelsäule befestigt ist. An die Lendenwirbel A , reihen sich nämlich die Kreuzwirhel, welche mit einander zu einem Stück, dem sogenanntenH e i l i g e n bein S , verwachsen sind. Dasselbe Hai vier Paar Löcher, durch welche Nerven treten, und endigt in die verkümmerten Schwanzwirbel <3. Iederseits mit dem 326 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Heiligendem verbunden, sehen wir nun ein H ü f t b e i n , ein großes Knochengebilde, das beim Kinde aus drei Theilen besteht, die erst im Jünglingsalter zu einem Stück verwachsen. Der obere Theil, das D a r m b e i n (Os iiium) A , ist ein stacher, breiter Knochen, welcher hauptsächlich den Gedärmen als Stütze dient; sein oberer Rand S ist die leicht durchzufühlende Hüfte. Einen nach' vorn gehenden Bogen bildet das Schooßbein (OLxrckis)^, einen nach unten gehenden, das Sitzbein (0s isoliii) «7, welches beim Sitzen dem Körper als Stützpunkt dient. An der Stelle, wo die genannten drei Knochentheile sich vereinigen, bilden sie eine tiefe Gelenkpfanne A, welche den Kopf des Oberschenkelbeins aufnimmt. Durch die eigenthümliche Form und Fügung bilden sämmtliche genannte Knochen die weitere, obere Beckenhöhle und die engere, untere Beckenhöhle. Das Schenkelbein besitzt von allen Knochen des menschlichen Körpers die größte Länge. Am unteren Ende desselben liegt vorn ein kleiner, platter, dreieckiger Knochen, die Kniescheibe, und es schließensichhier zugleich das Schienbein und das Wadenbein an. Der Fuß besteht aus sieben Fußwurzelknochen, wovon unmittelbar unter dem Schien- und Wadenbeine das S p r u n g b e i n , und unter diesem das große Fersenbein liegen, worauf noch ein einzelner und dann vier Fußwurzelknochen in einer Reihe folgen. Die Mittelfußknochen und die der Zehen reihen sich in Zahl und Lage ganz wie die entsprechenden Knochen der Hand an. Da das Becken aus mehreren Knochen zusammengewachsen ist, so zählen die beiden Unterglieder im Ganzen nur 61 einzelne Knochen. o. Knochen des Kopfes. Die Knochen des Kopfes lassen sich wegen ihrer unregelmäßigen Gestalt und ineinander geschobenen Lage nur schwierig beschreiben. Ursprünglich bilden sie eine größere Anzahl, allein sie verwachsen mit der Zeit, und die Stellen, wo dieses geschieht, bleiben am Schädel als sogenannte Nähte deutlich erkennbar. Der Kopf oder Schädel zerfällt in zwei Theile: in die Hirnschale, welche die Decke und schützende Hülle des Gehirns bildet, und in den .Gef i c h t s t h e i l , welcher als Grundlage der bedeutendsten Sinnesorgane dient. 2N Die Hirnschale besteht aus acht Knochen. Am Grunde und an der Hinterdecke des Schädels liegtdas H i n t e r h a u p t b e i n 0 , F i g ^ , welches einen Höcker, bei vielen Thieren einen Kamm hat. Man findet an demselben das Hinterhauptloch, durch welches vom Gehirn das sogenannte verlängerte Mark in das Rückenmark übergeht, Zur Hirnschale gehören ferner: das S t i r n b e i n s , die beiden Scheitelbeine ^ und Schläfenbeine I ' , sämmtlich durch Nähte aneinanderschließend und das Gehirn umgebend. Mit diesen verwachsene und innere Theile des Kopfes bildende Knochen find das Keilbein 6 mit den Flügelfortsätzen und das von vielen Löchern durchbohrte Siebbein Z?. I n eine Bewegungsorgane; Knochen. 321 felsenharte Partie des Schläfenbeins sind die kleinen Knochen des Gehörs eingeschlossen. Gesichtsknochen zahlt man vierzehn, nämlich diepaarweise vorhandenen Nasenbeine, Fig. 9 F ) . O berkieferb eine M T h r ä n enbeine ^ ) , J o c h b e i n e s , G a u menbeine und Muscheln; einzeln vorhanden ist das P f l u g schaarbein und der U n t e r k i e f e r M'ck. Die genannten Knochen bilden verschiedene Höhlungen, von welchen die G e h i r n h ö h l e , die A u genhöhle, die Nasenhöhle und die M u n d h ö h l e die bedeutenderen sind. Sowohl die Entwickelungsgeschichte als auch die Vergleichung der menschlichen Kopftheile mit solchen des Thierreiches ergeben, daß die Kopfknochen als eine Fortsetzung und Umbildung der Wirbel anzusehen sind. Ober- und Unterkiefer sind die bedeutendsten Gesichtsknochen und ver- 21 dienen wegen der an ihnen gereihten Zahne besondere Beachtung. Der Oberkiefer besteht aus zwei Stücken, dem rechten und linken Oberkieferbein, die im Uebrigen sich gleich und in der Mitte verwachsen sind. Der Unterkiefer besteht aus einem einzigen bogenförmigen Stücke; er ist mit keinem der übrigen Schädelknochen verwachsen, fondern nur vormittelst eines Zwischenknorpels in die Gelenkgruben beider Schläfenbeine eingefügt. Bei den Vögeln, Amphibien und Fischen bestehen die Kiefer aus mehreren Stücken, die gleichsam nur zusammengelöthet sind. Bei den Insecten sind die entsprechenden Theile ganz getrennt und greifen wie Zangen gegen einander. I n entsprechenden Höhlen der Kiefer sind die Zähne eingekeilt. Das 22 menschliche Gebiß enthält deren 3 2 , in jedem Kiefer 16, nämlich vorn vier scharfe, meißelstrmige Schneidezähne, Flg. 10; dann jederseits einen spitzigen Eckzahn, Fig. 1 1 , auch Augenzahn . oder H u n d s z a h n genannt; endlich nach hinten jederseits fünf breite, höckerige Backenzähne, Fig. 12. Die beiden vorderen Backenzähne heißen u n ächte oder Lückenzähne, weil statt ihrer bei vielen Thicren eine Lücke sich findet. U, 21 322 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Der obere, freie Theil a des Zahnes heißt Krönender untere b Z a h n wurzel. Die vorderen Zähne haben eine einfache, die hinteren eine zwei-, drei, und viertheilige, Wurzel. Zwischen Krone und Wurzel erscheint der Zahn etwas eingeschnürt und dieser Theil heißt der H a l s . Die eigentliche Substanz der Zähne, Zahnbein genannt, ist härter als die der übrigen Knochen und enthalt auch weniger Knorpelgewebe als diese, dessen Menge in dem äußersten, härtesten Ueberzug, dem Schmelz oder E m a i l , bis auf V25 sich vermindert. Dagegen ist der Wurzeltheil des Zahns mit einer Schicht bekleidet, welche die Härte gewöhnlicher Knochenmasse besitzt und Z a h n kitt oder Cäment genannt wird. Jeder Zahn hat am unteren Ende der Wurzel eine kleine Oeffnung, durch welche ein Blutgefäß und ein Nerv in denselben eintreten und ihm Nahrung zuführen und Empfindung verleihen. Beide verlaufen nach dem sogenannten Zahnsäckchen, welches die kleine, im Inneren des Zahnes, befindliche Zahnhöhle ausfüllt. ^ Die Zähne entwickeln sich verhältnißmäßig spät; manche erst im reiferen Alter. Die vorderen Zähne werden im sechsten, bis zehnten Jahre gewechselt und erscheinen nicht wieder, wenn sie zum zweiten Male verloren werden. Nicht alle Thiere haben die genannten Zahnarten, und bei vielen bieten die Zähne sehr abweichende Erscheinungen hinsichtlich ihrer Form und Substanz dar. Es gehören daher die Zähne zu den wichtigsten Merkmalen der höheren Thiere, indem ihre Beschaffenheit nicht allein auf die Lebensweise, sondern auch auf das Alter und die Größe der Thiere mit Sicherheit schließen läßt, wie bei Beschreibung der Säugethiere näher gezeigt wird. 23 I m Ganzen beträgt die Anzahl der einzelnen Knochen des erwachsenen Menschen 207. Sie ist größer bei dem unausgcbildcten Kinde, wo viele Theile derselben aus Knorpel bestehen, die später verknöchern. Das vom Fett gereinigte und ausgetrocknete Skelet des Erwachsenen wiegt 9 bis 12 Pfund und macht Vis bis 1/11 seines Gewichtes aus, das im Mittel zu 137 Pfund angenommen wird. 24 Wir finden Knochen, welche ein Gehirn und Rückenmark einschließen, nur bei den größeren und vollkommnercn Thieren, für welche daher das Vorhandensein der Wirbelsäule eincharakteristischesMerkmal ist, so daß sich hiernach das Thierreich in zwei Hauptgruppen unterscheiden läßt, nämlich in wirbellose Thiere und in W i r b e l t h i e r e . Zu ersteren zählt man die Krustenthiere, I n secten. Spinnen, Würmer, Weichthiere, Strahlthiere, Polypen und Aufgußthiere; zu letzteren die Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische. 25 Vergleicht man das. Skelet des Menschen mit dem eines Wirbelthieres, z. B. eines Rindes, Fig. 13, so fällt die gtoße Uebereinstimmung^m der Anlage des ganzen Baues leicht in die Augen und ohne nähere Beschreibung lassen sich hier die sich entsprechenden Knochen erkennen und auffinden. Zugleich aber entgehen uns nicht die beträchtlichen Abweichungen, welche in Gestalt, Stellung und Zahl der Knochen stattfinden. Oberarmbein und Schenkelbein erscheinen hier, Fig. 13, so verkürzt, daß Ellbogen und Knie äußerlich gar nicht wahr- Bewegungsorgane; Bänder. 323 zunehmen sind, während nur ein einziger, aber sehr langer Mittelhandknochen vorhanden ist und die Wirbelsäule sich in eine lange Reihe von Schwanzwirbeln fortsetzt. Stets findet man die Form und Lage eines Knochens dm Bewegungszwecken des zugehörigen Thieres entsprechend, indem er als Stützpunkt, Hebel oder Anheftungsstelle für Muskel dient. Das schmale, schwache Brustbein des Menschen dehnt sich beim Vogel zu einem breiten Knochenpanzer aus mit hervorstehendem Grat, an welchen sich die überaus starken Flugmuskel anheften. Es sind hiernach aus der Auffindung einzelner Knochen unbekannter Thiere, z. B. der vorweltlichen, durch vergleichende Betrachtung sehr berechtigte Schlüsse auf Art und Lebensweise derselben abzuleiten. Die Bänder. I n die unmittelbarste Verbindung mit den Knochen treten die B ä n d e r . 2 6 Dieselben bestehen aus unelastischer Knorpelmaffe, welche theils als porzellanartiger Ueberzug, a Fig. 14, die Gclenkcheile der Knochen bekleidet, theils als weiße, glänzende Faser, in Gestalt von Bändern b b, Knochen mit Knochen verbindet. Sie haben daher für die Bewegungslehre und für die Chirurgie eine große Bedeutung und machen den Gegenstand einer besonderen B ä n d e r l e h r e (8^Qä68IQ0i0A1s) aUs. Wir beschränken uns in nebenstehender Figur eine Ansicht der Bänder des "Beckens und Hüftengelenks zu geben, welche zeigt, wie der Gelenkkopf des Schenkelbeins 21« 324 Zoologie. I. Physiologischer Theil. durch ein Band o in der Pfanne befestigt ist; ferner zeigen ei und F die Ränder der durchschnittenen Gelenkkapsel, von welcher das Gelenk eingeschlossen ist. 2. 27 3) i 6 DI n g k 6 1. Was wir im gewöhnlichen Leben das Fleisch der Thiere nennen, besteht anatomisch betrachtet aus M u s k e l n . Die Muskelsubstanz ist hiernach eine rothgefärbte, faserige Masse, vornehmlich ausgezeichnet durch ihre Fähigkeit, sich zusammenzuziehen, zu verkürzen. Auf letzterer beruht ihre Bedeutung für die Bewegung. Eine nähere Untersuchung lehrt, daß die Faserbündel eines Mus; kels sich in sehr feine Fasern zertrennen lassen, in die sogenannten P r i m i t i v b ü n d e l , Fig. 15 F , und diese find wieder aus den höchst dünnen P r i m i t i v fasern oder F i b r i l l e n , Fig. 15 t? gebildet, welche gemeinschaftlich von einer Haut von Bindegewebe eingeschlossen sind. Bei allen Körperthcilen, die wir freiwillig bewegen können, zeigen die Muskelfasern unter dem Mikroskop die in der Abbildung ersichtlichen feinen Querstreifen, herrührend von zickzackförmigen Einbiegungen der Primitivfasern, welche Fig. 16 versinnlicht. Diejenigen Muskelpartien, welche meist in flacher Ausdehnung in den Eingeweiden sich verbreiten, haben keine Querstreifung. Nach dieser anatomischen Unterscheidung zerfallen alle Muskel in zwei Klassen, in animalische oder M u s k e l der willkürlichen Bewegung, und in organische oder M u s k e l der unwillkürlichen Bewegung. Doch giebt es Ausnahmen, indem z. B. das Herz aus quergestreiften Fasern besteht. I n chemischer Hinsicht besteht der Muskel hauptsächlich aus M u s k e l - ' faserstoff oder F l e i s c h f i b r i n , von ähnlicher Zusammensetzung wie das Eiweiß. 100Gewichtstheile desselben enthalten 55 Gewichtstheile Kohlenstoff, 7 Wasserstoff, 21 Sauerstoff, 16 Stickstoff, 1 Schwefel. Der frische Muskel enthält 77 Proc. Wasser. Die Muskel der Säugethiere, Vögel und Amphibien sind roth gefärbt, die der Fische sind weiß. Bei den wirbellosen Thieren Md^die Muskel zwar unvollkommen ausgebildet, allein sie lassen sich fast bis zu den untersten nachweisen. 28 Die Muskel bilden die nächste Umgebung der Knochen, welche so von denselben bekleidet sind, daß sie, mit Ausnahme der Zähne, nirgends sichtbar werden. I n der Regel stellt ein Muskel einen in der Mitte verdickten, an beiden Enden in dünne Bänder auslaufenden Körper dar, welcher durch eine besondere Bewegungsorgaue; Muskel. 325 Haut eingeschlossen und von den dicht daneben liegenden Muskel getrennt ist; es giebt jedoch auch flächenartig verbreitete und ringförmige Muskel, welche letztere die Oeffnungen des Körpers umgeben. Die dünnen Theile der Muskel sind außerordentlich zähe weiße Stränge; sie werden S e h n e n oder Flechsen genannt und sind in der Regel mit den Knochen verwachsen. Ihrerseits werden die Muskel entweder von einer mehr oder weniger dicken Fettlage oder unmittelbar von der Haut bedeckt. I n ihre Masse verbreiten sich zahlreiche, die Unterhaltung derselben besorgende Blutgefäße, viele Bewegungs-, aber wemge Empfindungsnerven, so daß ein Muskel zerschnitten werden kann, ohne viel Schmerz für den Operirten. Die Verbindung der Muskcl mit den Knochen ist meistens der Art, daß zwischen je zwei Knochen ein Muskel befestigt ist. S o ist z. B. der sogenannte zweiköpfige Armnmskel an seinem oberen Ende mit dem Oberarmknochen verwachsen und läuft an der inneren Seite des Armes nach der Speiche, mit welcher sein unteres Ende verwachsen ist. Verdickt sich jetzt dieser Muskel durch seine Zusammenziehung in der Mitte, so bicgt sich der Unterarm einwärts. Die Länge und Stärke der verschiedenen Muskel ist außerordentlich verschieden. Ein jeder Muskel entspricht einer bestimmten Bewegung; es tragen jedoch zu mancher Bewegung mehrere Muskel bei. Das Durchschneiden eines Muskels hebt daher eine Bewegung vollständig auf, oder schwächt odcr verändert dieselbe mehr oder weniger. I s t durch die Thätigkeit eines Muskels irgend ein Körpertheil aus seiner Lage gebracht, so kann derselbe MusZel die frühere Lage nicht wieder herstellen, sondern es ist dazu ein zweiter Muskel vorhanden, dessen Bestimmung eine gerade entgegengesetzte ist. M a n unterscheidet daher M H <<? Stirmnuskel. Schließmuskel des Augenlids. Heber des oberen Augenlids. Ayfheber der Oberlippe und des Nasenflügels. / Niederdrücke:' der Nasenspitze, i/ Eigener Heber der Oberlippe. H Schließmuskel des Muudes. l Niederzieher der Unterlippe, m Hn-abzieher des Mundwinkels. <, Backenmuskel. H Zweibauchigcr Halsmuskel. I) Schläfcnmuskel. <? Hiuterhauptmuskel. /l Kleiner Iochmuskel. . i Grußer Iochmuskel. n Kaunmskel. ?> Griffel-Zungeubeinmuskel. i Zweibauchiger Halsmuskel. u Kaumuskel. 326 Zoologie. I. Physiologischer Theil. auch sämmtliche Muskel der Glieder in Beuger, die zum Biegen derselben dienen, und in Strecker. Erstere laufen über den inneren Winkel der Gelenke, letztere über den äußeren her. Andere Muskel werden ihrer Verrichtung entsprechend A n z i e h e r , A b z i e h e r , R o l l e n m u s k e l und S c h l i e ß m u s k e l genannt. 29 Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich von selbst, daß die Anzahl der vorhandenen Muskel beträchtlich sein muß, und da dieselben fast sämmtlich auf jeder Seite, also doppelt vorhanden sind, so zählt man am Menschen gegen 238 Muskelpaare. Die Beschreibung und die Aufzählung derselben gehört der Anatomie als besonderem Fache an. Die oberflächlichen Muskel werden schon bloßgelegt durch das Abziehen der Haut. Bei ihrer Beschreibung werden die zu gemeinsamen Zwecken mitwirkenden zusammengestellt. Beispielsweise geben wir in Fig. 17 (a. v. S.) eine Ansicht von Muskeln des Kopfes und Halses. Endlich gedenken wir noch der hautartig verbreiteten Muskel, durch welche z. B. der Igel vermögend ist, sich zusammenzurollen und seine Stacheln emporzurichten, und das Pferd seine Rückenhaut und der Mensch seine Kopfhaut bewegen kann. 3. D i 6 N s r v 6 n. 3l> Die Masse, aus welcher die Nerven bestehen, ist sowohl nach ihrer Form als auch in ihrer Zusammensetzung eine besondere. Sie erscheint als eine weiße, käseartige Substanz, die an manchen Stellen in größerer Naffe auftritt, während sie anderwärts die Gestalt Von dünnen Fäden annimmt. Unter dem Mikroskop zeigt sich die Nervenmasse theils aus. höchst dünnen Röhrchen gebildet, den Nervenfasern, die mit einer weißen, markigen Substanz erfüllt sind, theis aus rundlichen Nervenzellen, den sogenannten G a n g lienkörperchen. Die aus letzteren bestehenden Theile der Nervenmasse unterscheiden sich durch ihre eigenthümliche graue Farbe. Nach der chemischen Untersuchung besteht die Nervenmasse zum größten Theil aus gerinnbarem Eiweißstoff und Fett, nebst einer geringeren Menge von Glycerin in Verbindung mit Phosphorsäure. Es wird bestritten, ob das Gehirn Phosphor in nicht oxydirtem Zustand enthalte. Das Gehirnfett wird von einer eigenthümlichen Fettsäure, der C e « b r i n s ä u r e , gebildet, und 100 Gewichtsthcile derselben enthalten 66 Thle. Kohlenstoff, 10 Wasserstoff, 19 Sauerstoff, 2 Stickstoff und 0,9 Theile (?) Phosphor. 31 Das gesammte Nervensystem zerfällt nach seiner Bestimmung in M n gesonderte Systeme, nämlich in das a n i m a l e Nervensystem, dessen Theile den freiwilligen Bewegungen und Empfindungen des Körpers vorstehen, und in das v e g e t a t i v e S y s t e m , von welchem die unfreiwilligen Bewegungen und Verrichtungen abhängen. Diese Trennung ist jedoch keine absolute, indem beide Systeme mehrfach mit einander in Verbindung treten. An jedem derselben unterscheidet man wieder einen mittleren oder c e n t r a l e n T h e i l , von welchem der nach außen sich verbreitende oder p e r i p h e r i f c h e T h e i l ausgeht. Bewegungsorgane; Nerven, M7" a. A t t i m a l e s Nervensystem. Den Centralthcil dieses Systems bilden das G e h i r n , Fig. 18, und das 32 Rückenmark. Das Gehirn erfüllt vollständig die Hirnschale, von deren festen KnochenMnden es eingeschlossen und unter diesen nochmals durch die harte H i r n h a u t geschützt wird. Die Oberfläche des Gehirns ist durch eine Menge unregelmäßigen dasselbe gehender Falten sehr uneben, so daß an demselben viele kleine Erhöhungen oder Höcker neben entsprechenden Vertiefungen sich befinden, welche die H i r n w i n d u n g e n bilden. Derjenige Theil des Gehirns, welcher den vorderen und oberen Theil des Schädels einnimmt, heißt großes H i r n , a c , und ist durch einen von vorn nach hinten gehenden Einschnitt in die beiden Hirnhälften oder H e m i s p h ä r e n getheilt; ferner ist es durch eine Eintiefung vom k l e i n e n H i r n , c?F, unterschieden, welches im Hinterhaupte sich befindet. Das Gehirn geht über in das sogenannte v e r l ä n g e r t e M a r k . (unterm, Fig. 18, u n d / " , Fig. 20), welches durch das Hinterhauptloch aus dem Schädel tritt und dessen Fortsetzung das durch die Wirbel stabförmig sich erstreckende Rückenmark bildet. Ein durch das Gehirn geführter Schnitt legt mehrere innere Theile desselben bloß, wie den B a l k e n / / , das Gewölbe l die V i e r h ü g e l i und die Z i r b e l d r ü s e , ein kleines Gebilde, welches den sogenannten G e h i r n s a n d (körnigen phosphorsauren Kalk) führt und das, weil es genan in der Mitte des Gehirns liegt, früher unbegründeter Weise als Sitz der Seele bezeichnet wurde. Die Zerlegung des Gehirns mit dem Messer zeigt ferner, daß der äußere Theil eine graue Farbe hat, sehr reich ist an Blutgefäßen und vorzugsweise aus Ganglienkörperchen besteht; derselbe bildet eine Rinde um die weiße, innere Marksubstanz, welche wenig Blutgefäße ekthält 328 Zoologie. I. Physiologischer Theil. und aus Markröhrchcn besteht. I n dem kleinen Gehirn entsteht durch die Abwechselung dieser beiden Gchirnsubstanzen.eine zierliche, blättrige Zeichnung, der sogenannte L e b e n s b a u m F, Fig. 18. I m Inneren des Gehirns befinden sich verschiedene Räume, die G e h i r n h ö h l e n , welche theilwcife M i einer Flüssigkeit erfüllt sind und mit einem durch das Rückenmark sich erstreckenden Kanal in Verbindung stehen. Auch hat das Gehirn eigenthümliche Bewegungen oder Pulsationen, die vom Herzschlag und Athmen abhängen. Das mittlere Gewicht des menschlichen Gehirns beträgt gegen 2 ^ Pfund (1350 Gramm); es macht i / ^ bis '/Zy vom ganzen Körpergewicht aus, und nur bei einigen kleinen Säugethieren und Vögeln findet sich ein verhältnißmäßig größeres Gewicht desselben. Einige Hauptaderstämme, die sich in dem Gehirne verbreiten, besorgen seine Ernährung. 33 Vom Gehirne und Rückenmarke verlaufen nach allen Richtungen die Nerven in Gestalt von weißen Fäden, die anfänglich Bündel aus mehreren Fäden sind, von welchen jedoch ein Faden nach dem anderen sich lostrennt, je weiter sie sich von ihrem Ursprünge entfernen, so daß dieselben endlich ganz vereinzelt erscheinen. Auf diese Weise ist die Verbreitung der Nerven so allgemein, daß man an der ganzen Oberfläche des Körpers nicht im Stande ist, einen Punkt anzugeben, an welchem nicht Nerven angetroffen würden. I n der That, alle Theile, die Empfindung oder eine Verrichtung haben, verdanken dies nur der Gegenwart von Nerven. Dabei ist es selbst bei stärkster Vergrößerung nicht möglich, genau zu erkennen, wo und wie ein Nerv, endigt; man bemerkt öfter eine gabelförmige Theilung derselben, wie der in die Schwimmhaut des Frosches, Fig. 19, eintretende Nerv b bei ei sie zeigt: seltener beobachtet man eine Umbiegnng des in sich selbst zurücklaufenden Nervs, indem er eine Schlinge bildet. Nach ihrer Bestimmung unterscheiden sich sämmtliche Nerven des animalen Systems in solche, die ausschließlich als Erreger der freiwilligen Bewegung dienen und daherBcwegungs-Nerven genannt werden, und in solche die nur äußere Eindrücke vermitteln. Letztere heißen E m p f i n dungs-Nerven. Wie in §. 40 näher erläutert wird, verlaufen beiderlei Nerven im Körper völlig getrennt. Bei Aufzählung und Beschreibung der Nerven werden hier nur die 34 Hauptstämme genannt. I n der Abbildung Fig. 20 sind dieselben in geringer Bewegungsorgane; Nerven. 329 Entfernung von ihrem Ursprünge abgeschnitten dargestellt. Sie entspringen entweder aus dem Gehirn H, oder aus dem verlängerten Marke /^, oder ans dem Rückenmarke/, während das kleine Gehirn s keinen einzigen Nerv aussendet. Auch die Nerven sind wie die Muskel paarweise vorhanden. H i r n - oder Kopfnerven zahlt man zwölf Paare, welche durch die entsprechenden Nummern bezeichnet find: 1. die Riechnerven; 2. die Sehnerven; 3. die Bewegungsnerven der A u g e n ; 4. die N o l l n e r v e n der A u g e n ; 5. die d r e i t e i l i g e n N e r v e n , die sich in drei Aeste theilen, welche abermals sich trennen, und als deren Zweige der Thränennerv, Gaumennerv, die Nerven der Zähne und der Zunge zu bemerken sind; 6. die abziehenden A u g e n n e r v e n ; 7. der A n t l i t z - oder Gesichtsnerv; 8. der Hörnerv. Die vier übrigen Nerven, die vom verlängerten Marke entspringen, verbreiten sich nur theilweise im Kopfe und schicken Zweige nach den übrigen Tbeilen des Körpers, namentlich nach den Eingeweiden, besonders dem Magen und den Gedärmen. Namentlich anzuführen ist der zehnte, oder H.erumschweifende Nerv (NsrvuL va^us), also genannt von seiner weitgehenden Verbreitung in verschiedenster Richtung. Durch ihn tritt insbesondere das animale System mit dem anderen mehrfach in Verbindung, und es erklärensichhieraus manche auffallende Erscheinungen, wie z. B., daß die Ncizung, welche Würmer in den Gedärmen erregen, zugleich als ein Kribbeln in der Nase empfunden wird, und daß Magenübel fast immer mit Kopfweh verbunden sind. Rückenmarks nerven zählt man dreißig Paare, worunter acht Halsnerveu, zwölf Rückennerven, fünf Lenden- und fünf Kreuznerven, welche also der Eintheilung der Wirbelsäule entsprechen. Der fünfte bis achte Halsnerv bilden ein großes Geflecht F, woraus die Armnervcn entspringen. Ebenso vereinigensichdie fünf Lendennerven zu dem großen Schenkelgeftecht k, woraus die Nerven für die Hinterglieder hervorgehen. k. Vegetatives Nervensystem. Es ist das besondere Merkmal der hierher gehöri- 3 3 gen Nerven, daß. sie nicht in Bündeln neben einander herlaufen und an gewissen Stellen sich trennen, sondern daß sie, von Knoten in verschiedenen Richtungen ausgehend, sich abermals in Knoten vereinigen und auf diese Weise netzartige Gestechte bilden. Man nennt solche Nervenknoten G a n g l i e n , und daher auch das ganze Geflecht derselben das Ganglien« System. 330 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Der C e n t r a l t h e i l dieses Systems wird von einem aus 24 bis 25 angereihten Knoten bestehenden Knotenstrang gebildet, der den Namen des sympathischen Nerven führt. Er bildet ein symmetrisch angeordnetes Gestecht, das vom Kopf bis zum unteren Ende des Rumpfes an der vorderen Seite der Wirbelsäule und zu beiden Seiten derselben sich erstreckt und in vielfache Verbindung mit den Gehirn- und Rückenmarksnerven tritt. Als einzelne Partien desselben unterscheidet man den Kopftheil, den oberen und unteren Halsknoten, den Lendenknoten und Kreuzknoten. Von dem sympathischen Nerv ausstrahlend verbreitensichnach allen Eingeweiden die peripherischen Gangliengestechte, von welchen wir das Herzgeflecht und das Sonnengeflecht anführen. Das letztere große Gestecht liegt im obersten Theil der Bauchhöhle, vom Bauchfell bedeckt, und entsendet Zweige nach dem Zwerchfell, Magen, der Leber und Milz. Ein im Faustkampf nach dieser Stelle geführter kräfti-ger Stoß streckt den Getroffenen augenblicklich und für einige Zeit gelähmt nieder. Diese sämmtlichen Nerven veranlassen die Bewegungen und Verrichtungen der betreffenden Theile, ganz unabhängig von unserem Willen. Das Athmen, die Verdauung, der Blutumlauf, alle diese Geschäfte geschehen ohne daß wir uns dessen bewußt sind, selbst während des Schlafes. Ebenso vermitteln auch diese Nerven keinerlei Empfindung äußerer Eindrücke. Obgleich Magen, Gedärme und Adern mit zahlreichen Nerven versehen sind, so spüren wir die Ankunft der Speisen, deren Bewegung in den Gedärmen, sowie den Umlauf des Blutes in den Adern entweder gar nicht oder nur unvollkommen durch die Vermittelung animaler Nerven. Wie anders verhält es sich dagegen mit den Sinn- und Bewegungsnerven, die nicht allein jede Verrichtung mit Blitzesschnelle dem Willen gemäß vollziehen, sondern auch die leisesten Eindrücke von außen augenblicklich zu unserem Bewußtsein bringen. 33 Das Nervensystem ist in ziemlich gleichförmiger Weise bei den SäugeGieren, Vögeln, Amphibien und Fischen entwickelt. Bei den Instcten trifft man der Länge ihres Körpers nach liegende Nervenknoten, die nach beiden Seiten Fäden entsenden, Fig. 2 1 . Die strahlig gebauten Seeigel und Seesterne haben durch Fäden verbundene Nervenknoten, welche als Ring den die Mitte des Körpers einnehmenden Mund umgeben« Auch bei dey Weichthieren ist noch ein erkennbares Nervengestecht vorhanden, und selbst diegallertigen'PotHpm . zeigen Spuren von Nerven, die daher wohl Feinem Thiere gänzlich fehlen. Geistige T h ä t i g k e i t des Gehirns. 37 Das G e h i r n ist der Sitz der Geistesthätigkeit. Z u ihm leiten die Empsindungsnerven sämmtliche Eindrücke von allen Punkten des Körpers, und von Beweguugsorgaue; Nerven. 331 ihm ausgehend geben die Bewegungsnerven nach allen Richtungen iedem Theile den Anstoß zur Bewegung. Es ist vergleichbar der Hauptstadt eines Landes, zu der telegraphische Drähte von allen Orten des Reiches die Nachrichten hinführen und von derselben überall hin die Befehle aussenden. Völlig ungewiß und unerklärlich ist uns freilich die Art und Weise, wie die sinnlichen Eindrücke sich übertragen auf die Seele und in ihr Vorstellungen und Willensäußerungen hervorrufen. Wenn aber der allgemeinen Annahme gemäß eine Seele den Körper bewohnt und belebt, so ist zuverlässig das Nervensystem der Apparat, dessen sie sich zu ihrer Thätigkeit bedienen muß. - Jede Unterbrechung der Leitung entzieht einen Theil dem geistigen Einfluß; ein Glied, dessen Nerven durchschnitten sind, ist empfindungslos und gelähmt. Es bestätigt sich ferner, daß Störungen im Zustande dieser edlen Organe nicht nur von Störungen der körperlichen, sondern auch der geistigen Thätigkeit begleitet sind. Die verschiedenen Theile des Gehirns verhalten sich hierin jedoch sehr ungleich. Das große Hirn kann beträchtlich verletzt, ja Theile desselben können entfernt werden, ohne besonders nachtheilige Folgen. Thiere, welchen die beiden Hemisphären herausgeschnitten waren, lebten noch Monate lang. Dagegen hat die Verletzung des verlängerten Markes, vonswelchem fast alle Kopfnerven entspringen und von welchem der Herzschlag und die Athcmbewegungen abhängen, den augenblicklichen Tod als Folge. Wird dasselbe an der Stelle, wo es aus dem Schädel tritt, also oberhalb des ersten Halswirbels, an dem sogenannten Genick durchschnitten, so bricht auch der rieseNmäßigste und kraftvollste Bau wie vom Blitz getroffen leblos zusammen. Wen< deten sich in den Schlachten des Alterthums die Elephanten in nicht mehr lenkbarer Wuth gegen die Reihen der eigenen Krieger, so schlugen ihre Führer an jener Stelle einen Meißel ein und lähmten so plötzlich die verderbliche Kraft. Ebenfalls nachteilig sind dem Leben die Verletzungen des Rückenmarks, indem sie vorzugsweise Lähmungen zur Folge haben. Die Thätigkeiten des Gehirns werden insbesondere gestört durch einen auf dasselbe ausgeübten Druck. Ein solcher kann äußerlich durch Stoß, Schlag, überhaupt durch jede Erschütterung herbeigeführt werden und sofortige Lähmung mit Bewußtlosigkeit hervorrufen, die ohne nachtheilige Folgen vorübergehen, wenn keine oder nur eine unbedeutende innere Verletzung stattgefunden hatte. Es wird berichtet,.daß indische Gaukler durch einen Druck auf den Kopf giftiger Schlangen diese in einen Zustand von Erstarrung versetzen. Ohne Nachtheil erweist sich ein selbst starker Druck auf den Kopf des neugeborenen Kindes, dessen Theile noch nicht fest verwachsen und daher nachgiebig sind. Amerikanische Indianerstämme, die sich durch auffallende Schädelform unterscheiden, erzeugen diese künstlich durch Einpressen des Schädels der Kinder. Am nachtheiligsten erweist sich ein durch ungewöhnliche Anhäufung von Flüssigkeit im Gehirn enstehender innerer Druck. Ein solcher kann eintreten, wenn durch äußere Gewaltthat Blutgefäße im Gehirn gesprengt werden und sich ergießen; allein auch innerliche Ursachen können plötzlich einen übermäßigen Andrang des Blutes nach dem Kopfe veranlassen und Erscheinungen hervorrufen, 332 Z"olMl- I. Physiologischer Theil. die von Schwindel bis zu tödtlicher Wirkung sich steigern. Man pflegt dieselben als Hirnschlag zu bezeichnen, und die mitunter eintretenden inneren Ergüsse von wässerigen Flüssigkeiten wirken in ähnlicher Weise. Rechtzeitige Aderlasse vermögen den Wirkungen des Blutzudrangs zu begegnen. Außerdem wirkt der Genuß verschiedener Stoffe auf das Gehirn entweder erregend bis zum Ueberreiz, und in Folge dessen lähmend, oder unmittelbar abspannend bis zur Lähmung. I n ersterer Weise wirken Thee, Kaffee, Weingeist, Opium, Strychnin, überhaupt die narkotisch-giftigen Substanzen, in der letzteren die Blausäure. Schwindel, Taumel, Raserei, Erschlaffung, Bewußtlosigkeit, Erstarrung, Tod sind die verschiedenen Stufen, die in Folge solcher Einwirkungen auftreten können. Auffallend sind die Wirkungen, welche das Einathmen der Dämpft von Aether und C h l o r o f o r m (s. Chemie §. 168. 171.) hervorrufen. Estritt allmählich Bewußtlosigkeit und Empfindungslosigkeit in solchem Grade ein, daß die stärksten Verletzungen am Körper nicht empfunden werden. Man nimmt daher bei chirurgischen Operationen jene Dämpfe zu Hülfe; eine zu weitgehende Chloroforuürung wirkt jedoch tödtlich. 38 Der innige Zusammenhang zwischen unserem geistigen und Nervenleben geht aber auch aus dem Einflüsse hervor, den rein geistige Eindrücke auf das Nervensystem auszuüben vermögen. Angestrengte geistige Arbeit erzeugt Abspannung oder Kopfschmerz; heftige Eindrücke, namentlich der Freude und des Schreckens, sind im Stande, auf das Gehirn und dessen Thätigkeiten ganz ähnliche Störungen zu äußern, wie Verletzungen desselben. Bewußtlosigkeit, Stumpfsinn, Wahnsinn, ja plötzlichen Tod sehen wir in Folge gewaltsamer geistiger Erschütterung nicht selten eintreten. Es lag daher die Idee nicht fern, daß eine möglichst vollkommene Entwickelung des Gehirns beim Menschen die Bedingung vollkommen entwickelter Geistesthätigkeit sei, und daß die Verschiedenheiten, welchesichbeim Vergleichen mehrerer Gehirne in deren Größe, Windungen, Höckern und Vertiefungen ergeben, bestimmten Verschiedenheiten in den geistigen Anlagen der Personen entsprechen. I m Allgemeinen ist dieses richtig, und wir hätten demnach ein Mittel, nach dem Tode eines Menschen aus dessen Gehirn Schlüsse auf dessen geistige Befähigung zu ziehen. Da aber die Hirnschale ebenfalls mancherlei Erhöhungen und Vertiefungen äußerlich erkennen läßt, von welchen angenommen wurde, daß sie dem unmittelbar darunter liegenden Hirntheile entsprechen, so hat man aus gewissen Bildungen des Schädels die geistigen Anlagen auch am lebenden Menschen zu bestimmen gesucht. Die Herausbildung dieser Idee zu einer besonderen Schädellehre (Phrenologie) durch G a l t erregte grMs^Auf^ sehen. Man legt ihren Resultaten in England vielen Werth bei, während sie in Deutschland in keinem Ansehen steht, und zwar mit Recht, denn die Annahme jener genauen Beziehung dcr äußeren Schädelform und der Gehirnbildung ist unrichtig und die Verlegung gewisser geistiger Vermögen an bestimmte Stellen des Gehirns beruht auf ganz willkürlichen, wissenschaftlich nicht begründbaren Einfällen.. Bewegmlgsorgane; Nerven. 333 Die Ruhe und der Schlaf, welche die Kraft des ermüdeten Körpers wieder herstellen, dienen nicht minder zur Erholung und Stärkung des Geistes. Sowie jedoch wahrend des Schlafs die Thätigkeit der inneren Körperorgane ununterbrochen bleibt, so dauert auch in gewissem Grade die Seelenthätigkeit fort und ruft die T r a u m b i l d e r hervor. J a , in einem werkwürdigen Mittelzustand von Wachen, Schlaf und Traum, der als das Nachtwandeln oder S o m n a m b u l i s m u s bezeichnet wird, kommt es vor, daß Personen, ohne dessen bewußt zu sein und davon Erinnerung zu behalten, Nachts umherwandeln, mancherlei Verrichtungen vornehmen und zuweilen ganz ungewöhnliche und gefährliche Wege betreten. Auch begegnet man mitunter Personen mit besonders erregbarem, für gewisse Eindrücke vorzüglich empfänglichem Nervensyster3, sogenannten S e n s i b l e n . Dieselben erweisen sich ungemein empfindlich nicht nur gegen die Wirkungen körperlicher Stoffe, sondern auch gegen die physikalischen Einflüsse, wie der Elektricität und des Magnetismus, ja gegen den Eindruck, den andere Personen auf sie hervorbringen. Aus derartigen krankhasten Vorkommnissen hat die Lehre vom thierischen M a g n e t i s m u s , nach ihrem Urheber auch M e s m e r i s m u s genannt, ihren Ursprung genommen. Sie beruht bei einem Theil ihrer Anhänger auf Selbsttäuschung, bei Anderen auf absichtlicher Täuschung, und Gewinn suchender Betrug hat sich auch an dieses dunkle Gebiet geheftet, wie dies gerade bei denjenigen Seiten der Natur am liebsten geschieht, die der genauen Erforschung sich gänzlich entziehen oder die größten Schwierigkeiten entgegenstellen. Die V e w e g u n g. Die überwiegende Mehrzahl aller Bewegungen unseres Körpers ist 39 das Ergebniß einer eigenthümlichen Zusammenwirkung der Nerven, Muskel und Knochen. Die letzteren wirken dabei nur insofern mit, als sie die Grundlage abgeben, an welcher Muskel und Sehnen befestigt sind. Die Muskel veranlassen die Bewegung durch ihre Zusammenziehung und dadurch entstehende Verkürzung. Diese Fähigkeit kommt ihnen jedoch an und für sich nicht zu, sie er« langen dieselben nur unter dem Einflüsse eines Nerven, und mit dessen Durchschneidung oder Lähmung ist der kräftigste Muskelapparat gelähmt. Die Ner, ven sind daher das Erregende der Bewegung, die Muskel vollziehen sie und die Knochen folgen derselben. Die verschiedenen Theile des Nervensystems betheiligen sich in sehr un- 4l> gleicher Weise bei den BewegungsersKeinungen. Die Bestimmung derselben ist im Wesentlichen folgende? Vom Gehirne unb RuHtumarke gehen die Nerven aus, welche der freiwilligen Bewegung und dem Gefühle verstehen. Einige derselben, wie das 3te, 4te, 6te, 7te und U t e Gehirnnervenpaar, befördern ausschließlich die Bewegung; die übrigen dienen ebensowohl zur Bewegung als zum Gefühle. Die genauere Untersuchung zeigt jedoch, daß diese beiden Aufgaben an verschiedene Träger vertheilt sind. Es besteht nämlich jedes vom Rückenmarke aus- 334 Zoologie. I . Physiologischer Theil. gehende Nervenbündel aus mehreren Fäden, deren, ftder einzelne geradeswegs nach dem Ursprünge hinleitet, ohne unterwegs mit einem anderen zu verwachsen. Einige dieser Fäden vermitteln nur das Gefühl, andere nur die Bewegung, und wenn sie auch in den Bündeln nicht von einander zu unterscheiden sind, so ist dies doch an der Stelle ihres Ursprunges der Fall. Alle vom Rückenmarks ausgehenden Nerven entspringen in zwei Wurzeln, wovon die Hinteren die Nerven des Gefühls, die vorderen die der Bewegung enthalten, die nachher zu einem Bündel sich vereinigen und mit einander weiterlaufen. Es läßt sich dieses in sehr auffallender Weise bestätigen, indem man an irgend einer Stelle die Hintere Wurzel durchschneidet; es wird in diesem Falle der betreffende Körpertheil, z. B. ein Bein, der Empfindung völlig beraubt obgleich er der Bewegung noch fähig ist; das Durchschneiden der vorderen Wurzel würde gänzliche Lähmung bei fortdauerndem Gefühle zur Folge haben. Das kleine G e h i r n und die ihm benachbarten Theile des großen Hirns scheinen weniger die Aufgabe zu haben, besondere Bewegung zu veranlassen, als vielmehr die, in bestimmter Weist die Bewegung des Körpers seiner Richtung nach zu regeln. Durch geeignete Einschnitte an diesen Theilen hat man die Erfahrung gemacht, daß die also verletzten Thiere unsichere und unzweckmäßige Bewegungen machen, daß sie sich mitunter nur gerade vorwärts oder rückwärts bewegen konnten, oder daß sie sich unablässig nach einer Seite drehten. Das verlängerte M a r k übt eine durchgreifende Wirkung auf den Herzschlag und auf die Athembewegung aus, welche ihm einen Einfluß auf die Fortdauer des Lebens verleiht, wie sie keinem anderen Theile der centralen Nervenmasse zukommt. Die Eingeweidenerven oder das Gangliensystem besorgen endlich die Thätigkeit derienigen Muskel, welche ganz unabhängig vom Willen sind. 41 Es ist völlig unbestimmt, wie und in welcher Weise die Nerven im Stande sind, die Zusammenzichung der Muskel zu veranlassen. G a l v a n i machte im Jahre 1789 die Entdeckung, daß der elektrische Strom die Zusammenziehung der Muskel in ähnlicher Weise zu erregen im Stande ist, wie dies durch die Nerven geschieht (s. Physik §. 204). Reiht man an diese Thatsache die im §. 37 dargelegte Vorstellung, daß unsere Nerven die Empfindungen und Bewegungen von und nach allen Punkten des Körpers blitzschnell leiten,-vergleichbar den Drähten des elektrischen Telegraphen, erwägt man ferner, daß mehrere Fische nervenreiche Organe besitzen, welche Elektricität von kräftigster Wirkung hervorzubringen im Stande sind, so liegt es nahe, den ganzen Nerveneinstuß als das Spiel einer elektrischen Thätigkeit zu betrachten. I n der That läßt sich an jedem Muskel, der sich in- natürlichem, nicht gereiztem" Zustande besin- . det, das Vorhandensein freier Elekwicitäten nachweisen; es zeigt sich hierbei, daß gewisse Stellen eines Muskels positiv elektrisch sind, während andere negativ elektrisch sich erweisen. Nichtsdestoweniger läßt sich der Elektricität mit Sicherheit keine bestimmte Rolle in den Lebensverrichtungen übertragen, wenn schon ihr, gleich der Wärme und anderen physikalischen Einflüssen, daran ein Die Bewegung. 335 wesentlicher Antheil zuzuschreiben ist. Wenn in Folge eines Krankenlagers oder der Lähmung eines Gliedes die Muskel längere Zeit unthätig bleiben, so treten leicht krankhafte Erscheinungen, z. B. Geschwüre, oder das Wundwerden der Theile auf. I n solchen Fällen ist mit Erfolg eine künstliche gusammenziehung der betreffenden Muskel durch wiederholte elektrische Erschütterung als Heilmittel angewendet worden. M i t Ausnahme einiger Schließmuskel, die fortwährend im Zustande der 42 Zusammen'ziehung sich befinden, behalt diesen kein anderer Muskel längere Zeit bei, ohne zu ermüden und von selbst in seinen natürlichen' Zustand zurückzukehren. Eine unausgesetzte Thätigkeit ist unmöglich; wir sind vielmehr genöthigt, zeitweise einen Wechsel eintreten zu lassen und uns in den Zustand der Ruhe zu begeben, der die möglichst geringe Leistung der Muskel in Anspruch nimmt. Bei jeder Zusammenziehung eines Muskels erleidet derselbe eine gewissechemischeZersetzung, eine Abnutzung; allein die Ernährungsflüssigkeit stellt dieselben alsbald wieder her und wir haben im menschlichen Körper die vollkommenste Vewegungsmaschine vor uns, insofern sie fortwährend selbst ihre Herstellung und Ausbesserung besorgt. Unnatürliche, heftige Zusammenziehungen der Muskel erzeugen den K r a m Pf, der bei längerer Dauer als S t a r r k r M p f mit tödtlicher Folge auftritt. Letzterer wird nicht nur durch heftige körperliche Reize, Strychnin und Elektrisirüng, sondern auch durch Gemüthsbewegung hervorgerufen. Eine allgemeine Muskelzusammenziehung bewirkt nach dem Tode die Todesstarre. ^ Häufig begegnet unser Körper von außen einwirkenden Netzen durch gewisse Bewegungen, ohne daß hierbei unsere Willensthätigkeit mitwirkt, ja ohne daß wir dessen bewußt werden; es sind dies die sogenannten Reflexbewegungen. So z. B. schließt sich das Auge rasch von selbst, wenn ein Körper demselben sich nähert. Der Schlafende macht abwehrende Bewegungen gegen störende Angriffe und selbst nach dem Tode treten solche in gewissem Grade noch ein. Ein enthaupteter Frosch wehrt sich lebhaft gegen schmerzhafte Reize. Unsere meisten Glieder stellen in ihrer Bewegung die eines einarmigen 43 Hebels dar, und zwar eines solchen, der, wie Fig. 22, seinen Drehpunkt bei o hat, während am entgegengesetzten Punkte a die Last abwärts zieht und an einer zwischen jenen beiden Punkten liegenden Stelle der aufwärts ziehende Muskel befestigt ist. So bildet z. B. der Vorderarm, Fig. 23, einen solchen Hebel, dessen Dreh- 336 Zoologie. I. Physiologischer Theil. punkt im Gelenke bei a liegt, und an dessen Ende die Last ^ abwärts zieht, während in der Gegend von b der aufwärts ziehende Muskel befestigt ist. Aus den in §. 45 der Physik entwickelten Gesetzen folgt, daß wir um so leichter eine Last zu tragen im Stande sind, je näher wir dieselbe am Drehpunkte a wirken lassen. Nehmen wir an, die Entfernung vom Gelenke bis zur Mitte der Hand betrage 15 Zoll, so wird eine Last, die einen Zoll weit vom Drehpunkte des Gelenkes entfernt mit einer Kraft von 2 Pfund abwärts zieht, auf die Hand gelegt mit einer Kraft von 15 X 2 — 30 Pfund abwärts ziehen. I n den meisten Fällen, wo in der Mechanik der Hebel Anwendung findet, wirkt er als sogenannter K r a f t h e b e l , d. h. man bezweckt durch Anwendung eines langen Hebelarmes ao,.Fig. 24,Mne große Wirkung auf den am kleineren Hebelarm d 6 thätigen Widerstand hervorzubringen. Wir bemerken, daß bei Hebelbewegungen die von "den Angriffspunkten K und b der Kräfte beschriebenen Wege, hier die Bogen ack und do, sich umgekehrt verhalten wie die Kräfte. Sonach wird eine am kürzeren Hebelarm de wirkende Kraft, falls sie den längeren ao in Bewegung versetzt, dem Punkt a eine zur eigenen Bewegung verhältnißmäßig große Geschwindigkeit ertheilen. Hcbel, welche die Bestimmung haben, in diesem Sinne zu wirken, werden Geschwindigkeitshebel genannt und dieser Art sind die Mehrzahl der Hebevorrichtungen unserer Glieder. I n der That genügt ein geringer Zug an deren öderem Theil, um die Spitzen der Hände und FüHe in große Geschwindigkeit zu versetzen. 44 Eine wesentliche Erleichterung gewährt der Luftdruck den Bewegungen der Glieder, iadem er die in die luftleeren Gelenkpfannen, Fig. 25, eingefügten Gelcnkköpfe a, fest andrückt und dadurch das Gewicht des betreffe Gliedes trägt. Der Oberschenkel des Erwachsenen wiegt ungefähr 17 Pfund. Ein Mann, der, auf dem linken Fuß stehend, das rechte Bein frei herabhängen läßt und nach vorn und hinten schwingt, fühlt dabei keineswegs eine der Bewegung eines erheblichen Gewichtes entsprechende Anstrengung. Indem wir gehen oder laufen, versetzen wir lediglich unsere Beine in pendelartige Schwingungen, ohne von ihrem Gewicht belästigt zu sein. Durchschneidet man an einem hängenden Todten ringsum das Hüftgelenk eines Oberschenkels alle Mus- Die Bewegung. 33? kel, so bleibt dessen ungeachtet das Bein in gleicher Höhe mit dem unverletzten hängen. Bohrt man dagegen an letzterem nur ein feines Loch von außen in das Pfannengelenk, so hört man, wie die Luft pfeifend eindringt und sieht, wie das Bein herabsinkt; der Lebende müßte dasselbe in solchem Falle als eine schwere Last fortschleppen. Die von einem Muskelapparat 45 ausgeübte Kraft ist im Allgemeinen derGrößederthätigenMuskeln entsprechend; von wesentlichem Einfluß ist hierbei jedoch die Willenskraft, wie die Beispiele merkwürdiger Kraftäußerungen beweisen, welche Gefahr, Zorn und Wahnsinn hervorrufen. Es ist ungemein schwierig, die Leistungsfähigkeit des lebendigen Organismus zu ermitteln, da stets ein Theil der Körperkraft zum Tragen und Fortbewegen des eigenen Körpers verwendet wird und die Bedingungen, unter welchen Arbeiten zu leisten sind, außerordentlich wechseln. Nach §. 36 der Physik nimmt man als Einheit mechanischer Leistungen das F u ß p f u n d , d. h. eine Kraft, die 1 Pfund in einer Secunde einen Fuß hock), hebt, und setzt die Arbeitskraft eines Mannes gleich 62, die eines Pferdes gleich 550 Fußpfund« Nach Ermittelungen in Belgien übt ein Mann mit beiden Händen zusammen eine Druckkraft von 112 bis 178 Pfund und eine Zugkraft von 200 bis 300 Pfund. Aehnliche Versuche in England haben größere Leistungen ergeben. EinstarkesPferd zog für kurze Zeit auf gewöhnlichem Wege 96, auf glatter Landstraße 216, auf der Eisenbahn 2640 Centner, das Gewicht des Wagens mitgerechnet; ein starker Mann hob 330 Pfund zwei Fuß hoch. Wenn ein Mensch von 120 Pfund Gewicht im Tage 8 Stunden lang, in jeder Minute 125 Schritte zu 3' Fuß macht, so beträgt seine mechanische Leistung 23,000 bis 28,000 Fußpfund. Die Geschwindigkeit, mit welcher Theile des Körpers bewegt werden, sowie die der Übertragung sinnlicher Eindrücke auf das Bewußtsein und des Vollzuges einer hierdurch hervorgerufenen Bewegung kann außerordentlich groß sein. Ein geübter Klavierspieler konnte seinen Zeigefinger in einer halben M i nute 200mal beugen und strecken; ein aus 45 Buchstaben bestehender Vers kann in 2 Secunden ausgesprochen werden. I m ersten Falle kostet jede Bewegung Vi3, lm zweiten 1/23 Secunde. Während im Dunkeln ein elektrischer Funke überspringt — was kaum den millionsten Theil einer Secunde dauert — läßt sich ein gedrucktes Wort auffassen; man braucht jedoch Vs Secunde zu dessen geistiger Verarbeitung und ^ 9 Secunde, bis man die Wärme eines berührten Körpers deutlich erkennt. ü . ,^ ' 22 ^ ^ " 338 Zoologie. II. I . Physiologischer Tlscil. Die Sinn organe. 46 Die Organe der Sinne bestehen nicht aus einem einzelnen Gebilde, sondern es vereinigen sich zu denselben deren mehrere, so daß wir in einem Sinnorgane Knochen, Muskel, Nerven und Blutgefäße antreffen können. Entsprechend unseren bekannten fünf Sinnen unterscheiden wir fünf Sinnorgane, nämlich: die Haut, die Zunge, die Nase, das Ohr und das Auge. 47 Die H a u t ist das Organ des G e f ü h l s oder Tastsinnes. Sie überzieht zugleich als schützende Bedeckung die ganze äußere Oberstäche des Körpers und geht an verschiedenen Stellen, wie am Munde, an den Augenlidern, über in die Schleimhaut, welche die inneren Theile des Körpers bekleidet. Letztere, die durch Absonderung von Schleim stets feucht sich erhält, ist nur zu unklaren Gefühlen befähigt. Die äußere Körperhaut hat überdies noch eine besondere Bedeutung als Absonderungsorgan und besteht aus zwei, nach ihrer Bildung völlig verschiedenen Lagen, aus einer tieferen, die Lederhaut genannt, und aus der oberstächlichen O b e r h a u t , wozu noch eine Anzahl von Nebengebilden, wie z. B« die Haare, kommen. ^ Die O b e r h a u t oder E p i d e r m i s ist ein durchsichtiges Häutchcn, ohne Empfindung, das man mit einer Nadelspitze leicht durchstechen und aufheben kann. An manchen Stellen, die häufigem Drucke ausgesetztsind,verdickt sich die Oberhaut und bildet dann die sogenannten S c h w i e l e n und Hühneraugen, Die Schweißlöcher oder Poren sind feine und zahlreiche Eintiefungen der Oberhaut, und in ähnlichen Vertiefungen wurzeln die Haare. Beider wird nachher weiter gedacht werden. Anatomisch betrachtet besteht die Oberhaut ^, Fig. 26, aus flachem Zellgewebe (s. §. 7), in welchem weder Adern noch Nerven sich verbreiten. Ihre äußerste Schicht besteht aus ganz vertrockneten Zellen, die sich in Gestalt weißer Schüppchen abnutzen und ablösMv—Dagegen hat die tiefste Schicht d der Oberhaut eine weiche, feuchte Beschaffenheit und zeigt beim Abziehen ein netzartiges Ansehen, herrührend von den Eindrücken der Tastwärzchen. Sie wird daher Schleim netz genannt und bietet Tümorgane. Die Haut. 339 insofern bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten dar, als, in ihr die färbenden Stoffe oder Pigmeutkörper sich ablagern, durch welche die Hautfarbe der verschiedenen Menschenracen bedingt wird. Jene ist "schwarz bei den Negern, röthlich bei den Amerikanern, braun bei den Malaycn, gelb bei den Chinesen und farblos bei den sogenannten Weißen. Bei letzteren durchscheinen daher die rothen Blutgefäße der unmittelbar darunter liegenden Hautschicht die obere und ertheilen der Oberstäche eine röthliche Färbung. Die Lederhaut o bildet den wesentlichsten Theil der Haut unseres Kör- 48 pers oder des Felles der Thiere, denn sie besteht aus einer dicken, aus Bindegewebe, elastischen Fasern, Gefäßen und Nerven zusammengcfilzten, zähen Lage. Diese Haut ist es, die, von den oberen Schichten und Haaren befreit, als Leder benutzt wird und welche sich bei längerem Kochen in Leim verwandelt. Man erkennt an derselben durch das Vergrößerungsglas unzählige kleine hervorragende Wärzchen, die sogenannten Tast- oder Gefühlswärzchen <Z, in welche feine Nervenfäden endigen, weshalb sie als der eigentliche Sitz des Gefühles anzusehen sind. Dieselben lassen sich an der inneren Fläche der Finger als aneinandergereihte, linienförmige Erhöhungen erkennen. An den verschiedenen Theilen des Körpers zeigt die Haut sehr ungleiche Grade der Empfindlichkeit für Gefühlseindrücke; dieselbe ist am größten an der Spitze der Zunge und der Finger, während sie am Nucken am geringsten ist. An manchen Stellen des Letzteren bringen die Eindrücke der beiden Spitzen eines etwas geöffnet aufgesetzten Zirkels nur das Gefühl eines einzelnen Eindrucks hervor. An ihrer inneren Fläche geht die Ledcrhaut unmerklich in eine Lage lockeren Zellstoffes, das N n t erh a u tz e l l g e w e b e s, über, das eine Menge von Fettbläschen einschließt und daher auch Fett haut genannt wird. Es dient einestheils als Unterlage der Lederhaut, anderntheils zum Schutze verschiedener Organe und ist an manchen Stellen des Körpers besonders stark entwickelt, während es an anderen, z. B. am äußeren Ohrc, fast gänzlich fehlt. Bei fettleibigen Personen bildet diese Schicht eine dicke Lage. Als zur Haut gehörige Nebcngebilde betrachten wir: die Haare, die 4 9 N ä g e l , Schuppen, Federn und Hörner. Die Haare stecken mit einer sogenannten Haarwurzel oder Haarzwiebel F, Fig. 26, in Vertiefungen der Oberhaut. Sie wachsen nur an ihrem unteren Ende, denn es verbreiten sich in denselben weder Nerven noch Gefäße, so daß man sie ohne Schmerz abschneiden kann. Die Haarc sind hohl und gleich dem Schleimnetze mit einer Flüssigkeit erfüllt, die ihnen die Farbe verleiht. Zu beiden Seiten eines jeden Haares liegen die Talgdrüsen k/ö, von welchen kleine Gänge zu dem Haare führen. Nicht nur dieses, sondern "auch die Oberfläche der Haut wird vuu dem aus jenen Drüsen abgesonderten Fett, H a u t t a l g oder H a u t schmiere genannt, beständig eingeölt. Die N ä g e l , Schuppen undFedern lassen sich als sehr ftark entwickelte, ausgebreitete oder zerfaserte Haare betrachten, die ebenfalls ohne Gefühl sind und nur am Grunde wachsen. Dasselbe gilt von den H ö r n e r n , und es gewährt z. N. das Horn des Nashorns das Ansehen, als ob es aus zufammen22^' ,,, 340 M 81 Zoologie. I . Physiologischer Theil. geklebten Haaren bestehe. Auch inchemischerHinsicht stimmen diese Hautgebilde durch ihre gleiche Zusammensetzung überein. 100 Theile derselben enthalten 50 Theile Kohlenstoff, 7 Wasserstoff, 18 Stickstoss, 25 Sauerstoff und Schwer fel; letzterer beträgt in den Haaren 5 Procent. Wegen ihres Reichthums an Stickstoff werden diese Substanzen vorzugsweise zur Fabrikation von Berlinerblau (s. Chemie S . 362) benutzt. Die in der Gefäßhaut zahlreich verbreiteten Haargefäße bringen das in ihnen enthaltene Blut an der ganzen Oberstäche des Körpers in sehr nahe Berührung mit der Luft, die in der That nur durch die Wände der Haargefäße und die Oberhaut vor unmittelbarer Berührung mit dem Blute abgehalten ist. Da aber die Häute für die von ihnen eingeschlossenen Flüssigkeiten keineswegs absolut undurchdringlich find, so dunstet ein Theil der Blutmasse aus den Haargefäßen aus und tritt dampfförmig durch die kleinen Oeffnungen der Oberhaut als Schweiß hervor. Es geschieht dies durch die Schweißdrüsen, die, aus knäuelförmig gewundenen Röhren bestehendem der Tiefe der Lederhaut oder im Nntcrzellhautgewebe liegen und durch die korkzieherähnlichen Schweißkanäle / / , Fig. 26, mit der Oberstäche in Verbindung stehen. Der Schweiß besteht zu 98 Procent aus Wasser; derselbe hat saure Eigenschaften und enthält Kochsalz, Fette und flüchtige Fettsäuren, welch letztere ihm einen eigenthümlichen Geruch verleihen. Die Menge des abgesonderten Schweißes ist beträchtlich und macht einen bedeutenden Theil der vom Körper überhaupt abgeschiedenen Flüssigkeit aus. Sie beträgt stündlich für je ein Pfund Körpergewicht etwa 1 Gramm und für je ein Quadratcentimeter Oberfläche 0,007 Gramm. Die Ausdünstung durch die Haut ist zum Wohlbefinden des Körpers nothwendig, und eine Verminderung dieser Hautthätigkeit ist für denselben nachtheilig. Thiere, deren Poren durch einen Ueberzug von Firniß verstopft werden, sterben nach einiger Zeit. Eine vermehrte Schweißabsonderung zvird hervorgebracht durch alle Ursachen, welche einen größeren Blutzustuß zur Haut erregen, also durch äußere Warme, starke Bewegung, warme Getränke, aber Wch durch geistige Erregungen, wie Angst. Die Haut der fleischfressenden Säugethme hat keine Poren; sie schwitzen nicht und bedürfen daher geringerer Mengen von Wasser. Die Zunge ist das Organ des Geschmacks. Sie besteht ihrer Hauptmasse nach aus Muskeln, welche ihr eine große Beweglichkeit verleihen, und sie dient daher wesentlich zur Kertbeilung der Speisen und zur eigenthümlichen Gestaltung der Mundhöhle, wodurch der Ton beim Sprechen besondere Abänderungen erleidet, welche ohne die Zunge gar nicht hervorzubringen sind. Die äußere Oberfläche der Zunge ist von der Zungenschleimhaut überzogen und mit einer großen Anzahl kleiner, warzenförmiger Hervonagungen, denZungen- oder Geschmackswärzchen, besetzt. Die Zunge disnt ferner als Tastorgan und als Geschmacksorgan; in erster Hinsicht zeichnet Sinnorgane. Die Zunge. 341 sich die Zungenspitze aus, während der Hintere Theil der Zunge, die Zungenwurzel, und ihre untere Seite die größte Empfänglichkeit für Geschmacksempfindungen besitzen. Die Körper wirken nur dann auf das Geschmacksorgau, wenn sie in Nasser auflöslich sind« Vollkommen unauflösliche Körper nennen wir geschmacklos, wie z. B. Kohle und Kieselerde« Das Geschmacksvermögen der Zunge wird daher durch die in der Nähe liegenden Speicheldrüsen unterstützt, welche den wässerigen Speichel absondern, der die meisten in den Mund gebrachten Substanzen theilweise auflöst und dadurch ihren Geschmack erkennen läßt. Die Zunge wird als sichtbares Organ bei den Wirbelthieren und auch bei vielen Wirbellosen angetroffen. Der Geschmackssinn ist jedoch den niederen Thieren, welchen die Zunge fehlt, nicht abzusprechen, da viele derselben eine ganz besondere Auswahl in ihren Nahrungsmitteln treffen, wie z. B. manche Raupen sich nur von einer besonderen Pflanze ernähren und jede andere verschmähen. Z. Di 6 Mass. Die Nase ist das Organ des Geruchs. Ihre Form und Festigkeit er- 52 hält sie von dem Nasenbein und den Nasenknorpeln, welche die äußeren Theile bilden; im Inneren finden wir das aus vielen dünnen und gewundenen Blättern bestehende Riechbein, das mit der sogenannten Riech- oder Schleimhaut überzogen ist, in welche der Geruchnerv sich vertheilt. Sie erhält sich durch Absonderung eines Schleimes beständig feucht, und dieser Zustand ist zur Wahrnehmung des Geruchs nothwendig, da derselbe bei trockener Nase sich verliert. Dasselbe findet bei übermäßiger Schleimabsonderung, z. P. während eines Schnupfens, Statt. Die für den Geruch empfängliche Riechhaut bietet eine Oberfläche von mehreren Quadratfußen in einem sehr engen Raume dar, etwa " ähnlich wie ein Bogen Papier, vielfach zusammengefaltet, dieselbe Oberfläche hat wie vorher. Durch den Geruch können nur solche Gegenstände wahrgenommen werden, welche fähig sind, Luftform anzunehmen. Alle übrigen nennen wir geruchlos. Es ist erstaunlich, welch außerordentlich kleine körperliche Massen durch den Geruch noch wahrnehmbar ßnd. Legt man ein Körnchen Moschus in ein Zimmer, so riechen wir alsbald im ganzen Zimmer, ja nach einiger Zeit im ganzen Hause den Moschus, ohne daß man im Stande ist, durch die feinste Wage nachzuweisen, daß em Theil des Moschus sich verflüchtigt hat. Man schätzt die Menge des durch dm Geruch noch wahrnehmbaren Gewichtes von Moschus auf ein halb Millionstel Milligramm; Schwefelwasserstoff riecht man, wenn der Luft nur der viertelmillionste Theil ihres Rauminhaltes davon beigemischt ist! Die Nase ist auf diese Weise ein höchst wichtiger S i n n , der uns von Vielem unterrichtet, was jeder anderen sinnlichen Wahrnehmung entgeht. Es ist bekannt, daß Wilde den Rauch auf Meilen weit riechen, daß die Lastthiere der wasserarmen Wüsten auf große Entfernungen hin eine Quelle wittern und 342 Zoologie. I. Physiologischer Theil.. derselben unaufhaltsam zueilen; daß Hunde, nur vom Gerüche geleitet, die Spur des Wildes oder ihres Herrn Tage lang verfolgen. Die Nasenhöhle öffnet sich beim Menschen durch zwei Gänge hinten in den Gaumen, so daß die Luft zum Athmen auch durch die Nase eingezogen werden kann, was in der Ruhe gewöhnlich der Fall ist. Dieselbe Einrichtung finden wir bei den Säugechieren, Vögeln und Amphibien, während bei den Fischen die Nase sich hinten nicht in den Gaumen öffnet. Wenn man bei niederen Thieren kein sichtbares Geruchsorgan auffindet, so entbehren sie nicht der sinnlichen Wahrnehmung durch den Geruch, denn wir sehen z.B. die Aaskäfer (Todtengräber), durch denselben geleitet, die verwesenden Thierkörper auffinden und die Motten den stark riechenden Stoffen entfliehen. 4. 53 DN8 OIn. Das Ohr ist das Organ des Gehörs. Es ist doppelt vorhanden, und besteht aus dem äußeren und dem inneren Ohre. Das äußere Ohr oder die Ohrmuschel a, Fig. 27, verengert sich in dm Gehörgang b, der durch ein sehr elastisches Häutchen, T r o mm e l f e l l genannt, verschlossen ist, hinter welchem die T r o m m e l h ö h l e liegt. Diese Höhle steht durch eine Röhre mit dem Munde in Verbindung, so daß die in derselben befindliche Luft von der äußeren Luft keineswegs abgeschlossen ist. Diese Verbindung mit dem Munde macht es erklärlich, daß man bei Harthörigen und gespannt Aufhorchenden häufig den Mund geöffnet sieht. Auch mag diese R'öhre zum Verständniß unserer eigenen Worte beitragen. I n der Trommelhöhle liegen eine Reihe von Knöchelchen, die ihre Namen von der Gestalt haben, nämlich der Hammer m, Fig. 28, der Amboß c», der S t e i g b ü g e l t, und das L a b y r i n t h , Fig. 2 9 , welches aus der Schnecke s, und dem Vorhofe mit dem ovalen Fenster n und den halbkreisförmigen Kanälen besteht. Der Vorhof und die Schnecke sind mit einer wWngen Flüssigkeit angefüllt, in welcher sich die letzten Fäden des Gehörnervs n, verbreiten. Ohne daß man die Bestimmung aller dieser besonders gebildeten Theile im Einzelnen genau kennt, weiß man im Allgemeinen, daß die Schallwellen durch die Ohrmuschel aufgefangen und nach dem Trommelfell geleitet werden, welches dadurch in Schwingungen versetzt wird, die sich durch die erwähnten festen, klei- Simwrgane. Das Auge. 343 neu Knochen bis zur Flüssigkeit des Labyrinths und dessen Nervenverbrcitung fortpflanzen. Das Wesentlichste am Gehörorgane ist der Gehörnerv, und es kann das Trommelfell verletzt und die Reihe der Knöchelchen unterbrochen sein, ohne daß das Gehör ganz aufhört. Ja bei manchen Thieren, wie bei den Krebsen, besteht das Gehörorgan nur aus einem mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen, auf welchem sich der Hörnerv ausbreitet. Ein äußerlich fichtbares Dhr haben nur die Säugethiere. Bei den Fischen und Amphibien ist dieses Organ nach außen mit einer Haut verschlossen, und erst die Vögel haben dasselbe geöffnet. Bei den niederen Thieren ist ein Hörorgan nur ausnahmsweise erkennbar. F. Das H.U.AS. Das Auge ist das Organ des Gesichts. Wir wollen zunächst seine ein- 3 4 zclncn Theile und nachher deren Bestimmung kennen lernen« Das eigentliche Auge wird A u g a p f e l genannt, und Fig. 30 stellt denselben von der Seite aufgeschnitten dar. Gehen wir bei dessen Betrachtung von innen nach außen, so finden wir den inneren Theil des Auges aus einer durchsichtigen, gallertigen Kugel, dem sogenannten Glaskörper n, besiehend. Denselben umschließen drei Häute, nämlich die unterste oder Netzhaut l I o t i n a , 7"), in welche der nach dem Auge gehende Sehnerv n sich ausbreitet. Die Netzhaut ist umgeben von der Gefaßt)ant (OKm'oi'äOLt., c'A). Sie hat ihren Namen von den zahlreichen Blutgefäßen, welche dieselbe durchziehen und ihr eine rothe Farbe ertheilen. Der vordere Theil derselben schließt sich an die braun, grau oder blau gefärbte Regenbogenhaut (Iris, i) und diese bildet den sogenannten Augenstern. I n der Mitte hat die Regenbogenhaut eine Oeffnung, welche die Pn« Pille F genannt wird und als das Schwarze des Auges erscheint. Unter der Regenbogenhaut verlaufen die sogmannten C i l i a r g e f ä ß e F 6 . Die ganze innere Oberstäche der Netzhaut ist mit einem schwarzen Farbestoff ( P i g ment) überzogen, so daß das Auge gleichsam eine kleine, dunkle Kammer vorstellt, in welche nur durch die Pupille Licht fällt. Mitunter fehlt das schwarze Pigment, so daß die unter demselben liegenden rothen Ciliargefäße hindmchscheinen unb den Augen eine rothe Farbe ertheilen. Menschen mit solchen Augen nennt man A l b i n o s ; sie können das Licht nicht gut vertragen, und ähnlich verhält es siH mit den weißen Kaninchen und Mäusen, die rothe Augen haben. Die dritts oder äußerste Angmhaut endlich wird die harte A u g ^ n h a u t (ZolsrotioN, 5^) genannt. Sie ist Porzellan artig, weiß und sehr start, so daß 344 Zoologie. I. Physiologischer Theil. sse dem rings von ihr umgebenen Auge beträchtlichen Schutz gewährt. Der vordere Theil derselben, H o r n h a u t (Oornsa, o) genannt, ist etwas stärker gewölbt und vollkommen durchsichtig. Zwischen Hornhaut und Regenbogenhaut entsteht dadurch die etwa halbmondförmige vordereAugenkammer o a , welche mit farblos durchsichtiger Flüssigkeit erfüllt ist. Es ist jetzt nur noch der K r y s t a l l - L i n s e o? zu gedenken, welche unmittelbar hinter der Pupille liegt und aus einer gallertartigen, vollkommen durchfichtigen, Substanz besteht, die jedoch etwas fester ist als der G l a s körper ^ w e l c h e die Hintere Augenkammer ausfüllt. Wie die Namen theilweife schon andeuten, haben wir im Auge eine Zusammenstellung verschiedener optischer Werkzeuge. Hält man in der That im dunkeln Zimmer eine kleine brennende Kerze vor' das Auge eines Anderen, so erblickt man in demselben drei kleine Flammenbilder, Fig. 3 1 ; das erste, a, aufrecht und herrührend von der convexspiegelartig sich verhaltenden Hornhaut; ebenso das schwache Bild b von der gewölbten Vorderstäche der Linse, und das umgekehrte Bild s von der als Hohlspiegel wirkenden Hinterstäche der Linse. 55 Alle die im vorigen Paragraph genannten Theile des Auges lassen sich sehr deutlich erkennen, wenn man ein Ochsenauge aufschneidet. Man kann aus einem solchen die Krystall-Linse herausnehmen undsichüberzeugen, daß diese sich verhält wie eine aus Glas geschliffene Sammel-Linse, wie denn überhaupt das Auge und seine Verrichtung, das S e h e n , so durchaus den allgemeinen optischen Gesehen entsprechen, daß die Erklärung desselben ganz selbstständig im physikalischen Theile (s. §. 174 bis 179) entwickelt worden ist. Es beruht hierauf, daß wir im Stande sind, manchen Mängeln des Gesichtsorgans künstlich abzuhelfen und der Fähigkeit seiner Auffassung zu Hülfe zu kommen, wie dies bei keinem anderen Sinnorgane der Fall ist. Ja selbst durch anatomische Eingriffe lassen sich Fehler des« selben verbessern, wie die Operationen des" Staares und des Schielens zeigen. Das Schielen besteht darin, daß dem einen Auge die Fähigkeit abgeht, feine Sehachse (s. Physik §. 178) in Uebereinstimmung mit der des gesunden Auges zu richten. Es beruht in der Regel auf zu großer Kürze Ernährungsorgane; Verdauung. 345 oder krampfhafter Kusammenziehung des inneren geraden Augenmuskels und kann durch theilweises Einschneiden desselben gehoben werden. Eigenthümliche perlschnmartige Figuren, Fig. 32, nehmen wir öfter nach angestrengtem Sehen, in Folge des Blutandrangs nach dem Auge oder eines Druckes auf dasselbe wahr, Sie bewegen sich meist von-dem Auge abwärts und rühren von Gebilden her, die dem Auge selbst angehören, indem sie auf die Hornhaut desselben herabgleiten. Die sogenannten fliegenden Mücken oder UolMsL Volants find dunkle, bewegliche Flecken, meist veranlaßt durch örtliche Lähmungen der Netzhaut« III. Die Grnährungsorgane« Zu den Ernährungsorganen gehören die Organe der V e r d a u u n g , des 56 B l u t u m l a u f e s und des Athmens. Dieselben sind bei den niederen Thieren in einfachster Form vorhanden. Ein Schlauch und einige Röhren genügen der Verdauung und dem Kreislauf, einige häutige Anhängsel besorgen das Athmen; ja es tritt z, B. bei Polypen und Quallen der Fall ein, daß die ganze innere oder äußere Oberstäche der Haut diesen Verrichtungen vorzustehen vermag. Bei den höheren Thieren sehen wir dagegen bei einer jeden einzelnen der genannten Thätigkeiten ganze Reihen verschiedenartiger Organe in höchst verwickelter Weise zusammenwirken, und somit Systeme bilden, wie das Verdauungssystem u.a.m. Das Geschäft der Ernährung wird bezeichnend auch Stoffwechsel genannt, indem es, der gewöhnlichen Erfahrung entsprechend, die im Körper theils verbrauchten, theils ausgeschiedenen Stoffe durch neue ersetzt. Unter Verdauung verstehen wir diejenige Thätigkeit der betreffenden Or> 57 gane, wodurch die dem Körper als Nahrung zugeführten Stoffe in den geeigneten Zustand versetzt werden, daß sie zur Bildung neuer Theile des Körpers verwendet (assinülirt) werden können« Alle Organe, welche zu diesem Zwecke unmittelbar mitwirken, find Verdauungsorgane. Ihre Thätigkeit bewirkt mehr eine feinere Zertheilung und Auflösung der Nahrungsmittel als eine söge« nannte Zubereitung derselben, wie dies bei der ErnährungsgeMchte näher gezeigt wird. Eine weitere Verrichtung der Verdauüngsorgane besteht darin, daß sie Stoffe, die in den Körper aufgenommen wurden, zu dessen Zwecken jedoch nicht verwendbar sind, aus dem Körper wieder entfernen. I n der einfachsten Form stellt sich das Verdauungsorgan als ein walzen- 58 förmiger Schlauch dar, den wir D a r m nennen, und dessen vordere Oeffnung zur Aufnahme der Nahrungsmittel dient und M u n d genannt wird, während die entgegengesetzte, After genannt, das Unbrauchbare aus dem Körper entfernt. Eine zwischen beiden Oeffnungen liegende Erweiterung des Darmes wird als Magen bezeichnet. Hierzu treten jedoch bei den vollkommneren Thieren noch 346 Zoologie. I. Physiologischer Theil. eine Reihe von Nebenorganen, welche in ihrem Zusammenhange durch Fig. 33 dargestellt find, wobei die natürliche Lage derselben einigermaßen verändert ist. so daß z. B. der vordere Lappen der Leber in die Höhe gehoben erscheint, welche sonst die Gallenblase und den Magen fast ganz verdecken würde. 59 , Die Zertheilung der Speisen nimmt ihren Anfang im Munde, wo die. selben von den Zähnen theils zerschnitten, theils zermalmt werden. Diese Kauwerkzeuge sind einer außerordentlich bedeutenden Krastäußemng fähig, da die untere Kinnlade einen nach oben wirkenden Winkelhebel bildet. Die Zunge wirft die Speisen im Munde umher und bringt sie auf gehörige Weise unter die Zähne. Gleichzeitig vermischt sich das Gekaute mit dem Speichel, welcher aus den sogenannten Speicheldrüsen (Eicheln) abgesondert wird, deren drei Paare vorhanden sind, die zu beiden Seiten des U n t e M Zunge nach dem Ohre hin liegen. Der Speichel ist eine ungefärbte wässerige Flüssigkeit, die etwas mehr als 1 Procent aufgelöster fester Stoffe enthält und zur gehörigen Durchfeuchtung, namentlich der trockeneren Speisen und Bildung schlüpfriger Bissen dient, welche sich leicht hinunterschlucken lassen. Obgleich der Speichel kaum ein größeres Auflösungsvermögen besitzt als Waffer, so haben doch Versuche gezeigt, daß gekaute Speisen besser verdaut werden als ungekaute. Der frisch abgesyn- Ernähnmgsorgane; Verdauung' 347 derte Speichel zeigt ein schwach alkalisches Verhalten (s. Chemie tz. 20) gegen Pflauzmfarben. Man führt als eigenthümlichen Stoff des Speichels das P t y a l i n an, der jedochchemischnicht hinreichend festgestellt ist. Die Speichelabsonderung wird nicht nur durch mechanische Reize, wie das Einführen und Kauen der Speisen befördert, sondern auch durch Nervenerregung, durch den Geruch, den Anblick, ja durch die bloße Erinnerung an gewisse Stoffe und Speisen. Die Menge des vom Menschen täglich abgesonderten Speichels wird aus 2 bis nahezu 3 Pfund geschätzt« Vom Munde gelangen die gekauten Speisen durch die Speiseröhre, 60 die auch S c h l u n d genannt wird, rasch in den M a g e n . Dieser ist ein häutiger Sack, ungefähr von der Gestalt eines gebogenen Iagdsackes, der quer in der Bauchhöhle.dicht unter dem Zwerchfelle liegt und vorn von der Leber bedeckt wird. Der Magen hängt durch eine über seine äußere Oberfläche verbreitete Schicht von Bindegewebe mit der häutigen Auskleidung der Bauchhöhle zusammen, welche das« Bauchfell genannt wird. Er ruht, wie ein jedes der Eingeweide,, in einer besonderen Einstülpung des Bauchfells, und sowohl die häutige Umhüllung, in welcher überdies noch Fettlagen sich vorfinden, als auch die Absonderung von Feuchtigkeit, welche diese Theile schlüpfrig erhält, gestatten eine gewisse Beweglichkeit bei gleichzeitiger Verhinderung von nachtheiliger Reibung. Das fettreiche Aufhängeband des Darmschlauchs wird Gekröse genannt; Netz heißt die ebenfalls fettreiche Bauchfellfalte, welche über Magen und Darm sich ausbreitet. Der Längendurchmesser des Magens beträgt 10 bis 12 Zoll, der Höhendurchmesser etwa 5 Zoll; er ist links, wo die Speiseröhre in denselben tritt und den M a g e n mund bildet, weiter, und wird an dem rechts liegenden Ende enger. Die Stelle seines Ueberganges in den Dann wird der P f ö r t n e r genannt. Sowohl diese Oeffnung als der Magenmund sind während des Verdauens durch ringförmige Muskel zusammengezogen und verschlossen. Die innere Haut des Magens ist von einer Muskelfaserschicht umgeben, ver« mittelst welcher örtliche Zusammenzichungen desselben und hierdurch Wellenbewegungen bewirkt werden, die zur Weiterbewegung der Speisen dienen. Bei manchen Thieren, namentlich bei den Hühnern, ist die Magenhaut sehr muskulös, so daß in ihrem Magen harte Gegenstände zusammengedrückt werden. I m leeren Zustande ist der Magen schlaff und inwendig mit einer Menge von Falten versehen, welche beim Anfüllen desselben sich vermindern. Seine innere Wand ist mit einer Schleimhaut bekleidet, die eIne sammtartige Oberstäche erhalt durch eine Menge von kleinen Drüsen, welche den Magensaft absondern. Der Magensaft ist eine saure Flüssigkeit, die etwa 98 Procent Wasser, 6 l organische Materie und Salze enthält. Seine saure Beschaffenheit wird dem Vorhandensein von freier Salzsäure zugeschrieben. Man war früher der Ansicht, daß..die Speisen im Magen durch Reibung zwischen dessen Wänden zerkleinert würden, allein die bestimmtesten Versuche zeigten, daß dies nicht der Fall ist. Die Speisen werden vielmehr durch den Magensaft aufgelöst, und diese Auflösung findet selbst dann Statt, wenn der Magensaft aus den Thieren 348 Zoologie. I. Physiologischer Theil. genommen und in geeigneier Wärme mit zerkleinerten Speisen in Berührung gebracht wird. Ja man hat durch künstlich zusammengesetzte Verdauungsstüssigkciten ähnliche Auflösungen bewirkt, wie sie der Magensaft hervorruft, allein stets zeigte sich bei einer Beimischung der dem Magen entnommenen Flüssigkeit eine raschere Wirkung. Es ist daher auch die Ansicht ausgesprochen worden, daß im Magensafte ein eigenthümlicher, organischer Verdauungsstoff, Pepsin genannt, enthalten sei, der ähnlich wirke, wie ein Gährungserreger. Nach vergleichenden Versuchen an Thieren schätzt man die Menge des vom Menschen täglich abgesonderten Magensaftes auf 12 Pfund. Seine lösende Kraft erweist sich besonders wirksam gegen die eiweißartigen und leimgebenden Stoffe der Nahrungsmittel. Hinter dem linken Theile des Wagens liegt die M i l z , eine Blutgefäßdrüse, in welcher die feinen Verzweigungen einer Schlagader sich verbreiten. Der Zweck dieses Organs ist noch unermittelt, nothwendig für das Leben ist es nicht, da man es bei kleineren und größeren Thieren ohne Nachtheil herausgeschnitten hat. 62 Durch die Ginwirkung des Magensaftes werden also die Speisen in einen dicken Brei, dm sogenannten Speisebrei ((Kanins) verwandelt. Sie gelangen alsdann in den eigentlichen Darm, auch Gedärm genannt. Dieser ist im Ganzen genommen gegen 30 Fuß lang und liegt daher vielfach zusammengewunden im Unterleibe. Die Beschaffenheit des Darmes an verschiedenen Stellen ist sehr ungleich, und seine Theile erhalten demnach verschiedene Namen. Derjenige Theil desselben, in welchen der Speisebrei zuerst gelangt, wird der Z w ö l f f i n g e r d a r m (DnoHsimN) genknnt, da seine Länge gleich der Breite von zwölf Fingern ist. I n dem Zwölffingerdarm wird das Geschäft der Verdauung fortgesetzt. Zunächst vermischt sich hier mit dem Speisebrei der Bauchspeiche!, welcher aus der ganz in der Nähe liegenden Bauchspeicheldrüse (VauorsaZ) (Fig. 33) abgesondert wird und eine große Aehnlichkeit mit dem Speichel des Mundes hat; derselbe ist eine wasserhelle, schleimige, alkalische Flüssigkeit, welche 98 Proc. Wasser, einen eiweißartigen Stoff, etwas Kochsalz und andere Salze enthält. Wie förderlich die Absonderung der Bauchspeicheldrüse der Verdauung auch sein mag, indem man dieser Flüssigkeit insbesondere die Aufgabe zuschreibt, das Stärkmehl der Nahrungsstoffe in lösliche Verbindungen überzuführen, so ertragen doch Hunde die Hinwegnahme derselben ohne Nachtheil. Gleichzeitig ergießt sich hier die G a l l e aus der Gallenblase und vermengt sich mit dem Brei. Die Galle ist eine klare, grüne Flüssigkeit von sehr bitterem GeOmack.^ Sie fühlt sich an wie eine zarte Seife und wird in der That auch als solche zum Waschen mancher feinen Zeuge verwendet. Ihre chemische Zusammensetzung macht dies erklärlich, denn sie'ist eine Verbindung von zwei Fettsäuren, der Cholsäure und Chole3nsäure, mit Natron, also eine wirkliche, von der Natm gebildete Seife, welche gleich den übrigen Seifen sich neutral oder schwach alkalisch verhalt. Die Galle enthält 82 bis 92 Procent Wasser und einen krystallisirbaren, fettartigen Stoff, Cholesterin genannt, der sich mitunter in Ernährungsorgane; Verdauung. 349 Gestalt der sogenannten Gallensteine ausscheidet. Man schätzt die Menge der vom Menschen täglich abgesonderten Galle auf ungefähr 3 Pfund. Auch bei der Galle ist der Antheil, welchen sie an der Verdauung nimmt, noch nicht hinreichend aufgeklärt; man hat bei Hunden dem Abfluß der Galle , künstliche Wege geöffnet, so daß sie nicht in den Darm treten konnte und diese Entziehung der Galle erwies sich ohne weitere nachtheilige Folgen, als daß eine stärkere Nahrung gereicht werden mußte« Man ist der Ansicht, daß der Nutzen der Galle hauptsächlich in der Beförderung der Aufnahme der Fette bestehe, sowie daß durch ihre Gegenwart der Eintritt der Fänlniß des Darminhaltes verhindert werde. Die Leber ist das Organ, welches die Galle absondert und in der Gallen- 63 blase ansammelt. Ihre Größe ist sehr betrachtlich, und sie bildet mit ihren beiden Lappen das umfangreichste aller Eingeweide, welches beim Menschen im Durchschnitt ^ des Körpergewichts ausmacht und 3 bis 4 Pfund wiegt. Die Masse der Leber besteht aus einer Zusammenhaufung kleiner und fester körniger Theilchen, in welche eine Menge von Blutgefäßen sich verlaufen und woraus kleine Kanälchen entspringen, welche die Galle absondern. Die Leber ist demnach ein sehr blutreiches Organ und hat eine dunkel rothbraune Farbe. Diese Blutmasse wird hauptsächlich durch die sogenannte P f o r t a d e r geliefert, welche der Leber von allen Eingeweiden der Bauchhöhle dunkelrothes Blut zuführt, aus dem die Galle bereitet wird. Eigenthümlich erscheint es, daß die Leber Zucker enthält, dessen Menge 1 bis 2 Procent beträgt. Mehreren Thieren, wie dem Pferde, Hirsche, fehlt die Gallenblase, obwohl sie Galle absondern. Nach der Beimischung der Galle besteht Speisebrei aus zwei Theilen, aus M einem festen und einem flüssigen. Das Feste ist zur Aufnahme in den Körper nicht geeignet und wird später aus demselben entfernt. Der flüssige Theil dagegen enthalt alle für dm Körper verwendbaren Stoffe, die in den Speisen enthalten 'waren, aufgelöst und wird daher Nahrungssaft oder Milchsaft (Oli^inä) genannt. Er ist ungefärbt, und indem wir seine Zusammensetzung bei der Betrachtung des Blutes näher kennen lernen, sei hier n n bemerkt, daß er, abgesehen von der Farbe, mit diesem die größte Uebereinstimmung zeigt. Der Inhalt, des Zwölfsingerdarmes gelangt allmälig in den D ü n n d a r m , 63 der eng, lang und vielfach gewunden ist, so daß der Weg durch denselben erst nach längerer Zeit zurückgelegt wird« Sein vorderer Abschnitt heißt Leerdarm («sOjunnm)^ der nachfolgende K r u m m d a r m (Ii6nm). Die Weiterschiebung dcö Darminhaltes geschieht durch eine eigenthümliche, krümmende Bewegung der Gedärme selbst, die beständig stattfindet und wurmförmige (pcnstaltische) Bewegung genannt wird. Das Geschäft der Verdauung wird auch in diesem Theile der Eingeweide noch fortgesetzt, indem deren Schleimhäute den D a r m s a f t ab« sondern, der sich gleich dem Magensaft als ein Lösungsmittel der Eiweißstoffe erweist. Gleichzeitig mit der bereits im Magen beginnenden Verdauung tritt aber 350 Zoologie. I. Physiologischer Theil. auch schon die E i n s a u g u n g der gelösten Stoffe ein. Sie beruht wesentlich auf den Gesetzen der Endosmose (s. Physik §. .31 und Botanik §. 89), nämlich auf dem Bestreben zweier Flüssigkeiten von ungleicher Dichte, die durch eine für sie durchdringliche Haut getrennt sind, zwischen sich einen Zustand des Gleichgewichtes herzustellen. Es kann daher überall, wo die Verzweigungen der Blutgefäße, die Adern mit den Nahrungssäften in Berührung kommen, also . bereits im Magen, ein Uebertritt gewisser Stoffe in das Blut stattfinden. Vornehmlich geschieht jedoch die Einsaugung auf dem Wege des Speisebreis durch den Dünndarm. Dessen innere Wandung ^ist von einer Menge schwammiger Zellengebilde, den sogenannten D a r m z o t t e n , bekleidet, in welchen die feinen Verzweigungen der S a u g a d e r n oder Milchsaftgefäße sich verbreiten,' die den Nahrungssaft oder Milchsaft aufsaugen, sich durch Vereinigung verstärken und ihren' Inhalt nach der Brust hinleiten, wo alle Saugadern zu einem Hauptstamme zusammentreten, der in die Blutadern übergeht und so den Milchsaft mit dem Blute vermischt. Je weiter demnach der Speisebrei in den Gedärmen abwärts kommt, um so mehr verliert er an Nahrungssaft, und wenn er endlich in den erweiterten Theil gelangt, der G r i r y m d a r m (Oolon) (Fig. 33) heißt, so ist ihm alles Brauchbare fast gänzlich entzogen. Der Darminhalt ist letzt fester und bildet die Kothmassen, welche aus dem Körper entleert werden. ßß Nicht alle Speisen werden in gleicher Weise auf ihrem Wege durch die Verdauungsorgane verändert oder verdaut. I m Allgemeinen sind die dichteren Stoffe weniger leicht verdaulich als ähnliche Stoffe von lockerer Beschaffenheit. Nenn ein Gegenstand innerhalb einer gewissen Zeit nicht verdaut ist, so geht er mit dem Verdauten weiter, und eine Menge von Stoffen werden unverändert vom Körper wieder abgegeben; letztere tragen natürlich zur.Ernährung nichts bei, sie veranlassen vielmehr nicht selten durch ihre Gegenwart Beschwerden. Man findet daher 3 bis 5 Stunden nach der genommenen Mahlzeit den Magen vollständig leer. Die Verdaulichkeit eines Nahrungsmittels ist abhängig von den Stoffen, aus welchen es besteht, von seiner Zubereitung, sowie von der Natur der Speisen und Getränke, welche gleichzeitig mit demselben genossen werden; sie wird ferner bedingt von der Lebenskraft und dem Gesundheitszustände desjenigen, der das Nahrungsmittel zu sich nimmt. Es ergiebt sich hieraus die Schwierigkeit, ja nahezu Unmöglichkeit einer zuverlässigen Feststellung der Verdaulichkeit der Speisen. Auf de.n Grunds deshalb angestellter Versuche sowie der gewöhnlichen Erfahrung bezeichnet man als leicht verdaulich: Spargel, Hopfen, Spinat, Sellerie, das Muß verschiedener Obstarten, den Brei von Getreidekörnern, Roggen, Gerste, Reis, Mais, Erbsen, Bohnen, Kastanien, MnT^einen Tag altes Brot, Backwerk ohne Fett, weiße Rüben, Kartoffeln, Kalbfleisch, junges Hammelfleisch und Geflügel, weich gesottene Eier, Milch und in Wasser gesottenen Fisch. Minder verdauliche Substanzen, die in gleicher Zeit nur unvollständig in Vrei verwandelt werden, sind: roher Salat, als Lattich, Brunnenkressc, Cichorie, Ernähntttgsorgane; Blutumlauf. K55 Weißkraut, rohe und gekochte Zwiebeln, Meerrettig, rothe und gelbe Rüben, trockenes, Kernobst, frisches Brot, Feigen, Pasteten. Schweinfleisch in jeder Form, gekochtes Blut, Käse, hartgesottene Eier und Eierkuchen. Gegenstände, die innerhalb der gewöhnlichen Zeit nicht verdaut werden, welche folglich als schwerverdaulich bis unverdaulich bezeichnet werden müssen, sind: die eßbaren Schwämme, sämmtliche Nüsse und Kerne aller Obstarten, die Oele und Fette von Pflanzen und Thieren, trockene Nosiuen, die Samenhäute der Bohnen, Erbsen, Linsen, des Roggens, der Gerste, die Hülfen der Bohnen und Erbsen, die Haut der Kirschen und sämmtlicher übrigen Obstarten, sowie die Schalen derselben die häutigen und sehnigen Theile jedes Fleisches, der Knorpel und die Knochen. Die erwärmten Speisen sind leichter verdaulich als die kalten, da letztere die Wärme des Magens vermindern, welche die Auflösung sehr begünstigt. 2. OrAANG 6.S8 N1rz.tiiNia.uFs8. Die Organe des Vlutumlaufes heißen Gefäße. Sie bestehen aus wal- 6? zenförmigen Röhren, welche stets eine Flüssigkeit enthalten, unter einander im Zusammenhange stehen und so das Gefäßsystem bilden. Je nach der Beschaffenheit ihres flüssigen Inhaltes werden die Gefäße verschieden benannt, nämlich: Schlagadern, wenn derselbe hellroth, B l u t adern, wenn der Inhalt dunkelroth gefärbt ist, und endlich S a u g ädern, wenn derselbe keine Farbe besitzt. Die rothgefärbte Gefäßftüssigkeit wird B l u t genannt. Der Zweck des Blutumlaufes erweist sich im Wesentlichen als ein drei- 6 8 facher. Erstlich werden durch denselben die von der Verdauung dem Körper zur Verwendung gelieferten Stoffe nach allen Theilen desselben hinbefördert. Sodann nimmt das Blut diejenigen Theile aus den verschiedenen Organen hinweg, welche abgenutzt und daher den Zwecken jener Organe nicht mehr dienlich find; drittens dient das Blut zur Verbreitung einer gleichmäßigen Wärme durch den ganzen Körper. Das Blut. Man schlägt die Menge des im menschlichen Körper enthaltenen Blutes 6 9 zu ein Fünftel von dessen Gewicht an, und im Körper des Erwachsenen befinden sich hiernach 24 bis 30 Pfund Blut. Das Blut ist eine undurchsichtige, lebhaft roth gefärbte Flüssigkeit von 1,06 specif. Gewicht; seine Temperatur ist gleich 30"R. oder 37,5« C. Es besiehtzum größeren Theile aus Wasser, in welchem die folgenden Stoffe i n nebenstehendem Verhältnisse enthalten sind: 352 Zoologie. I. Physiologischer Theil. 100 Thle. enthalte: Bestandtheile des Blutes. Waffer . Blutkörperchen. Faserstoff . . . . . « . . - . Eiweiß Salze . . . . . . . . .... Fett 78,2 13,5 ' 0,3 6,7 0,9 0,4 100,0 Diese Zahlen drücken die Durchschnittsverhältnisse aus, nach welchen jene Stoffe im Blute enthalten find, denn je nach Alter, Lebensweise und Gesundheitszustand verändern sich dieselben mehr oder weniger. Neben den erwähnten Bestandtheilen enthält das Blut eine geringe Menge von Zucker, die noch nicht i/ioo Procent beträgt; auch mögen in kleinerem Verhältnisse noch andere organische Stoffe in demselben enthalten sein, wie z. B die Anwesenheit von Harnstoff und Gallenftoffen einerseits behauptet, andererseits bestritten wird. Das im Blut enthaltene Fett schwimmt im erkalteten Blut in Gestalt kleiner Tröpfchen. Von den Salzen des Blutes macht das Kochsalz ^ aus; das Uebrige besteht aus anderen Natronsalzen und phosphorsaurer Kalkerde und Magnesia. Außer den festen und flüssigen Bestandtheilen sind in dem Blute mehrere Luft« arten enthalten, nämlich S a u e r s t o f f g a s , Stickstoffgas und Kohlensäure. 7« Durch das Mikroskop betrachtet erscheint das Blut als eine klare, blaßgelbe Flüssigkeit, in welcher eine außerordentlich große Menge kleiner rother Körperchen herumschwimmen, die ihm seine rothe Farbe ertheilen und B l u t körperchen genannt werden. Es ist zu bemerken, daß der rothfärbende Stoff des Blutes, H ä m a t i n genannt, 6,6 Procent Eisen enthält, dessen Gesammtmenge im Blute ungefähr 1/2 Loth beträgt. Die Blutkörperchen haben die Gestalt von kleinen, an ihren Seitenstächm etwas vertieften Scheiben, Fig. 34 A d . die sich bei Gerinnung des Blutes häufig geldroUenartig zusammenlegen (i?). Die Blutkörperchen des Frosches sind beträchtlich größer, länglich,rund und in der Mitte verdickt (^.). Auf den Grund von Beobachtungen schätzt man den mittleren Durchmesser eine's"1VIütkörperchens des Menschen auf V140 Millimeter und die Menge derselben in 1 Kubikmillimeter auf 5 Millionen. Diese Anzahl vermindert sich beträchtlich nach stattgefundenem Aderlassen. I m ausgetretenen Blute findet mm nach einiger Zeit mikroskopische Krystalle Grnähnmgsorgane; Blutumlauf. 353 von gelber bis braunrother Farbe; ähnliche Bildungen entstehen, wenn man Lust oder Sauerstoff durch Blut leitet, oder wenn man dieses mit organischen Säuren, z. B. Essigsäure, gelinde erwärmt und verdunstet. Diesen krystallinischen Blutfarbstoffen hat man die Namen H ä m a t o k r y f t a l l i n und H ä m i n gegeben. Man benutzt ihre Bildung zur Unterscheidung der Blutstecken von anderen, ähnlichen Flecken. Neben den rochen Blutkörperchen finden sich im Blute auch farblose, sogenannte Lymphkörperchen, und zwar in dem Verhältniß, daß deren eins auf 350 bis 400 farbige Körperchen kommt. ' Da dem Blute durch die Lymphe (f. §« 75) fortwährend Körperchen zugeführt werden, so würde ihre Anzahl stets zunehmen, indem die Wände der Adern denselben keinen Durchgang gestatten. Es muß also in gleichem Maße eine Auflösung der älteren Körperchen stattfinden. Läßt man frisches Blut eimge Zeit ruhig stehen, so gerinnt es, d« h. es scheidet sich in zwei Theile, nämlich einen festen, oben schwimmenden, der Vlutkuchen heißt, und in einen blaßgelblich gefärbten, sogenanntes B l u t wasser. Es beruht dies darauf, daß der Faserstoff (s. Chemie §. 198) des Blutes 7 1 beim Erkalten desselben in Flocken gerinnt und dabei die Blutkörperchen aufnimmt, so daß beide den dunkelroth gefärbten Blutkuchen bilden, der auf dem farblosen Blutwasser schwimmt. Wenn man das frische Blut stark umrührt, so gerinnt zwar der Faserstoff ebenfalls, allein er kann alsdann die Körperchen nicht aufnehmen. Das Blut behält daher seine rothe Farbe und verliert die Eigenschaft zu gerinnen. Der Faserstoff an und für sich ist ungefärbt und hängt sich in Gestalt weißer Fäden an einen kleinen Besen, mit welchem man das Blut schlägt. Die Gerinnung des Blutes verzögert sich, wenn demselben Alkalien und Salze, vorzüglich kohlensaures oder schwefelsaures Natron, zugesetzt werden« Wenn das klare Blutwasser Zum Sieden erhitzt wird, so gerinnt das darin befindliche E i w e i ß (s. Chemie §. 197). Daher wird alles Blut beim Kochen fest, wie wir dies an den Blutwürsten sehen« Vermischt man Blut mit einer Flüssigkeit, die durch kleine getrübt ist, und erhitzt zum Sieden, so nimmt das gerinnende Eiweiß des Blutes jene trübenden Theilchen auf und die Flüssigkeit wird dadurch vollkommen klar« I n den Zuckerfabriken benutzt man deshalb häufig das Blut zum Klaren. Wir sehen demnach im Blute alle Stoffe enthalten, woraus die verschiede- 72 nen Theile des menschlichen Körpers bestehen, nämlich Faserstoff und Eiweiß, welche Muskel und Häute bilden, den phosphorsauren Kalk, der die Knochenmasse ausmacht, das Fett und die übrigen Stoffe, die in geringer Menge erforderlich sind, da sie nur kleinere Theile unseres Körpers darstellen« Daher ist denn das Blut die wahre Ernährungsflüsstgkeit unseres Körpers, und wir können mit Bestimmtheit sagen, daß jeder Theil desselben aus Blut entstanden, daß e? früher flüssig gewesen ist. II- , 23 354 Zoologie. I. Physiologischer Theil« Damit aber das Blut seinem Zwecke, überall neue Theile zu bilden, entsprechen könne, muß es in bestandiger Bewegung befindlich an jede Stelle des Körpers gelangen können, und es geschieht dieses durch die verschiedenen Adern, welche zusammen das Gefäßsystem bilden, 1« S c h l a g a d e r n oder A r t e r i e n . 73 Die Schlagadern sind Rohren, deren Wände eine große Elasticität besitzen und nicht zusammenfallen, wenn sie entleert werden. Sie entspringen aus dem Herzen (s. Fig. 35), welches ein hohler, in der Brusthöhle liegender Muskel mit mehreren Abtheilungen ist« Als Inhalt der Schlagadern finden wir lebhaft hellroth gefärbtes Blut, und es ist ihre Bestimmung, dasselbe nach allen Punkten des Körpers hinzuleiten. Daher theilt sich ein aus der linken Herzkammer aufsteigender HauptSchlagaderstamm, A o r t a genannt (s.Fig. 35 u. 39), sogleich in mehrere Hauptäste« Als solche steigen nach dem Kopfe die zu beiden Seiten des Halses liegenden rechte und linke Drofselschlagader; nach den Armen gehen die rechte und linke A r m - S c h l a g a d e r oder Schlüssel-Schlagader. D a , wo diese Aestc aus dem Hauptstamme entspringen, macht dieser einen Bogen und wendet sich abwärts, an verschiedenen Stellen mehr oder minder starke Zweige nach den verschiedenen Eingeweiden sendend, bis ersichin der Hüftengegend in die beiden Schenkel-Schlagadern theilt. Jeder der genannten Aeste theilt sich wieder in Zweige und diese theilen sich abermals, so daß die Schlagadern endlich in so feine, unter einander netzartig sich verbindende Röhrchen sich verlieren, daß dieselben nur durch das Vergrößerungsglas deutlich erkennbar sind uZd deshalb H a a r g e f ä ß e (Capillargefäße) genannt werden. Diese gehen unmittelbar in die Blutadern über. Die stärkeren Schlagadern liegen mehr an der inneren Seite der Glieder, meistens etwas tief unter der Haut und ziemlich geschützt. D a , wo sie der Oberflache näher liegen, läßt sich die in denselben stoßweise stattfindende Blutbewegung äußerlich fichtbar wahrnehmen als eine kleine Erschütterung der nahe« liegenden Theile, was namentlich bei den Drosseladern am Halse der Fall ist. Noch deutlicher empfindet man diese Bewegung als leichten Schlag, wenn man mit dem Finger gelinde auf eine der Oberfläche nahe liegende größere Schlage ader drückt, wie dies beim Pulsfühlen gewöhnlich an der Puls-Schlagader in der Gegend d^r Handwurzel geschieht. Verletzungen der größeren Schlagadern sind sehr immer mit lebhafter Gewalt vom Herzen in dieselben getrieben wird und dadurch leicht Verblutungen entstehen« Bei Unglücksfällen der Art ist bis zum Eintritt ärztlicher Hülfeleistung vor Allem durch geeignetes Zusammendrücken oder Unterbinden einer oberhalb der Wunde liegenden Stelle das Zuströmen des Blutes nach letzterer zu verhindern. Ernährungsorgane; Blutumlauf. 355 2. D i e B l u t a d e r n oder V e n e n . Auch die Blutadern oder Venen sind röhrenförmige Kanäle, welche jedoch 74 schlaffer find als die Schlagadern und im leeren Zustande zusammenfallen. Sie entspringen als unendlich zahlreiche haarfeine Röhrchen aus den letzten Verzweigungen der Schlagadern, welche demnach unmittelbar in Blutadern übergehen. Diese haardünnen Venen vereinigen sich alsbald zu stärkeren Zweigen, diese zu einigen Hauptästen, welche endlich in zwei Hauptstämme, die Hohl«, ädern genannt, sich ergießen, die das B l u t durch die rechte Vorkammer ins Herz zurückführen (s, Fig. 35). Das in den Venen befindliche B l u t hat eine dunklere Farbe als das der Schlagadern. Obgleich die ungleiche physiologische Bedeutung der in den verschiedenen Gefäßen enthaltenen zweierlei Blutmaffen erwiesen ist, so ist ein Unterschied in ihrer Zusammensetzung bis jetzt genau nicht festgestellt. Das Schlagaderblüt soll reicher an Blutkörperchen, Wasser, Faserstoff und Salzen sein, das Venenblut dagegen mehr Eiweiß und Fette führen. Die vom Herzschlag herrührendestoßweiseBewegung des Blutes verschwindet in den Haargefäßen und läßt sich daher in den Venen nicht als Schlag wahrnehmen. Mehrere derselben liegen der Oberfläche der Haut ziemlich nahe, so daß die größeren mit blauer Farbe durchschimmern« Verzögert man dm Rücklauf ihres Inhaltes nach dem Herzen, so schwellen sie außerordentlich an» wie dies oft deutlich an den über den Rücken der Hand hinlaufenden Venen sichtbar ist. Ein nicht allzugroßer, der Länge nach in eine Vene gemachter Einschnitt schließt sich ziemlich leicht und schnell wieder, so daß beim Aderlassen mit einem scharfen spitzen Messer, Lanzette genannt, die im inneren Armgelenke herziehende ziemlich große Vene geöffnet und dadurch dem Körper eine beliebige Menge Blut entzogen werdest kaun« Ein leichter Verband reicht hin, um die Oeffnung wieder zu schließen, 3. D i e L y m p h g e f ä ß e u n d Saugadern« Fast in allen Theilen des Körpers, sowohl unter der Haut als auch tiefer 7 5 liegend, findet man die Lymphgefäße. Diesen Namen erhält ein System von sehr dünnwandigen, durchscheinenden Kanälen, die i n außerordentlich feinen Verzweigungen im Inneren verschiedener Organe entspringen« Dieselben sind unter einander vielfach verzweigt und vereinigen sich, ^ wehr sie von ihrem Ursprünge sich entfernen, zu stärkeren Stämmen, die sich zuletzt an mehreren Stellen in Venen ergießen. I n ihrem Inneren enthalten die Lymphgefäße eigenthümliche Klappen, welche der Flüssigkeit nur eine Bewegung gestatten, dis sie dem Herzen zuführt. Der Inhalt der beschriebenen Gefäße, die L y m p h e , ist in der Regel schwach gelblich gefärbt, durchsichtig, und durch das Mikroskop entdeckt man i n 23" 356 Zoologie. I. Physiologischer Theil. derselben ungefärbte rundliche Körperchen, die jedoch etwas kleiner erscheinen als die Blutkörperchen. Ihre Dichte ist 1,01, dasiewässeriger ist als das Blut; sie gerinnt, indem sie Eiweiß und außerdem Salze enthält. Diese Lymphe ist es, welche alle Weichtheile unseres Körpers durchdringt und vornehmlich ihren aufgequollenen Zustand bedingt. Alle vom Blute zur Neubildung von Körperteilen abzugebenden Stoffe scheinen der Vermittelung der Lymphgefäße zu bedürfen, deren Endverlauf ihrer äußersten Feinheit wegen nicht festgestellt ist. Umsatzgebilde und nicht verwendete Stoffe kehren dann mit der Lymphe zum Blut wieder zurück. , Eine besondere Aufgabe haben diejenigen Lymphgefäße, welche ihren Ursprung in den Gedärmen nehmen. Es wurde bereits im § . 6 5 einer Menge von schwammartigen Zellengebilden erwähnt, welche längs des Dünndarms angetroffen werden« Aus diesen entspringen als feine Kanäle, die bald sich vereinigen, zahlreiche Lymphgefäße, deren Verrichtung in nächster Beziehung zum Geschäft der Verdauung steht. Denn untersucht man den Inhalt dieser Gefäße während der Verdauung so ist derselbe trüb und weißlich gefärbt, von milchigem Ansehen, daher der Hauptstamm, in welchem alle diese Lymphgefäße zuletzt sich vereinigen, der Brustmilchgang heißt, weil er, längs der Wirbelsäule hinaufsteigend, oben in der Brust, gerade an der Stelle, wo die linke Drosselvene mit der Schlüffelvene sich vereinigt, in das System der Adern übertritt und seinen Inhalt dem Blute beimischt. Diese Lymphgefäße saugen den durch die Verdauung erzeugten Nahrungssaft (Ob^Iu.8) auf, daher diese Kanäle auch ^ a u g a d e r n genannt werden; sie verzweigen sich zuerst in dem die Gedärme umgebenden Gekröse und sammeln sich aus diesem in dem Brustmilchgange. Der von den Saugadern aus den Gedärmen aufgenommene milchige Saft unterscheidet sich durch seinen reichlichen Gehalt an Fett wesentlich von der übrigen Lymphe. Derselbe wird in seinem weiteren Verlauft mehr und mehr dem Blute ähnlich. Kurz vor seinem Uebertritt in die Adern hat der Milchsaft eine* blaß röthliche Farbe, die sich erhöht, wenn er dem Einflüsse der Luft ausgesetzt wird, und ähnlich wie das Blut gerinnt diese milchige Lymphe, sobald sie erkaltet. Man kann dieselbe daher mit Recht als ungefärbtes Blut bezeichnen, und bei der größten Zahl der wirbellosen Thiere ist der Inhalt der Gefäße, also das B l u t , stets ungefärbt. K r e i s l a u f des B l u t e s . 76 ^—^ Der Mittelpunkt, von welchem alle Blutbewegung ausgeht, ist das Herz. Fig. 35 stellt dessen Durchschnitt dar, welcher der Deutlichkeit wegen etwas vereinfacht ist. Wie man sieht, ist das Herz der Länge nach durch eine Scheidewand s in die rechte und linke Herzkammer K'k und l/o gethM, und ftde dieser hat wieder eine Vorkammer K'nA und l n k , die vMch eine Klappe w abgeschieden ist, so daß jede Herzkammer mit ihrer Vorkammer in Verbindung treten kann° Ernährungsorgane; Blutmnlanf. 357 Das Herz ist ein hohler Muskel, der die Fähigkeit besitzt, sich zusammenzuziehen, wodurch der Umfang seiner inneren Höhlung vermindert wird. Denken wir uns diese mit Blut angefüllt, so wird dasselbe mit Gewalt' in die Oeffnungen der Röhren gepreßt, welche in das Herz münden. Deren sind, WMN, wie dies bei unserer Abbildung geschehen ist, von einigen der kleineren abgesehen wird, nicht weniger als acht. Allein das Blut tritt beim Zusammenziehen des Herzens nicht in alle, sondern nur in zwei derselben. Der Grund hiervon ist in dem Vorhandensein der an der Mündung der Hauptschlagadern sowie in den Blutadern befindlichen sogenannten K l a p p e n zu suchen, die ähnlich wie die Ventile an Pumpen sich öffnen, wenn die drückende Flüssigkeit von der einen Seite kommt, wie bei Fig. Z 6 , dagegen sich verschließen, wenn eine Flüssigkeit von'entgegengesetzter Richtung herkommt, Fig. 37. Beim Zusammenziehen 'des Herzens öffnet sich nur die Klappe nach den Schlagadern er und ?sel, während die der Venen /z<H und iei, welche die entgegengesetzte Stellung haben, sich verschließen. Die Zusammenziehung des Herzens kann jedoch, wie die eines jeden Muskels, nur eine gewisse Zeit laug dauern, nach welcher es sich wieder ausdehnt. Sobald dies geschieht, schließen sich die Klappen der Schlagadern, während gleichzeitig die der Venen sich öffnen, durch welche das Blut in das Herz wieder zurückkehrt. Wir erblicken in Fig. 38 (a. f. S.) das menschliche Herz in s/g seiner natürlichen Größe von der Hinteren Seite abgebildet. Dieselbe Abbildung zeigt uns zugleich die über das Herz sich verbreitende Kranzschlagader n o , welche dessen eigene Ernährung besorgt. Aus den Verhältnissen des Blutumlaufs läßt sich erschließen, daß eine jede der vier Abtheilungen des Herzens eine gleiche Blutmenge aufzunehmen vermag, welche ungefähr 125 Gramme beträgt. Die Kraft, mit welcher das sich zusammenziehende Herz das Blut in die großen Schlagadern treibt, ist eine beträchtliche, und nach Beobachtungen an Thieren, die auf ähnliche Größen beim Menschen schließen lassen, ist der Druck des Blutes im Stande, einer Quecksilbersäule von 150 bis 160 Millimeter das Gleichgewicht zu halten. Es wechseln auf diese Weise fortwährend die Zusammenziehung oder S h - 77 stole und die Ausdehnung oder Diastole des Herzens mit einander ab. und das Ohr, entweder auf die Brust oder an ein Hörrohr, S t e t o s k o p , gelegt, ver- 358 Zoologie. I . Physiologischer Theil. nimmt eigenthümliche sogenannte Herztöne/welche den Bewegungen der Herz. klappen entsprechen; man ist hierdurch im Stande, Unregelmäßigkeiten zu erkennen, welche auf Fehler oder krankhafte Zustände des Herzens schließen lassen. Eine weitere Folge der Herzbewegung ist der Herzstoß oder Herzschlag. I m Durchschnitt macht dasHerz in einer Minute«70 Schläge, die entweder in der Herzgegend der Brust von Außen deutlich fühlbar sind, oder, in Folge der stoßweisen Fortpflanzung der Blutwellcn nach entfernteren Theilen, noch genauer durch die entsprechende Anzahl des Pulsschlages beobachtet werden können. Bei Kindern, sodann in aufgeregtem Zustande des Menschen, oder in manchen Krankheiten, vorzugsweise bei Fiebern, steigen die Pulsschlage, bis über 100 in der Minute. Vom fünfzigsten Lebensjahre an nimmt die Anzahl der Pulsschläge etwas zu und beträgt im hohen Alter 75 bis 79 Schläge in der Minute. Das Herz verrichtet gleichzeitig Zwei Geschäfte, indem es erstlich zur Ernährung gea Rechte Kammer, eignetes Blut nach allen Punkten des Körpers l» Linke Kammer, hinsendet und von diesen dunkelrothes Blut o Rechte Vorkammer, ck Linke Vorkammer. wieder empfängt, und zweitens ^ indem es das dunkelrothe Blut nach der Lunge treibt, wo / 5 Untere Hohlveue letzteres mit der Luft in Berührung kommt und /i Obere Hl)l>!vcue. wieder hellroth wird. Das erstere Geschäft wird als großer Kreislauf, das letztere als kleiner i m Luugmvene. n o Kranzschlagcldern. Kreislauf bezeichnet. Fg?'se Aorta u. Verzweigungen derselben. Der große K r e i s l a u f des Blutes wird 78 von der linken Abtheilung des Herzens besorgt. Bei dessen Zusammensetzung ttitt aus der linken Herzkammer hellrothes Blut in die Aorta K Flg. 39 und verbreitetsichdurch deren Aeste nach allen Richtungen» Beim Ausdehnen des Herzens kehrt dieses auf seinem Wege durch die Venen dunkelroth gewordene Blut durch die beiden Hohladcrn A a in die rechte Vorkammer zurück und geht von da in die rechte Herzkammer» Der kleine K r e i s l a u f des Blutes findet zwischen Herz und Lunge und 79 zwar gleichzeitig mit dem großen Statt und geht von der rechten Herzkammer aus. Diese entsendet nämlich das in ihr enthaltene dunkelrothe Blut durch die in zwei Aeste sich theilende Lungenschlagader ?sa nach den beiden Lungenflügeln. Dehnt sich hierauf das, Herz wieder aus, so kehrt aus der Lunge das hellrothe Blut durch die Lungcnvenen ^ in die linke'Vorkammer zurück und gelangt von dieser in die darunter liegende linke Herzkammer, um von da bei der nächsten Zusammenziehung den großen Kreislauf anzutreten. Ernährungsorgane; Blntmnlauf. 359 Wir haben in der Fig. 35 u. 39 diejenigen AbtheiluWM des Herzens und die Aderstämme, welche hellrothes B w t führen, durch rothe Farbe und die anderen, welche dunkelrothes Blut enthalten, durch blaue Farbe ausgezeichnet, und fügen zur Erläuterung des Blutumlaufs noch ein sogenanntes schematisches Bild in Fig. 40-hinzu« Bei Betrachtung des Kreislaufes ist stets festzuhalten, daß Gefäße, welche Blut vom Herzen hinwegführen, A r terien oder Schlagadern, und solche, die es zum Herzen zurückleiten, Venen genannt werden. Die Verzweigungen bei ^ und ? sollen den Uebergang der haarfeinen Schlagadern in Venen vcrsinnlichcn. Es wurde bereits in §. 63 angeführt, daß alle vom Magen und den übrigen Eingeweiden der Bauchhöhle das Blut zurückführenden Haargefäße sich in eine Vene vereinigen, welche die P fort ad er genannt wird, und eine besondere Eigenthümlichkeit darbietet. Anstatt einfach ihren Inhalt in die Hohlvene Zu ergießen und ihn so direct ins Herz zurückzubringen, verzweigt sich die Pfortader in ein durch die ganze Leber sich verbreitendes Haargefäßnetz, gleichzeitig mit der Leberschlagader« Die B i l dung und Abscheidung der Galle ist das Ergebniß dieses sogenannten P f o r t a d e r k r e i s l a u f e s , worauf dann die aus der Leber tretenden Lebervenen vorherrschend dunkelrothes Blut der Hohlvene zuführen. So sehen wir, denn die Blutmasse unseres Ost Körpers in beständiger Bewegung und abwechselnd den großen und kleinen Kreislauf zurücklegend. Auf die Geschwindigkeit, mit welcher die Blutmasse ihre Bahnen durcheilt, machen sich die verschiedensten Einflüsse geltend, welche jedoch alle den Gesetzen für die Bewegung der Flüssigkeiten in Röhren aö Neckte Vorkammer. unterliegen. Hierbei ist besonders zu berücksichti<: N,cä'te Kammer. gen, ob der Querschnitt eines Gefäßrohrs mehr 6<? üwke Vorkammer. / Linke Kammer. oder weniger Flüssigkeit aufzunehmen vermag, als <7 öimgen'chlagader 5 Haargefäße der Lunge. die Summe der Querschnitte der Hefte, Zweige i Lungenvene. oder Haarröhren, in welche dasselbe sich theilt oder H Aurta. i Haargefäße der Körper« welche zu denselben sich vereinigt haben. Die Erorgane. gießung in ein weiteres Strombett veranlaßt eine 360 Zoologie- I . Physiologischer Theil. Verlangsamung der Bewegung; die Stauung in einem engeren Kanal vermehrt die Geschwindigkeit der Flüssigkeit. Nach Versuchen an Thieren schätzt man die Geschwindigkeit der Blutbewegung i n der Aorta auf ^/<> Meter in der Secunde; sie vermindert sich in den kleineren Gefäßen und in den Haargefäßen machen die Blutkörperchen i n derselben Zeit einen Weg von ^/ly bis ^/Z Millimeter. I n den Venen wächst die Schnelligkeit des Blutlaufes von den Zweigen nach den Stämmen hin. Theils nach Versuchen an Thieren, theils nach Berechnungen kann angenommen werden, daß die Kreislaufdauer, d» h. die Zeit, welche erforderlich ist, um die ganze Blutmenge des menschlichen Körpers herumzutreiben, ungefähr 1 Minute beträgt. Die Entdeckung des Kreislaufs, die mit zu den wichtigsten der über unsere Lebenserschemungen gemachten gehört, verdanken wir dem Engländer Harvey (1619). " Die unmittelbare Umkehrung der feinsten Verzweigungen der Schlagadern in die Haargefäße der Venen läßt sich mittels des Mikroskops an der durchsichtigen Haut anstellen, welche zwischen den Zehen des Frosches sich befindet (s. Fig. 19, ch. M a nsiehtda in der That die Blutkörperchen durch die Haargefäße sich bewegen und aus den Schlagadern in die Venen übertreten. Der Kreislauf der Säugethiere und Vogel stimmt mit dem Geschilderten ganz überein. Einfacher Malten sich diese Verhältnisse bei den Amphibien, Fischen und den niederen Thieren. . 3. . D i s OeUans äSG H.td.mGTi3» 81 Als Organe der Athmung bezeichnen wir die Lunge und die mit ihr zusammenhängenden Kanäle, welche zu und von derselben führen, Fig. 41« 5 Arm-Vene. <? Arm-Ecl'lagader. ci Hals-Vene. e Trosse!-Schlagader. / Drossel-Schlagader. «? Hals «Vene. « Arm-Schlagader. F Luftröhre. m Arm-Vene, , a Aorta. H« Hoblader. 7-H" Rrchte-HsMk-ammer. iH Linke Herzkammer. ?"VH Rechte Vorkammer. (vergl. ß. 76 und 78) EmshtlMgsörgMtö; AthmnnA 361 Die Masse der Lunge besteht ans den höchst feinen Verzweigungen dreier röhrenartiger Kanäle, wovon der erste die L u f t r ö h r e , der zweite die Lungenschlagader, der dritte die Lungenvene ist. Sie stellt ein sehr umfangreiches Organ dar, welches aus zwei ziemlich gleichen Lappen oder Flügeln besteht, die von beiden Seiten das Herz umgeben und mit diesem die Brusthöhle ausfüllen; ihr Gewicht beträgt etwas über 2 Pfund. Es ist die Bestimmung der Lunge, das durch die Lungenschlagader in dieselbe eingetretene dunkelrothe Blut mit der Luft in Berührung zu bringen. Die L u f t r ö h r e ?, die in den Mund sich öffnet und durch diesen auch mit 82 der Nase in Verbindung tritt, besteht aus ungefähr zwanzig harten knorpeligen Ringen, die durch Haut mit einander verbunden sind. Am oberen Theile derselben befindet sich der Kehlkopf, und hier öffnet sich die Luftröhre durch eine Spalte, welche S t i m m r i t z e heißt, in den Schlund« Damit jedoch beim Hinunterschlucken der Speisen und Getränke diese nicht durch jene Oeffnung in die Luftröhre gerathen, befindet sich oberhalb der Stimmritze eine Art von knorpeliger Klappe, Kehldeckel genannt, der beim Schlucken die Oeffnung verschließt. Er öffnet sich dagegen beim Athemholen, Sprechen, Lachen u. f. w., daher es denn nicht selten der Fall ist, daß beim Sprechen während des Essens Körperchen in die Luftröhre gerathen, wo sie einen krampfhaften Neiz oder Husten verursachen, durch welchen sie endlich aus der Luftröhre wieder ausgeworfen werden. I n der Brust theilt sich die Luftröhre in zwei Hauptäste, und diese verzweigen sich in der Lunge immer mehr und mehr und endigen zuletzt in kleine lufterfüllte Bläschen, welche von den feinsten Verzweigungen der in die Lunge gehenden Adern umgeben sind. Auf diese Weise ist die. Lunge ein sehr luftreiches Organ, das, wenn es aus einem Thiere genommen und durch Entleerung zusammengefallen ist, wieder zu seinem ganzen Umfange sich aufbläht, wenn man Luft durch die Luftröhre in dieselbe einbläst. Das A t h m e n findet Statt, indem besondere Muskeln die Brusthöhle aus- 83 dehnen, so daß durch die Luftröhre eine gewisse Menge Luft von außen in den dadurch innerhalb der Brusthöhle entstandenen luftverdünntm Raum tritt. Ziehen die Muskeln der Brust sich zusammen, so entweicht auf demselben Wege eine der Raumverminderung entsprechende Menge von Luft. Man hat sich große Mühe gegeben, die Kapacität der Lunge, d. h. die Luftmenge zu ermitteln, welche sie aufzunehmen vermag. Alter, Geschlecht, Körperbau und Lebensweise haben hierauf bedeutenden Einfluß und es ist nur als ein Mittelwerth anzusehen, wenn angegeben wird, daß die Lunge des Mannes 3660 Kubikcentimeter und die der Frau ^ y weniger enthält. Der Druck, welchen die beim Ausathmen aus der Lunge tretende Luft ausübt, läßt sich messen, wenn man denselben vermittelst einer passenden Vorrichtung auf eine Quecksilbersäule wirken läßt. Es zeigt sich alsdann, daß beim gewöhnlichen ruhigen Athmen dieser Druck n m 1 bis 3 Millimeter Quecksilber hebt; tiefere Athemzüge geben 5 bis 10 Millimeter. Beim Ausathmen mit vollster Kraft kann die Säule auf 200 bis 300 Millimeter gehoben werden« 362 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Beim Ausathmen wird nicht alle Luft aus der Lunge entfernt; es bleibt ein Rückstand, die sogenannte R e s i d u a l l u f t , deren Menge durchschnittlich 3 Liter*) beträgt. Die Durchschnittsmenge der bei gewöhnlichem Athmen vom erwachsenen Manne ausgeathmeten Luft beträgt ungefähr 500 Kubikcentimeter oder l/g Liter, und zu einer vollständigen Lufterneuerung sind etwa 6 Athemzüge erforderlich. Die Anzahl der Athemzüge beträgt beim Erwachsenen 12 bis 18 in der Minute und ist bei Kindern größer. Auf 3 bis 4 Herzschläge kommt durchschnittlich 1 Athemzug. Das Aus- und Einströmen dir Luft beim Athmen erzeugt dasAthmungsgeräusch, und es lassensichdurch Anlegung des Ohrs sowie durch den beim Anklopfen auf verschiedene Theile der Brust entstehenden Ton für die Heilkunde wichtige Schlüsse auf den Zustand der Lunge machen« V e r ä n d e r u n g des B l u t e s durch das Athmen, 84 Wir haben in Z. 78 gesehen, daß das Blut nach Vollendung des großen Kreislaufes durch die Hohlader in die rechte Vorkammer des Herzens zurückkehrt, daß es von da in die rechte Herzkammer tritt und beim nächsten Herzschlage durch die Lungen-Schlagader, die sich gabelförmig theilt, nach den beiden Lungenflügeln geführt wird. Eine wichtige Veränderung des Blutes findet nun in der Lunge Statt« Sie wird bewirkt durch seine Berührung mit der Luft« Die Berührung von Luft und Blut ist jedoch keine unmittelbare. Beide sind durch die höchst feinen Häute der Lungenbläschen und der Haargefäße getrennt. Allein es tritt hier eine ähnliche Durchdringung dieser Haute ein, wie wir sie in §. 89 der Botanik unter dem Namen der Endosmose oder D i f f u s i o n bei der Aufnahme des Saftes durch die Pstanzenzellen beschrieben haben. 83 Eine Vcrgleichung der eingeathmeten Luft mit der ausgeathmeten giebt uns Rechenschaft über den Erfolg dieser Luftaufnahme von außen. Die eingeathmete Luft hat die Temperatur der Atmosphäre, im Durchs schnitt von 12o R«, und deren Wassergehalt. Die ausgeathmete Luft hat ungefähr die Wärme des Körpers von 30^R., einen dieser entsprechenden Gehalt an Wasserdampf, der bei jedem Athemzuge 0,068 bis 0,096 Gramm beträgt. Der wirkliche Wafferverlust des Körpers bei jedem Athemzuge besteht daher im Ueberschuß des Wassergehaltes der ausgeathmeten Luft gegen den der eingeathmeten. DiechemischeVeränderung, welche die Luft durch das Athmen erleibet, zeigt am deutlichsten die folgende Zusammenstellung« *) 1 Liter -- 1000 Kubtkmtimeter — 2 Schoppen hessisch. 363 EmähnmgZorgane; Nthmung. Gehalt der Luft an Sauerstoff . . . . Stickstoff . . . . . Kohlensaurs « . . ' Vor dem Einathmen in 100 Maß in 100 Gewichtstheilen Nach dem Ausathmen in 100 Maß in 100 Gewichts« theilen 20,36 23,18 16,38 17,82 79,00 76,76 79,55 76,07 0,04 0,06 4,0? 6,11 100,00 100,00 100,00 100,00 Diese aus zahlreichen Beobachtungen und Versuchen abgeleitete Tafel zeigt uns, daß der Stickstoff beim Athmen so gut wie keine Veränderung erfährt. Es wird ebenso viel wieder der Atmosphäre zurückgegeben, als derselben entzogen worden war. Anders verhält es sich mit dem Sauerstoff. Seine Menge erscheint bei der ausgeathmeten Luft dem Gewichte nach um 5,36 Proc. vermindert, und anstatt dessen enthält dieselbe Luft K o h l e n s ä u r e (s. Chemie §.58). Durch das Athmen wird also der Luft eine gewisse Menge Sauerstoff entzogen und dafür eine gleiche Menge Kohlensäure derselben übergeben. Was wird nun aus dem verschwindenden Sauerstoff? Während des Kreislaufs i n Berührung mit dem dunkelrothen Blute verbindet derselbe sich mit gewissen kohlenstoffhaltigen Nestandtheilen desselben und bildet dadurch Kohlensäure, welche ausgeathmet wird. Durch den Einstuß des Sauerstoffs hat zugleich das Blut wieder seine h e l l r o t h e Farbe angenommen, es kehrt jetzt durch die Lungen-Venen in die linke Vorkammer und aus dieser in die linke Kammer des Herzens zurück, um aufs Neue den großen Kreislauf zu beginnen. Auf diese Weise giebt der Körper eines Erwachsenen mit M m Athemzug 8 6 eine gewisse Menge Kohlensäure und zwar in einer Stunde 30 bis 50 Gramm derselben von sich. Nehmen wir als Mittelwerth der stundlich ausgeathmeten Kohlensame 40 Gramm an, so enthält dieselbe 11 Gramm Kohlenstoff. M i t hin muß der Körper, um das Athmen 24 Stunden lang zu unterhalten, ' 264 Gramm oder etwas über 2/2 Pfund Kohlenstoff ausgeben. Eine natürliche Folge hiervon ist, daß wir unserem Körper die erforderliche Kohlenstoffmenge zuführen müssen, damit er das Athmen zu unterhalten vermag«. I n der That geschieht dieses durch die Speisen, die wir genießen, welche, aus Pflanzen- und Thierstoffen bHehend, sämmtlich Kohlenstoss enthalten. Ein beträchtlicher Theil der täglich von einem Menschen verzehrten Speisen dient lediz«, lich zur Unterhaltung des Nthmens. M i t jedem Athemzuge verliert der Körper einen bestimmten Theil feines Gewichtes, und dieser Verlust muß ihm wieder ersetzt werden, wenn er nicht bald Noth leiden soll« Ein Verhungernder verzehrt sich hauptsachlich durch das Athmen. Wären wir im Stande/Wochen oder 364 Zoologie. I. Physiologischer Theil- Monate lang den Athem einzuhalten, so wurden wir während dieser Zeit der Speisen entbehren können« Es giebt Thiere, wie z. B. Schlangen und Kröten, die mehrere Wochen lang kaum merklich athmen. Es ist bekannt, daß dieselben ebenso lange und noch länger der Nahrung entbehren Können. Bei den im Winter erstarrenden Thieren steht wahrend dieser Zeit das Athmen still, sie bedürfen deshalb keiner Speise. Thiere, die einen Winterschlaf halten, wie der Dachs, das Mmmelthier und viele andere, athmen fort, wiewohl weniger lebhaft. Dadurch verzehren sie aber in der That während Mer Zeit einen beträchtlichen Theil ihres Körpers, denn diese Thiere, welche beim Beginne des Winterschlafes von Fett strotzen, erscheinen nach Vollendung desselben abgemagert. Eine längere Dauer desselben würde,für sie unmöglich s e i t ^ ' 8? Die Chemie lehrt (Z. M , daß wenn Sauerstoff sich mit anderen Stoffen verbindet, dabei eine Entwickelung von Wärme stattfindet, die um so beträchtlicher ist, je größere Mengen m derselben Zeit mit einander sich verbinden. Jedermann weiß, daß, wenn ich ein Stück Kohle in der Luft verbrenne, diese eine gewisse Menge Wärme liefert, und wir können uns dieser Wärme zu den verschiedensten Zwecken bedienen. Das Athmen besteht aber, wie oben gezeigt wurde, im Wesentlichen darin, daß es dem Körper fortwährend Sauerstoff zuführt und an Kohlenstoff gebundenen Sauerstoff aus demselben hinwegnimmt. Nichts lag daher näher, als den Athmungsproceß für einen Verbrennungsproceß zu erklären und die Lunge einem Ofen zu vergleichen, der, fortwährend mit frischer Luft gespeist, den Körper heizt. Dieses Bild ist jedoch mehr anschaulich als richtig, denn in der Lunge findet keine Verbrennung, sondern ein Austausch der im Blut enthaltenen Gase gegen die eingeathmeten Statt. Sauerstoff wird hier dem Blute beigesellt, er begleitet dasselbe auf seiner Bahn durch dm ganzen Körper und übt allerwärts seinen oxydirenden Einfluß aus. Dieser erstreckt sich natürlich nur auf solche Stoffe, die nicht bereits oxydirt sind. Die Stärke und der aus ihrer Umsetzung entstehende Zucker und die Fette enthalten große Mengen nicht oxydirten Kohlenstoffs und es erscheint am einfachsten und der Wirklichkeit wohl auch am entsprechendsten, wenn wir annehmen, daß es der Kohlmstoffgehalt jener Verbindungen ist, durch dessen Oxydation hauptsächlich die Wärme des Blutes geliefert wird. Es schließt dies nicht aus, daß nebenbei oder unter Umständen auch Wasserstoff verbrannt wird oder verwickeltere Umsetzungen stattfinden, deren Endergebniß die Ausscheidung von Kohlensäure ist. Die V l u t w ä r m e und folglich die aller Körperthcile beträgt beim Menschen 30<> N. oder 37<> C. Sie ist etwas höher beim Mnde,,.etwas niedriger im hohen Alter. Bei den übrigen Sängethieren ist die Blutwärme ziemlich dieselbe. Sie ist jedoch bei den in dm Polargegenden lebenden etwas höher und ebenso bei allen Vögeln, wo sie auf 340U° steigt. Die meisten Fische, die Amphibien und die Wirbellosen haben dagegen die Warme ihrer Umgebung« Die Säugethiere und Vögel und meisten Amphibien zeigen in Hinsicht des Athmens dieselbe Organisation wie der Mensch; bei einigen Amphibien und Ernährung. 365 den Fischen verbreiten sich dagegen die Blutgefäße nach Athemorganen, die äußerlich angebracht find und Kiemen genannt werden. Bei den niederen Thieren dient zum Luftwechsel vorherrschend die Haut, theils die äußere, theils die innere, in welchem letzteren Falle ihr Körper von Luftröhren durchzogen ist. Aus der vorhergehenden Einzelbetrachtung der Lebensorgane, nämlich der 88 Verdauungs-, Blutumlaufs- und Athmungsorgane, ergeben sich noch manche allgemeine Folgerungen, die zum Verständnisse verschiedener Lcbenserscheinungen dienen. Unter diesen gehört die E r n ä h r u n g mit zu den wichtigsten, da an die Art der Lösung dieser Aufgabe nicht allein die Erhaltung, sondern auch der Kulturzustand des Menschengeschlechtes geknüpft ist. Vergleichen wir die Ernährung des Menschen und der Thiere mit der der Pflanzen, so finden wir einen wesentlichen Unterschied nicht nur in der Art der Aufnahme, sondern auch des Aufgenommenen. Wir sehen die Ernährung der Pflanze nicht an ein einzelnes Organ gebunden, wie bei dem Thier, wir sehen bei jener fast die ganze Oberstäche derselben, nämlich die Wurzel und die Blätter zur Aufnahme geeignet, während mit wenigen Ausnahmen die Thiere nur durch eine einzige Oeffmmg, durch den Mund, ihre Nahrung zu sich nehmen. Viel wesentlicher erscheint dagegen bei Vergleichung der Ernährung von Pflanze und Thier der Unterschied in der Natur des Aufgenommenen. Die Pflanze ernährt sich von gänzlich unorganischen Stoffen. Waffer, Kohlensäure und Ammoniak, die drei Hauptnahrungsmittel der Pflanze (s. Botanik §. 80 und 92), sie werden unmittelbar durch den Einfluß der allgemeinsten Naturkräfte auf die Bestandtheile des Erdkörpers gebildet, sie sind ebenso unbelebte, unorganische Stoffe wie.die Minerale — sie find gänzlich unähnlich denPflanzmtheilen, zu deren Nildung sie verwendet werden. Die Pflanze besitzt daher die Fähigkeit, unorganische Theile des Erdkörpers aufzunehmen und dieselben zu organischen Gebilden zu vereinigen und zu gestalten. Aus Wasser, Kohlensäure und Ammoniak bildet sie den Zellstoff, die Stärke, den Zucker, das Pflanzen-Eiweiß und die vielen anderen Stoffe, die wir als Bestandtheile der Pflanzen (s. Chemie §. 145 u. a. m.) angeführt finden. Diese Fähigkeit besitzt das Thier nicht. Es kann aus jenen ihm darge- 89 botenen drei Nahrungsmitteln der Pflanzen weder sein Eiweiß, noch seine Muskelfaser, noch sein Fett bilden. Unmittelbar an die starre Brust der todten NatM gelegt, würde das Thier verschmachten. Es bedarf zu seinem Bestehen eines Vermittlers, der die ihm unentbehrlichen Stoffe zu organischen Gebilden vereinigt, und diese Stelle yertreten die Pflanzen. I n der That, wenn man die Aehnlichkeit derchemischenZusammensetzung des Eiweißstoffes, des Casei'ns, des Fibrins und des Fettes der Pflanzen (s. Chemie §. 152 u. 195) mit den gleichnamigen Stoffen, die im Thierkörper angetroffen werden, vergleicht, so sieht man, daß das Thier, indem es die Psian- 366 Zoologie, I. Physiologischer Theil. zen verzehrt, darin alle zusammengesetzten Stoffe fertig gebildet vorfindet, welche es zur Auferbauung seiner verschiedenen Körpertheile nöthig hat, 9l) Das Geschäft der Verdauung des Thieres erscheint daher einfacher und leichter verständlich als das der Pflanze. Es besteht nicht darin, daß das Thier aus dm ihm gegebenen Elementen seine Muskelfaser, sein Fett u« s. w. bildet, sondern darin, daß es diese in der Pflanze bereits fertig gebildeten Stoffe in den Verdauungsorganen auflöst, durch den Kreislauf an die erforderlichen Stellen bringt und dort verwendet. Noch mehr fallt dies in die Augen bei Thieren, welche von Thieren leben, oder gar von dem Blute ihrer Mitgeschöpfe« Offenbar genießen diese ganz dieselben Stoffe, aus welchen ihr eigener Körper besteht, ihr ganzes Vcrdauungsgeschäft beruht auf einer Umgestaltung, nicht auf einer chemischen Umbildung des von ihnen Aufgenommenen. I n der That wird uns das Geschäft der Verdauung um so leichter, je mehr die genossenen Speisen diejenigen Stoffe enthalten, aus welchen unser Körper besteht. Die Verdauungswerkzeuge der grasfressenden Wiederkäuer sind in mancher Beziehung anders eingerichtet als die der Fleischfresser. Die letzteren verzehren im Fleische fast ausschließlich verwendbaren (asfimilirbaren) Stoff, ihre Verdauung geht^ rascher von Statten, ihre Mahlzeiten sind verhältnißmäßig kleiner, ihre Absonderung von Unbrauchbarem ist weniger reichlich, als dies bei den Grasfressern der Fall ist« Das von einem Ochsen verzehrte Heu enthält nur geringe Mengen von Eiweißstoffen und Fett, welche für den Körper des Thieres verwendbar sind, es ist dagegen reich an Holzfaser, die für feine Ernährung unbrauchbar ist. Dieses Thier nimmt deshalb ungeheure Mahlzeiten zu sich, allein es sondert den größten Theil derselben als unverwendbar wieder ab. Es bedarf ferner zur Auflösung dieser Stoffe, zur Trennung von der Holzfaser längere Zeit als dasfleischfressendeThier zur Verdauung seiner dem eigenen Körper so ähnlichen Nahrung. Bei dem eigentlichen Grasfresser verweilt deshalb die Nahrung sehr lange im Magen, ja sie kehrt/ nachdem sie eine Zeit lang in einem besonderen Theile desselben eingeweicht war, wieder zum Maule zurück, um hier nochmals gekauet, mit Speichel vermischt und so zur Verdauung geeigneter gemacht zu werden, woher diese Thiere den Namen der Wiederkäuer erhielten« 'Der Darm der Raubvögel und Naubthiere, wie namentlich der Katzen, ist unverhalwißmäßig kurz. Genauere Untersuchungen bestätigen die Ungleichheit der NahrunZ'sbedürfnisse hinsichtlich deren Menge i n auffallender Weise. Ein Pferd bedarf an fester und flüssiger Nahrung (Wasser) zusammen täglich ^ y , eine Kuh Vs des eigenen Körpergewichtes. Das Gewicht der in dm Eingeweiden eines Kaninchens vorgefundenen Speisereste betrug 1/4, bei einer Katze dagegen nur 2/22 des Körpergewichtes« Bei dem erwachsenen Menschen macht das tägliche Bedürfniß an Speise und Trank V20 bis ^ g seines Körpergewichtes aus. Dieses Verhältniß wird von Wohllebenden zwar nicht selten überschritten, allein diese Ernährung. 367 Mehreinnahme/die als L u x u s n a h r u n g bezeichnet wird, verläßt den Körper wieder, ohne an dessen Ernährung sich betheiligt zu haben. Das Nahrungsbedürfniß ist allerdings und in dem Verhältniß größer, 9 1 nach welchem der Körper noch im Wachsthum begriffen ist» Nachstehende Tafel zeigt uns die Zunahme des menschlichen Körpergewichtes mit den Jahren. Jahr 1. 2< 7. 14. 20. 6 bis 7 18 bis 20 36 bis 40 80 120bis 140 Körpergewicht in Pfunden zu 500 Gramm. . » Verhältniß der Zunahme 3 - 6 3 14 3 20« M i t dem vierzigsten Jahre hat der Körper seine völlige Ausbildung erlangt und sein Gewicht nimmt im Durchschnitt weder zu noch ab. Nur ausnahmsweise tritt eine Veränderung desselben ein, bei ungewöhnlicher Fettbildung oder bei krankhafter Abmagerung. Also von dem Zeitpunkte an, wo der Körper ausgewachsen ist, dienen alle Speisen, die wir genießen, nicht zur Vergrößerung der Masse unseres Körpers, sondern nur zur Erhaltung derselben. Das Gewicht alles dessen, was wir während eines Jahres an festen und flüssigen Substanzen genießen, muß daher genau so viel betragen, als das Gewicht des während derselben Zeit vom Körper Abgesonderten. Sehen wir von demjenigen Theile der Nahrung ab, der als völlig uuvcrwendbar den Weg durch den Darm zurücklegt und theils in fester, theils in flüssiger Form abgesondert wird, so haben wir außerdem noch die Ausdünstung durch die Haut und das durch die Lunge Ausgeathmete als Hauptausgaben des Körpers i n Rechnung zu ziehen. Nicht alle Speisen, die wir zu uns nehmen, erfüllen im Körper gleiche 9 2 Bestimmungen« Stärke, Zucker, Gummi, Weingeist und Fett sind sämmtlich Stoffe, die wir sehr häufig genießen. Keiner derselben 'enthält Stickstoff. Diese Substanzen können daher nicht dazu dienen, irgend einen Theil unseres Körpers zu bilden, welcher Stickstoff enthält, wie die Haut oder die Muskelfaser. Weder Menschen noch Thiere können ihr Leben erhalten, wennsienur jene Stoffs gemeßen. Wir haben bereits in 8. 87 dieGründe entwickelt, welche uns zu der Annahme bestimmen, daß zene Stoffe vorzugsweise zur Unterhaltung des Athmens dienen; sie tiefern hiernach den Kohlenstoff, der durch das Athmen aus dem Körper entfernt wird, und da dies mit einer beständigen Wänneentwickchmg verknüpft ist, so hat man Stärke, Gummi, Zucker und Fette passender Weist als erwärmende Nahrungsmittel oder N e s p i r a t i o n s m i t t e l bezeichnet. Außerdem erzeugt sich jedoch aus dem verzehrten Fett und Stärkemehl das dem Thierkörper angehörige Fett« Es ist bekannt, i n welch erstaunlichem 868 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Maße durch reichliche Zufuhr stärkemehlhaltiger Nahrung die Fettmasse der Schweine und Gänse sich vermehren läßt. Zur Bildung der stickstoffhaltigen Körpertheile bedürfen wir stickstoffhaltiger Nahrungsmittel. Solche sind die Eiweißstoffe der Pflanzen und Thiere. Nur die Nahrungsmittel, welche einen oder mehrere dieser Stoffe enthalten, sind fähig, das Vlut mit denjenigen Bestandtheilen zu versehen, aus welchen es neue Körpertheile bildet oder abgenutzte wieder ersetzt. Diese stickstoffhaltigen Nahrungsmittel werden daher auch b l u t b i l d e n d e oder stoffbildende (plastische) genannt, und sie sind, nach dem gewöhnlicheren Ausdruck, die eigentlich n a h r h a f t e n Speisen ls- Chemie §. 201.) Allein gleichwie die Respirationsmittel im Körper auch zur Fettbildung verwendet werden, so können auch die Eiweißstoffe eine Umsetzung erleiden und zur Unterhaltung des Athmens dienen. Es zeigt sich dieses bei Versuchen mit Thieren, denen nur Eiweißstoffe als Nahrung gereicht wurden, sowie in Fällen, wo Menschen oder Thiere verhungert waren. I n letzterem Falle verschwindet anfanglich das Fett, später erliegt auch die Maffe der Muskeln und Sehnen der chemischen Umsetzung in die Absonderungsproducte durch Lunge und Haut. Der Körper verzehrt sich selbst. Die längste Dauer im Verhungerungsfalle bei Menschen, bevor Tod eintrat, betrug 20 bis 21 Tage. 93 Wenn wir nun ein Thier z. B. mit ganz reiner Stärke und Eiweiß füttern, so geben wir ihm allerdings die zur Unterhaltung des Athmens und zur Bildung seiner Muskeln erforderlichen Stoffe. Allein nichtsdestoweniger wird bei dieser Nahrung jenes Thier sich keineswegs Wohlbefinden, ja es wird früher oder später zu Grunde gehen. Es erhält nämlich in jenen Speisen keinen phosphorsauren K a l k , woraus es die Masse seiner Knochen bilden kann, und kein Kochsalz, das ihm zur Darstellung seines Magensaftes unentbehrlich ist. I n der That, wenn Rindvieh Futter bekommt, das wenig Kalk enthält, wie z» B« ZDelkuchen, Rüben und das beim Branntweinbrennen als Rückstand bleibende Kartoffelspülicht, so findet dieses Thier darin nicht die erforderliche Menge von Kalk zur Ausbildung seiner Knochen, und diese bleiben schwach, während die übrige Masse des Körpers unverhältnißmäßig zunimmt, wodurch die Knochen dessen Gewicht nicht mehr zutragen vermögen und zerbrechen. Diese unter dem Namen der Knochenbrüchigkejt gefürchtete Krankheit findet nicht Statt, wenn das Vieh reichlich Klee und Heu erhält, die viel Kalksalze enthalten« Bekannt ist die Begierde, womit Hühner und Tauben kalkhaltige Substanzen (s. Mörtel, Chemie §. 185) aufsuchen und fressen. Sie bedürstn derftlben um so mehr, als sie die von ihnen häufig gelegten Eier mit einer Kalkschale umgeben müssen. Zuweilen legen Hühner Eier mit weicher Schale, welchen der Kalk fehlt. Es ist dies ein Beweis, daß solche Hühner Mangel an kalkhaltigem Futter litten. Ebenso suchen Menschen und Thiere unbewußt das ihnen unentbehrliche Kochsalz auf. Abgesehen davon, daß alles Quellwasser kleine Mengen von Kochsalz aufgelöst enthält, und dasselbe in manchen Pstanzentheilen und Thier- Ernährung. ' 369 stoffen enthalten ist, fügen wir den meisten unserer Speisen 'dieses Salz hinzu, da seit frühester Zeit der förderliche Einfluß desselben auf das Verdauungsgefchäft erkannt ist. Die vorzüglichsten Nahrungsmittel werden nun diejenigen sein, welche so- 9 4 wohl erwärmende als blutbildende und knochenbildeude Bestandtheile enthalten. Solche sind namentlich: die Getreidekörner, die Hülsenfrüchte, die Milch, das mit Fett vermengte Fleisch, die Eier und das Blut. Eine Uebersicht derchemischenBestandtheile dieser Nahrungsmittel wird dazu dienen, eine deutlichere Vorstellung von ihrer Bedeutung als Speisen zu geben: 100 Gewichtsthle. der nachbenannten Nahrungsmittel enthalten Stickstofffreie Nahrungsstoffe Zucker. Z. Stärke Gummi. G. Roggen Weizen 61 bis 67 Gerste Mehl 71 Mais 77 Reis 84 s3,3G.) ^- Bohnen Erbsen Salze Giweißstoffe 9,5 0,07 1,42 12,3 0,16 ", ' — 2,5 0,24 — Fleisch Milch — n, 0,75 3,S — , 0,4 0,70 19,S — 9,27 16,5 — 5,83 37,3 — — 0,43 0,33 5,0 75 0,06 __ 4,22 77 4,90 ^- 86 1,5 87 — 54 0,16 1,4 5,5 0,09 0,5 20,5 0,42 0,9 13 — 23 17 — Eigelb — -— 10 — 0,27 0,4 — — — ,' — — 3,6 Eiweiß 10 bis 1 1 ' — 3,6 3,8 0,01 — ! 3,62 23 Blut Waffer Phosphors. Kalk 1,75 36 bis 38 0,2 > 3 Z. 14 Kochsalz Fett Linsen Kartoffeln Asche — — 6 — — — 23 13 —. 78 Wie man aus dieser Tafel sieht, enthalten die Getreidekörner sowohl den- 9 5 Mlgen Stoff, der das Athmen unterhält (Stärke), als auch das stickstoffniche, ^) I n dem Getreide ist stets ein Theil der Stärke i n G u m m i und Stärkezucker übergegangen, deren Menge 0,9 bis 19 Procent betragM kann. Es ist i n Beziehung auf die Zusammensetzung der genannten Pfianzenstuffe überhaupt zu bemerken, daß dieselbe nicht unbeträchtliche Schwankungen darbieten kann, bedingt durch WttfiüG d e r E u l t u r , des Klinms und der gewählten Fruchtsorts. 370 Zoologie. I. Physiologischer Theil« zur Vlutbildung verwendbare Fibrin und phosphorsauren Kalk. I n der That kann eine aus der erforderlichen Menge von gutem Brot und Wasser beste' hende Nahrung vollkommen genügen, um einen Menschen zu ernähren. Roggen und Gerste enthalten 18 bis 24 Procent Holzfaser, welche als Kleie nicht zur Speise verwendbar ist, und stehen daher an Stärke- und Fibringehalt dem Weizen nach. Bei den Getreidekörnern, namentlich beim Weizen, ist der stickstoffhaltige Bestandtheil vorzugsweise in der äußeren Schicht enthalten, während im Inneren fast reines Stärkemehl vorherrscht. Je sorgfältiger daher jene Schicht entfernt wird, d. h. je weißeres Mehl man zu erzielen sucht, um so weniger nahrhaft ist dasselbe. I m Reis und in den Kartoffeln finden wir auf einen großen Gehalt an Stärke nur sehr wenig blutbildenden Nahrungsstoff. Daher müssen sehr große Mengen dieser Speisen genoffen werden, um dem Körper die erforderliche Menge Stickstoff zuzuführen. I n der That ist es bekannt, daß unsere Landleute außerordentliche Mengen von Kartoffeln und die Neger nicht weniger Reis zu sich nehmen. Der Körper erhalt dadurch einen Ucberstuß an Stärkemehl, so daß ein Theil desselben gänzlich unverändert durch den Darm wied« entleert wird. Die Erbsen und Bohnen sind als sehr nahrhafte Pflanzenstoffe zu bezeichnen, indem ihr beträchtlicher Gehalt an stickstoffhaltigem Casei'n sie dem Fleisch nähert. Das letztere, welches ganz aus zu Blut verwendbarem Fibrin besteht, hat vor den Hülsenfrüchten den Vorzug, daß es leichter verdaulich ist. I n keinem Nahrungsmittel finden wir aber so günstige Ernährungsbedingungen vereinigt wie in der Milch, welche Zucker, Fett, Casei'n und die erforderlichen Salze enthält. Sie ist hierdurch geeignet, in der Entwickelungszeit das alleinige Nahrungsmittel des Menschen und der Säugethiere auszumachen« Auch aus einer weiteren Betrachtung erhalten wir einen Fingerzeig für die zweckmäßige Auswahl unserer Speisen. Die Untersuchung der Absonderungen ergiebt, daß Alles zusammengenommen durchschnittlich der Kohlenstoffgehalt derselben zum Stickstoffgehalt sich verhält wie 13 zu 1. Soll nachhaltig eine solche Ausgabe gemacht werden, so muß die Einnahme dieselben Stoffe in entsprechendem Verhältniß enthalten. Bei der Ernährung mit bloßen Eiweißstoffen wäre dieses nicht der Fall; in diesen ist das Verhältniß des Stickstoffs zum Kohlenstoff wie 1 zu 3,4« Durch Zugabe von 1,94 Gewichtstheilen Fett oder von 3,4 Stärke auf 1 Gewichtstheil Eiweißstoff läßt sich das geeignete Verhältniß von 1 Stickstoff zu 13 Kohlenstoff herstellen. I n der Zusammensetzung der Milch ist von Natur schon dieses Verhältniß vorhanden. 98 Da alle dem Körper zugeführten Stoffe in flüssige Form übergehen müssen und seine sämmtlichen weichen Theile von Wasser durchtränkt sind, so bedarf derselbe einer beträchtlichen Menge Wassers, um die Auflösung und Leitung seiner ernährenden Theile zu bewirken und die Schwellung der Gewebe zu erhalten. Dieses Wasser ist theils in den Speisen erhalten, theils wird es als Eetränbaufgenommen. Von allen Nahrungsmitteln ist die Milch allein ausrei«- Ernährung. 371 chend, mit ihren ernährenden Bestandtheilen zugleich die erforderliche Menge von Wasser zu liefern. I n ähnlicher Weise wie die Pflanze nimmt unser Körper zur Auflösung seiner Speisen bei weitem mehr Wasser auf, als er in seinem Inneren verwendet, weshalb beständig ein Theil desselben wieder abgesondert wird. Dieses geschieht auf drei verschiedenen Wegen, und man kann annehmen, daß von der Gesamtmenge des Wassers, die aus dem Körper entfernt wird, zwei Fünftel mit dem Harn, das Uebrige durch die Lunge und Hautausdünstung austritt. Die Nieren-Schlagader führt das Blut bei seinem Kreislauf durch die 9? Nieren, welche zwei halbrunde, drüstnartige Organe sind, die im Unterleibe liegen und deren Verrichtung darin besteht, daß sie dem in sie eingetretenen Blute einen Theil seines Wassers sowie mehrere darin aufgelöste Stoffe entziehen. Diese letzteren sind die abgenutzten Theile, welche das Blut auf seinem Wege durch den Körper an verschiedenen Stellen, namentlich aus den Muskeln aufnimmt, und welche mit dem Harn, der aus den Nieren in die Blase gelangt, aus dem Körper ausgeschieden werden« Der Harn ist eine klare, schwach saure Flüssigkeit von 1,01 bis 1,03 specifischem Gewicht und 97 Procmt Wassergehalt, und hinterläßt beim Verdampfen 3 Procent Rückstand und 0,7 Procent Asche. Die im Harn enthaltenen organischen Verbindungen sind: Harnstoff, Harnsäure, H i p p u r s ä u r e u n d K r e a t i n (s. Chemie §.163 u. 175), sämmtlich stickstoffhaltige Körper; in gewissen Krankheiten werben auch Zucker und Eiweiß in demselben angetroffen. Die unorganischen Harnbcstandthcile such hauptsächlich Kochsalz und phosphorsaure Salze des Kalks und der Magnesia. Die Menge des vom Erwachsenen täglich abgesonderten Harns beträgt durchschnitt« lich 3 Pfund« Wir haben in §. 90 angeführt, daß die vom Menschen täglich ausgenom- 98 mmen Nahrungsmittel ^20 bis ^ seines Körpergewichts ausmachen. Diese Menge wird jedoch unter Umständen beträchtlich verändert und ist wesentlich abhängig von der Temperatur und dem Feuchtigkcitszustande der Luft und von der Bewegung des Menschen« Derselbe verbraucht um so mehr Nahrung, je kälter und feuchter das Klima ist, in welchem er lebt. Durch dieses erleidet nämlich sein Körper eine beträchtlichere Abkühlung, welche durch vermehrtes und tieftnes Athmenholen, also durch eine gesteigerte Wärmeentwicklung wieder ausgegWen werden muß« Es ist bekannt, daß die Bewohner heißer Länder weniger Speise bedürfen, als die der gemäßigten und kalten Länder, und daß die der kältesten Gegenden besonders viel der in §. 92 als erwärmend bezeichneten Nahrungsstoffe genießen, wie z. B«. die Lapplände? den Thran in Menge trinken. Das stärkere Essen der Nordlandbew-ohner ist daher nicht als üble Gewohnheit oder Unmäßig« keit, sondern als nothwendige Folge der Ernährungsverhältnisse zu betrachten« Bei hinreichender Nahrung kann der Mensch die heftigste Kalte ertragen. Durch jede Muskelbewegung wird ein Theil des hierzu verwendeten Mus« W kels abgenutzt oder verbraucht, indem er eine chemische Umsetzung erleidet. 372 Zoologie. I. Physiologischer Theil. Dieser Verlust an Muskelsubstanz muß dem Körper wieder zugeführt werden, wenn derselbe die Fähigkeit behalten soll, die Bewegung zu erneuern. Deswegen kann keine Arbeit unausgesetzt andauern. Eine solche würde eine fortwährende Stoffvermindemng des Körpers bewirken und diesen bald aufreiben. Bei allen Thieren tritt nach einem gewissen Stoffverbrauch das Gefühl der Ermüdung und nach diesem ein Zustand der Ruhe aller Organe der willkürlichen Bewegung ein, den wir Schlaf nennen. Beim Manne beträgt die Zeit der täglichen Bewegung durchschnittlich 16, die des Schlafes 8 Stunden. Während des letzteren erhalten seine Muskel wieder einen hinreichenden Zuwachs neugebildeter Fasersubstanz für den Verbrauch der folgenden Bewegungszeit. Es ist daher klar, daß diejenigen, welche starke körperliche Anstrengungen durchmachen und dadurch viel Muskelsubstanz einbüßen, vorzüglich viel solcher Nahrungsstosse bedürfen, aus welchen jene wieder gebildet werden kann, daß sie also vorzugsweise mit Brot, Fleisch, Hülsenfrüchten, Käse und dergleichen ernährt werden müssen. Hiernach dienen die von uns verzehrten Speisen drei Hauptzwecken, nämlich der Stoffbildimg, der Entwickelung von Wärme und der Erzeugung von Kraft. IM Wir sind gewöhnt, gewisse Stoffe zu uns zu nehmen, die meist schon in verhältnißmäßig kleinerer Menge von merklichem Einfluß auf unseren Körper sich erweisen; es gehören hierher die geistigen Getränke und andere, wie insbesondere der Kaffee und der Thee. Bei diesen läßt sich keineswegs aus ihrerchemischenZusammensetzung eine Beziehung zu bestimmten Organen des Körpers nachweisen und hieraus auf ihre Wirksamkeit schließen. Innerhalb gewisser Gränzen erweift sich der Gebrauch dieser Getränke wohlthätig und durch ihre instinktmäßige Aufnahme und Verbreitung natürlich und berechtigt. Man schreibt ihnen eine eigenthümliche Einwirkung auf das Nervensystem zu, wodurch eine Verlangsamung der chemischen Umsetzung im Körper, mithin eine Verzögerung des Stoffwechsels hervorgerufen wird. Ersparung an Nahrungsmitteln bei gehobener Geistesthätigkeit wären sonach die Vorzüge ihrer Wirksamkeit. Noch weniger bestimmt ist dieWirkung der Gew.ürze, welche in mannichfaltigster Weise den Speisen zugesetzt werden. Unerklärlich bleibt uns ferner die Art und Weise, in welcher die G i f t e , die A r z n e i m i t t e l und die A n steckungsstoffe wirken, um so mehr, als sie oft in unmerklich kleiner Menge und in kurzer Zeit schon die tief eingreifendsten Folgen hervorrufen. I n manchen Fällen hat man den Einfluß derselben verglichen mit den Stoffen, welche die Gährung oder andere chemische Zersetzung hervorrufen durch ihre Moßs Gegenwart, durch den Anstoß, den sie der zersetzenden Thätigkeit geben. 101 Regelwidrigkeiten, die im Verlauf der geschilderten Lebenserscheimmgen sich einstellen und aus Ursachen entstehen, welche uns meist ganz unbekannt sind, geben sich in ihren Folgen als Krankheiten zu erkennen. Es ist festzuhalten, daß mit diesen keineswegs neue und besondere Kräfte oder Thätigkeiten in dem Körper auftreten. Aber die Zeit und das Maß. für die Verrichtungen der Organe erscheint verändert; die Producte derselben häufen sich oder mins I I . Beschreibung des Thierreichs. 373 dem sich unvcrhältnißmäßig oder unzeitig und es entstehen hierdurch die krankhaften Störungen. Die Herstellung des gewöhnlichen Verlaufs führt die Heilung herbei. Es ist unmöglich, hier der Veranlassungen zu Krankheiten, ihrer Erscheinungsformen und Begegnungsmittel zu gedenken. Allein gleichwie wir gesehen haben, daß im Haushalt des menschlichen Organismus sich Alles gegenseitig bedingt und im Gleichgewicht erhalt, so ist es gewiß die Aufgabe des vernünftigen Menschen, durch keine gewaltsamen Eingriffe, durch keine Überschreitung des von der Natur selbst gegebenen Matzes Regelwidrigkeiten in den Verlauf der Lcbensverrichtungen zu bringen. Dieses Maß liegt ebensowohl im menschlichen Gefühl, als im Instinkte des Thieres, welches stets naturgemäß lebt. Die dem Menschen verliehene Freiheit, dasselbe zu überschreiten, muß durch seine Erkenntniß geleitet und beschrankt werden. Wenn wir daher die M ä ß i g k e i t als alleinige goldene Regel zu Erhaltung des körperlichen Wohlbefindens hier anpreisen, so fügen wir hinzu, daß dies ganz besonders gilt für die Jugendjahre, in welchen der Körper seinen inneren Ausbau zu vollziehen hat. Selten bleiben die Mißachtungen dieser schönen Tugend ungestraft. Der Körper des gereiften Mannes kann mit weniger Nachtheil regelwidrigen Einflüssen begegnen, und es ist kaum glaublich, welcher Anstrengungen, Leistungen und Entbehrungen derselbe fähig ist, worin er, gehoben durch die innewohnende geistige Kraft, jedes andere Geschöpf übertrifft. II. Einthcilung und Beschreibung der Thiere. In«dem Vorhergehenden haben wir den vollkommensten organisirten Kör- W 2 per kennen gelernt, den des Menschen. Die Beschreibung der Thiere-ist eine fortwährende Vergleichung ihres Körpers mit dem menschlichen Körper, und die Eintheilung derselben ist eine Scheidung in Thierhaufen, die eine Uebereinstimmung darin zeigen, daß ihnen entweder die gleichen Organe fehlen, oder daß die vorhandenen auf gleicher Stufe entwickelt sind. An und für sich giebt es kein unvollkommnes Geschöpf, denn der Bau und die Einrichtung eines jeden Thieres entspricht durchaus seinen Bedürfnissen und Zwecken. Daß hierin aber große Ungleichheiten stattfinden, ergiebt sich aus der Gcsammtbetrachtung des Thierreichs. " Wir nennen ein Thier um so vollkommener, je mannichfaltigcr seine Organe sind, bei gleichzeitig vorzüglichster Ausbildung derselben. Die Unterscheidung der Thiere bietet dadurch manche Schwierigkeit, daß nicht selten ihre O r / gane in der äußeren Form von den entsprechenden Organen des Menschen bell. 24 374 I I . Beschreibung des Thierreichs. trächtlich abweichen. So sind z. B. die Athemorgane der Insekten bloße Luftröhren, welche den Körper dieser Thiere durchziehen und mit unserer Lunge keine andere Ähnlichkeit haben als die Verrichtung. Wegen dieser Schwierigkeit, die Organe der Thiere richtig zu deuten, begegnet man manchen Verschiedenheiten in der Stellung, welche denselben gegeben worden sind. Manche Forscher hielten z. B. die Muscheln und Schnecken für vollkomnmere Thiere als die Insekten, während andere der entgegengesetzten Meinung waren. I m Ganzen herrscht jedoch eine ziemliche Uebereinstimmung, und es ist für uns wichtiger, den Charakter der einzelnen Thierklassen kennen zu lernen, als die abweichenden Ansichten über deren Stellung zu vergleichen. 103 Diejenigen Thiere, welche eine völlige Nebereinstimmung in allen wesentlichen, auf ihre Abkömmlinge forterbenden und unverändert sich erhaltenden Merkmalen zeigen, rechnet man zu einer A r t oder S p e c i e s . Dabei kommt es vor, daß manche Thiere einer Art sich in gewissen Eigenschaften von geringerem Belang unterscheiden, wie z. B. in Größe und Farbe. Man bezeichnet solche Abänderungen als A b a r t e n , V a r i e t ä t e n oder Rassen. Wenn Thiere verschiedener Arten in wesentlichen Merkmalen übereinstimmen, so gehören sie zu derselben G a t t u n g (Asuns). So sind der Hund, der Fuchs und der Wolf verschiedene Arten einer und derselben Gattung. Auch die Gattungen werden wieder nach verwandtschaftlichen Kennzeichen zusammen in O r d n u n g e n gereiht, ausweichen dann die großen natürlichen Hauptabtheilungen des Thierreichs, die Klassen, hervorgehen. Man kennt bereits über 100,000 lebende Thierarten; rechnet man hierzu noch etwa 20,000 Arten versteinerter Thiere, deren in der Mineralogie (§. 126) gedacht wurde, so hat man ungefähr 125,000 Thierformen, eine Zahl, die bei näherer Erforschung mancher Länder noch beträchtlich sich vermehren wird. Es ist klar, daß eine ausführliche Beschreibung dieser ungeheuren Anzahl von Thieren weit über die Grenzen eines jeden kleineren Werkes hinausgeht. Dieses kann nur das Hauptsächlichste der Eintheilung andeuten und die wichtigeren Thiere als Beispiele aufzählen. Zum weiteren Studium müssen daher außer dem, was die lebendige Welt in unserer Umgebung bietet, größere Werke zu Hülfe genommen werden, wie deren mehrere am Eingang des zoologischen Theiles angeführt worden find. Außerdem leisten Sammlungen und zoologische Gärten, wo solche sich vorfinden, dem Unterrichte die wesentlichsten Dienste. 104 Ein wissenschaftliches System des Thierreichs wurde zuerst von L i n n ö (1768) aufgestellt, indem er dasselbe in sechs Klassen theilte. Nachfolgende Entdeckungen und Forschungen namentlich über den inneren Bau der niederen Thiere führten eine Ausdehnung des Systems durch C u v i e r (1829) auf neunzehn Klassen herbei. Indem jedoch einige dieser Klassen sich wohl vereinigen lassen, erscheinen zwölf Klassen genügend zur übersichtlichen Darstellung des Thieneichs. Diese zwölf Klassen unterscheiden sich, wie bereits §. 24 gezeigt wurde, in N i r b e l t h i e r e (Vertedi-Hta) und in W i r b e l l o s e (^vsrtobr2ta). Eintheilung. 375 Außerdem aber bilden sämmtliche Thiere nach ihrer Gesammtorganisation drei Hauptgruppen, wie nachstehende Uebersicht zeigt. I76d6r8iod.t ^.. clG8 1'kisri'Oiokg. Wirbelthiere; VsrtGwata. Thiere mit einem inneren Knochengerüste, dessen Stamm i n der Höhle des Schädels das Gehirn und i n einem Kanäle der Wirbelsäule das Rückenmark umschließt; mit rothem V l u t ; geschlossenem Gefäßsystem aus Schlagadern, Venen und Saugadern. Klassen. I. S a u g e t h i e r e ; Naunnklia. Rothes, warmes V l u t ; Herz mit zwei Vorkammern und zwei Herzkammern; mit Lungen; gebären lebendige Junge und säugen dieselben mit Milch; der Körper behaart, mit wenig Musnahmen. Bekannte Arten - - 2077. Ordnungen. ü. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Zweihänder. Vicrhänder. Flüttcrthicre. Naubthiere. Veutclthiere. Nagcthiere. Zahnlose. Viclhufer oder Dickhäuter. Einhufer. Zweihufer oder Widerkauer. Flossenfüßer. Wale. ll. V ö g e l ; ^vss. Rothes, warmes V l u t ; Herz mit zwei Vorkammern und zwei Herzkammern; mit Lungen; legen Gier; ihr Körper ist mit Federn bekleidet; die VordergliedersindF l ü gel. Arten --- 7000. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. I I I . A m p h i b i e n ; _4.iu.rMdiÄ.. Rothes, kaltes V l u t ; ein Herz mit zwei Vorkammern und mit einer einfachen oder unvollständig geschiedenen Herzkammer; athmen durch Lungen und theilweise durch Kiemen; legen Eier; Haut beschuppt oder nackt. Arten — 1ö00. 1. Schildkröten. 2. Eidechsen. 3. Schlangen. I V . Fische; kisees. Herz mit einer Vorkammer und einer Herzkammer; rothes, kaltes V l u t ; athmen durch Kiemen; legen Eier; haben zu Flössen ausgebildete Glieder und beschuppte Haut. Arten --- 8000. Singvögel. Schrcivögel. Klettervögel. Raubvögel. Tauben. H übn er. Laufvögel. Watvögel. Schwimmvögel. 4. Frösche. 1. 2. 3. 4. Rundmäuler. Quermäuler. Haftkiefer. Büschclkiemer. ö, Neichflosser. 6. Stachelstoffer. 24« 376 I I . Beschreibung des Thierreichs. Thiere ohne Ekelet, von symmetrischer Gestalt, deren Leib aus vielen hinter einander liegenden Ringen besteht; die meisten haben einen Kopf und gegliederte Gliedmaßen. Klassen. Ordnungen. V. I n s e k t e n ; Ingsow. Der Leib ist in drei Hauptabschnitte getheilt; am mittleren drei . Fußpaare und meistens Flügel; Fühler; einfache und zusammengesetzte Augen; Luftröhren; Verwandlung. Arten -i2- 65,000. 1. 2. 3. 4. 5. 6. Hornftüglcr. Hautflügler. Schuppenflügler. Zweiflügler. Netzflügler. Halbstüglcr. VI. S p i n n e n ; ^i-alllnMü.. Der Leib ist in zwei ungleiche Abschnitte oder in viele gleiche Nmge getheilt; ungefiügelt; athmen durch Luftsäcke und Luftröhreu; ohne Verwandlung. Arten — 3 0 0 0 . 1. 2. 3. 4. 5. Scorpione. Nechte Spinnen. Milben. Zecken. Lungenlose. VII. K r n s t e n t h i e r e ; Oruswosa. Der Leib meist von frustiger Schale bedeckt; in ungleiche Ringe getheilt, deren einige Füße, die anderen Flossen tragen; Kiemen. Arten — 1500. 1. Schalenkrebse. 2. Ningelkrebse. tz. EchÜdkrebse. 4. Schmarotzerkrebse 5. Muschelkrebse. V I I I . W ü r m e r ; H.nnnl8.ta. Der Körper weich, um von Haut bekleidet, meist langgestreckt, aus gleichen Ringen bestehend; ohne gegliederte Füße. Arten 1. Ningclwürmcr. 2. Saugewürmer. 3. Eingeweidewürmer. —1270. 0. Bauchthiere; (IÄ8ti-0250ll.. Kein Ekelet; der Leib weich, ohne gegliederte Gliedmaßen, Kopf meist fehlend; Gestalt symmetrisch, oder regelmäßig, oder häufig ganz unregelmäßig; Sinnorganc höchst unvollkommen, meist fehlend. I X . Weich t h i e r e ; NoNusca. Weicher Körper, von schlüpfriger Haut lose umgeben; vollkommenes Gefäßsystem; meist von einer oder zwei Kalkschalen eingeschlossen. Arten — 11,400. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Kopffüßer. Kielfüßer. Flosstnfüßer. Bauchfüßer. Armfüßer. Muscheln. Mantclthicre. X. S t r a h l t h i e r c ; kaälata. Meeresthiere, von meist regelmäßiger, rundlicher Gestalt; der in der Mitte des Körpers befindliche Mund ist strahlig von Fäden umgeben, die Haut weich, oder lederartig, oder kalkführend. Arten - - 1232. 1. Sternwürmer. 2. Stachelhäuter. 3. Quallen. 37? H. Wirbclthiere. Klassen. O r d n n n g e n. XI. P f l a n z e n t h i e r e , ?ol^pi. Leib gallertartig, rundlich, mit vorderer, von Fangarmcn umgebener Mundöffnung. Viele Thicrchcn durch gemeinsame Haut zu einem ästigen oder kalkigen Stamm verwachsen, der innen oder außen Kalkmaffe abscheidet; meist festsitzend. Arten --- 3528. 1. Vlnmenkorallen. 2. Mooskorallcn. 3. Schnörkelkorallen. XII. N r r h i e r e ; Intusoria. Niedrigste Thierformcn, theils mikroskopisch klein, theils Massen von unbestimmter Gestalt bildend. Arten --- 1400. 1. Infusorien. 2. Schwämme. ^. W ir b e l th i e r c^ Vertebrata. Die Wirbelsäule ist das wesentliche Merkmal der höheren Stufe der Thier- 103 wclt, denn sie ist die schützende Hülle des von ihr eingeschlossenen Rückenmarkes, das mit dem niemals fehlenden Gehirne und den Nerven ein zusammenhängendes System bildet, wodurch Empfindung und eigene Thätigkeit bedeutend gesteigert werden, so daß wir bei diesen Thieren durchgehend vollständig entwickelte Sinnorgane antreffen. Die Wirbelthiere können daher S i n n e n t h i e r e genannt werden, im Gegensatz zu den Wirbellosen, die man als Eingeweidethiere bezeichnet hat, weil hier vorzugsweise die inneren, der Ernährung dienenden Organe zur Ausbildung gekommen sind. Auch i n dem Leibcsumfange spricht sich die größere Vollkommenheit der Wirbclthicrc aus. Denn ihr vollständiges System der Eingeweide, mit den hinzutretenden Knochen. Muskeln, Nerven und Sinnen bedarf eines größereu Raumes, als ihn der Körper der meisten Wirbellosen darbietet. Die kleinsten Wirbelthiere sind immer noch länger ein als Zoll und lassen selbst ihre feineren Organe mit bloßem Auge deutlich erkennen, sie sind Niesen im Vergleich mit den meisten Wirbellosen. Es tritt dafür die Zahl und die Mannichfaltigkeit der Arten bei den Wirbclthiercn auffallend zurück. Die Beziehungen der Wirbelthicrc zum Menschen sind viel unmittelbarer und als bei weitem wichtiger ins Auge fallend, als die der niederen Thicrstufe. Der Nutzen, welchen sie uns in der verschiedensten Wcise gewahren, überwiegt bei weitem den von manchen derselben mitunter angerichteten Schaden. Auch sind sie in der Regel da, wo sie störend auftreten, viel leichter zu bekämpfen, als die oft unsichtbar zerstörenden Thiere der unteren Stufe. Die Wirbelthierc zerfallen in vier Klaffen, nämlich in S ä u g c t h i e r e , V ö g e l , A m p h i b i e n und Fische. 378 I I . Beschreibung des Thierreichs. G r s t e K l a s s e : S ä u g e t h i e r e ; Naniniaiia. Il)6 Diese Klaffe begreift in sich die vollkommensten aller Thiere, welche sich in vielfacher Weise vor den anderen auszeichnen, und zwar besonders dadurch, daß sie ohne Ausnahme lebendige Jungen hervorbringen und dieselben anfänglich mit Milch ernähren. I h r Körper ist in der Negcl vollständig mit Haaren bedeckt, die nur h'i wenigen vereinzelt, bei anderen stachelartig oder zu Schuppen verwachsen ersannen. Besonders entwickelt find bei den Säugethieren alle Sinnorgane, und das geöffnete Ohr ist fast immer mit einer Muschel versehen. Ihre Wirbelsäule ist biegsam und der Hals hat mit wenig Ausnahmen sieben Wirbelbeine. Es sind vier Glieder vorhanden, allein die Zahl der Zehen ist verschieden, indem fünf, vier, drei, zwei, ja selbst nur eine Zehe vorkommen. Die Luftröhre ist durch einen Kehldeckel verschließbar, die Stimme ist jedoch nicht melodisch, sondern meist rauh oder pfeifend. Die vollkommenen Sinne, das entwickelte Gehirn und Muskelsystem machen die Säugethicre in ihren Beziehungen zum Menschen ganz besonders wichtig. Denn nicht allein, daß sie in ihrem Fleisch, Fett, Blut, in ihren Haaren, Knochen, Häuten, Gedärmen, die mannichfach nutzbaren Stoffe liefern, sind sie auch durch ihre geistigen Anlagen besonders geschickt, die Gehülfen, die Diener, ja selbst die Gesellschafter und Freunde des Menschen zu werden. Tausende von Beispielen bestätigen dies täglich vor unseren Augen, und um dieses wohlthätige und schöne Verhältniß zum Menschen anschaulich zu machen, konnten wir gewiß keine passenderen Beispiele finden, als die am Anfang und Schluß dieses Abschnittes dargestellten, nämlich den Hund vom St. Bernhard, der einen Menschen rettet, und das Schlachtroß, das seinen todten Reiter betrauert. 107 Bei der Unterscheidung der Säugethiere wird besonders auf die Bildung der Zähne und der Füße Rücksicht genommen. Hinsichtlich ihrer Stellung unterscheidet man die Zähne in Vorder- oder Schneidezähne, in Eckzähne oder Hundszähne und in Backenzähne, von welchen die vorderen kleinen die falschen Backenzähne oder Lückenzähne genannt werden, da sie bei vielen Thieren gänzlich fehlen. I n der Substanz bieten die Zähne insofern Ver- H.. Wirbelthiere. 1 . Säugethiere. 379 schiedenheit dar, als die Vorder- und Eckzähne ganz mit Schmelz überzogen sind und daher einfache Zähne heißen, nAhrend bei den Backenzähnen der Schmelz in die Zahnmasse eindringende Falten bildet, Fig. 42, in welchem Falle diese Zähne F a l t e n zahne genannt werden. Andere Backenzähne heißen V l ä t terzähne (z. B . die des Elephanten, Fig. 43) und bestehen aus einer Anzahl zusammengekitteter plattenförmiger Zähne, wodurch die Kaufläche das in der Abbildung dargestellte eigenthümliche Ansehen erhält. Bei manchen Thieren ist die Kaufläche der Backenzähne höckerig, bei anderen zackig, weshalb die Ausdrücke Höckerzähne und Zackenzähne zu merken sind. Erstere finden wir z. V. beim Menschen, letztere bei den Hunden und den Katzen. Fig. 44 zeigt uns das Gebiß eines Fleischfressers (des Wolfes). Man bedient sich eigenthümlicher Formeln, um in Kürze die Art und Zahl der vorhandenen Zähne eines Thieres auszudrücken, indem oberhalb eines Querstrichs gesetzte Zahlen die Zähne des Oberkiefers, die unterhalb stehenden die des Unterkiefers bezeichnen. Die mittelste Zahl bezeichnet die Schneidezähne, die äußerste beiderseits die Backenzähne, die Zwischenzahl giebt die Eckzähne an. Z. B. ^ ' ^ ' 4 ' ! " 5 ^ Gebiß des Menschen, (s. §. 2 2 ) ; <^1 . 6 . 1 . 6 ^ ^ ^ 6.1.6.1.6 ^ P f e r d e s , mit 6 Schneidezähnen undjederstits 1 Eckzahn und 6 Backenzähne; - ^ - ' ^ ^- — Gebiß des Biebers. Es fehlen hier die Zwischenzahlen, weil der Biebcr keine Eckzähne hat. Die Gliedmaßen zeigen in Form und Länge sehr verschiedene Bildung, st nachdem sie zum Greifen, Laufen, Springen, Graben oder Schwimmen dienen sollen, und häufig sind die Vorderglieder sehr abweichend von den Hintergliedern gestaltet. Der Fuß wird H a n d genannt, wenn eine der Zehen als Daumen den anderen gegenübersteht; andernfalls heißt er P f o t e . Das Endglich der Zehen ist entweder von einem mehr oder weniger flach aufliegenden P l a t t nagel bedeckt, oder von der gekrümmten und spitzen K r a l l e umgeben, oder schuhartig in den stumpfen H u f eingeschlossen. Nach ihrer Lebensweise sind die Säugethiere vorzugsweise Landbewohner« 380 I I . Beschreibung des Thierreichs. Gin Theil ernährt sich ausschließlich von Pflanzen und bringt sehende und behaarte Jungen hervor, die jedoch lange mit Milch ernährt werden. Andere fressen nur Fleisch und erzeugen nackte und blinde Jungen, die aber nur kurze Zeit Milch saufen. Ein dritter Theil nährt sich sowohl von Pflanzen als von Thicrstoffen. G i n t h e i l u n g der S ä u g e thiev«'. 108 H,. Nagelsäugethicre. Mit Plattnägeln oder Krallen an den Zchcn. L. Hufsäugethiere. 0. Flossönsaugethierc. Die Zehenspitze von einem Hufe umgeben. Die Zehen durch eine Schwimmhaut verwachsen. ». M i t allen Zahnartcn. mit vi?r 8. V i e l h u f c r . an jedem 11. R o b b e n , Floffenfüßen. Fuß mehr als zwei Zchcn. 12. W a l e , mit zwei Flos2. Vierhänder, mit vier Händen. senfußen. 9. Z w e i h u f e r , an jedem Fuß zwei Zehen. 3. Flatterthiere, mitFlughaut. 10. E i n h u f e r , an jedem Fuß eine Zehe 4. Raubthiere, ohneVauchtafche. 1. Zwei händer, mit zwei Händen. 5. Veutelthiere, mit Vauchtaschc. d. Gebiß u n v o l l s t ä n d i g : 6. N a g e t h i e r e ; fehlen. Eckzähne 7. Zahnlose, Eck- und Schneidezähne oder alle Zähne fehlen. Erste O r d n u n g : Z w e i h ä n d e r ; Limana. 109 Die einzige Gattung und Art dieser Ordnung bildet der MensH'MoiQO 88.P16Q8), dessen Körperbau früher hauptsächlich der Gegenstand unserer Betrachtung gewesen ist und hinsichtlich dessen er allerdings mit den Thieren verglichen und diesen angereiht werden kann, während seine Vernunft und seine Sprache ihn über die Thicrwelt und als Beherrscher ihr gegenüberstellen. Von äußeren Merkmalen, durch welche der Mensch sich von den ihm ähnlichsten Thieren besonders unterscheidet, sind anzuführen, daß er nur an den Vordergliedern Hände hat, während seine Füße eine große, platte Fläche darbieten und hier, durch den aufrechten Gang ermöglichen, welcher keinem Thier eigen ist. Die H.. .Wirbelthiere. 1. Säugethiere. Zwcihänder. 381 Nägel an den Fingern des Menschen sind ganz platt und seine gleich langen, gerade stehenden gähne schließen ohne L M aneinander. Die schwache Behaarung des menschlichen Körpers läßt denselben nackt erscheinen, während sein Kopfhaar stark und mitunter sehr lang wird. Wie auffallende Verschiedenheiten mm auch Menschen verschiedener Himmelsstriche sonst darbieten, so hält man doch alle für die durch langjährige klimatische Einstuffe entstandenen Abänderungen einer und derselben Art, welche in fünf Hauptraffcn zerfällt, nämlich: 1. Die kH-a^9,8i3o3iO K.N38S, von weißer Hautfarbe und gerötheten Wangen, mit weichem, braunem bis schwarzem Haare, starkem Barte, schmalem, ovalem Gesicht und gewölbter Stirn. Es ist dies nach unseren Begriffen die schönste und geistig begabteste Rasse, welcher alle Europäer, die westlichen Asiaten und die nördlichen Afrikaner angehören. 2. Die i n o i i F 0 i i 8 Q k 6 A a . 8 8 S , ausgezeichnet durch gelbe bis gelbbraune Hautfarbe, schwarzes, dünnes und straffes Haar, schwachen Bart, flaches breites Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen. Die Nase ist klein und stumpf und die kleinen schiefstehenden Augen haben enggeschlitzte Augenlider. An diesen Merkmalen erkennen wir die Völker von Mittelasien, die Kalmücken, Kirgisen, Mongolen, Chinesen, sowie die Bewohner der Nordpolzone in Europa und Amerika, die Lappen und Eskimo. 3. Die ä t k i o p i g o k S Ra.33s mit mehr oder weniger schwarzer Haut, wollig krausem, schwarzem Haare, schmalem Kopfe und hervortretendem Kiefer, während die flache Stirn und das Kinn zurückweichen. Dieses sowie die stumpfe Nase und die wulstigen Lippen charakterisiren die N e g e r , welche ganz Afrika, mit Ausnahme des nördlichen Theils, bewohnen. 4. Die 3.niSi'i^2,iii3<2liS N2.336 hat eine thon- oder kupfcrrothe Farbe, niedrige Stirn, vorstehende Backenknochen, schlichtes, schwarzes Haar, schwachen Bart, und bildet die Nrbewohner Amerikas. 5. Zur m.g.i8,I-i8<3ksu. N N 3 8 G mit entschieden brauner Hautfarbe und schwarzem, lockigem Haar, breiter Nase, großem, aufgeworfenem Mund und etwas vorstehender Stirn gehören die Südseeinsulaner und die eigentlichen Malayen. Außer diesen Hauptstämmen finden sich Uebergangsformen, welche Veranlassung gegeben haben, die Anzahl der Nassen auf neben und selbst auf fünfzehn zu erhöhen. Insbesondere hat man die schwarzen Bewohner N e u H o l l a n d s als besondere Rasse aufgestellt, indem sie sich von den sehr kräftig gebauten Negern durch ihren schmächtigen, affenartigen Körper und das nicht wollige Haar unterscheiden. Die Völker der kaukasischen Nasse, vor allen hervorragend durch Geistesbildung und Thatkraft, haben sich über alle Erdtheile verbreitet und in manchen derselben die Urbcwohner mehr und mehr verdrängt. Am auffallendsten geschieht dies in Amerika, dessen eingeborene Bevölkerung die Berührung mit den Weißen nicht verträgt, vor ihr nach den inneren, unbebauten Gegenden zurückweicht und in nicht allzu langer Zeit ganzlich aufgerieben sein wird. Nach ungefährer Schätzung beträgt die Zahl der gegenwärtigen Gesammt- 382 I I . Beschreibung des Thierreichs. bevölkerung der Erde 1283 Millionen, wovon 300 Millionen der kaukasischen Rasse, 552 Millionen der mongolischen, 196 Millionen der äthiopischen, — nur 1 Million der amerikanischen und 200 Millionen der malayischen Rasse angehören. Zweite O r d n u n g : V i e r h a n d e r ; I1N tzuNärnniNiia. Unter allen Thieren find die V i e r h ä n d e r oder Affen diejenigen, deren äußerer und innerer Körperbau dem des menschlichen am meisten sich nähert. Sie haben alle drei Arten von Zahnen, ein nacktes Gesicht und nach vorn gerichtete Augen, allein besonders ausgezeichnet sind sie durch ihre vier händeartigen Füße, mit Mem den übrigen Fingern gegenüberstehenden Daumen, der sie fähig macht, mit allen Füßen zu greifen. Dagegen sind sie kaum im Stande, aufrecht zu gehen, weil ihre Hinterfüße der dazu erforderlichen Sohle entbehren und weil das schmal gebaute Becken und die schwachen Beine den Körper nur unvollkommen zu tragen vermögen, so daß sie mit eingeknickten Knien gehen. Die Affen gehören nur den heißen Ländern an, wo sie meist gesellig in Wäldern, fast immer auf Bäumen leben, auf welchen sie mit großer Behendigkeit und Gewandtheit umherklettern und springen. Manchen leistet dabei der lange Schwanz, mit dessen Ende sie Aeste umwickeln und sich festhalten können, wesentliche Dienste. Ihre Nahrung besteht vorzugsweise in Früchten, doch fressen sie, namentlich in Gefangenschaft, allerlei Nahrungsmittel, besonders Eier, Backwerk und dergleichen. Auch stellen manche den Insekten nach. Obgleich ihre Körperbildung und große Muskelstarke' sie zu vielen künstlichen Geschäften geeignet machen würde, so sind sie doch ohne Nutzen für den Menschen, von dem sie überhaupt sowohl ihrer äußeren Erscheinung als ihrem Charakter nach ein Zerrbild vorstellen. Denn sie sind boshaft, falsch, tückisch, diebisch und bei aller Gelehrigkeit unbändig, namentlich im späteren Alter. Auch dem zahmsten Affen ist kaum vollständig zu trauen. Dagegen sind sie eben durch ihre fratzenhafte Menschenähnlichkeil, besonders in Wesen und Geberden sehr possirlich, und werden daher vielfach zur Unterhaltung herumgeführt und vorgezeigt. Es giebt eine große Anzahl von Affenarten, und von vielen sind unsere Kenntnisse sehr unvollständig, da man oft nur ein einzelnes, meistens ein junges Thier zur Beschreibung vor Augen hatte. Das Fleisch der Affen wird von den Wilden gegessen und soll sehr schmackhaft« sein. Man unterscheidet eigentliche Affen, welche die größere Menschenähnlichkeit besitzen, und Halbaffen. Unter den ersteren kommt eine Abtheilung, die durch eine schmale Nafenscheidewand sich auszeichnet, nur in der alten Welt vor. ^ l l s N H ö r 2.15sn M ' s i t . Zu diesen gehören die größten aller Affen, der braune O r a n g - U t a n g (sinnia sat^rus), Fig. 45, der aufBomeo und S u matra lebt, und der schwarzbraune Schimpanse (8. iroZioä^tss), in.Guinea H. Wirbelthiere. 1. Säugethiere. Vierhänder. 383 und am Congo in Afrika. Beide ungeschwänzt, mit menschenähnlichem Gesicht und 6 bis 7 Fuß hoch werdend, haben vielfach zur Sage von Wald- und Halbmenschen Anlaß gegeben. Ja die Javanesen behaupten, daß die Drang- Der Orang-Utaug; siinia. 82,t^rrl». Nat. lljr. 5' hoch. Utang reden könnten, aber sich wohl hüteten es zu zeigen, damit sie nicht von den Menschen zur Arbeit angehallen würden. Ein Blick auf unsere Abbildung läßt jedoch, bei aller Uebereinstimmung im Organismus, den großen Abstand zwischen dem Menschen und diesem ihm ähnlichsten Affen deutlich hervortreten. Der Körper des Orang-Utangs ist mit rostbraunen bis braunrothen starken Haaren bedeckt, die am Unterarme aufwärts gerichtet sind; das Gesicht ist kahl, von bleigrauer Farbe; ein besonders langes Kopfhaar besitzt der Orang-Utang nicht, obwohl beim älteren Thiere das Haar am Kopfe stärker ist und i n die Wangen herabgeht, einen Backenbart bildend. Die beim Gehen eingeschlagenen Finger seiner vier Hände zeigen ferner, daß der Affe diese Bewegungsart nur in sehr unvollkommener Weise auszuführen vermag, 384 I I . Beschreibung des Thierreichs daß er vielmehr auf das Klettern angewiesen ist. I n der That ist er hierin sehr geschickt, und einsam, in Hochgebirgswaloungcn, insbesondere von Borneo, lebend, ist derselbe äußerst schwierig einzufangen, ja selbst zuschießen. Daher sind denn wohl alle Thiere der Art, deren man bisher habhaft wurde, junge Orang-Utangs gewesen, vielleicht keins über drei Jahre alt. Gesicht und Kopfbildung, die alsdann noch viel Menschenähnliches besitzen, lassen hierin bei älteren Thieren große Unterschiede erwarten. Nach vergleichender Untersuchung rührt der Schädel einer vermeintlichen großen Affenart, Pongo genannt, vom erwachsenen Orang-Utang her. Es zeigen sich an demselben große, hauerartige Eckzähne und ein starkes Hervortreten des Unterkiefers, beides vom menschlichen Antlitz sich sehr unterscheidend. Auch die geistige Befähigung der gefangenen Orang-Utangs war nicht erheblich, namentlich nicht bedeutender, als die des Hundes; es mag ihrer Jugend zuzuschreiben sein, daß sie sich nicht unbändig und boshaft erwiesen; eine weitere Entwickelung ließ sich bis jetzt nicht verfolgen, da sie in der Gefangenschaft bald sterben, meistens an Lungenleiden. Unter dem Namen G o r i l l a wird ein neuerdings im Innern von Afrika angetroffener Affe, von ungewöhnlicher Größe und Stärke als ein sehr gefährliches Thier beschrieben. Kleinere ungcschwänzte Affen sind ferner die auf den SundaInseln lebenden langarmigen Gibbone (H^iobatsL). Von den geschwänzten Affen sind anzuführen der Kleid er äffe (ZLumoxitkseuZ ii6iaa6U8), der durch sonderbare Färbung und Zeichnung sich bemerkUch macht, sowie der durch seine lange Nase ausgezeichnete Nasenaffe (8. naLions). Aus Afrika stammen die bei Thierführern häufigen grünen Affen (OGlcoxi- Der Mandrill; 0. moriuau. Nat. Gr. 3" laug. A. Wirbelthiere. 1 . Säugethiere. Vierhänder. 385 tli6ou3 8ada6U8) und Meerkatzen (Makako, Innrm o M o n i o i ^ s ) und der gemeine Affe oder M a g o t ( I . 8^1vaQii8), der einzige, der in Europa auf G i braltar im Freien sich erhält, jedoch angesiedelt und unter besonderem Schutz; er ist ungeschwänzt. Sehr kenntlich durch ihren hundcartigen Kopf find die P a v i a n e (0Moc6^I^1u8), welche zu den gewöhnlichsten Erscheinungen in den Thicrbudcn gehören, worunter wir den arabischen Pavian ( 0 . Hamn.äi'^8) und den durch blaue Backen und eine rothe Nase ausgezeichneten M a n d r i l l (0. laorinori), Fig. 46, aus Guinea bemerken; derselbe ist ein in der äußeren Erscheinung und in seinem Charakter gleich abscheuliches Thier. H.5k6N d637 rl.6il.Gil. ' M o i t . Sie haben eine breitere Nasenscheidewand und daher seitlichstehendeNasenlöcher; sind kleiner als die vorhergehenden, indem keiner die Lange von zwei Fuß überschreitet; von Charakter weniger tückisch und unbändig, meist sanft und leicht zähmbar; sie leben vorzüglich in Brasilien, Peru und Guiana. Ein Theil derselben hat einen Noll- oder Wickelschwanz, mit dessen Ende sie, gleichwie mit einer Hand, Aeste umfassen und an denselben sich aufhängen und hin- und hcrschwingen können. Hierher gehört der schwarze B r ü l l a f f e (N^06t6LV6i26'bnd)/Fig.47, etwa zwei Fuß lang mit ebenso langem Schwarzer Brüllasse; U^ooDL» Loixedud. Nat. Gr. 1»// ->- 2" laug "). Schwanz, hat um das Kinn einen starken Bart und am Zungenbein eine Schallblase, wodurch seine Stimme verstärkt wird. Derselbe ist einer der gemeinsten Affen Südamerikas, lebt in Gesellschaft, ist scheu und sucht, wenn er sich bedroht glaubt, die höchsten Gipfel der Bäume auf. Morgens und Abends, auch *) Anmerk. D!cse letztere Zahl giebt die Lange des Schwanzes an. 386 I I . Beschreibung des Thierreichs. bei bevorstehendem Witterungswechsel läßt er ein fürchterliches Gebrüll hören. Es wird erzählt, daß ein älterer Affe, höhersitzend,gleichsam dm Vorsänger mache, nach dessen Beispiel der ganze ringsum geschaarte Affenchor zu schreien anfange und aufhöre. Die Engländer nennen ihn daher Predigeraffe. Es mag jedoch, wie häufig geschieht, in solcher Beschreibung einige Uebertreibung vorkommen. Ferner sind anzuführen: der Klammeraffe oder K o a i t a (^t6i63); die in Thierbuden öfter anzutreffenden Capucineraffen (Osbug oaxnoinus) und die S a j o u s (0. axxMg.). Keinen Wickelschwanz haben der W i n selaffe oder Eichhornaffe (Oaiiitkrix seini^a); der durch große Augen ausgezeichnete Nachtaffe (U^ctipitksons), der fast die Lebensweise eines nächtlichen Raubthiers führt; der Seidenaffe oder U i s t i t i (Na.xg.1s «sacokuL) und das Löwenäffchen (N. rosalia.). Die N g . i d 2 . k l 6 n kommen nur in der alten Welt vor, wo sie gesellig, von Früchten und Insekten leben und meistens eine nächtliche Lebensweise führen, 'die durch große Augen begünstigt wird. Als besonderes Kennzeichen dient der K r a l l n a g e l am Zeigefinger der Hinterglieder, während alle übrigen Finger Plattnägel haben. I h r Gesicht ist behaart und die Form des Kopfes zugespitzt, fuchsähnlich. Vemerkenswerth find: der Katzenmaki oder Mokoko (I^innr oatta); der I n d r i (liiokanotiiZ); der Lori (Ztsuo^L); der Ohraffe (OtolicuuL) und das nur sechs Zoll lange Koboldäffchen Clarsius), welches auf den Molukken lebt. D r i t t e O r d n u n g : F l a t t e r t h i e r e ; Okiroxtsra. 111 Diese in mancher Hinsicht den Mäusen ähnlichen Thiere zeichnen sich durchs eine feine Flughaut aus, welche zwischen den langen Zehen ihrer Norderglieder und den Hintergliedern ausgespannt ist. Sie halten sich am Tage verborgen und stiegen in der Dämmerung sehr hurtig umher, wobei sie nach Insekten jagen. Bei Beginn des Winters hängen sich die Fledermäuse, wie Fig. 48 zeigt, an den Hinterbeinen auf und wählen hierzu möglichst geschützte und warme Orte, wie Höhlen, Keller und Kamine, wo sie oft in großer Gesellschaft, zu einem Klumpen gedrängt, angetroffen werden und die kalte Jahreszeit im Zustande der Erstarrung zubringen. Einige Fledermäuse der heißen Länder saugen das Blut der warmblütigen Thiere, und nur wenige fressen Früchte. Auffallend find die großen, feinhäutigen Ohren der Fledermäuse, sowie die hau- tigen Lappen und Falten, die an der Nase mancher Arten sich vorfinden. Es giebt hiernach viele Arten derselben, die sich auch durch ungleiche Länge der Flügel und entsprechende Fluggeschwindigkeit unterscheiden, im Uebrigen^jewch dieselbe Lebensweise führen. Wir bemerken: die gemeine Fledermaus (Vssxertilio murimis), deren Gebiß, (Fig. 49, in zweifacher Größe), dem der insektenfressenden Raubthiere, wie der Spitzmaus und des Maulwurfs gleicht; sie hat die Größe einer Maus und mißt mit gespannten Flügeln sechszehn bis achtzehn Zoll; auf dem Rücken ist sie rothbraun; sie hat einen uuangeneh- ^. Wirbelthiere. 1 . Säugethiere. Flatterthiere. 387 mm, bisamartigen Geruch, kleine lebhafte Augen und ist sehr bissig. Durch sinnreiche VersuD überzeugte man sich von dem außerordentlich feinen Gefühl, welches den zarten häutigen Bildungen an der Nase und den Ohren der Fledermaus eigen ist. Des Augenlichts beraubt, oder im Dunkelnstiegtsiemit der größten Geschwindigkeit und Sicherheit umher, ohne irgendwo anzustoßen, indem sie dabei selbst feine ausgespannte Fäden zu vermeiden im Stande ist. Wegen der Vertilgung einer großen Anzahl Insekten ist sie entschieden ein Langohrige Fledermaus; Lisootns a,u,ritn8. Schädel von V . lu.u.rinu.2. nützliches Thier, gleichwie die übrigen Arten, von welchen wir noch anführen: die langohrige Fledermaus (Visootns am-itu-Z), Fig. 48; die Hufcisen- Hufeisninase; Nb. terruiu eguinum. Vs d. nat. Gr. Nase (NirwioximLksri'uiii s^run^in), Fig.50, und die röthlichbraune Speckmaus (V68x6rnSo Q0otn1g.),Fig.51 (a.f.S.), welche jedoch ebensowenig Speck frißt, wie irgend eine andere Fledermaus. Die Blattnasen, auch Vampyre genannt (^KMostomg), sind große blutsaugende Fledermäuse Brasiliens, die mit ausgespannten Flügeln über 388 I I . Beschreibung des Thierroichs. zwei Fuß messen. Sie hängen sich Nachts sowohl an wilde Thiere, als auch an Hausthiere und Mnschcn, die im Freien übernachten, beißen kleine Wunden und saugen dann das ausstießende Blut. Den Halbaffen ähnlich ist der fliegende M a k i (6Ni60xitksou8) der Molukken. wahrend der fliegende H u n d ( k t s r o xu.5) auf Java durch seinen hundeähnlichen Kopf sich auszeichnet; er lebt nur von FrUchten. ' Das Fleisch der beiden letztgenannten, welche die Größe eines vo8pornFo Noctuw in Utn. Größe Kaninchens erreichen, wird gegessen. V i e M Ordnung: 112 Wir finden Wer M e gwIeHnzaP von H W A MsaWmeMHellt, welchen die Natur als Nahrungsmittel die übrige lebende Thierwelt angewiesen hat, mit der wir sie daher in immerwährendem Kampfe begriffen sehen. Zu diesem Ende sind die Naubthiere mit Krallen und allen drei Arten von Zähnen furchtbar bewaffnet, fo daß ein Theil derselben selbst dem Menschen gefährlich wird. Diese Ordnung zerfällt in drei Abtheilungen, die sich durch Nahrungsweise und darnach eingerichtete Backenzähne unterscheiden lassen: in Insektenfresser mit spitzigen Höckerzahnen, in eigentliche Fleischfresser mit schneidenden Backenzähnen und in solche, die neben Fleisch auch Pflanzenstoffe genießen und viele stumpfe Zahnhöckcr haben. Die I n s S k . t S n L r s L L S i ' trctenmit cincr flachen und nackten Sohle auf und erinnern zwar durch Größe und Gestalt vielfach an Natten und Mäuse, von welchensiesichjedoch durch ihr raubthierartiges Gebiß, und ihre hauptsächlich aus kleinen Thieren bestehende Nahrung wesentlich unterscheiden. Darunter bemerken wir den I g e l (Nriuacsns), Fiq. 52, ausgezeichnet durch sein stache- Der Igel; Nrinaoons. V^ d. nat. ^ I . Klaffe: Säugcthierc. Ncmbthiere. 389 liges Fell, in das ersichbei drohender Gefahr kugelig zusammenrollt; er wird zehn Zoll lang, hat eine spitze Schnauze, kurze Ohren undstächeFußsohlen. Der Igel ist über ganz Europa verbreitet und hält sich am Tage in dichtem Gebüsch, am liebsten in Dorngebüsch versteckt, wo er sich ein behagliches Lager bereitet hat, in welchem er auch den ganzen Winter über in Schlaf zubringt. Obwohl er gelegentlich auch gefallenes Obst verzehrt, so ist er dabei ein harmloses, nützliches Thier, das auf seinen nächtlichen Wanderungen viele der klei nen schädlichen Thiere verzehrt; er verdient daher alle Schonung und die muth willige Tödtung desselben erscheint ebenso grausam als unvernünftig. Man hat vom Igel gesagt, daß ihm kein Gift schade, da er in der That die Kreuzotter und spanische Fliegen ohne Nachtheil verzehrt; andere Gifte erweisen sich demselben jedoch tödtlich. Ferner sind anzuführen, die gemeine Spitzmaus (Zorsx ai-ansüs), die Zwergspitzmaus (I.MAniaLus) und die um das Mittelnieer heimische kleinste Spitzmaus (Orooiäura Luav6oi6Q8) Fig. 53 (in natürlicher Größe), welche letztere das kleinste aller Säugethiere ist. Die Spitzmäuse wohnen in Erdlöchern und werden wegen eines schwach moschusartigen Geruches von den Katzen nicht gefressen. Der gemeine M a u l w u r f (lalpa 6NI-0PK63.), F l g . 5 4 , dessen breite, handformige und mit starken Nägeln versehene Pfoten ihn zu einem geschickten Gräber Dle kleinste Spitzmaus,- <.'rooiäurn, 2u»vVo1eii3. Vi d. iiat. Gr. machen, durchwühlt den Boden, um eine Menge von Würmern und Larven zu vertilgen, indem er ein überaus gefräßiges Thier ist. Dabei wird er jedoch durch die vielen Gange und aufgeworfenen Hügel dem Wiesen- und Gartenland'schädlich und ist deshalb starker Verfolgung ausgesetzt. Die Augen des Maulwurfs sind so klein und versteckt, daß man sie ihm früher gänzlich abgesprochen hat. Wirklich zugewachsensindsie bei dem südeuropäischen b l i n d e n Maulwurf ( 1 . Der gemeine M a u l w u r f ; I'alpa europasa. V3 d. nat. Gr. Anzuführen sind ferner der capische G o l d m a u l w u r f ( 1 . inkura^), mit II. 25 3l 0 I I . Beschreibung des Thierreichs. metallglänzenden Haarspitzen, und der S t e r n m a u l w u r f (^onä^inra.), dessen spitzer Rüssel sich sternförmig in eine Art von kurzen Fühlfäden theilt. Bei den größeren Fleischfressern erhalten die außerordentlich entwickelten und verschieden gestalteten Zähne entsprechende Benennungen. Sie haben sechs schneidende Vorderzähne i n den beiden Kiefern, dann hinter dem stark hervortretenden Eckzahn einige Lückenzähne, sodann den großen Neißzahn mit mehreren Spitzen und endlich mehrere Mahlzähne und bilden die folgenden durch Bau und Lebensweise unterschiedenen Familien: N ä r S n a r t i U S R g , n k t l i 1 s r s . Dieselben zeichnensichbesonders durch nackte Sohlen und das Vorherrschen der Höckerzähne aus; dk größeren, welche mehr im Norden leben, sind vorzugsweise fleischfressend, während die kleineren im heißen Klima vorkommenden neben Pftanzenstoffen auch kleinere Thiere und Eier fressen. Keins der hierher gehörigen Thiere wird besonders nützlich. Bemerkenswert!) sind: von den eigentlichen Bären (Hrsus) der weiße E i s b ä r ( I I . maritimus), Fig. 55, den Polarländern angehörig, nur von Thie- Der Eisbär; Ursug mHritimkg. Nat Gr. 3V/ lang. reu, besonders Robben und Fischen, lebend. Es ist dics der größte unter den Bären, der sechs bis acht Fuß lang und über vier Fuß hoch wird; seine Farbe ist weiß oder gelblichweiß, die Schnauze schwarz. Der Eisbär trotzt der stärksten Polarkälte, kratzt sich Höhlen ins Eis und bringt den Januar und Februar 381 1. Klasse: Säugethiere. Raubthiere schlafend zu, wobei er, in eine Fels- oder Eisspalte kriechend, sich tief einschneien läßt. Alle Polar-Reisenden erzählen von Begegniffen mit diesem großen und starken Raubthier; dasselbe erweist sich dm Bewohnern jener unwirthsamen Landenden Eskimo und Grönländern besonders dadurch nachtheilig, daß es die von denselben angesammelten Vorräthe aufsucht und nicht selten, trotz der sorgfältigsten Verwahrung mit Mauern von Felsstücken und Eis, vernichtet. Andererseits sind sein Fleisch und Pelz für jene Völker werthvolle Artikel, und ein beherzter Eskimo unternimmt, nur mit einer Lanze bewaffnet und von einigen Hunden unterstützt, siegreich den Kampf gegen den Eisbären. Der braune B ä r (17. aroto»), Fig. 5 6 . ist vier bis sechs Fuß lang, Brauner B ä r ; UrguF aratag. Nat. Gr. 6V2" laug. Heller oder dunkler braun, mit einem weißlichen Halsband m der Jugend, das bei einigen auch im späteren Alter sich erhält. I n der Farbe des Baren finden jedoch manche Abänderungen statt, so daß man sogenannte H o n i g b ä r c n mit gelblichem, S i l b e r b ä r e n mit silbergrauem Pelz und ganz schwarze Bären unterscheidet. Der Bär lebt einsam i n Schluchten oder Waldcsdickicht und das Weibchen gebiert zwei bis drei kleine Junge, die übrigens nicht erst durch das Lecken der Mutter ihre Gestalt erhalten, wie irrthümlich erzählt wurde. Letztere erzieht ihre Kleinen mit vieler Liebe, wobei es jedoch vorkommenden Falles auch nicht an Ohrfeigen fehlt. Der Bär bedient sich überhaupt zum Angriff und zur Vertheidigung zunächst seiner Tatzen, indem er sich dabei 25* 392 I I . Beschreibung des Thierreichs. aufrichtet. Das Gehen auf den Hinterbeinen fällt ihm viel leichter als dem Affen, daher er, zum Tanzbär abgerichtet, früher häufig durch Polakcn herumgeführt wurde. Vor dem Winter wird er fett und bringt einen Theil desselben schlafend zu. Trotz seiner plumpen Gestalt ist der Bär ein gewandtes Thier, das gut läuft, schwimmt uud klettert. Früher über ganz Europa verbreitet, ist er jetzt auf dessen Norden und die einsamsten Thäler der Pyrenäen und Alpen beschränkt, wo er vorzugsweise nächtliche Raubzüge unternimmt, in die Vichställe einbricht und dann großen Schaden anrichtet, indem es vorgekommen ist, daß er in einer Nacht zwanzig bis dreißig Schafe erwürgte. Uebrigens verschmäht er auch Mäuse nicht, die er ausgräbt, und namentlich frißt er gern Honig und Beeren- sein Fell wird als Pelzwerk geschätzt. Der schwarze B ä r oder B a r i b a l (II. 9.iu6rioaun8) ist dem vorigen ähnlich, jedoch etwas kleiner. Kleinere B ä r e n a r t i g e Thiere sind: der Waschbär ( k r o ^ o n lotor), welcher die merkwürdige Gewohnheit hat, jede Speise in Wasser einzutauchen; er findet sich im gemäßigten Nordamerika uni) liefert einen geschätzten Pelz. I m 'südlichen Amerika trifft man mehrere Arten des durch eine rüsselförmige Naseausgezeichneten Nasenbären (Rksna.) oder C u a t i . ^ i s 8 6 i a 3 ? t i U S NNil.d'bliiSrS. Sie bilden eine durch kurze Beine und einen schlanken Körper ausgezeichnete Familie, deren Angehörige, obgleich nicht von beträchtlicher Größe, doch meist blutgierig sind. Wir finden hier den in Hohlen wohnenden Dachs (NkisL), der auf nächtlichen Raubzügen kleinett Thieren und dem Obste nachstellt; er ist zwei Fuß lang, grau mit weißlichem Kopf nnd schwarzem Striche vom Ohr übers Auge und ähnelt in der Körperbildung dem Bären, gleich welchem er auch einen Winterschlaf hält; seine Haare geben vorzügliche Pinsel. Dem Dachs ähnlich'ist der braune V i e l f r a ß (O11I0), den nördlichen Ländern angchorig und irriger Weise früher als sehr gefräßig geschildert. Die S t i n k t h i e r e (Nsxkitis), deren mehrere Arten in Westindien leben, verbreiten einen unerträglichen Gestank. Die nachfolgenden zeichnen sich durch den langgestreckten Körper und große Gewandtheit in ihren Bewegungen ans; als Raubthiere sind sie besonders dem Hausgeflügel gefährlich; auch verzehren sie gern Eier nnd süße Früchte. Zu ihren Gunsten ist jedoch anzuführen, daß sie eine große Anzahl von Mäusen vertilgen und vorzügliches Pelzwerk liefern. Anzuführen sind: Der I l t i s (Nustsia Mtorins), Fig. 57, auch Natz genannt, ist etwa iVZ Fuß lang, sein Schwanz ein Drittel so lang; seine Farbe ist schwarz, ins Gelbe schimmernd, ein Fleck am Ange, die Schnauze und der Rand der Ohren sind weiß; er besitzt einen sehr Übeln Geruch, den auch sein Pelz nie vollständig, verliert. Der I l t i s bewohnt in Wäldern hohle Bäume, hält sich jedoch auch in altem Gemäuer, unter Holzwerk und dergleichen an bewohnten Orten auf und ist der gefährlichste Feind des Geflügels, zu dessen Behältern er selbst unterirdische Gänge gräbt; einmal in ein solches eingedrungen, mordet er alles Lebende, mehr als er fressen und wegschleppen kann. Das gelblichweiße Frettchen ( N . karo) wird zur Kaninchenjagd benutzt; das große Wiesel oder Hermelin ( N . ei'miuoa), im nördlichen Europa, ist rothbraun, im Winter ganz weiß mit sch-war- 1. Klasse: Säugethiere. Raubthiere. 393 zer Schwanzspitze; das kleine Wiesel ( N . vul^aris), rothbraun, auf dem Bauche weiß, nur sechs bis ächt Zoll lang, aber flink und muthig; dcr Baum- Der Iltis- HluZtala putorius. Nat. Gr. IV2" ^ V2" lang. marder oder Edelmarder ( N . rü^rt6F), kastanienbraun mit gelber Kehle, bewohnt Baumhöhlen; der S t e i n m a r d e r ( M ioina.), braun, mit weißer Kehle, nicht selten in alten Gebäuden; dcr Zobel ( N . ^idsiliua), braun, bewohnt das nördliche Asien und Amerika, woher besonders aus Sibirien als das kostbarste alles Pelzwerks die Zobelfelle kommen. Ein scheues, schlaues und der Fischzucht sehr nachteiliges Naubthier ist die Fischotter Antrkl.), Fig. 58, mit flachem Schwanz und Schwimmhäuten an Die Fischotter; I,wra vnlKäns. Nat Gr. 2 ^ -s- 2' lang. 394 I I . Beschreibung des T h i e r r e i M . den Füßen, das Höhlen am Wasser bewohnt und von Fischen lebt. Die Fisch, otter wird zwei Fuß lang, der Schwanz halb so lang, mit schönem, glänzendem kurzhaarigen Balge von dunkelbrauner Farbe, unten Heller; derselbe ist ein geschätztes Pelzwerk, auch werden die Haare zu Pinseln benutzt. Der Kopf ist stumpfer, als bei den bisher genannten, welchen die Fischotter im Uebrigen gleicht, nur daß ihre Räuberei auf Wasscrbewohncr sich erstreckt, welchensievorzüglich Nachts, besonders bei Mondschein nachgeht. Sie fängt die Fische, indem sie auf dem Boden der Gewässer sich unter den Fisch schleicht und ihn so vo unten herauf erfaßt und dann sofort mit dem Naube ans Ufer steigt. I h r Fleisch ist schmackhaft. Die Fischotter läßt sich leicht zähmen, wird sehr zutraulich und soll selbst zum Fischfang abgerichtet werden; nichts gewährt mehr Unterhaltung, als den Spielen einer Fischotterfamilie im Wasser zuzusehen, in welchemsiesichmit unglaublicher Geschwindigkeit umhcrtummeln. Viv6i'i'sii2,r5iF6 RI.u.dtki6rs. Aus dieser Familie verdienen Erwähnung die ägyptische P h a r a o n s r a t t e oder Ichneumon (N6iP68t68), als nützlicher Vertilger von schädlichen Amphibien, insbesondere der Krokodileier, und das Zibetthier (Viverra Aikstlia) wegen Absonderung des starkriechenden Zibeths, es lebt in Südasien. N i m < 3 . 6 a . r t i F 6 N N - u . d t k . i s r s . Sie find hochbeinig, laufen gut, können jedoch nicht klettern. Zum Hundcgeschlecht werden gerechnet: der gemeine Hund ((üanis familiaris), von dem es bekanntlich eine außerordentlich große Anzahl der verschiedenst gestaltigen Nassen giebt, die theils als Zugthiere, Wächter, Jäger, theils als Gesellschafter beständig um den Menschen sind, und von deren ungemeiner Nbrichtungsfähigkeit die schönste Anwendung zur Errettung der im Schnee Verunglückten auf dem Sanct Bernhard gemacht worden ist. Als unterscheidendes Merkmal des Hundes von nahverwandten Thieren wird angeführt, daß sein Schwanz seitwärts gekrümmt ist. Man kennt keine wilden Stammältern des Haushundes, trifft jedoch ganze Schaaren verwilderter Hunde in Aegypten und i n den Grassteppen von Südamerika, wohin er erst durch die Europaer gekommen ist. Der gefräßige W o l f (O.Iuxus), Fig. 59, das schädlichste europäische Raubthier, häufig im östlichen und nordöstlichen Europa, auch in den Ardennen noch vorhanden, findet sich aus beiden Richtungen als Gast zuweilen in Deutschland ein. Der Wolf wird bis vier Fuß lang und 2 ^ Fuß hoch; sein Schwanz hängt bis zur Ferse gerade herab; seine Farbe ist gelblichgräü,hie und da ins Schwarze gehend, am Bauche schmutzigweiß; oben an den Vorderbeinen hat er einen schwarzen Querstrich, auch der Ohrenrand ist schwarz-, seine Stimme ist nicht bellend, sondern heulend. Obgleich von großer Stärke und mit einem furchtbaren Gebiß bewaffnet, ist der Wolf doch ein feiges Thier, und es sind Falle bekannt, daß er von Kindern mit Geschrei und Stecken in die Flucht gejagt worden ist. Ganz anders benimmt er sich jedoch, wenn er I.Klasse: Säugethiere. Raubthiere. 395 vom Hunger gepeinigt, in Rudel gesellt, Thiere und Menschen in rasenden Sprüngen verfolgt und mit entsetzlicher Gier anfällt, und zahlreich sind die -Der Wolf; llanig wpug. Nat. Gr. 4V-5 1V/ lang. Beispiele der also erliegenden Opfer. I n Gegenden, wo der Wolf sich häufig zeigt, führt der Bauer einen tüchtigen langen Prügel, den Wolfsstecken, als sicherste Waffe; ein kräftiger Schlag ins Genick streckt den Wolf zu Boden. Sein Balg wird nicht besonders geschützt. Der Schakal (0. Kursus), Fig. 60 a. f. S., ist gelbroth, mit Grau und Schwarz gemischt, wird 2 ^ Fuß lang und 2 Fußhoch; cr findet sich, wiewohl selten, auf einigen Inseln von Dalmatien und in Griechenland, dagegen sehr häufig in Asien und im nördlichen Afrika. Als Raubthier wird er nicht gefürchtet, wiewohl er sehr gefräßig ist, selbst Aas verzehrt und deshalb den Caravancn nachfolgt. Auch läßt der Schakal sich leicht zähmen. Unter dem Namen des P r ä r i e n - W o l f s (6. latrans) versteht man ein dem vorhergehenden ähnliches Thier, das in dm Grasstcppen am Missouri und in Californien in Schaaren hcrumschweift. Durch eine länglichrunde Pupille zeichnensichaus: der Fuchs"fO.vnIp63), berüchtigt durch seine Schlauheit; er spielt im Volksgedicht, Rein ecke genannt. 396 , I I . Beschreibung des Thierrcichs. eine große NoNe; der E i s f u c h s (0. laSopuL), blaugrau, im Winter weiß bewohnt die Polargegenden und liefert geschätzte Pelze. Der Schakal; cauw aureus. Nat. Gr. 21/2' - l - 1' lang. Den Uebergang zur nachfolgenden Abtheilung bilden die Hyänen (H)N6na), mit einer über den Rücken laufenden Mähne; nächtliche, aasfresscnde Raubthicre in Asien und Afrika. I5g,t2Sn.3.i'tiF6 N g . i i d t l i . i 6 r 6 . Von allen sind diese die blutgierigsten und gefährlichsten, gleich furchtbar durch Kraft und Behendigkeit. Sie gehören fast gänzlich den heißen Ländern an und sind mit scharfen Krallen bewaffnet, welche beim Gehen zurückgezogen und geschont' werden; die meisten klettern vortrefflich; die großen haben eine runde, die kleineren eine längsgespaltcne Pupille. Trotz ihrer Furchtbarkeit erregen diese Raubthiere in hohem Grade unsere Theilnahme; ja wir sind geneigt, sie für die schönsten Geschöpfe des Thicrrcichs zu halten. Wir bewundern die Majestät des einen, den Gliederbau sowie die Geschmeidigkeit dcs andern und die Farbe und Zeichnung des dritten. M i t einem Gemisch von Grauen und Wohlgefallen folgen wir jeder Bewegung dieser Ungeheuer, wenn wir Gelegenheit haben, dieselben hinter festen Eisenbarren verwahrt zu betrachten. Es ist merkwürdig, daß ein jeder der drei großen Continente der Welt sein ihm eigenthümliches ^oßcs Naübthier hat; Afrika den Löwen, Asien den Tiger, Amerika den Jaguar, von nahezu gleicher Größe und Stärke, und eine Vergleichung derselben erscheint hiernach von besonderem Interesse. König des Thierreichs ist der Löwc (^slis Iso), Fig. 61, er wird fünf bis Acht Fuß laUg, 31/2 Fuß hoch, mit langem Schweif, an dessen Ende sich eine Haarquafte befindet, mit einer stachelartigen Knochenspitze in der Mitte. Der Kopf des Löwen ist groß, rundlich, wie bei allen Kahcnarten, doch aus de. 1. Klasse: Säugethiere. Raubthiere. 397 Stirne etwas abgeplattet, mit gerader Nase, stumpfer Schnauze, stacheliger Zunge und großen, glänzenden Augen. Ein besonderes Ansehen verleiht dem männlichen Löwen seine Mähne, die Hals und Brust umgiebt u'nd auf der Der Luwr; I^Ug ^o. Nat. Gr. ? ' - l - 3 ^ lang. Nauchlime sich fortsetzt. Seine gewöhnliche Farbe ist gelbbraun. Die Löwin hat keine Mähne, ebensowenig ihre Jungen, deren sie drei wirst, die mit offenen Augen zur Welt kommen; die Fortpflanzung geschieht nicht selten in der Gefangenschaft. Die Löwen waren in früherer Zeit viel verbreiteter als gegenwärtig; im Alterthume kamen dieselben in Griechenland, Macedomen und auf Sicilien vor. I n welcher Menge die Löwen aber in Afrika und Asten damals sich vorfanden, geht aus der unglaublichen Anzahl hervor, mit welchersievon dm Nömcni zu Kampfspielen verwendet wurden. Pompejus ließ auf einmal sechshundert Löwen, zur Hälfte männliche, auftreten; J u l i u s Cäsar führte ebenso vierhundert männliche bor. Wenn man bedenkt, daß solche Spiele in kleinerem Maßstabe auch in den Provinzen sich wiederholten, so mußte das massenhafte Hinwegfangen dieser Raubthiere ihre Anzahl alsbald .beträchtlich vermindern. I n der That konnte bereits zweihundert Jahre später M a r c A u r e l nur noch hundert Löwcu zusammenbringen und es hatte somit jene grausame Unsitte doch eine wohlthätige Folge. Das Einsangen der Löwen geschieht nicht besonders schwierig, vermittelst Fallgruben. Gegenwärtig ist es Afrika, das die meisten Löwen beherbergt; sie finden sich ferner in «Persicn und Indien. Es zeigen sich jedoch in Farbe und Größe eben nach 398 II. Beschreibung des Thierreichs. dem Aufenthaltsorte bei den Löwen sehr merkliche Unterschiede. Der Löwe vom Cap ist hellgelb, kleiH und feig; der persische Löwe ist ähnlich, doch etwas bedeutender; in vollster Größe und Furchtbarkeit tritt der Löwe des nördlichen Afrika, im Atlasgebirge auf. Dieser letztere ist dunkelfarbig, die Mahne fast schwarz, das Gesicht aschgrau und sein Gebrüll versetzt weit und breit Menschen und Thiere i n Schrecken und Zittern. Nach Katzenart beschleicht er seine Beute, am liebsten am Morgen und Abend bei der Tränke, erreicht sie mit einem großen Sprunge und schlagt sie mit der Tatze nieder. Den Menschen sucht der Löwe gerade nicht auf, er meidet ihn eher und es werden Beispiele angeführt, wo ein Löwe vor der aufgerichteten, ruhigen Gestalt eines Mannes sich zurückgezogen hat. Ein furchtbarer Gegner ist er jedoch, wenn er sich selbst angegriffen und verfolgt sieht. I n der Gefangenschaft läßt sich der Löwe ziemlich leicht zähmen. Der T i g e r (^slis ti^i-ig), Fig. 62, ist so lang als der Löwe, doch etwas Der Tiger; ?G3 ti§ri8. 3iat. Gr. 6' ^- 2 ^ lang. niedriger; seine Farbe ist oberhalb rothbraun mit schwarzen Querstreifen, am Bauche weiß. Er bewohnt nur Asien, vorzüglich Ostindien, wo er in Bengalen am häusigsten ist, auch auf den großen Inseln Java und Sumatra vorkommt, im Uebrigen aber in einem Bezirk von großer Ausdehnung umherschweift, so daß er im nördlichen Asien bis in die Heimath des Rennthiers und nordwestlich bis zum Caspischen Meere angetroffen wird. Der Tiger ist das furchtbarste' aller Raubthicre und bei weitem gefährlicher als der Löwe; erstelltge. radezu dem Menschen nach bis in seine Wohnung und holt denselben unver- 1. Klasse: Säugethiere. Ranbthiere. 399 sehens hinweg. Sein Lieblingsaufenthalt sind die vom Bambusrohr gebildeten Dickichte, die Dschungels, die ihm Schutz gewähren. Er wird mit Elephanten gejagt, auf deren hohem Nucken der Schütze einen gesicherten Sitz hat. I n der Gefangenschaft ist er kaum zähmbar. Der J a g u a r oder amerikanische Tiger ( I ' . onoa), Fig. 63, findet Der Jaguar; ?«U3 onoa. Nat. Gr. 4 ^ -l> 2V2" lang. sich im ganzen mittleren Südamerika, vom Orenoko bis zum La-Platastrom, selbst bis Patagonien streifend; er steht den vorhergehenden an Größe etwas nach, übertrifft sie jedoch an Schönheit der Färbung und Zeichnung. Auf dem. Nucken rothgelb, nach dem Bauche hin weißlich, ist er auf den Seiten mit vier bis fünf Reihen von schwarzen Fleckenringen gezeichnet, die einen Fleck einschließen. Auf dem Kopf und Nucken hat er zahlreiche Flecken, die keine Ninge bilden; der etwas kurze Schwanz ist schwarz geringelt. Der Jaguar ist ein furchtbares Raubthier, das besonders an den Flußufern lauert, wo zumeist Wasserschweine ihm in die Klauen fallen; außerdem fällt er über wilde Pferde, Ninder, Hirsche und die Heerden der Hausthicre her, ohne jedoch mehr zu todten, als er zur Nahrung bedarf. Gleich dem Tiger greift er dm Menschen an und geht ihm nach, sobald er einmal dessen Fleisch gekostet hat. Er schwimmt vortrefflich über breite Ströme und es verdient bemerkt zu werden, daß er mit seinen Klauen geschickt Fische aus dem Wasser holt und verzehrt; ebenso reißt er das Fleisch aus den Schalen der Schildkröten. Seine Größe und Färbung erleidet mehrfache Abänderungen, und letztere verdunkelt sich bis ins Schwarze; doch lassen sich selbst dann noch Flecken erkennen. Das schöne Fell dieses Thieres wird im Handel als großes PantherM sehr geschätzt. Seit Einführung des Feuergewehrs hat sich der Jaguar sehr vermindert. 400 I I . Beschreibung des Thierreichs. Auch in der alten Welt finden wir mehrere Naubthkre, die sich durch schön gefleckte Felle auszeichnen. Diese sind der Panther oder Parder (^. xaräus) und der Leopard (I?. isoxaränL), Afrika, Süd- und Nestasien angchörig. Ferner sind zu bemerken in Südamerika der Ozelot (^. pÄi-älüis) und der Puma oder amerikanische Löwe (1^. oonoolor), dunk'elroth mit dunkleren Flecken, drei bis vier Fuß lang, ein blutgieriges, jedoch vor dem Menschen fliehendes Raubthier. Zur Jagd wird abgerichtet der Gepard (^. ^nkkta); er hat eine Mähne und lebt im südlichen Asien und in Afrika. Der Luchs (^. I^Qx), Fig. 64, wird etwas über drei Fuß lang und nicht Der Luchs; l e l w I^ux. Nat. Gr. 3'2// ^. »// laug. ganz z i M Fuß hoch, mit auffallend kurzem, nur sechs Zoll langem Gä)-wanz. Seine Farbe ist oberhalb röthlichbraun, mit unregelmäßigen dunkleren Flecken, nach unten etwas Heller. Bcmcrkcnswerth sind ferner die schwarzen Haarpinsel an den Ohren und seine großen Augen, deren scharfes Gesicht sprüchwörtlich geworden ist. Vordem in allen Waldern Europas verbreitet, ist der Luchs aus Deutschland verschwunden und nur selten wird ein aus den Nachbarländern dahin verirrtes Thier dort geschossen. Dagegen findet er sich noch öfter i n Böhmen, im nördlichen Europa, in den Pyrenäen und in den Alpen, in den letzteren jedoch nicht mehr häufig. I . Klasse: Säugethiere. BeuMhiere. 401 Er ist ein blutgieriges Raubthier, das dem Wild sehr schädlich ist, indem er, am liebsten auf Bäumen lauernd, demselben auf den Rücken springt und die Halsadern durchbeißt. Auf diese Weise erliegt ihm selbst der stärkste Hirsch. Unsere Hauskatze (^.äoinsLtiON) stammt aus Nubien und wird von der wilden Katze (^. oatus), Fig. 65, an Größe und Stärke übertreffen. Die Die Wildkatze; ?äU3 eatu». Nat. Gr. 2'^l- 1' lang. ächte wllde Katze, nicht zu verwechseln mit halbwilden oder verwilderten Hauskatzen, ist ein Thier von kräftigem, gedrungenem Körperbau, grau bis bräunlichgrau, mit schwärzlichen, gewässerten Querstreifen; der Schwanz etwas kurz, gleichförmig dick, schwarz geringelt, das Ende ganz schwarz. Sie findet sich vorzüglich häusig in Rußland, in Deutschland selten in Wäldern, und ist dann dem kleinen Wilde sehr schädlich. I h r Balg giebt ein gutes Pelzwerk. Fünfte O r d n u n g : V e u t e l t h i e r e ; NarLupmIin. Die Thiere dieser Ordnung gehören nur dem heißen Amerika,, den Sunda- 113 inscln und NeuhMand an und erreichen meist die Größe von Ratten und Hasen. Ihren Namen.erhalten sie daher, daß am unteren Theile des Bauches ihre eingcfaltete Haut eine Art von Sack bildet, in welchem sie die Jungen viele Wochen lang umhcrtragen. Die letzteren kommen sehr unentwickelt zur Welt. Bei manchen der hier aufzuzählenden Thiere ist keine solche Tasche vorhanden, allein der Bau ihres Skeletts/namentlich die Bildung des Beckens, deutet auf ihre Verwandtschaft mit den Beutelthieren. Ein Theil derselben ernährt sich von 402 II. Beschreibung des Thierreichs. Pflanzenstoffen, ein anderer gleicht in der Lebensweise unseren Mardern und Wieseln. Sie bilden zwei Abtheilungen: Vki2N26iit'rs38siiHs N s n t s i t k i o r s . Zu denselben gehören der Beutelbär oder Koala (I^Mms), der sein Junges lange auf dem Rücken trägt, und das große Känguruh (Htüinktni-liZ AiAaickus), Fig. 66. Das Känguruh; HaimMurus ß-iZÄUteuZ. Nat. Gr. 5' 4- 2 ^ laug. Letzteres ist daH größte Thier des ganzen fünften WMHeils und findet sich auf Neuhottand, wo es i n Heerden lebt. Es ist ein sonderbar gestaltetes Thier, dessen kleiner Kopf und Vordertheil nicht zu dem starken Hintcrkörper zu gehören scheinen; an letzterem bemerken wir die langen Hinterbeine und den ebenfalls langen und sehr starken Schwanz, welche beide das Thier zu ganz ungeheuren Sprüngen befähigen. Das Känguruh wird bis sechs Fuß lang und zweihundert Pfund schwer; sein Fleisch ist vorzüglich und es wird deshalb so stark gejagt, daß es in den bewohnteren Gebieten schon beinahe ausgerottet ist. Es pflegt mit aufgerichtetem Körper zu fitzen und dann von ferne einem Manne zu gleichen; daher soll der von den Eingeboren ihm 1. Klasse: Säugethiere. Nagethiere. 403 gegebene Name so viel bedeuten wie »alter Mann«. Das Känguruh pflanzt sich in der Gefangenschaft fort und seine Jungen sind sehr klein und unentwickelt. Außer diesem giebt es noch viele kleinere Arten von Känguruh, zum Theil von sehr zierlicher Gestalt und Zeichnung. Der Kuskus (Laiantia) lebt auf Amboina und der N o m b a t (?kaLoo lam/s) in Vandimensland. Von diesen sind anzuführen: der neuholländische Beutelmarder ( v I ^ u i ^ ) : die nur in Amerika vorkommenden und dem Federvieh sehr gefährlichen Beutelratten (DiäsiMs), worunter die gemeine B e u t e l r a t t e , auch Opossum genannt (v.mHi-8uxia> lls), Fig. 67, von der Größe einer Katze, ihre Jungen an 50 Tage in ihrem Sacke Das Opossum; DiäslMis NürguMUg. Nat. Gr. 2' -j- IV2" laug. und dann noch einige Zeit auf dem Rücken trägt, was letzteres namentlich auch die Beutelmaus (D. Hors^i-g.) thut, welche daher den Beinamen surinamischer Aeneas erhalten hat. Die iungen Thierchen ringeln dabei ihre Schwänzchen um den über den Rücken gelegten Schwanz des Mutterthicres. Die Beutelthiere bilden den Uebergaug von den Raubthieren zu den Nagethieren. Gegenwärtig in ihrer Verbreitung sehr beschrankt, finden sich Ueberreste derselben als die zuerst auftretenden Säugethiere schon in älteren Erdbildungen (Mineralogie §. 160). Sechste O r d n u n g : Nagethiere; Olirss. Die Nagethiere haben i n jedem Kiefer zwei meißelförmige Schneidezähne, ! 1 4 Nagezähne genannt, welche nur an ihrer Vorderseite mit Schmelz überzogen sind und daher immer scharf bleiben, weil beim Nagen der Hintere Theil rascher sich abnutzt. Auch wachsen diese Zähne fortwährend nach und erreichen eine 404 I I . Beschreibung des Thierrcichs. unmäßige Länge, wenn nicht eine entsprechende Abnutzung derselben stattfindet. Die Eckzähne fehlen und nach einer großen Lücke folgen zwei bis sechs Backenzähne mit querstehenden Schmclzleisten, wie an Fig. 68 ersichtlich, welche den Oberkiefer des Kaninchens, von unten gesehen, darstellt. Die meisten Nagcthicre sind kleinere, friedliebende Thiere, die sich stark vermehren, indemsieviele, nackte und blinde Junge werfen. Die zahlreichen Gattungen werden m mehrere Gruppen zusammengestellt. (ZolnriQs.). Zierliche, muntere _ Thierchen, welche vorzugsweise auf Bäumen und in Vaumlöchern leben; nur wenige wohnen in Erdhöhlen. Ihre Nahrung besteht hauptl/2 d. nat. Gr. sächlich in Kernen und Früchten. Solche sind das gemeine Eichhörnchen (VeiuruL vul^aris), Fig. 69, rothhaarig, am Bauche weiß, zuweilen schwarz, im Norden zur Winterzeit grau werdend Das Eichhorn, äoiurng vul^aris. Nat. Gr. 2/4' 4- 2/^ lang. und gutes Pelzwerk liefernd. Das Eichhörnchen bewohnt unsere Wälder, am liebsten Fichtcnwaldungen, deren Samen es vorzüglich gern frißt; im Uebrigcu sind Nüsse und Kerne seine Lieblingsnahrung, und es gewährt Vergnügen, wenn man zusieht, mit wie viel Eifer und Geschick das Thierchen eine Haselnuß benagt. I n der Gefangenschaft frißt es jederlei Nahrung, namentlich fehr gern Zucker; doch muß man sich hüten, ihm eine bittere Mandel zu geben, deren Blausäurcgehalt ihm tödtlich ist. Hat es keine ). Klasse: Säugethiere. Nagethiere. 405 Gelegenheit, harte Kerne zu benagen, so wachsen seine Nagezähne unnatürlich lang und es benagt dann, falls man es frei herumlaufen läßt, das Holzwerk der Möbel. I m Freien richtet es sich in Baumlöchern eine sehr behagliche, mit Moos gepolsterte Wohnung ein oder macht ein freies Nest aus Reisern, worin es zwei bis drei M a l jährlich drei bis sieben Junge wirft. Bei drohendem Gewitter soll es die Zugänge zu seinem Neste sorgfältig verwahren. DasFlughörnchcn (?toi-on2^Z), zig. 70, in Nußland besonders häufig i n den Birkenwäldern Sibiriens; es wird etwa sieben Zoll langest grau und hat zwischen den Vorderund Hinterbeinen eine behaarte Flughaut ausgespannt, die ihm jedoch keineswegs zum eigentlichen Fliegen dient, wie bei den Fledermäusen, sondern nur als Fallschirm bei seinen großen Sprüngen. Gleich unserem Eichhörnchen wird dieses artige Thicrchen zum Vergnügen gehalten und wird so zahm, daß es sich in der Tasche nachtragen läßt. Der S i e b e n schläfer (N^OXIL Das Flughörnchen; ?teroN?8. Nat. Gr. S" 4- 41/3". Alis), sechs Zoll lang, und die Haselmaus (Uu.8 «.vylianarinI), Fig. 7 1 , drei Zoll lang, beide haben einen buschigen Schwanz und halten Winterschlaf. Die letztgenannte ist ein überaus nettes Thierchm, gleichsam ein Eichhörnchen im Kleinen und wird ebenso zahm wie dieses. Die Farbe der Haselmaus ist braunroth, unten etwas Heller, der Schwanz so lang als der Körper; sie findet sich im südlichen und m'ttleren Europa, in Deutschland hie und da, doch niemals hänsig, in Waldungen und Haselbüschen, deren Nüsse nebst Bucheckern ihre Lieblingsfost sind. I n II. 26 40s II. Beschreibung des Thierreichs. einem aus Grashalmen, Moos und Laub an geschützten Orten bereiteten kugelförmigen Nest verschläft die Haselmaus den Winter bis zum April. Das M u r m e l t h i e r Fig. 72, unterscheidet sich beträchtlich von den bisher beschriebenen in Gestalt und Lebensweise; es hat ungefähr die Größe eines Hasens, aber sein Körper ist! plump, der Kopf breit und platt, die Beine und der Schwanz sind kurz; d k ' Die Haselmaus; Nu5 kveiianarins. Nat. Gr. 3 " ^- 2^/2". Farbe des Pelzes ist gclblichgrau, in Braun übergehend, an der Schnauze weißlich. Das Murmelthier ist ein Bewohner des Hochgebirges und hält sich an den Südabhängen der Pyrenäen und Alpen, an der Grenze des ewigen Schnee's auf. Wurzeln und Alpenkräuter sind seine Nahrung; auch polstert es mit denselben sorgfältig Mne tiefen Höhlen aus, in welchen es zusammengerollt dm sechs und mehr Monate langen Winterschlaf zubringt, ohne zu fressen. Die MuMelthiere find sehr scheu und vorsichtig, und sobald eines beim geringsten Zeichen der Annäherung eines Feindes ein lautes Pfeifen Ertönen läßt, verDas Murmelthier; Hictom^s marmot«. Nat. Gr. 1' 5 V2. schwinden aüe^WHMll in den Löchern. Die Gebirgsbewohner schießen es zuweilen, weniger um des Balges und Fleisches willen, als wegen des Fettes, das sie für besonders heilsam halten; der Jäger muß es alsdann sehr vorsichtig beschleichen und sicher treffen, damit es nicht noch sein Loch erreichen k^nn. Früher wurden die Murmelthiere häufig von herumziehenden Savohardenknabm vorgezeigt. Die M ä n s s (N^rina) sind sämmtlich klein, leben i n Gängen, diesiein 1. Klasse: Säugethiere. Nagethiere. ' 407 die Erde graben und gehen des Nachts ihrer Nahrung nach, die vorzugsweise in Körnern und Wurzeln,, jedoch auch aus Thierstoffen besteht, werden oft sehr schädlich. Vemerkenswerthsind:die Hausmaus (Nu.3 Mu.8ou1u3), grau- schwarz, mit langem Schwanz, klettert sehr gut; die W a l d maus ( N . s^ivationL), Fig. 73, groß, röthlich braun, unten weiß, langgeschwänzt; die Hausratte ( N . ratwä), sieben Zoll lang, braunschwarz; die Die Waldmaus; n . g^ivatieug. Nat. Gr. 4" ^. 4" Wanderratte (N. äsonlliaiiU3), Fig. 74, bräunlichgrau, größer und stärker als die vorhergehende, ist erst im 18. Jahrhundert aus Asien über Rußland in Europa eingewandert« Die Wanderratte; öl. äsoumÄlius. Nai. Gr. s^Z" ->?''. So wohlgefällig und beliebt die eichhornähnltchcn Nager sind, so widerlich, ja abschreckend erweisen sich den meisten Menschen die Angehörigen dieser Familie. I n besonderem Grade gilt dies aber von den beiden letztgenannten, den N a t ten. Und mit Recht, denn bei geringem Unterschiede im Aeußcren,stimmensie in Lebensweise und allen schlechten Eigenschaften überein; es sind bissige, freche und gefräßige Thiere, welche sich Gänge durch Stalle, Magazine, Keller und Schiffsräume wühlen und nagen und an Vorräthen jeder Art unsäglichen Scha26* 408 II. Beschreibung des Thierreichs. den anrichten und außerdem in Kanälen, Misthaufen und dergleichen die ekelhaftesten Abfälle aufsuchen und verzehren. Auch lebende Thiere greift die Ratte a n ; junges Geflügel, fette Schweine, krankes Vieh — nichts ist vor ihr sicher dessensiesichbemeistcrn kann. Auf Jamaika nimmt sie einen großen Theil der Zuckerärnte fürsichin Anspruch. Ganz unvertilgbar istsiei n den zahlreichen Kanälen, welche große Städte durchziehen, wie namentlich in Paris und London. Förmliche Feldzüge werden dort zeitweise gegen die Ratten eröffnet, und Gift, sinnreiche Fallen und abgerichtete Hunde dabei zu Hülfe genommen; ja es besteht von langeher das besondere Gewerbe der Kammerjäger oder Rattenfänger. Auffallenderweise findet man der Ratte i n den Schriften des Alterthums nicht besonders unterscheidend Erwähnung gethan. Man glaubt daher, daßsieerst im Mittelalter aus, Asien eingewandert sei. Gegenwärtig istsiedurch die Handelsschiffe über die ganze Erde verbreitet und wird an. manchen Orten, insbesondere in China, als Leckerbissen gegessen. Die Ratten werfen bis achtzehn Junge auf einmal und essindFälle vorgekommen, daß die nackten, klebrigen Schwänze einer solchen Familie sich verwickelten und zusammenwuchsen. Es entstand auf diese Weise der sogenannte R a t t e n k ö n i g , eine vielfach bezweifelte, jedoch festgestellte naturgeschichtliche Merkwürdigkeit. Die F e l d m a u s (H^u.äaen8 s^vaUs), bräunlichgrau, kurzgeschwänzt, die schädlichste A r t , dasiemitunter i n ungeheurer Anzahl erscheint; ein Paar derselben soll sich im günstigsten Falle im Laufe des Sonnners auf 23000 Abkömmlinge vermehren. Sie klettert schlecht und wird daher am besten in tiefen, senkrecht gebohrten Löchern gefangen. Der Hamster (Oi'icstuä li-nmentai-iuL), Fig. 75, zehn Zoll lang, röthlich gelb, unten schwarz, schleppt in seinen Backcntaschen große Körnervorräthe in seine Erdhöhle, die aus mehreren Abtheilungen besteht, deren eine ihm zur Wohnung, die anderen als Vorrathskammern und zur Beseitigung des Unraths dienen; es finden sich ferner an derselben zwei Ausgänge, wovon der eine in schiefer Richtung nach oben führt und zur Ausfuhr der Erde dient, wahrend ein senkrechtes Loch den schnellen Nückzug begünstigt. Gleich der Ratte ist äußerst bissiges "Thier, das sich mit Wuth selbst gegen den Menschen vertheidigt; er richtet sich Der Hamster; OrieotuZ krulneutarius. Nat. Gr. 10" ^ - 2 " . dabei i n die Höhe, eine Stellung, die er überhaupt häusig annimmt, besonders beim Fressen. Man trifft den 1. Klasse: Säugethiere. Nagethiere. 4M Hamster im östlichen und nördlichen Europa; in Deutschland überall und in manchen Gegenden, wie Thüringen, mitunter in solcher Menge, daß er außerordentlich großen Schaden anrichtet. Abgesehen von dem sofort verzehrten Getreide schleppt er fünfzehn bis zwanzig Pfund Korn in seinen Bau, so daß das Aufsuchen dieser Vorräthe eine doppelt lohnende Arbeit ist. Der Balg wird als Pelzwerk von geringerem Werth benutzt. Der Lcmming (I^innus norv^Sions), 51/2 Zoll lang, im hohen Norden, in Schweden und Norwegen, unternimmt schaarenweise große Wanderungen; die Taschenmaus (^scou^ä) in Amerika, mit nach außen geöffneten Backentaschcu; die Zibethratte <Mksr ^idst-kions), von der Größe des Kaninchens, nach Zibcth ^ riechend, in Nordamerika, baut kunstreiche backofenförmige Wohnungen an Flüssen und liefert ein vorzügliches, O n d r a t a genanntes, Pelzwerk zur Hutfabrikatiou. B ' N r n i l i s ä s r 8prinFru.ä.u.g6 (Naoro^oä^) und der H a s s n . (1,6xoi'iua.). Wirfindenhier Thiere mit langen Hinterfüßen, wodurchsieim Stande sind, außerordentlich große Sprünge zu machen und schnell zu entfliehen. Mehrere find nützlich durch ihr wohlschmeckendes Fleisch und ihre feinen, zu Filz verwendbaren Haare. Die meisten leben in heißen Ländern, und ihre Nahrung sind Krauter. Genannt werden von den ersten: die S p r i n g m a u s (DiM8 ^oulnä), aus Südrußland, der südafrikanische Springhase (I>6ä6t63 caNi-). Den Uebergang zu den Hasen bilden die südamerikanischen Hascnmäuse odcr Wollhasen (I^Aostonii), worunter die graue Chinchilla (NriomvZ) und die Viscacha oder der Pampashase (I^AO8toiQu.8), von der Größe der Kaninchen, wegen ihres feinen Pelzwerks wichtig sind. Das bekannteste Thier dieser Abtheilung ist jedoch der gemeine Hase (1,6M8 tiiniäns), Fig. 76, dessen Gebiß die unter allen Säugcthicren einzige ! Der gemeine Hase; I»epN3 tiiniäug. Nat. Gr. 2" -> 4 " . s Eigenthümlichkeit darbietet, daß hinter den zwei oberen Schneidezähnen noch ! zwei kleinere Zähne stehen (Fig. 68). Als gehegtes Iagdthier liefert der Hase einen vorzüglichen Braten und zu Filz verwendeten Pelz. Das Kaninchen (I.. eunionin»), lebt in Erdlöchern und vermehrt sich außerordentlich stark, in^ dem sein Weibchen jährlich vier bis fünf mal vier bis acht Junge wirft; dle i Kaninchen nehmen daher nicht selten in schädlicher Weise überHand. 4W I I . Beschreibung des Thierreichs. Die 2idQi'Qi'tigQii IlNZStkiO^S (?Hiraiz2QäIa.) zeichnensichdurck die Schwimmhäute an ihren Hinterfüßen aus, und am wichtigsten ist von diesen der gemeine Biber (Oast^r Ldsi-), Fig-77. Derselbe wird zwei bis drei Fußlang, Der Biber; Oastoi- tidor. Nal. Gr. 2 l/g 4. 1". sein Schwanz ist einen Fuß lang, platt, breit und mit Schuppen bedeckt; die Farbe der Haare ist braun, die der feinen Grundwolle grau bis filbcrgrau; die Nagezähne sind sehr stark, äußerlich sichtbar und von gelber Farbe. Die Biber leben im Sommer einzeln an Flüssen; im Herbste vereinigen sie sich in Gesellschaften, um gemeinschaftliche Winterwohnungen anzulegen, was nur Nachte und mit großer Kunstfertigkeit geschieht. Zum Bau der Wohnungen verwenden sie junge Baumstämme, Zweige, Steine und Erde, und errichten backofenähnliche Bauten, die einen Ausgang unter Wasser haben. Um letzteres stets auf gleicher Hohe zu halten, legen sie nötigenfalls auch einen Querdamm im Wasser an. Die Nahrung des Bibers besteht aus Baumrinden und Blättern, und er legt davon Vorräthe ein; sein Charakter ist friedfertig, sein Fleisch zart und wohlschmeckend. I n Deutschland ist der Biber fast vertilgt, und wird paar< weise in Höhlen lebend nur selten an der Donau und Elbe noch angetroffen; er ist dagegen hclusig im nördlichen Amerika und Asien. Verfolgt wird er wegen seines außerordentlich feinen, den besten Hutfilz liefernden Haares und wegen des in einer Drüse abgesonderten B i b e r g e i l s (OaLtorsnin), das ein wirksames Arzneimittel ist. 8 b N o ! i S i t r 3 , F 6 Q Ä 6 N a F S t k i S r s (^onloata). Zu die^n^chmt das Stachelschwein (Ilisti^x oriätatg.), selten im südlichen Europa, häufiger in Afrika, Höhlen bewohnend, mit langen, schwarz und weiß geringelten Stacheln. Die N N i k k u k S r (ZukunFniktg.), die nur in Südamerika vorkommen, heißen also, weil ihre Nägel stumpf, fast hufartig sind. Z u diesen friedlichen Thieren mit wohlschmeckendem Fleisch rechnen wir das A g u t i (Das^i-oota); das Paca (OoSloSsn^L); die Ferkelmaus (Oavia.), dem bekannten Meerschweinchens, o o ^ g . ) sehr ähnlich, welch letzteres, dieser Familie angehörig. I . Klasse: Saugethiere. Zahnlose. 411 sonderbarer Weise schon seit Jahrhunderten in Europa eingeführt, nicht mehr wild anzutreffen ist. An Größe und Gestalt dem Schweine ähnlich, ist das Capybara oder Wasserschwein (^Hi-oolioyrnL). Siebente Ordnung: Zahnlose; Väsutata. Leicht sind diese Thiere erkennbar an ihrem engen, der Vorderzähne und 115 theilweise auch der übrigen Zähne gänzlich entbehrenden Maul. An ihren verwachsenen Zehen befinden sich große Klauen. Mehrere schlürfen kleine Insekten mittels ihrer klebrigen Zunge ein. Es sind meist sehr langsame und stumpfsinnige Thiere, die nur in den heißen Ländern anzutreffen sind. Erwähnmswerth sind: Das Schnabelthier (OruMorK^oKns pNrHäoxus), nur in Neuholland vorkommend, mit schnabelförmigem Maul; der A m e i s e n - I g e l (Nokiäua) auf Vandiemmsland; der große Ameisenbär (A^riQGoopKaAa) in Südamerika, die Länge des Thieres beträgt vier Fuß, die seines langbehaarten Schwanzes Zi/Z Fuß; das Schuppenthier (Nanis), mit ziegelartig übereinander liegenden hornigen Schuppen, davon mehrere Arten in Asien und Afrika; das Panzerthier (OKlan^äopIioi-uZ) in Chili, von der Größe und Lebensweise des Maulwurfs, Kopf und Rücken mit qucrlaufenden Ledergürteln gepanzert; die Gürtelthiere oder Armadille (Das^M^Fig. 78, wovon meh. Das Mrtelthier; Dasypus. Nat. Gr. IV4'. rere Arten nur in Südamerika in gegrabenen Erdhöhlen leben und wegen ihres schmackhaften, Fleisches gejagt werden; Kopf und Rücken sind vollständig mit Hornschildchen gepanzert, während um den Leib mehrere Ringe derselben gehen; das größte wird drei bis vier Fuß lang, das kleinste kann sich zusammenrollen. Die F a u l t h i e r e (Lraä^xuH, langsame, einsam auf Bäumen von Blättern lebende Thiere, mit zottigem Pelz und affenähnlichem Gesicht, werden selten auf der Erde angetroffen, wo sie nur äußerst mühsam sich fortbewegen. Von der Langsamkeit, womit dies geschieht, haben diese Thiere ihren Namen erhalten. 412 I I . Beschreibung des Thierreichs. I n der Wirklichkeit liegt der Grund hiervon in dem eigenthümlichen Bau ihrer Glieder, der ein eigentliches Gehen nicht möglich macht. Ihre Zehensindnämlich mit einander verwachsen,steckenin der Haut und nur die ungeheuer großen, fast drei Zoll langen sichelförmigen Nägel kommen zum Vorschein. Dabei Unau; V. triäa'ctMs. Nat. Gr. Z^'. sind die Vorderglieder fast noch einmal so lang, als die Hintcrgliedcr. Das kleinere Faulthier (V.pailiälis) wird A i , das größere sV. tliäkot^lug), Fig. 79, wird Unau genannt; nur in Südamerika. Achte O r d n u n g : Vielhufer oder Dickhäuter; 116 Die dicke Haut dieser Thiere ist meist nur dünn behaart und ihre unbeweglichen Zehen, deren zwei bis fünf vorhanden sind, stecken einzeln in Hufen. 1. Klasse: Sängcthiere. Vielhufer. 413 Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Pflanzenstoffm. Wir finden hier die größten Landthiere, welche nur der alten Welt angehören. Vor allen ausgezeichnet ist der E l e p h a n t (Ni6pka8), der mit großer Leibesmasse und Stärke einen bcwundernswerthen Grad von Einsicht und Gelehrigkeit vereinigt und dessen im Uebrigen unbehülflicher Bau in seinem Rüffel ein geschicktes Werkzeug zu einer Menge von Verrichtungen erhält, deren nicht leicht ein anderes Thier fähig ist. I n Fig. 43 haben wir einen der zusammengesetzten Backenzähne des indischen Elephanten abgebildet. Wichtiger als diese sind die drei bis vier Fuß lang werdenden Stoßzähne des Elephanten, die als Elfenbein ein werthvolles Material sind. Man unterscheidet den asiatischen Elephanten ^V. inäions), Fig. 8 0 , der größer, gelehriger ist und kürzere Ohren hat Asiatischer Elephant; N. wäioug. Nat. Gr. 10' hoch. als der afrikanische (N. 9.irio9.rin8), welcher überdies durch eine gewölbte Stirn und rautenförmige Schmelzleisten auf der Kaustäche der Zähnesichauszeichnet. Die gesellig in feuchten Wäldern Asiens und Afrikas lebenden Elephanten suchen häusig das Waffer auf, um sich zu baden; sie schwimmen gut; ungereizt sind sie durchaus friedliche, den Menschen niemals angreifende Thiere. Es giebt wenig Thiere, von welchen uns so viel Schilderungen und Erzählungen überliefert worden sind, als dies beim Elephanten der Fall ist. Dieselben beziehen sich vorzugsweise auf den indischen Elephanten, auf dessen Verstand, 414 I I . Beschreibung des Thierreichs. Gelehrigkeit und gutes Gedächtniß, sowohl für empfangene Wohlthaten als Beleidigungen. Derselbe erreicht eine Länge von zwölf bis sechszehn Fuß und an der Schulter eine Höhe von zehn bis zwölf Fuß; die Stoßzähne erscheinen im Oberkiefer an der Stelle der Schneidezähne und erreichen ihre größte Stärke beim afrikanischen Elephanten, indem ein Zahn bis fünf Fuß lang und über hundert Pfund schwer wird. Die Backenzähne werden mehrmals gewechselt und es ist eigenthümlich, daß beim alten Elephanten in jeder Kieferhälfte nur ein einziger Backenzahn sich findet, also im Ganzen vier, während bei jüngeren Thieren deren sechszehn, zwölf bis acht vorkommen. Der Elephant erreicht ein Alter von über hundert Jahren; in der Gefangenschaft vermehrt er sich nicht oder nur in so höchst seltenem Falle, daß alle zu zähmenden Elephanten eingefangen werden müssen. Dieses geschieht in verschiedener Weise; entweder sucht man einen ganzen Trupp von Elephanten auf einmal zu fangen, indem man denselben mit einem Aufgebot von fünfhundert bis tausend Menschen in die Oeffnung eines Zwingers treibt, den man aus starkem Pfahlwerk errichtet und von Außen mit Strauchwerk verdeckt hat; oder man lockt den einzelnen wilden Elephanten durch zahme an und schlingt ersterem unversehens einen Strick um das Hinterbein, den man sofort am nächsten Baume befestigt. I n beiden Fällen bändigt man hiernach durch Hunger die Wildheit des Gefangenen. Diese schwierige Art der Anschaffung, sowie die kostspielige Ernährung eines so großen Thieres, das ungeheurer Mahlzeiten bedarf, beschränken die Verwendung des Elephanten, der als Zug- und Lastthier gute Dienste leistet. Vornehmlich dient er in großer Anzahl zur Erhöhung des Pompes der Hofhaltung indischer Fürsten. Als Seltenheit finden sich weiße Elephanten; diese werden in Siam im königlichen Palaste fürstlich gepflegt und fast gottlich verehrt. Den Römern wurden die Elephanten erst durch die Kriege mit Pyrrhus und Hannibal bekannt, welche den afrikanischen Elephanten mitbrachten, der somit der Nbrichtung sich ebenfalls nicht unzugänglich erweist. Seit Einführung des Schießpulvers hat er jedoch alle Bedeutung im Kriege verloren. Häufig werden die Reste des vorweltlichen Elephanten oder M a m m u t h s (R. xn'iuiA6uin8) angetroffen, ja ein großer Theil des Elfenbeins stammt von demselben und kommt aus S i birien, wo dieses Thier in Eis eingefroren, so wohl erhalten gefunden wurde, daß man seine dicht wollige Behaarung, sowie den aus Fichtennadeln und anderen nordischen Pstanzenresten bestehenden Inhalt des Magens zu erkennen vermochte. Seme 10 bis 15 Fuß langen und einen Fuß dicken Stoßzahne erreichen ein Gewicht von über 300 Pfund! Als riesenmäßige vorweltliche Dickhäuter sind noch anzuführen, dasOhiothier oder Mastodon in Amerika und das D i n o t h e r i u m , am Rheine aufgefunden. Das plumpste Landthier ist unstreitig das Flußpferd ( N i p p o ^ a ran»), nur in den Gewässern und im Schlamm des heißen Afrika heimisch und mit seinen kurzen Beinen nichts weniger als dem schlanken Pferde vergleichbar. Seine zwei Zoll dicke Haut wird zu Peitschen zerschnitten. Aus der Familie der Vorstenträger (8stisssra) mit rüsselförmigem Maul ist unser wohlbekanntes und geschätztes Schwein (8ns sorotg.) eines der nütz- 1. Klasse: Säugethiere. Vielhufer. 415 lichsten Hausthiere, welches aus der alten Welt nach Amerika und Australien übergesiedelt worden ist. Es. hat aufwärts gebogene Eckzähne, Fig. 8 1 , sogenannte Hau er, welche eine furchtbare Waffe des männlichen Wildschweins, Fig.82, sind; von diesemstammtdas Hausschwein, das zweimal jährlich 7 bis 14 Junge wirft; von den vier Zehen des Schweines sind zwei verkürzt. Das Wildschwein nat. Gr. v» ist von Farbe braunschwarz, daher S c h w a r z w i l d genannt; feine Jungen sind gelblich, mit schwarzen Streifen, und heißen Frischlinge. Sind die männlichen Thiere herangewachsen. Das Wildschwein? 3u.g sorota. Nat. Gr. 5V/ 4- 1 ^ - so werden sie Keiler oder Eber genannt. Das erwachsene Weibchen heißt S a u oder Bache. Die also gebildete Familie lebt rudelweise und war früher 416 I I . Veschreibuttg des Thieneichs. häufig in den ausgedehnten Waldungen in ganz Deutschland anzutreffen. Die Wildschweine lieben Dickichte mit morastigen Stellen, in welchensiegernsichwälzen. Zur Nahrung dienen ihnen Eicheln, Schwämme, Wurzeln, Würmer und Larven, sowie überhaupt alles Genießbare, selbst Aas und Unrath. Mit Rüssel und Hauern den Boden aufwühlend, gehensieihrer Nahrung nach, diesiebei. zunehmendem Ackerbau am bequemsten auf angebauten Feldern fanden und dadurch solchen Schaden anrichteten, daß man genöthigt war, die Wildschweine auf große Waldungen und Parke zu beschränken, in welch letzteren man ihnen Futter reichen muß. Eine gleiche, auf Alles sich erstreckende Gefräßigkeit hat auch das H a n s schwein ererbt, das mitunter die eigenen Jungen verzehrt. Auch ist mehrfach der entsetzliche Fall vorgekommen, daß große Schweine in unbewachte Wohnungen eingedrungen sind und kleine Kinder aufgefressen haben. Wenn das Schwein gemästet wird, wozu ein aus Milch, Kleie und Welschkorn bestehendes Futter vorzüglich sich eignet, so bildet sich auf demselben eine außerordentlich dicke Lage von Speck, der ausgelassen, das Schmalz liefert. Das Fleisch wird in der verschiedensten Form verwendet, besonders viel cingesalzen und geräuchert; die Borsten dienen Zu Pinseln, Bürsten und Besen und bilden einen bedeutenden Handelsartikel; die besten kommen von den halbwilden polnischen und russischen Schweinen. Wahrend unsere heimathlichen Schweine etwas von den Seiten zusammengedrückt, daher hoch- und scharfrückig und straffborstig sind, hat man aus Ungarn ganz kurzbeinige Schweine eingeführt, die einen runden Rücken und ein fast kraus wolliges Haar haben. Mit sehr langen gekrümmten Eckzahnen finden wir auf Java den Hirscheber (?orcuL V9.kii'N883>). Das amerikanische Nabelschwein oder Pekari (Dioot^isL) erhält durch eine Drüsenabsondcrung einen widerwärtigen Geruch; es lebt in Nudeln und hat ein wohlschmeckendes Fleisch. Ein häßliches, unbändiges, selbst gefährliches Thier ist das afrikanische Larvenschwcin oder E m g a l 0 (?Ka6C0olT06I-U3). I n der folgenden Familie mit unPaaren Zehen finden wir dm T a p i r ( i ^ i r n L ) mit kurzem Rüffel, wovon verschiedene Arten in Asien und Amerika leben; es sind friedliche Thiere ohne Stoßzähne, mit vier Zehen an den vorderen und drei Zehen an den Hinteren Füßen. Durchgehende dreizehig ist das große gewaltige N a s h o r n (RkinocsroZ), mit dicker, der Büchsenkugcl widerstehender Haut, es wird 12 Fuß lang und vier bis sechs Fuß hoch; man unterscheidet mehrere Arten, von welchen wir das indische N a s h o r n (KIi. inäieus), Fig. 83, anführen, das nur ein Horn von zwei bis drei Fuß Läng< hat," nnd das afrikanische N a s h o r n M k . airioanuI), mit zwei hinter einander stehenden Hörnern. Das Horn dient dem Thiere zum Umreißen der Bäume, deren Blätter es frißt, seltner als Waffe zur Vertheidigung. Indische Fürsten-ließen sich aus demselben Becher verfertigen, indemsie.den Aberglauben hegten, daß jeder Gifttrank, aus einem solchen getrunken, seine Wirkung verliere. So friedlich das Nashorn an sich ist, so wird es doch in gereiztem Zustande ein äußerst gefährliches Thier, das mit eben so viel Geschwindigkeit als unwiderstehlicher 1. Klasse: Säugethicre. Einhufer. 417 Kraft feinen Gegner verfolgt und dabei hauptsächlich von seinem feinen Gehör und Geruch sich leiten läßt. Das mdMe Nashorn;NMuoc!oro3 waicug. Rat. Gr. 10'4- 2'. Neunte O r d n u n g : E i n h u f e r ; LoliäunAula.' Die ganze Ordnung wird von einer einzigen Gattung gebildet, an deren 11? Spitze das herrliche Pferd (N^nnZ eg.kaiiu.8) steht, ein durch Kraft, Schönheit und Gelehrigkeit ausgezeichnetes und dem Menschen höchst wichtiges Thier. Es ist über die ganze Erde verbreitet, findet sich nirgends mehr wild, jedoch öfter verwildert, wie namentlich in Amerika, wohin es erst nach dessen Entdeckung gekommen ist. Die Cultur hat viele Abarten desselben erzeugt. Aus der Paarung desselben mit dem Esel entstehen die M a u l t h i e r e und die M a u l esel. Das Pferd hat sechs Vorderzähne, sechs Backenzähne und einen Eckzahn, welch letzterer nicht selten fehlt. Die Schneidezahne werden in den ersten fünf Jahren nach und nach gewechselt, wobei das mittlere Paar den Anfang macht und hiernach das Alter des Pferdes sehr genau sich beurtheilen laßt; später dienen hierzu schwarzbraune Vertiefungen auf der Schneide der Schneidezähne, die mit zunehmendem Alter durch Abnutzung mehr und mehr sich verlieren und im neunten Jahre ganz verschwunden sind, so daß von da ab das Alter nicht, mehr genau zu erkennen ist.. Es ist buchstäblich wahr, wenn wir sagen, dnß bei 413 II. Beschreibung des Thierreichs. den Arabern und mitunter auch von Engländern auf die Zucht, Pflege und Veredlung der Pferde mehr Sorgfalt verwendet wird, als auf die Erziehung der Kinder. Von den vielen Rassen, welche die Pferdezucht erzeugt hat, fuhren wir nur einige an, bei welchen gewisse Eigenschaften besonders ausgeprägt sind. So zeichnen sich aus: das arabische P f e r d , durch Schnelligkeit, Genügsamkeit und feinen Gliederbau; das englische B r a u e r - oder S t e i n k o h l e n p f e r d , durch Größe und Stärke an den Elephanten erinnernd, wozu das kleine schottische Pferd, P o n n y genannt, das nicht viel größer wird als ein starker Hund, den auffallendsten Gegensatz bildet. Nemerkenswerth sind ferner: das gestreifte Pferd oder Zebra (NyiinZ 2sl)ra), Fig. 8 4 ; das Q u a g g a (Tc^ns qMgAg.), beide in Afrika am Vor- Das Zebra; Nyuug -odra. 3tat. G. 6' - l - 1 ^ ' . gebirge der guten Hoffnung. Diese schönen Thiere leben truppweise beisammen und halten sich gern in der Gesellschaft der Strauße, vielleicht weil diese eine herannahende Gefahr besser erkennen, denn man bemerkt, daß die Zebra mitlaufen, sobald die Strauße sich in Bewegung setzen. Bis jetzt waren alle Versuche, diese Thiere zu zähmen, ohne Erfolg. Der Esel (N^iins aäln^s), den wir i n seinem einfachen grauen Kleide 1. Klasse: Säugethiere. Zweihufer. 419 mit langen, herabhängenden Ohren und mit einem schwarzen Kreuz über dem Rücken, dazu meist schwer^ beladen einhergehend erblicken, gewährt ein Nild der Bescheidenheit und Genügsamkeit und wird trotz seiner vocalreichen. J a rufenden Stimme nicht zu den Gelehrten gezählt. Bei mehr Sorgfalt in Zucht und Pflege dieses leistungsfähigen Thieres würde sich dasselbe gewiß noch vervollkommnen lassen, denn der in den Steppen der Tartarei wild vorkommende Esel oder K u l a n übertrifft den zahmen an Größe und Schnelligkeit. Zehnte O r d n u n g : Z w e i h u f e r oder Wiederkäuer; Vigulog. 8. Ruiniutmtig.. Diese Ordnung enthält unstreitig die nützlichsten aller Säugethiere, denn 118 sie versehen uns mit Leder, Wolle, Horn,' Fleisch, Milch, Butter, Käse und mit einem festen Fette, das T a l g genannt wird. Außerdem sind sie vortreffliche Zug- und Lastthiere, zwar langsam, aber ausdauernd. Fast alle sind Hausthiere geworden und durch die Cultur in vielen Abarten vorhanden. Sie sind ausgezeichnet durch ihren gespaltenen Huf, die fehlenden Schneidezähne im Oberkiefer und dadurch, daß sie, mit wenig Ausnahmen, zwei Hörner haben. Sie fressen nur Pflanzen, und zur gehörigen Verdauung derselben hat ihr Wagen vier Abtheilungen. Zunächst der Speiseröhre a , Fig. 8 5 , befindet sich die größte Abtheilung, der Pansen b, wohin das kaum gekaute Futter zuerst gelangt und einige Zeit verweilt; von da geht es in eine kleinere Abtheilung A die Haube genannt, wird hier in Ballen geformt, die alsdann wieder in das Maul Heraufgetrieben und nochmal durchkauet werden. Nachher gelangen die Speisen in den B l ä t t e r m a g e n s und endlich in den L a b m a g e n / , wosiemit dem Magensaste, der Lab genannt wird, vermischt und verdauet werden. Flüssige Nahrungsmittel, z. B . Milch, gehen gleich in den Labmagen. Die Wiederkäuer bilden mehrere große Familien. V2.ru.1iiG ä s ? Ra,ru.6GiG (0am.s1u8). Sie haben keine Hörner und sind mit Schwielen an Brust und Knien versehen. Man unterscheidet das gemeine einhöckerige K a m e e ! oder D r o m e d a r ( 0 . äromsäarliiL), Fig. 8 6 , vorzüglich in Arabien und Afrika gebräuchlich, und das T r a m p e l thier ( 0 . baotrianns) mit zwei Höckern, das mehr im mittleren und nördlichen Asien gehalten wird.' Durch große Genügsamkeit in Speise und Trank, 490 I I . Beschreibung des Thierreichs. Stärke, Schnelligkeit, Ausdauer und Geduld ist das Kameel das wichtigste Lastthicr der Wüsten und Steppcnländer und mit Recht das Schiff der Wüste genannt, das überdies durch Milch und Fleisch nützlich wird. Bei so viel Tugenden macht Vie äußere Erscheinung des Kameels keinen entsprechenden Eindruck, D a s D r o m e d a r ; 0 . ärouieäarili-z. N a t . G r . 9 ' — 10'. denn es ist in der That ein häßliches Thicr. Länger und höher als das Pferd, bietet sein Rücken eine buckelige Erhöhung, die aus einer weichen Masse, von sehnigem Gewebe, mit eingelagertem Fette besteht, und bei den Bewegungen des Thieres hin- und herschwankt. Dem Wohlbefinden des Kameels entspricht die erhöhte Festigkeit dieses Buckels, der bei schlechter Ernährung schlaff wird und fast ganz schwindet. Auf diesem natürlichen Throne wird der Sattel des Neiters befestigt, dessen Ritt jedoch keineswegs als ein Vergnügen anzusehen ist, wenn er nicht von Jugend auf daran gewöhnt war. Denn für den Neuling ist das Reiten des Kameels, wegen der stoßenden, schwankenden Bewegung, eine Schwindel erregende und schmerzhafte Sache, zu welchen Uebeln wohl auch die Geschwindigkeit beitragt, mit der die glühende Wüftenluft durchschnitten wird. Gleichwie-beim Pferde für besondere Zwecke verschiedene Rassen sich gebildet haben, so unterscheidet man das schnelle Rcitkameel und das I . Klctsse: Säugethiere. Zweihufer. 421 stärkere Lastkameel. Ersteres legt täglich mit Leichtigkeit dreißig Stunden zurück, welche Geschwindigkeit jedoch bei Eilbotschaften verdoppelt wird. Die Zehen des Kameeis sind mit einander verwachsen und bilden zusammen einen Ballen, der im Wüstensande weniger einsinkt als ein scharfer Huf; vorn hängen dann getrennt zwei kleine Hufe. Als Nahrung dient dem Kameel jegliches Futter, und wenn es schon die zarten Gräser vorzieht, so frißt es in deren Ermangelung die dornigen Akazicusträucher und die harten Dattelkerne. Der Auneelmist ist daher sehr holzig und wird sorgfältig gesammelt und als Brennmaterial benutzt. Wasser pflegt das Kamecl in sehr großer Menge zu saufen, und indem es einen Theil desselben im Pansen zurückbehalt, kann es lange den Durst ertragen. I n Nothfällen hat man Kamcele geschlachtet, um dieses Wasser zu benutzen, das jedoch keineswegs von angenehmer Beschaffenheit ist. Das Lastkameel wird von Jugend auf abgerichtet zum Niederknien; es wird nach und nach an zu nehmende Belastung gewöhnt. Hat die Karavane ihren Ruheplatz erreicht, so kniet es nieder, läßt rechts und links seine Ladung ablegen, geht dann dem Futter nach und legt sich endlich wieder zwischen sein Gepäck zur Ruhe nieder. Es läßt sich zu angestrengter Leistung viel weniger durch Schläge und schlechte Behandlung antreiben, als dnrch Zureden des Führers; ganz besonders ermunternd soll Gesang und Musik auf dasselbe wirken. Kleiner und der Höcker entbehrend sind die peruanischen Kameele, nämlich das Lama (^ucksnig. laina), Fig. 8 7 , von der Größe des Hirsches, braun. Das Lama; ^.noksina. laui». Nat. Gr. 5' — 6'. ic 27 422 I I . Beschreibung des Thicneichs. Die Giraffe: (^inoloMräaliL. Nat. Gr. 18' hoch. I.Klasse: Säugethiere. Zweihufer. 423 als Hausthier gezähmt, und dieVicogne (^. vierum«.), an Größe der Ziege gleich, heerdeuweife das Hochgebirge der Anden und Kordilleren, bis 10,000 Fuß, bewohnend und eine sehr feine Wolle liefernd. Eigenthümlich ist es, daß das Lama als Mittel der Vertheidigung seinen Speichel und halbverdauies Futter auf den Gegner spritzt. Als eine vereinzelt stehende Besonderheit erscheint die bis zum Scheitel 18 bis 20 Fuß hoch werdende G i r a f f e (Oallisioxaräa.liZ), Fig. 88, die flüchtige Bewohnerin der Wüste, deren Haupt mit zwei Stirnzapfen gekrönt ist. Bei dem Männchen steht außerdem uoch ein kleiner Höcker mitten auf der Stirnnaht. Die Giraffe ist das höchste aller Thiere, dabei nur etwa sieben Fuß lang; ihre Grundfarbe ist gelblich weiß mit ziemlich großen, eckigen Flecken von brauner Farbe. Sie gehört ausschließlich Afrika an, wo sie von der Sahara bis zum Kapland in kleinen Rudeln lebt, hauptfächlich von Vaumblättern, die sie mit ihrer langcn> schwärzlich-violetten Zunge abpflückt. Das Auge ist groß, schön und sein sanfter Ausdruck entspricht vollkommen dem gutmüthigen und friedlichen Charakter des Thieres. Der eigenthümliche Bau der Giraffe begünstigt nicht die Leichtigkeit ihrer Bewegungen; sie geht entweder im Schritt, den Paßgang, indem abwechselnd die Beine der einen und dann der anderen Seite gc. hoben werden; oder im Galopp, wobei der Hals zur Ausgleichung des Schwerpunktes unschön vor- und rückwärts geworfen wird. Obgleich ihre Sprünge sehr groß sind, so wird sie doch nach einiger Zeit von einem guten Pferde eingeholt. Sehr spät, gegen Ende der zwanziger Jahre, hat man die erste lebende Giraffe nach Paris gebracht, wo sie allgemeine Bewunderung erregte. Seitdem hat mansieauch anderwärts öfter zu sehen Gelegenheit gehabt. H i r > 8 o I i 3 , ! r t i F S M ' i S Ä G r ^ ä u . S r Msrvina.). Die männlichen Thiere dieser Familie zeichnen sich aus durch ein knöchernes, jedes Jahr sich erneuerndes Geweih. Dasselbe fehlt nur bei dem im nördlichen Asien, besonders Tibet,'einheimischen Bisam t h i er (No8olin8inosoliifsruL), vondem der kostbare Moschus gewonnen wird. Das stattlichste Glied der Familie ist der Edelhirsch (O^rviiZ slaxKuL), dessen Geweih bei jedem Wechsel den Zuwachs eines weiteren Endes erhält. Dasselbe sitzt auf einer zapfenförmigen Erhöhung der Hirnschale, Roscnstock genannt, hat zu unterst einen knotigen Wulst, die Rose, und besteht beim einjährigen oder Spießhirsch aus einer einfachen Stange, Fig. 39 (a.f.S.). Beim zweijährigen oder Gabelhirsch tritt das erste seitliche Ende auf, das Augensprosse genannt wird. Indem die Zahl der Enden von Jahr zu Jahr zunimmt und die Summe beider Stangen gezählt wird, spricht man von ZwölfEndern, Sechszeh — ja von Sechsundzwanzig-Endern. Die Hirsche leben rudelweise und halten sich nur in ausgedehnten Waldungen oder gehcgt in Parken. Unserem Hirsch nahverwandte Arten finden sich in Ostindien, in Süd- und Nordamerika. Die Endsprossen des Geweihs sind stach und schaufelformig bei dem Damhirsch (0. äamk), dem großen und plumpen Elenn (O.a1o6L) und bei dem R e n n t h i e r ( 0 . t a r a n ä ^ ) . Letzteres ist das nützlichste Haus- und Iagdthier für die Bewohner des höchsten Nordens in den drei Wclttheilen; das weibliche Reunthier ist gehörnt. Das Reh (0. oaxrOolus) ist 27« 424 I I . Beschreibung des Thierreichs. kleiner als der Hirsch und liefert ein zartes Wildpret; der Nchbock hat ein kurzes, meist dreizackiges, rauhöckeriges Gehörn. Geweih des.Edelhirsches; Oorvug slaphus. No32.1tl.0rn.iFS ^Miscl.sr^ä'u.93'(lD^viooi-iiiN). Die bleibenden hohlen Hörner utngeben scheidenartig einen Hirnzapfen und sind bei beiden Geschlechtern vorhanden, doch fehlen sie mitunter den weiblichen Thieren. Die Hörner sind niemals gabelig getheilt, aber sehr mannichfaltig in Größe und Form, und hierin bei derselben Gattung oft sehr wechselnd. Wir finden hier folgende Gattungen: Das Schaf (Ovis), mit gewundenen querwulstigen Hörnern, wie bei Fig. 90 ersichtlich. Es ist dies der Schädel des Hausschafes (0. ^ris»), Das Schaf; Ovis. Ve b. nat. Gr. das nirgend mehr wild angetroffen wird und als dessen zweifelhafte Stammältern das asiatische Gebirgsschaf, N r k a l ( 0 , s.rka.1) genannt, sowie das M u f l o n ( 0 . rüNLimon) oder wilde Schaf der sildeuropäischen Inseln bezeichnet werden. Vom Hausschaf giebt es viele Abarten, bei welchen namentlich fehr abweichende Formen der Hörner sich zeigen; als solche nennen wir das feinwsllige Merinoschaf, das schwarzbraune, grobwollige Haideschaf oder H a i d - 1. Klasse: Säugethiere. Zweihufer. 425 schnucke, das gackelschaf und das fettschwänzige Schaf; das männliche Schaf heißt Widder. Die Ziege (Oaxi'I.), mit zusammengedrückten, kantigen Hörnern, die nach hinten gebogen sind; stinke, kletternde Gebirgsthiere, wie die w i l d e Z i e g e (0. a6FaSru8), die Stammrasse der Hausziege (O.kii-ous); von letzterer sind Abarten die Kaschmirziege, aus deren feinen Haaren die kostbaren Kafchmirshawls gewebt werden, und die Angoraziege, welche das sogenannte Kameelgarn liefert; der Steinbock ( 0 . iksx), Fig. 9 1 . Dieses stattliche Thicr ist 41/2 Fuß lang, ^ Fuß hoch und hat beinahe 3 Fuß lange, vierkantige Hörner mit hervorragenden Querknoten, deren Anzahl mit dem Alter zunimmt und bis zur Zahl 22 steigt. Die Farbe des Steinbocks ist rothgrau, mit einem hellbraunen Streifeu über den Rücken. Er war früher Der Steinbock; 0. wox. gemein im ganzen Alpengebiet und ist jetzt nur noch in den höchsten und einsamsten Thälern des Montblanc und Montrosa anzutreffen. Auch da ist er selten und er würde ganz ausgerottet sein, wenn die Jagd auf denselben nicht durch strenge Verbote beschränkt wäre. Die Gattung A n t i l o p e s^ntiloxs) ist in Europa nur durch eine einzige Art vertreten, nämlich durch die Gemse (^. ru^ioaxi-g.), Fig. 92. So manches Bild, so manches Lied und Abenteuer, das wir schon in früher Jugend von der Gemse und der Gemsjagd kennen gelernt haben, läßt Uns die Alpen gar nicht zur Vorstellung gelangen, ohne daß wir sie sofort mit den flüchtigen Gemsen beleben. Allein es geht hier, wie mit dem Hochwild unserer Wälder. Wir lesen gar manche anmuthige Geschichte vom Leben und Treiben des Hirsches und Rehes im Waldesdunkcl, und wie Wenige haben je eines dieser Thiere im vollen Zustande der Natur erblickt! Viele Tausende durchreisen jährlich das Hochgebirge der Schweiz, ohne auch nur eine Gemse in weitester Ferne zu Gesicht zu bekommen. Auch hier hat die schonungslose Verfolgung ein schönes Thierleben nahezu vertilgt. Und es ist nicht die Aussicht auf großen Gewinn, auf Erwerbung von Reichthum, die den Menschen antreibt, bei der Oemsjagd den größten Anstrengungen und Gefahren sich auszusetzen — es ist der Reiz des Schwedens im wilden Gebirg und des Kampfes mit den drohenden Schrecknissen seiner Natur. Gleich treffend und anziehend schildert uns der Dichter in seinem »Alpenjäger« jenen sehnsüchtigen Hang zum Iagdleben, jene Seelenangst des gequälten Thieres und die wohlthätige Götterhand, welche die verfolgte Creatur vor dem Untergange bewahrt. Die Gemse wird drei Fuß lang und zwei Fnß hoch, hat also die Größe 426 I I . Beschreibung des Thierrcichs. einer Ziege. Ihre Farbe wechselt sehr nach der Jahreszeit; sie ist im Winter dunkelbraun, fast schwarz, im Frühjahr weißgrau, im Sommer rothbraun; die Hörner sind rund, glatt, schwarz und hakenförmig nach hinten gebogen; das A.lge ist groß, lebhaft und scharf; die Klauen sind unten ausgehöhlt und haben einen scharfen Nand, so daß sie auf dem kleinsten Fleckchen des härtesten Gesteins mit Sicherheit fußen. Sie klettert und springt ausgezeichnet und macht Die Gemse; H. rnMapra. Nat. Gr. 3 ^ >t- ^ . dabei Sätze von 2 0 Plß Weite. Man findet die Gemse in den Alpen, den Pyrenäen, und im Kaukasus. Sie hält sich gesellig in den höchsten und unzugänglichsten Alpen, an der Grenze des ewigen Schnees auf, wosiehauptsächlich von den Knospen und jungen Trieben verschiedener Nlpensträucher lebt; erst im Winter kommt sie nach den tieferen Thälern herunter. Aber ihr freies Gc- 1. Klasse: Säugethiere. Zweihufer. 427 birgslebcn ist voller Gefahr; zahlreich find ihre Feinde, wie der Bartgcyer, der Bär und der Luchs, und schreckliche Lawinen begraben mitunter ein ganzes Rudel. Aber der unerbittlichste Feind der Gemse ist der Mensch. Das scharfe Gesicht, das feine Gehör, die größte Wachsamkeit vor der Gefahr und Kühnheit in derselben vermögen nicht sie vor dem rastlosen Gemsjäger zu retten. Sein durch ein Fernrohr geschärfter Blick und seine Kugel reichen weiter, als Auge und Sprung der Gemse. Es ist unglaublich, bis zu welcher Leidenschaft die Gemsjagd sich steigern kann, bei der doch so mancher Jäger den Tod in einem Abgrund findet. I n einigen Gegenden von Tyrol, z. B. bei Hohenschwcmgau, erfreuen sich die Gemsen eines größeren Schutzes und kommen dann zutraulicher herab in tue Nähe der Menschen. Das Fleisch der Gemse ist vorzüglich, ebenso ihr Fell zu Wildleder. Mehr als 60 Antilopcnarten beleben die Ebenen und Wüstenländcr von Afrika und Asien, mitunter in Heerden zu Tausenden; von Gestalt find sie meist schlank, dem Hirsch ähnlich und wegen der Anmuth ihrer Bewegung und der Schönheit des Auges von den Dichtern, des Orients besungen; eine der größten und mutigsten ist die südafrikanische gezäumte A n t i l o p e , auch Pasan 'genannt'(^. Or^x), Fig. 9 3 ;siewird sechs Fuß lang, vier Fuß hoch, mit drei Gezäumte Antilope; ^.. or^x. Nat. Gr. tt' 4- 2". 428 I I . Beschreibung des Thicrreichs. Fuß langen, zur Hälfte geringelten Hörnern; ihre Farbe ist aschgrau, an den Vorderschenkeln schwarzbraun, mit eben solcher zaumartigen Zeichnung am Kopfe; bemerkenswerth sind ferner: die gemeine Gazelle (^. HorcaZ); die indische G a z e l l e (^. oorvioapi-Ä); der S p r i n g b o c k (^. Guokoi's) und die rinderartige Gazelle (^.. Ann). Das R i n d (Los) mit runden Hörnern bildet die letzte Gattung. Mit Ausnahme Australiens ist es in allen Welttheilen durch mehrere Arten vertreten und wird seit den ältesten Zeiten als Haus- und Zugthier benutzt. Anzuführen sind: der Bisamochse (V. inoLokatns); der afrikanische B ü f f e l (V.okMi-); der gemeine B ü f f e l (L. kndalus); der gemeine Ochse (L. tanrns); der amerikanische B ü f f e l (L.aM6i-iog.nuL), auch Bison und B u f f a l o genannt, und der Auerochs oder Urochs (Z.uru3), nur noch in Litthauen vorkommend. Elfte O r d n u n g : Flossenfüßer; kinuixOda. 119 M i t dieser Ordnung nähern wir uns einer Reihe von Thieren, die gleichsam die Eäugethiere mit den weit unter denselbenstehendenFischen zu verbinden scheint. Aus dem nach hinten verschmälertcn, mit kurzem, platt anliegendem Haare bedeckten Körper ragen die Gliedmaßen nur bis zu den Fuß- und Handgelenken hervor und find kaum zum Kriechen, dagegen vortrefflich zum Schwimmen geschickt. Sie sind nur Mceresbcwohncr, die jedoch zu Zeiten das Ufer besteigen und von Fischen und Schalthieren leben. Die Felle, der Thran und die Stoßzähne mehrerer Arten sind Handelsartikel. Anzuführen ist die Gattung der Robben <Mooa.), worunter der gemeine Seehund oder das Seekalb (?K. vitniina), Fig. 94, in der Nord- und Ostsee Der Seehund; I>booa vitniwa.. Nat. Gr. 5' — 6'. häufig. Der Seehund wird fünf bis sechs Fuß lang, sein Kopf ist rundlich, etwas huudeahnlich, ohnesichtbareOhren, aber mit schönen großen Augen, die zugleich einen klugen und gutmüthigen Ausdruck haben. I n der That ist der Seehund 1. Klasse: Säugethiere. Flossenfüßer. 429 ein friedliches Thier, wird leicht zahm und gewährt gleich der Fischotter Vergnügen durch seine muntere Bewegung im Wasser. Sein Fell hat etwas harte, glatt anliegende Haare, dk das Wasser nicht annehmen und nach dem Alter sehr verschiedene Färbung zeigen, grauweiß bis ins fchwärzlichgrüne. Er ist das eigentliche Nährthier des Grönländers, dem einesteils sein Fell, anderntheils sein Fett, das ausgelassen Thran giebt, unentbehrlich sind; den letzteren trinkt er entweder oder er gebraucht ihn als Heizmittel in der niemals erlöschenden Thranlampe der höhlenartigen Wohnung. Daher ist der Scehundsang die Hauptbeschäftigung des Grönländers und der Unterricht darin bildet den wesentlichsten Theil seiner Erziehung. I m kleinen schwankenden Boot sucht der Jäger den Seehund im offenen Meere auf, um ihn zu harpunircn, oder er lauert mit dem Speer an Löchern im Eis dem Thiere auf, das zum Luftschöpfen dahin sich zieht, oder er beschleicht den lagernden Seehund, wobei der Eskimo die Bewegungen und die Stimme desselben nachahmt und im günstigen Falle mit einem Prügel durch einen Schlag auf die Nase die überraschten Thiere tödtet. Viele Schiffe begeben sich jährlich nach jenen eisigen Regionen auf den sogenannten Robbenschlag, und die Folge hiervon ist, daß diese wehrlosen Thiere, die früher in unabsehbarer Schaar die Eisfelder bedeckten, bereits in beträchtlicher Abnahme begriffen sind. Seltnere Arten find der Seemönch (?k. monaoliuI), die Mützenrobbe <?k. criLtaw), der Seelöwe (Owria jrckktg.). Eine Länge von 18 bis 20 Fuß und ein Gewicht von 1500 bis 2000 Pfund erreichen die mit furchtbaren Hauern ausgerüsteten Wallrosse (irioksolinL roZmaruä), muschelfressende Bewohner der nördlichen Eismeere, die gelegentlich unter sich und mit ihren Angreifern heftig kämpfen. Z w ö l f t e O r d n u n g : Wa'lthiere; (/Stnoea. Die auffallendste Erscheinung bieten mehrere Arten dieser Klasse durch den 120 erstaunlichen Umfang ihres Leibes, und es sind dies die größten aller Thiere. Sie zeichnen sich ferner durch ihren Mangel an Hinterfüßen und ihre flössenartigen Vo.rdcrglieder aus, so daß sie ganz fischähnlich werden und nur im Meere leben. Von Haaren ist kaum an der Oberlippe eine Spur sichtbar. Nützlich erscheinen sie durch den Thran, das Fischbein, das Wallrath und den Amber, welche man von ihnen gewinnt. Sie athmen durch Naslöcher, die oben , am Kopfe sich befinden, und aus welchen sie Wasser in Strahlen und als Dampf ausspritzen. I h r Aufenthalt sind vorzugsweise die kalten Meere, bis Grönland hinauf, sodann der atlantische Ocean; indessen hat eine schonungslose Jagd ihre Anzahl sehr vermindert. Anzuführen sind: der gemeine oder grönlandische W a l (L2.I3.6Q9.), mit zwei Spritzlöchern, wird 60 bis 70 Schuh lang und 1000 Centncr schwer. Statt der Zähne hat er sogenannte B a r t e n , die unter dem Namen von Fischbein bekannt sind; der Finnfisch (ZaiaonOxtGra.), der 80 bis 100 Fuß lang wird, mit einer hohen Flosse oder Finne auf dem Rücken; der P o t t w a l ss^Lstsr) oder Cachclot, dessen Länge 60 bis 70 Fuß 430 II. Beschreibung des Thierreichs. erreicht, wovon der Kopf ein Drittel beträgt, hat nur ein Spritzloch, liefert Thran, Wallrath und Amber; der S c h w e r t w a l oder N a r w a l (MonoHon) wird 20 Fuß lang mit 10 Fuß langem Stoßzahn; die D e l p h i n e oder T ü m m ler (Dsiplnnus), Thiere von 8 bis 18 Fuß Länge, die i n allen Meeren vorkommen, sehr schnell schwimmen und höchst gefräßige Räuber find; in der Ostsee am häufigsten ist das Meerschwein ( v . x^ooNGna), 5 Fuß lang. Alle seither genannten Glieder dieser Ordnung nähren sich von Polypen, Weichthieren und Fischen; die folgenden haben mehr fußartige Vorderglieder und fressen Pflanzen, besonders Seetang. Solche sind die nordische Meerkuh sManatuL Korpus) und die atlantische Seekuh (Uan^tus Mautieng) und die im indischen Archipel auftauchende Seemaid (llalioors; D ü g o n g ) . Z w e i t e 121 Klasse: V ö g e l ; ^v63. Die Federn, welche den Leib der Vögel bekleiden, sind das bezeichnendste Kennzeichen derselben. Außerdem bemerken wir an denselben vier Glieder, wovon die vorderen Flügel, die Hinteren Füße sind, eine meistens harte Zunge, zahnlose, hornige Kiefer, die den Schnabel bilden, zwei Nasenlöcher und ein nach außen geöffnetes Ohr, jedoch ohne Muschel. I h r langer, aus 9 bis 23 Wirbeln gebildeter Hals erleichtert sehr die Bewegung des Kopfes, dessen größeres Gehirn das Gedächtniß und die Gelehrigkeit vieler Vögel erklärt. Besonders entwickelt ist die Brust mit einer großen durchlöcherten Lunge, in welche eine lange, mehrfach gewundene Luftröhre führt, so daß dieselbe eine Menge von Luft aufzunehmen vermag, was das Fliegen erleichtert und die Vögel zur stimmreichsten Thierklasse befähigt. Sie allein haben die Gabe des Gesangs. I h r Blut hat eine Wärme von 30 bis 4 0 " R., übertrifft also hierin das der Säugethiere. Das Skelet bietet mehrfache Eigenthümlichkeiten dar; es besitzt verhältnißmäßig eine große Leichtigkeit, indem alle Knochen dünn, hohl und mit Lust erfüllt sind, was sich der Flugbewegung ungemein günstig erweift Das Brustbein ist breit, mit hervorstehendem Grat verschen und oberhalb desselben liegt das Vförmige G a b e l b e i n . Eine jede Feder besteht aus der S p u l e , dem Schafte und der an letzteremsitzendenF a h n e ; ihre Ernährung geschieht vom unteren Ende, wo Gefäße in das dünne Häutchen innerhalb der Spule dringen, welches die Seele genannt wird. Das äußere Kleid der Vögel wird von den Deckfedern gebildet, unter und zwischen welchen die meisten noch weiche und wollige F l a u m f e d e r n ^ oder D u n e n haben. Die Federn sind fettig und nehmen daher das Wasser nicht an; sie werden im Herbst zur sogenannten Mauserzeit gewechselt, so daß man ein S o m m e r k l e i d und ein W i n t e r k l e i d des Vogels unterscheidet, die oft merklich verschieden sind. Die Vermehrung der Vögel geschieht durch Eier, welche mit kalkiger Schale überzogen sind und deren 6 bis N , selten 20 oder mehr in ein meist sehr kimst« 2. Klasse: Vögel. 431 liches Nest gelegt werden. Zur Entwickelung muffen sie bebrütet, d. h. einer Wärme von 30" N., gewöhnlich drei Wochen lang, ausgesetzt werden. Die Jungen werden von den Alten mit Liebe gefüttert und mit Aufopferung beschützt. Ihre Nahrung besteht in allen möglichen Pflanzen- und Thierstoffcn; ihr Aufenthalt ist entweder das Wajser oder das Land, doch wechseln manche mit beiden. I n Beziehung auf eine Gegend sind die Vögel entweder S t a n d v ö g e l (Sperlinge) oder Strichvögel (Drossel) oder W a n d e r v ö g e l (Schwalben). Zur Unterscheidung der Vögel werden besonders die Füße und der Schnabel berücksichtigt. Kein Fuß hat mehr als vier Zehen. Der kurze, am Leibe anliegende Oberschenkel sowie das eigentliche Knie kommen nicht zum Vorschein, und von Mittelfußknochen ist nur ein einziger vorhanden, der Lauf genairnt wird. Seine Gelenkverbindung mit dem Schienbein wird Fußbeuge oder Hacken genannt. Die Beine heißen Watbcine, wenn das Gesieder oberhalb der Fußbeuge aufhört, und S t e l z b e i n e , wenn sie dabei besonders lang sind. Sind die Beine bis über die Fußbeuge befiedert, so werden sie Gangbeine genannt. I m Uebrigen unterscheidet man: Schwimmfüße, wenn die gehen durch Haut verbunden sind (Gans); Lappenfüße, mit Hautlappen an den Zehen (Wasserhuhn); Raubfüße, kräftige Zehen mit spitzen, stark gebogenen Krallen (Falke);. G a n g f ü ß e , schwächere und mit stumpferen Krallen als die vorhergehenden (Bachstelze); Schreitfüße, deren beide äußersten. Zehen verwachsen sind (Eisvogel); Lauffüße, welchen die Hinterzehe fehlt (Strauß); K l e t t c r f ü ß e , mit zwei nach vorn und zwei nach hinten stehenden Zehen (Epecht). Der Schnabel ist bald lang und spitz, Pfrieme nförmig oder kurz und dick, kegelförmig, walzig, von der Seite oder von oben zusammengedrückt, gerade, gebogen oder nur an der Spitze gebogen.- Am Grunde ist der Schnabel bei manchen Vögeln mit einer gelben Haut, der sogenannten Wachshaut, umgeben. Abgesehen davon, daß viele Vögel durch das Zierliche ihrer Gestalt, durch die Farbenpracht ihres Gefieders, die Anmuth ihrer Bewegungen und namentlich durch ihren heitern Gesang uns Unterhaltung und Vergnügen gewähren, werden uns dieselben durch ihr Fleisch, ihre Eier und Federn von beträchlichcm Nutzen. Sie richten dagegen verhältnißmäßig nur geringen Schaden an. Sel< ten sind die Fälle, wo die großen Raubvögel dem Menschen gefährlich werden, und giftig ist kein Vogel. Nach Bau und Lebensweise bilden alle Vögel zwei große Hauptgruppen. Die ersten kommen blind und nackt aus dem E i , müssen lange im Nest gefüttert werden, daher man sie Nesthocker nennt; spater ernähren sie sich nur von einerlei Nahrung; ihr Gang ist hüpfend, ihr Flug rasch und leicht, so daß sie fast meistens in der Luft sich aufhalten. Die zweiten kommen sehend und mit Flaum bedeckt aus dem E i , laufen sogleich davon, weshalb sie Nestflüchter heißen; sie suchen sofort selbst ihre Nahrung auf, die in dem verschiedensten Eßbaren besteht; ihr Gang ist schreitend, sie stiegen seltener und leben meistens an der Erde oder im Waffer. 432 I I . Beschreibung des Thierreichs. Zu den Nesthockern gehören: die Singvögel, Schreivögel, Klettervögel. ! Raubvögel und die Tauben; zu den Nestflüchtern gehören: die Hühner, Lauf- , Vögel, Watvögel und die Schwimmvögel. Erste O r d n u n g : S i n g v ö g e l ; 08oiN68. l22 Die Singvögel sind klein, haben Gangbeine, einen kurzen Schnabel und am Halse eine eigenthümliche Singmuskelvorrichtung. Wir finden darunter ausgezeichnete Sänger, sowie viele Vögel, diesichdurch Munterkeit, Gelehrigkeit und durch die Kunstfertigkeit, womit sie ihre Nester bauen, auszeichnen. Die zahlreichen Arten dieser Ordnung werden in mehrere Familien unterschieden. Zu den D r 0 8 8 6 i n (Nsi-uliäach zahlt man erstlich etwas größere, 8 bis 11 Zoll lange Vögel, mit angenehm flötender Stimme und wohlschmeckendem Fleische, wegen dessen besonders die Wachholderdrossel oder der Krammetsvogel (Iurän3 xiiaris), Fig. 95, häufig in Schlingen gefangen wird; es ist dies die gemeinste Droffelart, 10 Zoll lang, Kopf und Hintertheil grau, Nacken und Schulter braun, unten weißlich, mit dreieckigen Flecken. Als Sänger von wenig Bedeutung, wird dieser Vogel wegen des eigenthümlichen, bitter« lichen Geschmackes seines Fleisches geschätzt, der vom Genuß der Wachholderbecren (oder Krammetsbeeren) herrührt; bei uns erscheint er als Zugvogel im October und bleibt bis zum Frühjahr; er kommt aus dem Norden, wo er auch in der Negel nistet und sechs grünlich gewässerte Eier in Krammetsvogel, I'uräu» Ms.ris. Länge 10". ein Nest legt, das wie bei fast allen Droffelarten inwendig mit Lehm ausgekleidet wird; ähnlich, doch etwas größer ist die Misteldrossel ( I . viLoivoruL), nach dem Mistelstrauch benannt, dessen Beeren ihr Lieblingssutter sind. Das massenhafte Hinwegfangen dieser Vögel, welches in Mitteldeutschland sehr üblich ist, hat ihre Zahl beträchtlich vermindert. Die beiden folgenden sind Standvögel, welche bei uns nisten, einen schönen Gesang haben und als Stubenvögel leicht zu halten sind, nämlich die Singdrossel ( I . Milieus) und die Schwarzdrossel oder Amsel ( 1 . msi-ula), schwarz 2. Klasse: Vögel. Singvögel. 433 mit gelbem Schnabel. Die Wasseramsel (OinQiu.8), lebt an Gewässern bergiger Gegenden und ist dadurch merkwürdig, daßsiehauptsächlich von Wafserinsekten lebt, diesieaus dem Wasser holt und dabei oft vollständig untertaucht. Kleinere Familienglieder sind: die Nachtigall (I^Loiola 1n8oinia), die gefeiertste Sängerin, welche im April sich einfindet und im September wegzieht; das Rothkehlchen (I,. rudscula); das Blaukehlchen A . 8N6oio9.); das Garten-Rothschwänzchen (1^. xliosnionrnL); das Haus-Rothschwänzchen (L. l i t i i ^ s ) ; der Steinschmätzer (Laxioola) und der Flüevogel ( A o Die 8än^6rX^7lvia.äa6) sind kleine und zarte Vögelchen, die nebst den vorhergehenden zur Belebung unserer Wälder, Gärten und Hecken beitragen, wie die Grasmücken (8^1via kortOULiZ und 8. oin6r69.); das Schwarzköpfchen (8. HtrioaMa), Fig. 9 6 , heißt <luch Plattmönch und ist in Süddeutschland sehr beliebt als Stubenvogel; der Rohrsänger (8. arrmälnaosg.); ir muntere Zaunkönig (IroAloÄ^tsL Hrvuiu.8), Fig. 97, auch Zaunschlüp:r genannt, mißt von der Schnabelspitze is zur Schwanzspitze nur 3 Zoll und ist eben dem Goldhähnchen der kleinste eineimWe Vogel; seine Farbe ist braun, berhalb dunkel, unten Heller mit schwärzchen Qüerßreiftn; den Schwanz pflegt er eist aufgerichtet zu tragen. Der Zaunmig ist über ganz Europa verbreitet Schwarzköpfcheu, Z M i a atrioNpiUa. ad wohnt in Wäldern, an Flußufern und in Steinbrüchen; sein geschlossenes, nnt einem Schlupflochc versehenes Nest baut er nahe am Boden; er ist bei uns ein Standvogel, der sich im Winter nicht selten in der Nähe der Wohnungen sehen läßt; ferner das zierliche Bachstelzchen (Nowoilis. M a ) ; die gelbe Bachstelze (N. Lav^) und verschiedene Arten der Pieper (^ntlinä). Die 8 o k ^ k 1 k s n ( N rnnäiniäas) sind gesellige, langgeflügelte Wandervögel, von welchen sich im Frühjahr die Hausschwalbe (Nrunäa Zaunkönig, LroFioä^tss parvulns. Lange 4 " . urbioa), die Rauch- oder Blutschwalbe <A. rnLtioa) 434 I I . Beschreibung des Thierreichs. mit rothbrauner Kchle und die Uferschwalbe (N. rixaria.) bei uns einfinden und im Herbste mit ihren Jungen nach wärmeren Ländern ziehen. Durch die Vertilgung zahlloser Insekten erweisen sie sich besonders nützlich. Von den trifft man vereinzelt in Gärten und Wald den schwarzköpfigcn Fliegenschnäpper (Nnäcica-pa atrioapilia), kenntlich durch lange Borsten am Schnabel. Die ' M n i ' F V ? (likmiHäas) sind raubvogelartige Sänger, welche Insekten als Vorrath an Dorne anspießen oder dieselben einklemmen und selbst kleine Vögel angreifen; es gehören hierher der große Würger (I.kl.mu.8 sxoiikitm'), Fig. 93. Dieser Vogel hat nahezu die Größe einer Drossel, ist auf dem Rücken aschgrau, unten weiß, Flügel, Schwanz sowie ein Streif durch das Auge schwarz; die äußeren Schwanzfedern sind weiß. Der Schnabel ist stark, kegcl- Wiirgcr, I^nius «xcubZtai-. Länge 9^//'. sinnig, gerade, an der Spitze hakig gebogen; dahinter eine ausgeschnittene Kerbe, wodurch jederseits ein scharfer Zahn entsteht. Außer Insekten verfolgt und tödtct er Mäuse und kleine Vögel mit großer Kühnheit. Er baut sein Nest auf hohe Bäume und legt 5 bis 6 olivengrünliche, graugeftcckte Eier. Dem Neuntödter oder Dorndrehcr (1/. ooiiurio) wurde nachgesagt, daß er nicht fresse, bevor er neun Opfer gespießt habe. Die Würger ahmen gern den Gesang anderer Vögel nach. Die VäiNill.iä.'lit'S? (Oei'tinNäae) klettern gleich den Spechten an den Baumstämmen und es macht sich bei uns der gemeine B a u m l ä u f e r (Osrtkia, 5ainili2<i'i8) nützlich durch Vertilgung der Insektenlarven. Die M618 6N (?ariäa.6) haben einen geraden kegelförmigen Schnabel und sind muntere kleine Strichvögel, die vorzugsweise von Insekten und Gewürm leben und viel Fleiß und Kunst auf den Bau ihrer Nester verwenden. 2. Klasse: Vögel. Singvögel. 435 -Bcmerkenswerth sind: Die Kohlmeise (?ai-u8 m^jor), Fig. 9 9 , ist die größte und gemeinste Meisenart; auf dem Nucken istsieoUvengrün, unten gelb, der Kopf, sowie ein Streif über die.Brust bis zum Bauche schwarz-, an jeder Seite des Kopfes befindet sich ein dreieckiger weißer Fleck. I m Sommer hält siesichm Wäldern auf, wo sie meist in hohlen Bäumen ihr Nest macht und 8 bis 14 kleine weißliche Eier mit röthlichen Punkten legt; im Winter zeigt sie sich häufig auf den Obstbäumen der Gärten, selbst mitten in der Stadt. Sie klettert dann gewandt an den dünnsten Zweigen, an denensiesichoft verkehrt aufhängt, um Insekteneier und Larven abzulesen. Als S t u beuvogei ist sie unterhaltend, dasieallerlei Kunststücke lernt; ihre Stimme ist nicht melodisch; die Schwanzmeise (?. «Nulatus) flechtet ein beutelförmizes Nest; die Veutclmeise (I>. -psnäulinuL) stechtet ihr Nest zwischen Rohrstcngcl; die Blaumeise ( ? . coeruieu^); die Spechtmeise (8itta); das G o l d h ä h nchc n (IlLZuIns Kohlmeise, Varus mn5<>r. > Länge S ^ " . iAnioaPilinL), Fig. 100, nur 3 Zoll lang, olivengrün, mit fcucrrothem Schopf. Dieses allerliebste Vögclchen, welches man das einheimische Kolibri genannt hat, hält sich am liebsten in Nadelhölzern auf, wo es in den Endgabeln her Tannen ein sehr kunstreiches, rundliches Nest baut, mit einem Loch zum Ausschlüpfen; es legt 6 bis 11 fieischrothe Eier, am stumpfen Ende etwas dunkler gewässert. Das Männchen kann die feuerrothe Haube aufrichten; durch das Auge geht Goldhähnchen, Ke^ulus ignioapiNus. säuge 3 U " . ^ ein schwarzer Strich, darüber ein weißer. D e n Meisen verwandte amerikanische Vögel sind: die r o t h e 436 II. Beschreibung des Thlerreichs. Prachtmcise (lanNgi-g.); der Schnäpper (VrooniaL) und der O r g a n i s t (Nu^kons), also genannt wegen seiner Singstimme, deren Vorzüglichkeit jedoch von neueren Reisenden bestritten wird. Auch d i e ? i u . k s n . (^rinFilliäaG) bilden eine zahlreiche Familie von munteren Vögeln mit starkem kegelförmigen Schnabel, deren viele bei uns einheimisch sind und meist durch kunstreichen Nestbau und schönen Gesang sich auszeichnen. Während die Jungen mit Insekten und Gewürm gefüttert werden, fressen die Alten allerlei Körner und Sämereien und werden hierdurch mitunter schädlich. Man pflegt sie häufig als Stubenvözel zu halten und im Gesang abzurichten. Anzuführen sind: Der Kernbeißer (^rin^iHa. 00000tki-kuLtsä); der Buchfink ( I ' . ookisdä); der Diestelfink oder Stieglitz (^. ( M ü s l i s ) ; der grüne Z e i s i g (^. L^iniiL); der G r a n h ä n f l i n g (.^. oannabina); der seit Jahrhunderten von den kanarischen Inseln bei uns eingebürgerte K a n a r i e n v o g e l (^. oariai-is); der aller Weltbekannte Spatz oder Sperl i n g (^. äonisLtioa.), Fig. 1 0 1 , dessen Kleid bescheidener ist als sein Charakter; unsere Abbildung zeigt das Männchen, das durch seine schwarze Kehle und weißliche Querbinde auf dem Flügel vom Weibchen sich unterscheidet; letzteres ist durchaus bräunlichgrau, mit aschgrauem Kopf. Kein Vogel hält mehr in unmittelbarer Nähe des Menschen aus als der Sperling; man trifft ihn entfernt von aller Natur, inmitten des Lebens und Treibens der größten Städte, nicht selten schwarz geräuSperling, PriilFilia äamestioa. Länge 5 ^ chert vom Rauch der Kamine, die er im Winter der Wärme wegen aufsucht. So lange er Junge hat, vertilgt er eifrig Raupen und Insekten und erweist sich nützlich; später ist er ein Dieb in Garten und Feld; er vermehrt sich stark, indem das Weibchen dreimal jährlich 3 bis 6 bläuliche Eier mit braunen Flecken legt. Der G i m pel (ZV x^ii-ku.Ig.), auch D o m p f a f f oder B l u t f i n k genannt; der F i c h t e n g i m p e l (Iioxia OQuolsa.toi') und der K r e u z s c h n a b e l ( I . . lwi-viroLtr«). Als willkommner Frühlingsbote steigt mit jubelnd schmetterndem Gesang 2. Klasse-. Vögel. Singvögel. 437 in die Lüfte die Feldlerche (^1g.u.äa. arvsusiL); im Herbste wird sie scharenweise gefangen und verzehrt. I m härtesten Winter halten bei uns aus die Hauben- oder Heidelerche (^. oriLtata); der G r a u a m m e r (NrnksriLN miliaria) und der Goldammer (N. oitrinsiia). Der schöne Gartenammer oder O r t o l a n (V. Iiortulaug.) wird in Italien als Speise sehr geschätzt. I n der Familie der N a k s n (Ooi-vini) begegnen wir größeren Vögeln, deren rauhe Stimme sie freilich nicht berechtigt, der Ordnung der Singvögel angereiht zu werden, wohl aber befähigt, die menschliche Stimme nachzuahmen und Wörter aussprechen zu lernen. Sie haben vorherrschend ein dunkles Gefieder, einen starken Schnabel und fressen Körner und Sämereien, aber auch Insekten, Gewürm und Fleisch. Es gehören hierher U.A.: der Häher (Oorvus Ala.näI.i'iiiL), Fig. 102. Dieser schöne Vogel wird 13Zoll lang; seine Hauptfarbe ist röthlichgrau, mit schwarzem Schnurbart und eben solchen Schwingen und Schwanz; die Deckfedern der Flügel sind abwechselnd blau, schwarz und weiß gewürfelt und als Zierde am Hute des Waidmcmns beliebt; die Haube kann er ausrichten. Der Häher frißt Kerne,Nüsse und Eicheln, zu Zeiten jedoch auch junge Vögel; sein Fleisch ist schmackhaft. Häher, Oorvus Ag.nä2.rlu.2. Länge 1 3 " . Kopf des Raben. Halbe Größe. II. Ferner sind zu erwähnen: die schwarzund weißbunte, langschwänzige Elster oder Atzel ( 6 . Pisa,), deren Nest eine Dornendecke von oben zum Schutz hat; d i e D o h l e ( O . N 0 . nsäuiÄ.),die in Thürmen undunterDächenl nistet; der Rabe, Kolkrabe (0. eorax), Fig. 102 a., der wie ein Raubvogel selbst kleine Thiere angreift, 28 438 I I . Beschreibung des Thierreichs. meilenweit nach Aas fliegt und große Reviere hält; die S a a t k r ä h e (0. kruAiisAUä), die gesellig zu Tausenden in Coloniccn zusammen brütet; die gemeine Krähe (0? coi-ous), die einzeln in Wäldern nistet, und die Nebelkrähc (0. cormx), die nur in der grauen Färbung von der vorhergehenden abweicht. I n großen Gesellschaften lebt der geschwätzige S t a a r (8wrnn8 vulgaris), Fig. 103; er ist von der Größe der Amsel, etwa 9 Zoll lang, von Farbe schwarz, Staav: äturnus vul^ari». Üäuge 6V2" violett und goldgrün schimmernd, dabei überall weiß und bräunlichweiß gesprenkelt; seine Beine sind hoch, nackt und gelbroth; er kommt im Frühjahr und bleibt bis November, wo er südlich bis Afrika wandert; zum Auftnthalt zieht er Tristen, Felder und Gärten den Wäldern vor und baut gern in Kästchen, die man deshalb an Wohnungen oder Bäume befestigt, ein kunstloses Nest und brütet zweimal 4 bis 7 hellgrüne Eicr aus; seine Nahrung besteht in Insekten, Gewürm und Beeren, fo daß er am Rhein in den Weinbergen viel schadet, weshalb die Weinberghüter öfter ein blindes Feuer geben, um ihn zu verjagen. Der Staar wird sehr zahm, lernt schön singen, auch Wörter aussprechen und ist überhaupt durch sein kluges und munteres Benehmen ein unterhaltender Vogel; vor dem Abzug sammeln sich große Gesellschaften, in Gebüsch und Röhricht, wo sie einen großen Lärm aufführen. Nicht selten sucht er ebenso wie der afrikanische Madenhacker ( L u ^ a ^ a ) dem weidenden Vieh das Ungeziefer ab. Den Staarm verwandt ist die nach Südeuropa kommende R o s e n d r M c l (H-rNonIg. 5-0863.), rosenroth, Flügel und Schwanz schwarz; sodann in Amerika der Beutelstaar oder Trupial(0a.38iou8), der sein langes beutelförmigesNest an dünnen Zweigen aufhängt, auch S p o t t v o g e l genannt wird, indem er die Stimme anderer Vögel nachahmt; endlich der N ei sstaar(Iotsru8), wovon mehrere Arten von lebhast gefärbtem Gefieder großen Schaden den Reisernten zufügen. 2. Klasse: Vögel. Singvögel. " 439 Anzureihen ist der P a r a d i e s v o g e l (karaHiäsa kPoäg,), Fig. 104, dessen^ Gefieder als Schmuck hoch geschätzt wird. Dieser prächtige Vogel stammt keineswegs aus dem Paradies, vielmehr aus dem Lande unserer wilden und cannibalischen Gegenfüßler, der Papu, Neu-Guinea und den Nachbarinseln; er hat die Größe einer Elster, ist braun gefärbt mit sammtartiger kurzer Federbedeckung am Gnmde des Schnabels. Aber an den Weichen entParadiesvogel; ?a?2ä!8p.a. apoäa. wickeln sich ' beim Nat. Gr. 1 " ; mit den längsten Federn 2' 6". Männchen zu beiden Seiten gegen 400 lange, zarte, gelblichweiße Federn und aus dem Schwanz ragen zwei schwarze Kielfasern; er lebt gleich unserem Hahn mit vielen Weibchen, die deshalb zahlreicher sind. Die Nahrung des Paradiesvogels besteht in Früchten und Insekten; von den Eingeborenen wird er mit stumpfen Pfeilen geschossen, damit kein Blut die Federn verdirbt. Dieselben reißen ihm die Beine ans, trocknen den Balg im Rauch, und da lange Zeit nur solche Vögel nach Europa kamen, so entstand das Märchen, sie seien fußlos und schwebten, von ihrem weichen lockeren Gesieder getragen, beständig in der Luft. Der nächste Verwandte des Paradiesvogels unter den einheimischen Vögeln ist der P i r o l oder die G o l d a m s e l (Oriolus Aalkula), von denen die Weibchen und Jungen grünlichgelb sind, die alten Männchen goldgelbes Gefieder mit schwarzen Flügeln haben. Zweite O r d n u n g : S c h r e i v ö g e l ; Olaniatorss. Der Mangel des eigenthümlichen Stimmorgans unterscheidet Hauptfach- 123 lich die Vögel dieser Ordnung von den vorhergehenden. Die Mehrzahl gehört den außereuropäischen Ländern an, und obwohl keiner dieser Vögel eine beson28* 440 II. Beschreibung des Thierreichs. dere Wichtigkeit hat, so finden sich darunter doch einige, die durch die Pracht ihres Gefieders oder durch andere Eigenthümlichkeiten unsere Beachtung verdienen. Ganz besonders gilt dies von der Familie der K o l i b r i (iroolMäas), den kleinsten aller Vögel, welche allein Südamerika angehören, wo sehr viele Arten, deren Gesieder durch unbeschreiblichen Metallglanz und die größte Farbenpracht sich auszeichnet, von kleinen Insekten leben, diesiemit ihren langen dünnen Schnäbelchen aus den Blumenkelchen holen, wodurch die irrige Meinung entstand, daß sie von Zuckersaft lebten. Die kleinste Art, Lroekilug minimus, wird 16 Linien lang und legt erbsengroße Eier in ein Nestchen von der Größe einer Nußschale; der gemeine K o l i b r i ( 1 . oolukris) ist goldgrün mit rubinglänzender Kehle. Bemerkenswert sind ferner: Der Ziegenmelker (OaprimulFus suroV2.6N8), Fig. 105, heißt auch Nachtschwalbe und ist ein häßlicher Vogel, etwa ein Fuß lang, aschgrau, braun gewassert, zugleich schwarz gesteckt. Am Ziegenmelker; lüapi-imullfug ouropaoug. Länge 1l)^. auffallendsten ist der ungeheure Rachen dieses Vogels, umsäumt mit Borsten, welche das Entkommen der im Fluge erschnappten Insekten vcrhindcrn^Hie Augen sind groß und kennzeichnen eine nächtliche Lebensweise, indem er am Tage still im Verborgenen sitzt. Der Ziegenmelker ist ein Zugvogel aus dem Süden, der vereinzelt von April bis Ende September sich bei uns aufhält und ohne ein Nest zu machen zwei weißliche, braungesteckte Eier auf die bloße Erde in Heidekraut legt. Aus dem Alterthum stammt die Fabel, daß dieser Vogel Nachts in die Ställe sich schleiche und an dem Vieh die Milch aussauge. Ein 2. Klasse: Vögel. Schreivögel. 441 widerliches Geschrei verführt die T h u r m - oder Mauerschwalbe (O^xsslng »?U8), gleich der vorigen im Fluge Insekten fangend. Die Salangane ( 0 . S8oni6utn8) oder Höhlenschwalbe von Java, verfertigt die berühmten eßbaren Nester. Letztere sind gallertig und es werden hierzu gewisse Tange verwendet« Ein schöner Vogel ist der Wiedehopf (vxnxa. Oxoxs), Fig. 106, bräunlich mit schwarzen und weißen Flecken und einem fächerartigen Schopf auf dem Wiedehopf; Npupl». opops. Lange lO^z". Scheitel, den cr beliebig ausbreiten und zusammenlegen kann; er hält sich in Wäldern in der Nähe von Triften auf und lebt von Gewürm und Insekten, die er in die Höhe wirft und mit dem Schnabel auffängt; er schreit »hupp, hupp, hupp« und geberdet sich drollig, ist jedoch wegen seines unangenehmen Geruchs nicht wohl gelitten. Der Wiedehopf ist ein Zugvogel aus Afrika, der bei uns im Sommer in hohle Bäume nistet und 4 bis 5 röthlich graue Eier legt. Der südeuropaische Bienenfresser (NsroriL) ist blau mit gelber Kehle. Der E i s v o g e l <Mo6äo isrnäg.) hat einen großen Kopf und starken, kantigen Schnabel, schön blaugrünes Gefieder, unten rostfarbig und lebt von Wasserinfekten und kleinen Fischen, die er selbst unter dem Ufereise hervorholt. I n Käsigen trifft man oft muntere Vögelchen aus dem Geschlechte der M a n a k i n (kipi-g.) in Südamerika, von schöner Zeichnung, schwarz mit lebhaft rothen Flecken; der schön orangefarbige F e l s e n h a h n (K^pioola) bewohnt Südamerika; einen übermäßig großen Schnabel mit aufsitzendem Horn haben die N a s h o r n v ö g e l (Lucios) im heißen Ostindien und Afrika; auf Neuholland findet sich der Lei er schweif (Nenui-N euxerda), einem Huhn ähnlich, mit zwei großen, leicrförmig gebogenen Schwanzfedern. 442 II. Beschreibung bes Thierreichs. D r i t t e O r d n u n g : K l e t t c r v ö g e l ; 8olML0i-68. IM Das wesentliche Merkmal der Klettervögel besteht in dem eigenthümlichen Bau ihrer Füße, indem zwei der Zehen nach vorn und zwei nach hinten gerichtet sind. Diese Vögel gehören vorzugsweise den wärmeren Klimaten an und gewähren keinen erheblichen Nutzen. Anzuführen sind: Der gemeine Kuckuck (Onouius og.norn8), F i g . 1 0 7 , der kein Nest baut, sondern seine Eier einzeln in die Nester kleiner Singvögel legt, welche Gemeiner Kuckuck; (Üuculus oauorug. Länge 13". sie ausbrüten und das ausschlüpfende Junge auf Kosten ihrer eigenen ernährender ist 13 Zoll lang, über Kopf und Rücken aschgrau, der Schwanz dunkler mit weißen Flecken an der Seite, der Leib weißlich mit dunklen Qucrstreifen, Füße und Krallen gelb. Der Kuckuck ist ein scheuer und wilder Vogel, den Jedermann wohl schon gehört, aber selten zu Gesicht bekommen hat. Er ist ein Zugvogel vom Süden und erscheint bei uns als Frühlingsbote, dessen Ruf willkommen ist; seine Nahrung besteht in Insekten, Gewürm und Raupen und zuweilen trifft man den Magen desselben ganz überzogen mit den Haaren der gefressenen Bärenraupen. Das Weibchen legt 4 bis 6 auffallend kleine, bläulich graue, dunkler getüpfelte Eier. Merkwürdigerweise geschieht dies jedoch nicht in kurzer Zeit hinter einander, sondern in Zwischenzeiten von 8 Tagen, 2. Klasse: Vögel. Klettervögel. 443 so Nß cs dieselben nicht bebrüten kann; daher nimmt der Vogel das gelegte Ei mit dem Schnabel auf und legt es in das Nest eines kleinen Singvogels. Der Honigkncknck (0. i n ä i ^ t o r ) auf dem Cap, welcher die Nester wilder Bienen durch sein Geschrei verräth; der Tukan oder P f e f f e r f r a ß ( M a n ^tiÄLt03), in Amerika, mit sehr großem Schnabel. ^ . Eine einheimische Familie ist die der I p s o k t s (?ioiäas). M i t ihrem spitzigen Schnabel durchsuchen sie die Ninde der Baume und hacken dieselbe auf, un^Insekrcn und Larven hervorzuholen, wozu sich der Wendehals ( ^ n x ) mit V o r t e i l seiner wurmf^migen Zunge bedient, sowie die Spechte ihrer mit Nid^erhäkchen versehenen Zun^ge., Von diesen sehen wir bei uns nicht selten den SchVlrzspecht (?Iou8 ram-tinä), den Grünspecht ( ? . viriäis) und den großen Buntspecht (?. i n ^ o r ) , Fig. 103. Der Letztere ist 10 Zoll lang, Scheitel, Rücken und Flügel schwarz, die letzteren weiß gebändcrt, Nacken Hochroth, die Unterseite weiß, zu beiden Seiten des Schnabels ein nach dem Hals herabgchcnder schwarzer Streif. Er erweist sich, gleich den übrigen, als ein wahrer Zimmermann, indem er mit fest an den Stamm gedrücktem Leih und gestützt durch die steifen Kiele seiner Schwanzfedern, mit aller Kraft seinen scharskantigen Schnabel einhaut, daß die Späne davonfliegen. Auf diese Weise Buntspecht; neu- ^ o r . L ä u ^ ' . ^ ^ er zur Anlage seines Nestes ein Loch in den Stamm, das er vertieft und erweitert und so sorgfältig bearbeitet, daß man es nicht für das Werk eines Vogels halten sollte. Kein Specht läßt sich zähmen u n ^ i n der Gefangenschaft halten; zu bedauern ist nur, daß diese ebenso nützlichen als schönen Vögel oft ohne allen Zweck geschossen werden. Die große Familie der ü?g.p 2.3616 (?8itt3.ciiu) gehört nur der heißen Zone an. Die Papageie haben einen sehr dicken Schnabel mit hakigem Oberkiefer, der am Grunde mit einer Wachshaut umkleidet ist, und eine dicke, fleischige Zunge, so daß die eigentlichen Papageie von allen Vögeln am deutlichsten Worte des Menschen nachsprechen lernen, ja sie ahmen das Lachen, Gähnen, Husten und Niesen nach und erweisen sich überhaupt als sehr verständige.und gelehrige Vögel. Ihre Stimme ist jedoch rauh und widrig. Sie leben meist gesellig, auf Bäumen kletternd, und fressen besonders Früchte und Kerne, selten Insekten oder Fleisch; ihr Schnabel ist so stark, daß sie die härtesten Nüsse und 444 I I . Beschreibung des Thicrrcichs. Obstbeeren aufknacken; auch ist es eigenthümlich, daß sie ihre Speise mit dem einen Fuße halten und zum Munde führen. I h r Fleisch ist wohlschmeckend. Nra: ^.i-a macao. Nat. Gr. 2 « " . I n der Gefangenschaft fressensieso ziemlich alles, sind ziemlich leicht zu halten und erreichen ein hohes Alter, bis über 40 Ichre. Auch hat man Beispiele, daß Papageie in der Gefangenschaft gebrütet haben. Wir bemerken nur die eigentlichen P a p a g e i e , deren es über 200 Arten giebt, die sich durch ihr herrlich gefärbtes Gefieder und ihre drolligen Geberden auszeichnen , weshalb man sie die Affen untcr den Vögeln genannt hat. Solche sind: der gemeine, graue.Papagei (?8ittaon8 6i-it1iaou8); der Cacadu (OaoktuF oristawk), benannt nach dem seinem Namen entsprechenden Geschrei; er ist weiß mit einem gelben Fcdcrschopf, den er nach Belieben aufrichten und niederlegen kann; sein Vaterland ist Indien. Der blaue Ä r a (H.I-Ä ki-kinnna); der rothe Ära (^. macNo), Fig. 1 0 9 ; er ist einer der größten und prächtigsten Papageie, erreicht eine Länge von drei Fuß und ist scharlachroth mit blauen Flügeldecken; seine Heimath sind die Antillen; die U n z e r t r e n n l i c h e n (?LitwouIa xu.1larig.) oder I n s e p a r a b e l s , nicht größer als ein Sperling, grün mit Blau am Nucken und Flügel. Man halt dieselben paarweise, wobei sie eine große gegenseitige Anhänglichkeit und Zärtlichkeit zeigen. L.Klasse: Vögel. 445 Raubvögel. V i e r t e O r d n u n g : R a u b v ö g e l ; Raxtatorss. Kräftige Füße mit scharfen Krallen, ein starker Schnabel mit hakiger 125 Spitze (Fig. 110), am Grunde mit einer Wachshaut überzogen, ferner ein scharfes Gesicht und ein bedeutendes Flugvermögen machen diese Vögel zur Jagd auf andere Thiere besonders geeignet, obgleich mehrere derselben auch Aas verzehren. Unverdauliche Theile, wie Wolle und Federn, brechen sie als sogenanntes G e w ö l l e wieder Kopf des Steinadlers. 1/2 d. nat. G7. ^ D i e Weibchen sind gewöhnlich größer als die Männchen und legen nur wenige Eier in ein kunstloses Ncst auf hohen Felsen oder Bäumen, welches Horst genannt wird. Die am Tage ihrem Fange nachgehenden T a g r a u b v ö g e l mit knapp anliegendem Gefieder umfassen die Familien der Geier und Falken. Die (3-SiSr (Vultui-ini) haben einen ziemlich langen, geraden, an der Spitze hakenförmig gebogenen Schnabel; Kopf und Hals
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