Strukturen der germanischen Sprachen Organisatorisches Organisatorisches • Bitte bei blackboard anmelden Strukturen der germanischen Sprachen • Telefon und Sprechzeiten siehe: http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/ • Beschwerden, Verbesserungsvorschläge: • mündlich • per Mail oder • anonym über das Web: http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/Lehre/ Stefan Müller • Bitte unbedingt Mail-Regeln beachten! http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/Lehre/mailregeln.html Deutsche Grammatik Institut für Deutsche und Niederländische Philologie Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften FU Berlin [email protected] 17. Mai 2016 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen 1/185 Strukturen der germanischen Sprachen Organisatorisches Organisatorisches Materialien Vorgehen • Information zur Vorlesung: • Handouts ausdrucken, immer mitbringen und persönliche Anmerkungen http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/Lehre/Germanisch/ • Wiederholung/Grundlagen: Müller, 2013a, Kapitel 1–2 einarbeiten • Veranstaltungen vorbereiten • Veranstaltungen unbedingt nacharbeiten! • Kontrollfragen • Übungsaufgaben • Einführungsbuch zur HPSG: Müller, 2013b • Fragen! c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 2/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 3/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Organisatorisches Organisatorisches Quiz Leistungen Quiz • Aktive Teilnahme • Klausur in letzter Veranstaltung • In Vorlesung und Seminar: Abgabe von je drei Stichpunkten zur vorigen Veranstaltung und mindestens zwei Fragen Wer sind diese drei Personen und was haben sie gemeinsam? • Hausarbeit in einer der Veranstaltungen (http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/Lehre/hausarbeiten.html) Ideale Zeitaufteilung (für das gesamte Modul): Präsenzstudium Vor- und Nachbereitung Prüfungsvorbereitung 60 h 150 h (75h/17 = 4,41h!) 240 h Bild: Christoph Braun CC0 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 4/185 Strukturen der germanischen Sprachen Bild: Laurence Chaperon CC BY-SA Bild: Laurence Chaperon CC BY-SA c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 5/185 Strukturen der germanischen Sprachen Organisatorisches Organisatorisches Plagiat Plagiat Plagiat: Definition Konsequenzen Unter der Verletzung geistigen Eigentums werden alle Fälle begriffen, in denen urheberrechtlich geschützte Werke, wissenschaftliche Erkenntnisse, Hypothesen, Lehren oder Forschungsansätze anderer missbräuchlich verwendet werden. Dies betrifft insbesondere • eine Wiederholungsprüfung unter Bearbeitung eines neuen Themas ist zulässig, • das Plagiat: nämlich die unbefugte Verwertung unter Anmaßung der • Der Prüfungsausschuss kann zusätzlich zur Vergabe der Note 5,0 bestimmen, • betreffende Prüfungsleistung wird mit nicht ausreichend“ (Note 5,0) bewertet. ” es sei denn, es handelte sich bei der durch Täuschung beeinflussten Prüfungsleistung um den letzten Wiederholungsversuch. Autorenschaft, sowie • den Ideendiebstahl: nämlich die Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen anderer unter Anmaßung der Autorenschaft. Weitere Fälle der Verletzung geistigen Eigentums sind im Ehrenkodex / Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis unter Ziffer A 2.1.b1 aufgelistet. dass die Teilnahme an der betreffenden Lehrveranstaltung ganz oder teilweise zu wiederholen ist. • In schwerwiegenden Fällen, welche die Entziehung eines Hochschulgrades rechtfertigen würden, kann der Prüfungsausschuss feststellen, dass die gesamte Prüfung endgültig nicht bestanden ist. Weitere Prüfungen zur Erlangung des angestrebten Abschlusses sind damit an der Freien Universität Berlin ausgeschlossen. 1 http://www.fu- berlin.de/service/zuvdocs/amtsblatt/2002/ab292002.pdf c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 6/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 7/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Ziele der Veranstaltung Allgemeines Sprachen und Sprecher Ziele Allgemeines: Sprachen und Sprecher • Überblick über die germanischen Sprachen • ca. 5000 bis 6000 Sprachen auf der Welt • Germanische Sprachen bilden eine kleine Gruppe • Detailliertere sprachvergleichende Diskussion ausgewählter syntaktischer (je nach Zählung etwa 15 Sprachen) Phänomene • Problem: Abgrenzung von Sprache und Sprachvarietät (z. B. Varietäten des Friesischen) Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee und Flotte.“ (Max Weinreich) ” • insgesamt fast 500 Millionen Sprecher (Muttersprachler) > 1/12 der Weltbevölkerung • große regionale Verbreitung (insbesondere Englisch) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 8/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 9/185 Strukturen der germanischen Sprachen Allgemeines Allgemeines Gängige Einteilung Historische Bemerkungen • Das Germanische repräsentiert einen selbständigen Zweig in der Gängige Einteilung • Ostgermanisch indoeuropäischen Sprachfamilie • Zwischen 2000 und 1000 v. Chr. gliederte sich das Proto-Germanische aus dem indoeuropäischen Sprachkontinuum aus • Westgermanisch • Ursprünge in der baltischen Region (Norddeutschland, Südskandinavien); Gotisch (ausgestorben) Deutsch, Jiddisch, Luxemburgisch, Pennsylvanisch, Plautdietsch, Niederländisch, Afrikaans, Friesisch, Englisch • Nordgermanisch Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch Ausbreitung von Nordsee bis Polen (ca. 500 v. Chr.) • Veränderungen im Konsonantismus (Erste bzw. Germanische Lautverschiebung; bis ca. 2. Jh. v. Chr.) • Erste schriftliche Zeugnisse: Runeninschriften (ab ca. 300 n. Chr.; gotische Bibelübersetzung im 4. Jh.) c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 10/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 11/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Allgemeines Allgemeines Die indoeuropäische Sprachfamilie Verwandschaft Lautliche Übereinstimmung bei Worten aus dem zentralen Wortschatz Niederländisch Deutsch Englisch Friesisch Schwedisch Dänisch Norwegisch Isländisch vader Vater father – fader fader far fakir vier vier four fjouwer fyra fire fire fjórir vol voll full fol full fuld full fullur huis Haus house hûs hus hus hus hús bruin braun brown brún brun brun brun brúnn uit aus out út ut ud ut út kruid Kraut crowd (?) krûd krut krudt krydder – muis Maus mouse mûs mus mus mus mús aus Fitch, 2007, S. 665 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 12/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 13/185 Strukturen der germanischen Sprachen Allgemeines Allgemeines Stammbaum der germanischen Sprachen Drei Zweige des Germanischen Stammbaum der germanischen Sprachen Drei Zweige des Germanischen • Aufteilung des Protogermanischen in drei Zweige: Ost-, West- und Nordgermanisch (etwa im ersten Jh. nach Chr.) • Ursachen: • inhärente sprachliche Variation (Dialekte) • Migration (Sprachkontakt) • Standardisierung • Wir behandeln die Struktur germanischer Standardsprachen aus Bußmann, 2002, S. 251 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 14/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 15/185 Allgemeines Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Ostgermanisch Ostgermanisch Ostgermanisch Wulfila-Bibel (Codex Argenteus) Quelle: Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Bild: Wulfila bibel.jpg • ca. 100 v. Chr: Goten emigrieren von den dänischen Inseln und aus Südschweden und treffen auf Vandalen und andere Stämme • Sie konstituieren den ostgermanischen Zweig, von dem nur das Gotische überliefert ist • Mit dem Ende der Gotenreiche ist auch das Gotische ausgestorben (letzte Reste bis ca. 1800 auf der Halbinsel Krim) • Im 4. Jahrhundert übersetzte der westgotische Bischof Wulfila die Bibel ins Gotische (Wulfila-Bibel) • Bekannt ist vor allem das Manuskriptfragment in der Universitätsbibliothek von Uppsala (Codex Argenteus) c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 16/185 Allgemeines c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 17/185 Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Nordgermanisch Nordgermanisch Nordgermanisch Dänisch • erste Runen-Inschriften aus dem 6. Jh. • Dänisch (dansk): offizielle Sprache des Königreichs Dänemark, zweite • erst gegen Ende der Wikinger-Ära entstanden zwei Zweige: • ca. 5,5 Millionen Sprecher Amtssprache der Färöer-Inseln und Grönlands (Inuit als erste Sprache) • Sprache der Wikinger (800–1050) war noch relativ homogen Ost-Skandinavisch (Altdänisch, Altschwedisch), West-Skandinavisch (Altnorwegisch, Altisländisch) • ca. 50.000 Sprecher in Schleswig Holstein • das Dänische hat sich von allen skandinavischen Sprachen am weitesten von den gemeinskandinavischen Wurzeln entfernt c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 18/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 19/185 Allgemeines Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Nordgermanisch Nordgermanisch Schwedisch Isländisch • Schwedisch (svenska): • Isländisch (ı́slenska) ist die westskandinavische Sprache Islands seit der • Bis zur Wikingerzeit sind Dänisch und Schwedisch kaum voneinander zu • kaum Variation (keine Dialekte) offizielle Sprache in Schweden mit ca. 8,5 Millionen Muttersprachlern • erste Sprache von ca. 300.000 Sprechern in Finnland Besiedlung vor über 1000 Jahren • ca. 260.000 Sprecher unterscheiden; ab ca. 800 entwickeln sie sich auseinander; seit ca. 1300 deutlich unterscheidbar • Konservativ: von allen skandinavischen Sprachen hat das Isländische die Flexion und seinen germanischen Erbwortschatz am besten bewahrt. • Zunächst kaum Unterschiede zum Norwegischen, dann auseinander entwickelt c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 20/185 Allgemeines c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 21/185 Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Nordgermanisch Nordgermanisch Norwegisch Färöisch • Norwegisch (norsk) kennt zwei Varietäten: • Färöisch oder Färingisch (føroyskt) ist, zusammen mit Dänisch, Dänisch-Norwegisch (bokmål) und Neu-Norwegisch (nynorsk). Beide sind offizielle Landessprachen und werden nebeneinander verwendet. die offizielle Sprache der Färöer-Inseln • 47.000 Sprecher • Insgesamt ca. 4,3 Millionen Sprecher. • Färöer-Inseln gehören seit 1816 zu Dänemark, • Von 1380–1814 war Dänisch die Schriftsprache; seit 1948 Status eines autonomen Landesteils • Färöisch ist stark vom Dänischen beeinflusst gesprochen wurden lokale Dialekte • norwegischer Standard musste daher erst geschaffen werden; • Schriftsprachliche Überlieferung erst seit 1773 und auch dann nur spärlich Ivar Aasen (1813–1896): nynorsk; offiziell anerkannt 1885 (dies im Gegensatz zum Isländischen) • bokmål (‘Buchsprache’) ist die erste Sprache der Mehrheit c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 22/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 23/185 Allgemeines Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Westgermanisch Westgermanisch Westgermanisch Deutsch • kein homogener Ursprung, sondern drei Zweige von Dialektgruppen • Deutsch ist offizielle Landessprache von • Deutschland (ca. 80 Millionen Sprecher), • Österreich (7,5 Millionen), • Liechtenstein (15.000), • Schweiz (4,2 Millionen, von insgesamt 6,4 Millionen Schweizern), • Italien/Südtirol (270.000), • Belgien (65.000), • Luxemburg (360.000). (Nordseegermanisch, Weser-Rheingermanisch, Elbgermanisch) • aber keine 1-zu-1-Zuordnung dieser Dialektgruppen zu den heutigen Standardsprachen • In Luxemburg gilt neben dem nicht-ursprünglichen Deutsch auch das ursprüngliche Lëtzebuergesch als offizielle Sprache. • Insgesamt hat das Deutsche ca. 97 Millionen Sprecher, davon ca. 90 Millionen Muttersprachler und 7 Millionen Zweitsprachler (täglicher Gebrauch) • ca. 80 Mio Fremdsprachler, davon ca. 55 Mio in der EU c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 24/185 Allgemeines c Matthias Hüning, Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften 25/185 Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Westgermanisch Westgermanisch Deutsch Jiddisch • Drei nationale Hauptvarianten (Deutschland, Österreich, Schweiz); • Jiddisch ist eine von vielen jüdischen Sprachen. in anderen Staaten meist Minderheitensprache • Zwei Dialektgruppen: Niederdeutsch/Plattdeutsch und Hochdeutsch heute von ca. 2 Millionen Menschen in verschiedenen Regionen der Welt gesprochen, davon die meisten in den USA (1,25 Mill.) • Vor 100 Jahren lebten weit über 7 Millionen Sprecher des Jiddischen in Europa, die meisten in Russland und in Österreich-Ungarn. • Heute höchstens noch 75.000 Jiddisch-Sprachige in Westeuropa • Ursprung: mittelalterliches Deutsch, vermischt mit Hebräisch und Aramäisch c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 26/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 27/185 Allgemeines Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Westgermanisch Westgermanisch Pennsylvania German Niederländisch • Pennsylvanisch (Deitsch, auch bekannt als Pennsylvanian Dutch) hat ca. • Niederländisch (Nederlands) ist offizielle Landessprache in den Niederlanden 300.000 Muttersprachler, vor allem in den USA • Sprachinseln, vor allem in Pennsylvania, Ohio und Indiana (ca. 15 Millionen Sprecher), eine der Landessprachen in Belgien (ca. 6 Millionen; knapp 4 Millionen Wallonen). • Auswanderung im 17. und 18. Jahrhundert; Mitglieder verschiedener • Es ist die offizielle Verwaltungs- und Unterrichtssprache in Surinam protestantischer Glaubensrichtungen (Mennoniten, Pietisten usw.) • Sprache baut hauptsächlich auf Pfälzer Dialekten auf (seit 1975 unabhängig) und auf Aruba und den niederländischen Antillen • heute vor allem gesprochen von Amischen und Mennoniten c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 28/185 Allgemeines c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik Allgemeines Drei Zweige des Germanischen Drei Zweige des Germanischen Westgermanisch Westgermanisch Afrikaans Friesisch • Afrikaans ist eine der offiziellen Sprachen Südafrikas Drei Varietäten, untereinander nicht verständlich: (insgesamt über 10 Amtssprachen) • ca. 6,4 Millionen Muttersprachler, davon 6,2 Millionen in Südafrika (= ca. 15 % der Bevölkerung) und 150.000 in Namibia • Nordfriesisch, ca. 10.000 Sprecher, vor allem auf den nordfriesischen Inseln (Amrum, Sylt, Helgoland) • Ostfriesisch, in Ostfriesland ausgestorben. • seit Mitte des 17. Jh.; Entwicklung aus niederländischen Dialekten; Überbleibsel: das Saterfriesische (wird in der Gemeinde Saterland im Landkreis Cloppenburg von etwa 1.000 bis 2.500 Menschen gesprochen) • Westfriesisch, niederländische Provinz Friesland, ca. 350.000 Muttersprachler Afrikaans wird seit dem frühen 19. Jh. als eigenständige Sprache gesehen • Sprachkontakt; heute starker Einfluss des Englischen • starke Tendenzen zu struktureller Vereinfachung im Sprachsystem c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 29/185 30/185 c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 31/185 Allgemeines Strukturen der germanischen Sprachen Drei Zweige des Germanischen Phänomene Westgermanisch Englisch Übungsaufgaben/Wiederholung • Englisch hat gegen Ende des 20. Jh. ca. 570 Millionen Sprecher in aller Welt Bestimmen Sie in den folgenden Sätzen die topologischen Felder, die Kasus der Nominalgruppen und die grammatischen Funktionen und zeichnen Sie einen Strukturbaum in einem theoretischen Modell Ihrer Wahl! (337 Mill. Muttersprachler, 235 Mill. Zweitsprachler) • • • • • • • USA: 227 Mill. Muttersprachler; Großbritannien: 57 Mill.; Nigeria: 43 Mill.; Kanada: 24 Mill.; Australien: 17 Mill.; Irland: 3,5 Mill.; Neuseeland: 3,2 Mill. (1) a. b. c. d. • Viele nationale Varianten (vor allem Aussprache) Der Mann lacht. Der Frau hat der Mann das Buch gegeben, den wir kennen. Ein Lied singend ging Peter voran. Einen Aufsatz schreiben, der komplett neue Gedanken enthält, können nur wenige. • Geschätzte 1 bis 1,5 Milliarden Menschen besitzen aktive oder passive Englischkenntnisse • Amtlicher Status in 59 Staaten • Weltweit wichtigste Wissenschaftssprache c Matthias Hüning 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Niederlandistik 32/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 33/185 Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb Variation Subjekt, Objekt und Verb in den Sprachen der Welt • Stellung: • VO vs. OV • V2 vs. Nicht-V2 • Anordnung von Subjekten und Objekten • Stellung der Adverbien • Verbalkomplexe • Subjektbedingung • Passiv • Persönliches Passiv • Unpersönliches Passiv • Objekte ditransitiver Verben • Expletivpronomina • Markierung Satztyp in nicht engebetteten Sätzen (V2) • Markierung Satztyp in eingebetteten Sätzen (V3) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Matthew S. Dryer: Feature 81A: Order of Subject, Object and Verb, The World Atlas of Language Structures 34/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 35/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb Subjekt, Objekt und Verb im WALS Subjekt, Objekt, Verb in Europa SVO: Isländisch, Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Englisch • Subjekte sind die Argumente mit den eher agensartigen Eigenschaften. • Objekte sind die Argumente mit den eher patiensartigen Eigenschaften. • Das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit einzelsprachlichen Definitionen von Subjekt. (2) Der Aufsatz interessiert mich. • Dominante Abfolge (Dryer: Determining Dominant Word Order): Where a language is shown on one of the word order maps as having a particular order as the dominant order in the language, this means that it is either the only order possible or the order that is more frequently used. I base my classification of Macushi here on the frequency counts, and since no order is more than twice as frequent as the next most frequent order, I treat this language as lacking a dominant order of subject, object, and verb. Deutsch, Niederländisch und Friesisch sind V2-Sprachen, d. h. die SVO- und SVAuxOV-Stellungen kommen durch die Voranstellung des Verbs zustande, die eine Funktion hat. Wir zählen diese Sprachen also mit zu den SOV-Sprachen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 36/185 Strukturen der germanischen Sprachen 37/185 Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb Dryer: Feature 81b: Two Dominant Orders of Subject, Object, and Verb SVO oder SOV: Deutsch, Friesisch, Niederländisch c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Sprachen ohne dominante Konstituentenstellung im WALS Dryer: A third subtype of language lacking a dominant order consists of languages in which different word orders occur but the choice is syntactically determined. For example, in German and Dutch, the dominant order is SVO in main clauses lacking an auxiliary and SOV in subordinate clauses and clauses containing an auxiliary [. . . ]. Because this results in both orders being common, neither order is considered dominant here and these two languages are shown on the map as lacking a dominant word order. In general, if the word order varies according to whether there is an auxiliary verb, the language is shown on the map as lacking a dominant order. 38/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 39/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Abfolge von Subjekt, Objekt und Verb V2 OV vs. VO V2 vs. Nicht-V2 (3) dass er ihn gesehen3 haben2 muss1 (Deutsch) ham (4) at han må1 have2 set3 dass er muss haben gesehen ihn (Dänisch) • Bis auf das Englische sind die germanischen Sprachen V2-Sprachen: (5) a. Bagels mag ich. b. Bagels, I like. (Deutsch) (Englisch) (6) a. Gestern traf ich einen interessanten Mann. b. Yesterday, I met an interesting man. (Deutsch) (Englisch) OV: Deutsch, Niederländisch, Afrikaans, . . . VO: Englisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, . . . • V2 ist unabhängig von VO/OV: (7) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 40/185 Strukturen der germanischen Sprachen (Dänisch) b. Bogen har Max læst. Buch.def hat Max gelesen (Dänisch) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 41/185 Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene V2 Scrambling V2 ist selten Scrambling oder nicht • germanische Sprachen (außer Englisch) (8) • modernes Bretonisch • das Altfranzösische • das Kashmiri (Indien, Pakistan) • Inguschisch (autonomen Republik Inguschetien, Russische Föderation) • die austronesischen Sprachen Taiof und Sisiqa, (??) • die brasilianische Indianersprache Karitiana aus der Tupı́-Familie (??) und • die uto-aztekische Sprache Tohono O’odham a. b. c. d. e. f. [weil] [weil] [weil] [weil] [weil] [weil] der Mann der Frau das Buch der Mann das Buch der Frau das Buch der Mann der Frau das Buch der Frau der Mann der Frau der Mann das Buch der Frau das Buch der Mann gibt gibt gibt gibt gibt gibt (9) because the man gives the woman the book (Südwesten der USA sowie im Norden Mexikos). c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. Max har læst bogen. Max hat gelesen buch.def 42/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 43/185 Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Eingebettete Sätze Stellung der Adverbialien Konjunktional eingeleitete Nebensätze Stellung der Adverbialien Deutsch: eingebettete Sätze sind VL Deutsch, . . . : Stellung der Adverbien frei: • Deutsch, Niederländisch, . . . : V-letzt: (10) a. b. c. d. weil weil weil weil der Mann der Frau das Buch gestern der Mann der Frau gestern das Buch der Mann gestern der Frau das Buch gestern der Mann der Frau das Buch (12) Ich weiß, dass Max das Buch heute gelesen hat. gab gab gab gab Stellung der anderen Konstituenten ist frei: (13) a. Ich weiß, dass das Buch Max heute gelesen hat. b. Ich weiß, dass das Buch heute Max gelesen hat. Dänisch, Englisch, . . . : Adverbien stehen vor oder nach der VP: (11) a. because the man often gave the woman the book b. because the man gave the woman the book often c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 44/185 Phänomene c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Phänomene Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Konjunktional eingeleitete Nebensätze Konjunktional eingeleitete Nebensätze Englisch: eingebettete Sätze SVO Dänisch: eingebettete Sätze SVO oder V2 • Englisch: eingebettete Sätze SVO • Dänisch: eingebettete Sätze SVO oder V2 (14) 45/185 I know that Max has read the book yesterday. (15) Jeg ved, at Max ikke har læst bogen i dag. ich weiß dass Max nicht hat gelesen Buch.def heute (SVO) Negation hilft, Verbstellung zu bestimmen: (16) Jeg ved, at Max har ikke læst bogen i dag. ich weiß dass Max hat nicht gelesen Buch.def heute (V2) Andere Stellungen sind möglich: (17) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 46/185 a. Jeg ved, at i dag har Max ikke læst bogen. ich weiß dass heute hat Max nicht gelesen Buch.def b. Jeg ved, at bogen har Max ikke læst i dag. ich weiß dass Buch.def hat Max nicht gelesen heute c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 47/185 Phänomene Phänomene Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Konjunktional eingeleitete Nebensätze Interrogativnebensätze Jiddisch, Isländisch: eingebettete Sätze sind V2 Deutsch: Interrogativnebensätze w + VL • Jiddish: eingebettete Sätze sind V2: • Deutsch, Niederländisch, . . . : w + V-letzt: (18) a. Ikh meyn az haynt hot Max geleyent dos bukh.2 ich denke dass heute hat Max gelesen das Buch ‘Ich denke, dass Max heute das Buch gelesen hat.’ b. Ikh meyn az dos bukh hot Max geleyent. ich denke dass das Buch hat Max gelesen (19) a. Ich weiß, wer heute das Buch gelesen hat. b. Ich weiß, was Max heute gelesen hat. Interrogativnebensätze beginnen mit einer w-Phrase. • Stellung der anderen Konstituenten ist frei: (20) a. Ich weiß, was heute jeder gelesen hat. • Die w-Phrase kann von weit her kommen: (21) Ich frage mich, wemi du versuchen willst, [ 2 Diesing, i das zu erklären ]. 1990, p. 58. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 48/185 Phänomene c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Phänomene Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Interrogativnebensätze Interrogativnebensätze Dänisch, English: Interrogativnebensätze w + SVO Jiddish: Interrogativnebensätze w + V2 • Dänisch: Interrogativnebensätze sind w + SVO • Jiddish: Interrogativnebensätze w + V2 (22) 49/185 a. Jeg ved, hvad Max har givet ham. ich weiß was Max hat gegeben ihm ‘Ich weiß, was Max ihm gegeben hat.’ b. Jeg ved, hvem Max har givet bogen. ich weiß wem Max hat gegeben Buch.def ‘Ich weiß, wem Max das Buch gegeben hat.’ (23) Ikh veys nit [vos Max hot gegesn].3 ich weiß nicht was Max hat gegessen ‘Ich weiß nicht, was Max gegessen hat.’ 3 Diesing, c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 50/185 1990, S. 68. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 51/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Expletiva zur Satztypmarkeierung Expletiva zur Satztypmarkeierung Expletiva zur Satztypmarkeierung Dänisch: w-Sätze mit extrahiertem Subjekt • Germanische Sprachen benutzen Expletiva, um Satztypen kenntlich zu machen, • Dänisch: w + SVO falls keine andere Konstituente die entsprechende Position füllt. • Deutsch V2-Hauptsätze (24) Bei Subjektextraktion muss Extraktion explizit kenntlich gemacht werden: (25) a. Drei Reiter ritten zum Tor hinaus. b. Es ritten drei Reiter zum Tor hinaus. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 52/185 Strukturen der germanischen Sprachen a. Politiet Polizei.def ‘Die Polizei b. * Politiet Polizei.def ved weiß weiß ved weiß ikke, hvem der havde placeret bomben. nicht wer expl hat plaziert Bombe.def nicht, wer eigentlich die Bombe plaziert hat.’ ikke, hvem havde placeret bomben. nicht wer hat plaziert Bombe.def c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 53/185 Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Expletiva zur Satztypmarkeierung Verbalkomplexbildung Jiddish: w-Sätze mit extrahiertem Subjekt Verbalkomplexbildung • Jiddish: Interrogativnebensätze w + V2 Deutsch, Niederländisch erlauben Verbalkomplexbildung: Wenn das Subjekt extrahiert wird, oder kein anderes Element ins Vorfeld soll, muss dort ein es stehen: (27) weil es ihm jemand zu lesen versprochen hat. (Haider, 1990) (26) Die Verben am Ende verhalten sich wie ein einfaches Verb. a. b. ikh hob zi gefregt ver es iz beser far ir I have her asked who expl is better for her ‘I have asked her who is better for her.’ ikh hob im gefregt vemen es kenen ale dayne khaverim I have him asked whom expl know all your friends ‘I asked him whom all your friends know.’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Umordnung der Argumente ist möglich. Englisch, Dänisch, . . . erlauben keine Umordnung von Konstituenten 54/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 55/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Phänomene Obligatorische Subjekte Kasus Obligatorische Subjekte Kasus • Englisch, Dänisch brauchen ein Subjekt • Isländisch hat das am besten erhaltene Flexionssystem. • Deutsch kommt ohne Subjekt klar: (28) • Im Vergleich zu anderen germanischen Sprachen ist Isländisch interessant, weil es Subjekte hat, die nicht im Nominativ stehen (Zaenen et al., 1985). a. Ihm graut vor der Prüfung. b. Heute wird nicht gearbeitet. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik • Einheitliche Behandlung der Kasuszuweisung ist möglich: Yip, Maling & Jackendoff, 1987. 56/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen Phänomene Syntax im Vergleich Unpersönliches Passiv Valenz Unpersönliches Passiv Grundannahmen: Valenz S hi • Das Deutsche erlaubt ein unpersönliches Passiv: (29) 57/185 weil noch gearbeitet wird V′ h NP[nom] i NP[nom] • Das Englische lässt kein unpersönliches Passiv zu. (30) * because (it) was worked NP[acc] V h NP[nom], NP[acc]i • Dänisch schon, trotz Subjektbedingung: Expletivum wird eingefügt. (31) a. fordi weil ‘weil b. fordi weil ‘weil der bliver arbejdet expl wird gearbeitet gearbeitet wird’ der arbejdes expl arbeiten.pass gearbeitet wird’ niemand kennt • Valenzanforderung ist in einer Liste repräsentiert • Ein Element der Liste wird mit dem Kopf kombiniert. Liste mit restlichen Elementen wird nach oben gegeben. • Das Deutsche erlaubt kein Expletivum. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik ihn 58/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 59/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Scrambling SVO: Dänisch/Englisch Scrambling: Konstituentenstellung im Deutschen Dänisch, Englisch, . . . V[spr hi, comps hi] S hi V′ h NP[acc] i NP[acc] NP[nom] niemand nobody kennt = VP knows him • Englisch ist eine SVO-Sprache: • Ein beliebiges Element der Liste kann mit Kopf kombiniert werden. Komplemente rechts des Verbs, Subjekt links → auch Abfolge Acc < Nom analysierbar. Liste mit restlichen Elementen wird nach oben gegeben. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik V[spr h NP[nom] i, comps hi ] V[spr h NP[nom] i, NP[acc] comps h NP[acc]i] NP[nom] V h NP[nom], NP[acc]i ihn =S • Komplemente bilden mit dem Verb zusammen eine Phrase (VP = comps hi). Diese wird mit dem Subjekt kombiniert. 60/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 61/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich SVO: Dänisch/Englisch SVO: Dänisch/Englisch Kein Scrambling Deutsch V[spr hi, comps hi] • Dänisch, Englisch: Elemente aus Valenzliste müssen von links nach rechts abgebunden werden. • Deutsch, Niederländisch: Elemente können in beliebiger Reihenfolge abgebunden werden. =S NP[nom] V[spr h i, comps h NP[nom] i ] = V′ NP[acc] V[spr h i, comps h NP[nom], NP[acc]i] niemand ihn kennt Das Subjekt ist bei finiten Verben in der comps-Liste (Pollard, 1996; Kiss, 1995). Abkürzungen: S = [spr hi, comps hi] VP = [spr h NP[nom] i, comps hi] V′ = alle anderen V-Projektionen (außer Verbalkomplexen) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 62/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 63/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich SVO: Dänisch/Englisch Adjunkte Übungsaufgaben Adjunkte 1. Geben Sie die Valenzlisten für folgende Wörter an: • Argumente werden von ihrem Kopf ausgewählt (32) a. b. c. d. e. f. • Adjunkte wählen sich ihren Kopf lachen essen übergießen bezichtigen er der • Deutsch, Niederländisch, . . . : Adjunkte im Satz gehen an irgendeine Verbprojektion (Verb in Endstellung) • English, Dänisch, . . . : Adjunkte gehen an VP (Wechsler (2015)) (34) 2. Zeichnen Sie die Bäume für folgende Beispiele: (33) • Wie das spr- oder comps-Merkmal gibt es auch ein mod-Merkmal. a. weil der Mann ihm ein Buch schenkt b. because the man gave the book to him c. at Bjarne læste bogen dass Bjarne las Buch.def ‘dass Bjarne das Buch las’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Wert von mod ist eine Beschreibung des zu modifizierenden Kopfes: • Deutsch: mod V[ini−] • Englisch: mod VP 64/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Adjunkte Adjunkte Freie Position der Adjunkte im Deutschen Freie Position der Adjunkte im Deutschen V[spr hi, comps hi] V[spr hi, comps hi] V[spr hi, comps hi] NP[nom] V[spr h i, comps h NP[nom] i ] NP[nom] V[spr h i, comps h NP[nom] i ] morgen 65/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Adv a. Kim will have been [promptly [removing the evidence]]. b. Kim will have been [[removing the evidence] promptly]. jeder NP[acc] V[spr h i, comps h NP[nom], NP[acc]i] das Buch liest Adv jeder [dass] morgen jeder das Buch liest c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik morgen V[spr h i, comps h NP[nom] i ] NP[acc] V[spr h i, comps h NP[nom], NP[acc]i] das Buch liest [dass] jeder morgen das Buch liest 66/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 67/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Adjunkte Adjunkte Freie Position der Adjunkte im Deutschen Feste Position der Adjunkte im Englischen V[spr hi, comps hi] V[spr hi, comps hi] NP[nom] V[spr h i, comps h NP[nom] i ] NP[acc] jeder NP[nom] V[spr h NP[nom] i, comps h i ] V[spr h i, comps h NP[nom], NP[acc]i] das Buch Adv V[spr h i, comps h NP[nom], NP[acc]i] morgen liest V[spr h NP[nom] i, comps h i ] Adv V[spr h NP[nom] i, NP[acc] comps h NP[acc]i] Peter often reads books [dass] jeder das Buch morgen liest c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 68/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 69/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Adjunkte Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Feste Position der Adjunkte im Englischen Verbalkomplexbildung V[spr hi, comps hi] • Deutsch, Niederländisch erlauben Verbalkomplexbildung: (35) weil es ihm jemand zu lesen versprochen hat (Haider, 1990) NP[nom] V[spr h NP[nom] i, comps h i ] V[spr h NP[nom] i, comps h i ] Die Verben am Ende verhalten sich wie ein einfaches Verb. Umordnung der Argumente ist möglich. • Niederländisch: Adv (36) V[spr h NP[nom] i, NP[acc] comps h NP[acc]i] Peter reads books a. dat Jan het boek wil lezen dass Jan das Buch will lesen ‘dass Jan das Buch lesen will’ b. dat Jan Marie het boek laat lezen dass Jan Maria das Buch läßt lesen c. dat Jan Marie het boek wil laten lezen dass Jan Marie das Buch will lassen lesen ‘dass Jan Maria das Buch lesen lassen will’ often • Englisch, Dänisch, . . . erlauben keine Umordnung von Konstituenten c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 70/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 71/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Variation Argumentanziehung • Bei den Abfolgen im Verbalkomplex gibt es extreme Variation. V[h NP[nom], NP[acc] i ] • Standardsprachlich: übergeordnetes Verb steht rechts: V3 V2 V1 (37) weil es ihm jemand zu lesen versprochen hat (Haider, 1990) V[h NP[nom], NP[acc] i] V[h NP[nom], NP[acc], V i ] • In den Dialekten gibt es aber die buntesten Abfolgen. Z.B. folgende (Müller, 1999, 376): (38) lesen a. Ich hätte stapelweise Akten können haben. b. weil ich mir das nich hab’ lassen gefallen c. wenn se mir hier würden rausschmeißen, . . . wird • wird verlangt Infinitiv ohne zu und dessen Argumente (Geach, 1970; Hinrichs & Nakazawa, 1994) • Verb wird gesättigt und ist am Mutterknoten nicht mehr in der Valenzliste (Interviewpartner in: Insekten und andere Nachbarn – ein Haus in Berlin, ARD 15.11.1995) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik • Kombination aus lesen und wird verhält sich wie einfaches Verb und kann mit den Argumenten in beliebiger Reihenfolge kombiniert werden. 72/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung und Scrambling: Normalstellung Verbalkomplexbildung und Scrambling: Acc < Nom V[h i] V[h i] V[h NP[nom] i] NP[nom] NP[acc] V[h NP[acc] i] NP[acc] NP[nom] V[h NP[nom], NP[acc]i] V[h NP[nom], NP[acc]i] V[h NP[nom], NP[acc], V i] keiner 73/185 das Buch lesen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik V[h NP[nom], NP[acc]i] V[h NP[nom], NP[acc], V i] das Buch wird 74/185 V[h NP[nom], NP[acc] i] keiner lesen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik wird 75/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Argumentanziehung im Detail V[vform fin, comps 1 ⊕ 3 Komplexere Komplexe V[vform fin, comps 1 ⊕ ] 2 V[vform bse, V[vform fin, subj 1 h NP[nom] i, comps 1 ⊕ comps 2 h NP[acc] i ] 4 2 ⊕h 3 i] 3 wird lesen • Hilfsverb verlangt Infinitiv ohne zu ( • Subjekt ( 1 ) und Komplemente ( 2 3 ). lesen ] V[vform fin, comps 1 ⊕ 3 2 ⊕h 4 i] i] können wird Das geht auch zu dritt, Hauptsache, einer übernimmt die Verantwortung c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 76/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 77/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Oder auch mal andersrum V[vform fin, comps 1 ⊕ V[vform fin, comps 1 ⊕ V[vform bse, subj 1 , comps 2 ] V[vform bse, V[vform bse, subj 1 , subj 1 h NP[nom] i, comps 2 ⊕ h comps 2 h NP[acc] i ] ) werden übernommen. • lesen wird hat dieselben Argumente wie liest 2 English, Dänisch, . . . 2 • Normalerweise muss ein Argument vollständig sein, ] wenn es mit seinem Kopf kombiniert wird. • Verbalkomplexe sind anders: Wörter werden direkt verbunden. 4 2 ⊕h 4 i] 3 wird • Englisch und Dänisch haben nur die normale Regel, im Deutschen, V[vform bse, subj 1 , comps 2 ] Niederländischen gibt es zusätzlich die Verbalkomplexregel. • Die Hilfsverben betten in den SVO-Sprachen eine Verbphrase ein: V[vform bse, V[vform bse, subj 1 , subj 1 h NP[nom] i, comps 2 ⊕ h comps 2 h NP[acc] i ] lesen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik (39) Peter [has [read the book]]. Peter hat gelesen das Buch 3 i] können 78/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 79/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexbildung in den SOV-Sprachen Verbalkomplexe ohne Verbalkomplexbildung? Übungsaufgaben • Vorschläge, Hilfsverben auch mit einer VP zu kombinieren (Wurmbrand, 2003a): 1. Skizzieren Sie die Analyse der Verbalkomplexe für die folgenden Beispiele: (42) (40) dass keiner [[das Buch lesen] wird] • Wie funktioniert dann Scrambling? (41) dass [das Buch]i keiner [[ i lesen] wird] • Analysen, die Scrambling als Bewegung analysieren sind problematisch, da sie das Vorhandensein zusätzlicher Lesarten bei der Umstellung von NPen mit Quantoren vorhersagen (Kiss, 2001, S. 146; Fanselow, 2001, Abschnitt 2.6). c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. dass er darüber lachen wird b. dass er darüber wird lachen müssen c. dass er über diesen Witz wird haben lachen müssen 2. Suchen Sie in der Zeitung oder in Korpora (COSMAS, COW) zwei Verbalkomplexe mit mindestens drei Verben und analysieren Sie diese. 3. Suchen Sie in Korpora Verbalkomplex mit mehr als vier Verben. Dokumentieren Sie Ihr Vorgehen. 80/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Motivation der Verbletztstellung als Grundstellung: Partikeln Stellung von Idiomen Bierwisch, 1963: Sogenannte Verbzusätze oder Verbpartikel bilden mit dem Verb eine enge Einheit. (44) (43) 81/185 a. weil er morgen anfängt b. Er fängt morgen an. a. dass niemand dem Mann den Garaus macht b. ?* dass dem Mann den Garaus niemand macht c. Niemand macht ihm den Garaus. Idiomteile wollen nebeneinader stehen (44a,b). Diese Einheit ist nur in der Verbletzstellung zu sehen, was dafür spricht, diese Stellung als Grundstellung anzusehen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Umstellung des Verbs ist abgeleitete Stellung. Nur zur Markierung des Satztyps. 82/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 83/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Stellung in Nebensätzen Stellung der Verben in SVO und SOV-Sprachen Verben in infiniten Nebensätzen und in durch eine Konjunktion eingeleiteten finiten Nebensätzen stehen immer am Ende (von Ausklammerungen ins Nachfeld abgesehen): Ørsnes (2009): (46) a. Der Clown versucht, Kurt-Martin die Ware zu geben. b. dass der Clown Kurt-Martin die Ware gibt (45) a. dass er ihn gesehen3 haben2 muss1 b. at han må1 have2 set3 ham dass er muss haben sehen ihn Nur das finite Verb wird umgestellt, die anderen Verben bleiben hinten: (47) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 84/185 Strukturen der germanischen Sprachen a. Muss er ihn gesehen haben? b. Må han have set ham? muss er haben sehen ihn c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 85/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Skopus Mitunter nur SOV-Stellung möglich Netter, 1992, Abschnitt 2.3: Skopusbeziehungen der Adverbien hängt von ihrerer Reihenfolge ab (Präferenzregel?): Links stehendes Adverb hat Skopus über folgendes Adverb und Verb. Haider (1997), Meinunger (2001): Manche Verben lassen in Verbindung mit mehr als nur Verbletztstellung zu: (48) (51) a. weil er [absichtlich [nicht lacht]] b. weil er [nicht [absichtlich lacht]] Bei Verberststellung ändern sich die Skopusverhältnisse nicht. (49) Höhle 1991, Haider 1993, S. 62: Über Rückbildung entstandene Verben können oft nicht getrennt/umgestellt werden: a. Er lacht absichtlich nicht. b. Er lacht nicht absichtlich. (52) Analyse: (50) a. Er lachti [absichtlich [nicht i ]]. b. Er lachti [nicht [absichtlich i ]]. a. weil sie das Stück heute uraufführen b. * Sie uraufführen heute das Stück. c. * Sie führen heute das Stück urauf. Zu einem Überblick siehe Müller, 2015. Struktur ist in (50) und (48) genau gleich. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. dass Hans seinen Profit letztes Jahr mehr als verdreifachte b. Hans hat seinen Profit letztes Jahr mehr als verdreifacht. c. * Hans verdreifachte seinen Profit letztes Jahr mehr als. 86/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 87/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Dänisch Entscheidungsfragen wie im Deutschen V1-Stellung • Negation verbindet sich mit der VP: (56) (53) at Jens ikke [VP læser bogen] dass Jens nicht liest Buch.def ‘dass Jens das Buch nicht liest’ • In V2-Sätzen wird das finite Verb links von der Negation realisiert: (54) Jens læser ikke bogen. Jens liest nicht Buch.def ‘Jens liest das Buch nicht.’ Analyse: (57) • Das wird von vielen als Evidenz für Verbumstellung gesehen: (55) Jens læseri ikke [VP Jens liest nicht i a. at Jens læser bogen dass Jens liest Buch.def ‘dass Jens das Buch liest’ b. Læser Jens bogen? liest Jens Buch.def ‘Liest Jens das Buch?’ bogen]. Buch.def c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 88/185 Strukturen der germanischen Sprachen a. at Jens [VP læser bogen] dass Jens liest Buch.def ‘dass Jens das Buch liest’ b. Læseri Jens [VP i bogen]? liest Jens Buch.def ‘Liest Jens das Buch?’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 89/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbumstellung im Deutschen als Informationsweitergabe Skopus S V h S//V i V S V h S//V i S//V V S//V V′//V NP V′//V NP V′//V Adv Adv NP liestk Jens das Buch V//V V//V lachtk k c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 90/185 er nicht absichtlich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik k 91/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbstellung im Deutschen und Dänischen Verbumstellung im Dänischen Verbumstellung im Dänischen mit Negation S S V h S//V i V læserk V h S//V i S//V NP Jens V VP//V V//V NP k bogen S//V NP VP//V Adv læserk c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 92/185 Strukturen der germanischen Sprachen VP//V V//V NP k bogen Jens ikke c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Verbstellung im Deutschen und Dänischen Voranstellung Übungsaufgaben Extraktion 1. Skizzieren Sie die Analyse für die folgenden Beispiele: • Auch in Sprachen mit relativ fester Konstituentenstellung ist es mitunter (58) möglich, Konstituenten umzustellen: a. dass er darüber lachen wird b. Wird er darüber lachen? (59) Arbejder Bjarne ihærdigt på bogen. arbeitet Bjarne ernsthaft an Buch.def ‘Arbeitet Bjarne ernsthaft an dem Buch?’ (60) (Dänisch) a. This book, I read yesterday. b. Yesterday, I read this book. • Die germanischen (V2-)Sprachen stellen irgendeine Konstituente vor das finite Verb: (61) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 93/185 94/185 a. b. c. d. Ich habe das Buch gestern gelesen. Das Buch habe ich gestern gelesen. Gestern habe ich das Buch gelesen. Gelesen habe ich das Buch gestern, gekauft hatte ich es aber schon vor einem Monat. e. Das Buch gelesen habe ich gestern. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 95/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Voranstellung Voranstellung Extraktion ist nicht satzgebunden Weitergabe von Information im Baum S • Extraktion kann über Satzgrenzen hinweggehen: (62) a. Chris, David saw. b. Chris, we think that David saw. c. Chris, we think Anna claims that David saw. NP • Im Deutschen wohl eher in den süddeutschen Varietäten, aber: (63) S/NP NP a. [Um zwei Millionen Mark]i soll er versucht haben, [eine Versicherung i zu betrügen].4 b. Weri , glaubt er, daß er i ist?“ erregte sich ein Politiker vom Nil.5 ” c. Weni glaubst du, daß ich i gesehen habe.6 d. [Gegen ihn]i falle es den Republikanern hingegen schwerer, [ [ Angriffe i ] zu lancieren].7 VP/NP V NP/NP Chris David saw 4 taz, 04.05.2001, S. 20. 5 Spiegel, 8/1999, S. 18. 6 Scherpenisse, 1986, S. 84. 7 taz, 08.02.2008, S. 9. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 96/185 Strukturen der germanischen Sprachen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 97/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Voranstellung Voranstellung Weitergabe von Information im Baum Weitergabe von Information im Baum: Deutsch (SOV) S S S/NP NP NP S/NP VP/NP NP V h S//V i CP/NP V C S/NP NP V S//V/NP NP/NP V′//V VP/NP V NP V//V Jens k NP/NP [das Buch]i Chris we think that David saw c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 98/185 liestk i c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 99/185 Strukturen der germanischen Sprachen Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Voranstellung Subjekt und Adverbiale Weitergabe von Information im Baum: Dänisch (SVO) Subjekt und Adverbiale S (64) S/NP NP V h S//V i V a. [Richtig] [Geld] wird aber nur im Briefgeschäft verdient.8 b. [Alle Träume] [gleichzeitig] lassen sich nur selten verwirklichen.9 c. [Weiterhin] [Hochbetrieb] herrscht am Innsbrucker Eisoval.10 S//V/NP V′//V/NP NP V//V NP/NP bogeni læserk Jens k 8 taz, 28./29.10.2000, S. 5 9 Broschüre der Berliner Sparkasse, 1/1999 10 COSMAS. I00/JAN.00911 i c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 100/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 101/185 Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Akkusativobjekt und PP Dativobjekt und PP Akkusativobjekt und PP Dativobjekt und PP (65) [Nichts] [mit derartigen Entstehungstheorien] hat es natürlich zu tun, wenn . . . (K. Fleischmann, nach van de Velde, 1978) (66) [Zum zweiten Mal] [die Weltmeisterschaft] errang Clark 1965. (Beneš, 1971) (68) [Der Universität] [zum Jubiläum] gratulierte auch Bundesminister Dorothee Wilms, die in den fünfziger Jahren in Köln studiert hatte. (Kölner Universitätsjournal, 1988, S. 36, zitiert nach Dürscheid, 1989, S. 87) (67) [Die Kinder] [nach Stuttgart] sollst du bringen. (Engel, 1970, S. 81) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 102/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 103/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Adjektiv und lokale oder direktionale PPen Temporale Präpositionalphrasen und Instrumentpräpositionalphrase Adjektiv und lokale oder direktionale PPen Temporale PP und Instrument-PP (69) Einsam auf dem kleinen Bahnhof im Moor blieb der lächelnde Junge zurück. (Heinrich Böll, nach Beneš, 1971) (72) [Zum letzten Mal] [mit der Kurbel] wurden gestern die Bahnschranken an zwei Übergängen im Oberbergischen Ründeroth geschlossen. (Kölner Stadtanzeiger, 26.4.88, S. 28, nach Dürscheid, 1989, S. 107) (70) [Trocken] [durch die Stadt] kommt man am Wochenende auch mit der BVG. (taz, 10.07.1998, S. 22) Noch warm (Spiegel 4/2011, S. 116): Adjektiv und Präpositionalobjekt: (71) [Offen] [über ihren Burnout] sprachen in jüngerer Zeit der Skispringer Sven Hannawald, der Fernehkoch Tim Mälzer, die Publizistin Miriam Meckel und der Politiker Matthias Platzeck. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 104/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 105/185 Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Andere Muster Andere Muster usw. Empirische Grundlagen (DFG MU 2822/1-1 und SFB 632, A6) Es gibt Belege für: • Adverbial gebrauchte Adjektive und direktionale/lokale PPen • Nominalphrasen in Kopulakonstruktionen und Adverbiale • Präpositionalphrasen in Kopulakonstruktionen und Adverbien • Prädikative Konjunktionalphrasen und Adverb • Direktionale Präpositionalphrasen und Adverbien • Lokale Präpositionalphrasen und Adverbien in Müller, 2003a und Datensammlung auf: http://hpsg.fu-berlin.de/∼stefan/Pub/mehr-vf-ds.html • Datensammlung (Felix Bildhauer): gegenwärtig > 3200 Instanzen von MF mit Kontext • Annotiert mit syntaktischer Kategorie/Funktion und Informationsstruktur c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 106/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 107/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Beschränkungen Bisherige Ansätze Beschränkungen Wunderlich, 1984 und Dürscheid, 1989 • Fanselow (1993): Vorangestellte Konstituenten müssen Satzgenossen sein. • Wunderlich (1984): PPen bilden eine komplexe PP im Vorfeld. (74) a. [PP [PP Zu ihren Eltern] [PP nach Stuttgart]] ist sie gefahren. b. [PP [PP Von München] [PP nach Hamburg]] sind es 900 km. c. [PP [PP Durch den Park] [PP zum Bahnhof]] sind sie gefahren. (73) a. Ich glaube dem Linguisten nicht, einen Nobelpreis gewonnen zu haben. b. * Dem Linguisten einen Nobelpreis glaube ich nicht gewonnen zu haben. c. Ich habe den Mann gebeten, den Brief in den Kasten zu werfen. d. * Den Mann in den Kasten habe ich gebeten, den Brief zu werfen. • zweite PP modifiziert die erste möglich, wenn PPs dieselbe semantische Rolle füllen PPs in (74a) sind goal einer Bewegung • Wunderlich subsumiert verschiedene thematische Rollen der PPen in (74b–c) (Source, Path und Goal einer Bewegung) unter eine, nämlich die Lokalisierung einer Bewegung • Erklärung: Konstituenten im Vorfeld hängen von leerem Kopf ab oder modifizieren ihn. Der leere Kopf steht in Beziehung zu einem Verb (Fanselow 1993; Hoberg 1997) • empirische Überprüfung der Vorhersagen/Behauptungen: • Phrasen im VF hängen vom selben Verb ab. ! • Anordnung der Konstituenten wie im Mittelfeld • Dürscheid nimmt solch eine Analyse auch für hier diskutierte Fälle an. ! c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 108/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 109/185 Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Bisherige Ansätze Bisherige Ansätze ? Probleme des Wunderlichschen Ansatzes Mehrere Konstituenten = mehrere Extraktionen (Müller, 2000) • Lässt sich nicht für andere Fälle in (64) – (72) verwenden: • Idee: Beide Konstituenten sind Teile von Fernabhängigkeiten. • Die erste wird als Füller in einer Füller-Lücke-Konstruktion abgebunden. (75) [Alle Träume] [gleichzeitig] lassen sich nur selten verwirklichen.11 • Was ist die Kategorie der Projektion im Vorfeld? • Warum sollten semantische Rollen verschiedener Konstituenten zusammengefaßt • Die zweite wird oberhalb dieser Konstruktion ebenfalls in einer Füller-Lücke-Konstruktion abgebunden. werden? S[slash hi] • Was ist mit Adjunkten? Adjunkte bekommen keine Rollen. S[slash hC1 i] C1 C2 S[slash hC1 , C2 i] 11 Broschüre der Berliner Sparkasse, 1/1999 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 110/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 111/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Bisherige Ansätze Die Analyse Probleme mit der Monotonie und mit Idioms Grundannahmen: Konstituentenstellung und Valenz VP h i • einige Teile von manchen Idiomen können nur zusammen vorangestellt werden: (76) a. [Öl] [ins Feuer] goß gestern das Rote-Khmer-Radio: [. . . ]12 b. * [ins Feuer] goß gestern das Rote-Khmer-Radio Öl: [. . . ] V′ hNP[nom]i NP[nom] (77) a. [Das Tüpfel] [aufs i] setze der Bürgermeister von Miami, [. . . ]13 b. * [aufs i] setze der Bürgermeister von Miami das Tüpfel, [. . . ] V hNP[nom], NP[acc]i NP[acc] (78) a. [Ihr Fett] [weg] bekamen natürlich auch alte und neue Regierung [. . . ]14 b. * [Weg] bekamen natürlich auch alte und neue Regierung ihr Fett jeder ihn kennt • Valenzanforderung ist in einer Liste repräsentiert • Um die einzelnen Extraktionen in den b-Beispielen auszuschließen, müßte man Beschränkungen formulieren, die Extraktion nur dann zulassen, wenn die anderen Elemente auch extrahiert werden. • Ein beliebiges Element der Liste kann mit Kopf kombiniert werden. • Liste mit restlichen Elementen wird nach oben gegeben. • Beliebige Reihenfolge der Abbindung → 12 taz, 18.06.1997, S. 8 13 taz, 25.04.2000, S. 3 14 Mannheimer Morgen, 10.3.1999 auch Abfolge Acc < Nom analysierbar. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 112/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 113/185 Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Die Analyse Die Analyse Konstituentenbewegung Repräsentationen und Lexikonregeln: Verbbewegung VP V h VP//V i V VP VP//V NP V V′ //V NP VP/NP NP V//V ihn [ V VP/NP V′ NP/NP NP kenntk jeder V ]k diesen Manni • In Verberstsätzen steht in der Verbletztposition eine Spur. • In Verberststellung steht eine besondere Form des Verbs, die eine Projektion der Verbspur selegiert. [ ]i jeder [ ]k • Wie bei Verbbewegung: Spur an ursprünglicher normaler“ Position. • Weiterreichen der Information im Baum • Dieser spezielle Lexikoneintrag ist durch eine Lexikonregel lizenziert. ” • Konstituentenbewegung ist nicht lokal, Verbbewegung ist lokal • Verbindung Verb/Spur durch Informationsweitergabe im Baum c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik kennt mit zwei verschiedenen Merkmalen modelliert (slash vs. dsl) 114/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 115/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Die Analyse Ein leerer Kopf im Vorfeld Der Verbalkomplex Die Analyse: Ein leerer Kopf im Vorfeld • Fanselow (1993) und Hoberg (1997) haben leeren Kopf vorgeschlagen. VP h i • Hoberg: Leerer Kopf ist Teil des Prädikatskomplexes. V′ h NP[nom] i NP[nom] • Annahme: leerer Kopf ist dieselbe Spur wie bei Verbbewegung V h NP[nom], NP[acc] i NP[acc] V h NP[nom], NP[acc] i er • • • • sie (79) [VP [Zum zweiten Mal] [die Weltmeisterschaft] V ]i errang Clark 1965 i. V h NP[nom], NP[acc], V i lieben will Verben bilden einen Komplex Argumente werden vom Matrixverb angezogen. Matrixverb selegiert eingebettetes Verb und dessen Argumente. Funktioniert auch, wenn infinites Verb vorangestellt ist: Nicht im Vorfeld gesättigte Argumente, werden angezogen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 116/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Ein leerer Kopf im Vorfeld Eine Beispielanalyse Verbalkomplex und Voranstellung Eine Beispielanalyse VP Analyse des Verbalkomplexes und Partial Verb Phrase Fronting (PVP): (80) a. daß Clark 1965 zum zweiten Mal die Weltmeisterschaft errungen hat b. [V′ [Zum zweiten Mal] errungen]i hat Clark die Weltmeisterschaft 1965 V′ h nom i i. c. [VP [Zum zweiten Mal] [die Weltmeisterschaft] errungen]i hat Clark 1965 VP V′ h nom i PP i. V h VP//V i V h nom, acc i NP[acc] Voranstellung mit leerem verbalen Kopf ist parallel zu PVP: (81) [VP [Zum zweiten Mal] [die Weltmeisterschaft] 117/185 V ]i errang Clark 1965 V //V NP[nom] V i. zum zweiten Mal die Weltmeisterschaft [ ] errang V //V V Clark [ ] [ ] • Verbbewegung im Kernsatz wie erklärt: Lexikonregel lizenziert V1-Verb PVP ist in der HPSG gut verstanden: siehe u. a. Müller, 1997, 1999; Meurers, 1999a. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik V VP//V • Kombination von Elementen in der Vorfeldprojektion ganz normal 118/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 119/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Exkurs: Verbstellung und scheinbar mehrfache Vorfeldbesetzung Eine Beispielanalyse Eine Beispielanalyse Eine Beispielanalyse Eine Beispielanalyse VP VP V′ //V VP V′ //V PP V′ //Vhnomi V V//V NP[acc] V VP V die Weltmeisterschaft [ ] errang Clark [ ] V//V V [ V h nom, V//V i VP V h nom i NP[nom] V //Vhnomi V h nom, V//V i V ] zum zweiten Mal • Verbbewegung im Kernsatz wie erklärt: Lexikonregel lizenziert V1-Verb die Weltmeisterschaft [ ] errang Clark [ ] [ ] • Verbbewegung im Kernsatz wie erklärt: Lexikonregel lizenziert V1-Verb • Kombination von Elementen in der Vorfeldprojektion ganz normal • Kombination von Elementen in der Vorfeldprojektion ganz normal • Da Kopf im VF eine V-Spur ist, werden V-Informationen nach oben gegeben. • VF-Projektion steht zu Extraktionsspur im VK in Beziehung (auch Valenz) • Da Kopf im VF eine V-Spur ist, werden V-Informationen nach oben gegeben. • VF-Projektion steht zu Extraktionsspur im VK in Beziehung (auch Valenz) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik V h VP//V i NP[acc] V//V V zum zweiten Mal V′ //V PP NP[nom] VP • Mult-VF-LR lizenziert Verb, das eine Spur plus deren Argumente selegiert. • Dieses steht in Verbletztstellung und bildet einen Komplex. 119/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Subjekte Subjekte (Deutsch) Subjekte (Isländisch) • Was ist ein Subjekt? • Abfolge für die SVO-Sprache Isländisch ist identisch (Zaenen et al., 1985): • Nicht-prädikative Nominalgruppen im Deutschen: (82) (84) a. Der Mann lacht. b. Der Mann hilft ihr. c. Der Mann gibt ihr ein Buch. a. Þeim var hjalpak. sie.pl.dat wurde geholfen b. Hennar var saknak. sie.sg.gen wurde vermisst An der Stellung in V2-Sätzen kann man grammatische Funktion nicht ablesen, da die NPen auch vorangestellte Objekte sein könnten. • Zaenen, Maling & Thráinsson (1985) zeigen, dass es sinnvoll ist, diese Nicht-Nominative als Subjekte zu behandeln. • Was ist mit dem Genitiv und Dativ in (83)? (83) 119/185 a. Des Opfers wurde gedacht. b. Dem Mann wurde geholfen. • Kontrollierbarkeit • Stellung • ... Diese werden im Deutschen nicht zu den Subjekten gezählt. • Solche Nicht-Nominativ-Subjekte werden auch schräge Subjekte genannt. auch quirky subjects oder oblique subjects c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 120/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 121/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Subjekte Subjekt: Stellung V2-Sätze Subjekt: Stellung in V2-Sätzen • Subjekte folgen unmittelbar auf das finite Verb, wenn eine andere Konstituente • Auch in W-Fragen: vorangestellt wurde Zaenen, Maling & Thráinsson (1985, Abschnitt 2.3): (85) a. (86) Meb þessari byssu skaut Ólafur refinn. mit diesem Gewehr schoss Olaf.nom den.Fuchs.acc Hvenær hafki Sigga hjfilpak Haraldi? wann hat Sigga.nom geholfen Harold.dat • Dativobjekt kann vorangestellt werden, dann aber ganz nach vorn: (87) 122/185 Syntax im Vergleich Haraldi hafki Sigga aldrei hjfilpak. Harald.dat hat Sigga.nom nie geholfen (V2-Satz) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 123/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Subjekte Subjekt: Stellung in V1-Sätzen Schräge Subjekte und Stellung • Auch in Entscheidungsfragen: • Geht auch bei bestimmten Dativen: (88) (W-Frage) b. * Hvenær hafki Haraldi Sigga hjfilpak? wann hat Harald.dat Sigga.nom geholfen b. * Meb þessari byssu skaut refinn Ólafur. mit diesem Gewehr schoss den.Fuchs.acc Olaf.nom c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. a. Hafki Sigga aldrei hjfilpak Haraldi? hat Sigga.nom nie geholfen Harald.dat (89) b. * Hafki Haraldi Sigga aldrei hjfilpak? hat Harald.dat Sigga.nom nie geholfen Ólafur leibinlegur? Hefur henni alltaf þótt hat sie.dat immer gedacht Olaf.nom langweilig.nom ‘Hat sie Olaf immer für langweilig gehalten?’ b. Ólafur hefur henni alltaf þótt leibinlegur. Olaf.nom hat sie.dat immer gedacht langweilig.nom ‘Den Olaf hat sie immer für langweilig gehalten.’ henni alltaf þótt leibinlegur? c. * Hefur Ólafur hat Olaf.nom sie.dat immer gedacht langweilig.nom a. • Das Gegenstück im Deutschen wäre: (90) ?? Mich dünkt der Mann langweilig. dünkt ist aber archaisch und wird – wenn überhaupt – nur mit dass-Satz verwendet. • Aber: (91) Mir scheint der Mann langweilig. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 124/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 125/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Subjekte Subjekte in Kontrollkonstruktionen Schräge Subjekte in Kontrollkonstruktionen • Subjekte können in Kontrollkonstruktionen oder bei sogenannter ärbiträrer • vantar (‘fehlen’) verlangt zwei Akkusative: Kontrolle weggelassen werden: (92) (93) Mig vantar peninga. ich.acc fehlt Geld.acc a. Ég vonast til ak fara heim. ich hoffe für zu fahren heim ‘Ich hoffe, nach hause zu fahren.’ b. Ak fara heim snemma er óvenjulegt. zu fahren heim früher is ungewöhnlich ‘Früher nach hause zu fahren, ist ungewöhnlich.’ • Trotzdem kann das Verb unter vonast (‘hoffen’) eingebettet werden: (94) Ég vonast til ab vanta ekki peninga. ich hoffe für zu fehlen nicht Geld.acc ‘Ich hoffe, dass mir nicht Geld fehlt.’ • Man vergleiche das mit Deutsch: (95) * Ich hoffe, kein Geld zu fehlen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 126/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Subjekte Subjekt-Verb-Kongruenz? Schräge Subjekte im Passiv: Stellung • Verben kongruieren mit dem Nominativelement. • Dativ folgt Finitum in V1: Wenn es keins gibt, ist das Verb dritte Person Singular (Neutrum). • In (96a) keine Kongruenz: (96) 127/185 (97) Var honum aldrei hjfilpak af foreldrum sinum? war er.dat nie geholfen von Eltern seinen ‘Haben ihm seine Eltern nie geholfen?’ a. Þeim var hjalpak. sie.pl.dat wurde geholfen • Dativ folgt Finitum in V2: b. Hennar var saknak. sie.sg.gen wurde vermisst (98) Í prófinu var honum vist hjálpak. in Prüfung war er.dat scheinbar geholfen ‘Anscheinend wurde ihm bei der Prüfung geholfen.’ • Der Dativ und der Genitiv sind aber dennoch Subjekte, wie wir gleich sehen werden. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 128/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 129/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Subjekte Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Schräge Subjekte im Passiv: Kontrolle Kasus und Kasusprinzipien • Das Dativ-Subjekt kann unterdrückt werden: • Welche Arten von Kasus gibt es? (99) • Wie hängen Kasus vom syntaktischen Kontext ab? a. Ég vonast til ak verba hjálpak. ich hoffe für zu werden geholfen • Bisher wird Kasus in Valenzlisten repräsentiert, wenn wir die Gesetzmäßigkeiten kennen, muß das nicht mehr sein. Erfassen Generalisierungen und brauchen nur einen Lexikoneintrag für das Verb lesen in (102): b. Ak vera hjálpak i prófinu er óleyfilegt. zu werden geholfen in Prüfung ist unzulässig ‘Es ist verboten, sich in der Prüfung helfen zu lassen.’ (‘Es ist verboten in der Prüfung geholfen zu bekommen.’) (102) • Man vergleiche: a. Er möchte das Buch lesen. b. Ich sah ihn das Buch lesen. Kasus des Subjekts (und des Objekts) wird durch Prinzip geregelt. (100) * Ich hoffe geholfen zu werden. • Geht nur mit bekommen-Passiv: Ich hoffe hier geholfen zu bekommen.15 (101) 15 http://www.photovoltaikforum.com/sds- allgemein- ueber- solar- log- f38/solarlog- 1000- mit- wifi- anschliesen- t96371.html. 10.01.2014 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 130/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 131/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Struktureller und lexikalischer Kasus Lexikalische Kasus • Wenn Kasus von Argumenten von der syntaktischen Umgebung abhängt, • vom Verb abhängiger Genitiv ist lexikalischer Kasus: Bei Passivierung ändert spricht man von strukturellem Kasus. Ansonsten haben die Argumente lexikalischen Kasus. sich der Kasus eines Genitivobjekts nicht. (105) • Beispiele für strukturellen Kasus sind: (103) a. Der Installateur kommt. b. Der Mann läßt den Installateur kommen. c. das Kommen des Installateurs a. Wir gedenken der Opfer. b. Der Opfer wird gedacht. c. * Die Opfer wird/werden gedacht. (105b) = unpersönliches Passiv, es gibt kein Subjekt. • In (103) wird der Kasus des Subjekts von kommen verschieden ausgedrückt, in (104) der Kasus des Objekts von schlagen: (104) a. Karl schlägt den Hund. b. Der Hund wird geschlagen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 132/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 133/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Der Dativ ein lexikalischer Kasus? Der Dativ als lexikalischer Kasus • Genauso gibt es keine Veränderungen bei Dativobjekten: • Wenn man den Dativ als lexikalischen Kasus behandelt, muß man beim (106) Dativpassiv eine Umwandlung von lex. und str. Kasus annehmen. • Haiders Beispiele in (108) sind dann sofort erklärt (1986a, S. 20): a. Der Mann hat ihm geholfen. b. Ihm wird geholfen. (108) • Aber was ist mit (107)? (107) a. Der Mann hat den Ball dem Jungen geschenkt. b. Der Junge bekam den Ball geschenkt. • Die Einordnung des Dativs wird kontrovers diskutiert. Drei Möglichkeiten für Dativargumente: 1. Alle Dative sind lexikalisch. 2. Einige Dative sind lexikalisch, andere strukturell. 3. Alle Dative sind strukturell. a. b. c. d. e. f. Er streichelt den Hund. Der Hund wurde gestreichelt. sein Streicheln des Hundes Er hilft den Kindern. Den Kindern wurde geholfen. das Helfen der Kinder (Kinder nur Agens) g. * sein Helfen der Kinder • Dativ kann nur pränominal ausgedrückt werden: (109) das Den-Kindern-Helfen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 134/185 Syntax im Vergleich 135/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Der Kasus von Argumenten: Struktureller und lexikalischer Kasus Struktureller Kasus und bivalente Verben Das Dativpassiv mit bivalenten Verben • Wenn man allein die Unterscheidung strukturell/lexikalisch hat, bekommt man bei bivalenten Verben ein Problem: (110) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. Er hilft ihm. b. Er unterstützt ihn. (111) a. Er kriegte von vielen geholfen / gratuliert / applaudiert. b. Man kriegt täglich gedankt. Die Beispiele in (112) sind Korpusbelege: Die Information im Lexikoneintrag von helfen und unterstützen muß sich unterscheiden. • Bei ditransitiven Verben kann man Kasus aus allgemeinen Prinzipien ableiten (Nom, Acc, Dat), aber bei bivalenten geht das nicht. → Dativ bei helfen wird als lexikalisch eingeordnet. Vorhersage: Dativpassiv ist mit diesen Verben nicht möglich. (112) a. Da kriege ich geholfen.“ 16 ” b. Heute morgen bekam ich sogar schon gratuliert.17 c. Klärle“ hätte es wirklich mehr als verdient, auch mal zu einem ” unrunden“ Geburtstag gratuliert zu bekommen.18 ” d. Mit dem alten Titel von Elvis Presley I can’t help falling in love“ bekam ” Kassier Markus Reiß zum Geburtstag gratuliert, [. . . ]19 16 Frankfurter Rundschau, 26.06.1998, S. 7. 17 Brief von Irene G. an Ernst G. vom 10.04.1943, Feldpost-Archive mkb-fp-0270 18 Mannheimer Morgen, 28.07.1999, Lokales; Klärle“ feiert heute Geburtstag. 19 Mannheimer Morgen, 21.04.1999, Lokales; ” Motor des gesellschaftlichen Lebens. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 136/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 137/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Kasus von Argumenten Kasus von Argumenten Das Kasusprinzip (I) Das Kasusprinzip (II) • Dativ wird als lexikalischer Kasus angesehen. • ditransitives Verb wie geben hat den arg-st-Wert: • Prinzip ähnelt sehr stark dem von Yip, Maling & Jackendoff (1987) und kann damit auch die Kasussysteme verschiedener Sprachen erklären, die von den genannten Autoren besprochen wurden, insbesondere auch das komplizierte Kasussystem des Isländischen. (113) h NP[str ], NP[ldat], NP[str ] i str steht für strukturellen Kasus und ldat für lexikalischen Dativ. • Ein wesentlicher Unterschied ist, daß das Prinzip 1 monoton ist, • Die Zuweisung struktureller Kasus wird durch das folgende Prinzip geregelt d. h. Kasus, die einmal zugewiesen wurden, werden nicht von einem übergeordneten Prädikat überschrieben. (Przepiórkowski, 1999; Meurers, 1999b): Prinzip (Kasusprinzip) • In einer Liste, die sowohl das Subjekt als auch die Komplemente eines verbalen Kopfes enthält, bekommt das am weitesten links stehende Element mit strukturellem Kasus Nominativ, es sei denn es wird von einem übergeordneten Kopf angehoben. • Alle anderen nicht angehobenen Elemente der Liste, die strukturellen Kasus tragen, bekommen Akkusativ. • In nominalen Umgebungen wird Elementen mit strukturellem Kasus Genitiv zugewiesen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 138/185 Syntax im Vergleich 139/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Kasus von Argumenten Kasus von Argumenten Aktiv Passiv prototypische Valenzlisten: (114) a. b. c. d. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik schläft: unterstützt: hilft: schenkt: arg-st arg-st arg-st arg-st h h h h (115) a. b. c. d. NP[str ]i i NP[str ]i , NP[str ]j i NP[str ]i , NP[ldat]j i NP[str ]i , NP[ldat]j , NP[str ]k i schläft: unterstützt: hilft: schenkt: arg-st arg-st arg-st arg-st h h h h NP[str ]i i NP[str ]i , NP[str ]j i NP[str ]i , NP[ldat]j i NP[str ]i , NP[ldat]j , NP[str ]k i Bei Passivierung der Verben ergeben sich die folgenden arg-st-Listen: Das erste Element in der arg-st-Liste bekommt Nominativ. Alle anderen mit strukturellem Kasus bekommen Akkusativ. (116) a. b. c. d. geschlafen wird: unterstützt wird: geholfen wird: geschenkt wird: arg-st arg-st arg-st arg-st h h h h i NP[str ]j i NP[ldat]j i NP[ldat]j , NP[str ]k i In (116) steht jetzt eine andere NP an erster Stelle. Erste NP mit strukturellen Kasus bekommt sie Nominativ. Lexikalischer Kasus wie in (116c–d) bleibt wie er ist, nämlich lexikalisch spezifiziert. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 140/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 141/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Kasus von Argumenten Morphological and Analytic Forms Vergleich Deutsch, Dänisch, Englisch, Isländisch Morphologische und analytische Formen im Dänischen Vergleich Deutsch, Dänisch, Englisch, Isländisch: • morphologisches Passiv: -s-Suffix, Präsens- und Past-Varianten: (117) • Deutsch, Isländisch erlauben subjektlose Konstruktionen, a. Peter læser avisen. Peter reads newspaper.def ‘Peter is reading the newspaper.’ b. af Peter. Avisen læses newspaper.def read.pres.pass by Peter ‘The newspaper is read by Peter.’ c. af Peter. Avisen læstes newspaper.def read.past.pass by Peter ‘The newspaper was read by Peter.’ Dänisch und Englisch nicht • Deutsch, Isländisch und Dänisch erlauben unpersönliches Passiv, Englisch nicht • Dänisch, Isländisch erlauben Promotion beider Objekte zum Subjekt, Deutsch und Englisch nicht • Dänisch hat ein morphologisches Passiv, Deutsch, Englisch und Isländisch nicht • Deutsch erlaubt das Fernpassiv, Dänisch hat das komplexe Passiv und Englisch und Dänisch haben das Reportive Passive c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 142/185 Syntax im Vergleich • analytische Form mit blive + Partizip (118) (118) Avisen bliver læst af Peter. newspaper.def is read by Peter ‘The newspaper is read by Peter.’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Passiv Passiv Morphological and Analytic Forms Persönliches und unpersönliches Passiv Im Deutschen und Englischen nur analytische Formen Persönliches Passiv • Englisch und Deutsch haben kein morphologisches Passiv: • Alle betrachteten Sprachen erlauben die Promotion einer Objekt-NP zum (119) 143/185 Subjekt. a. The paper was read. b. Der Aufsatz wurde gelesen. • Subjekt kann auch S oder VP sein: (120) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 144/185 a. At regeringen træder tilbage, bliver påstået. that government.def resigns part is claimed ‘It is claimed that the government resigns.’ b. At reparere bilen, bliver forsøgt. to repair car.def is tried ‘It is tried to repair the car.’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 145/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Persönliches und unpersönliches Passiv Persönliches und unpersönliches Passiv Unpersönliche Passive im Deutschen und Isländischen Unpersönliche Passive im Dänischen: Expletivum • Deutsch, Dänisch und Isländisch haben unpersönliche Passive. • Dänisch und Englisch brauchen Subjekt. Dänisch hat eine Lösung: • Deutsch einfach als subjektlose Konstruktion: (123) (121) weil noch getanzt wurde • Isländisch ebenfalls (Thráinsson, 2007, S. 264): (122) a. Oft var talak um þennan mann. oft wurde gesprochen über diesen Mann.acc.sg.m (Isländisch) b. Aldrei hefur verik sofik ı́ þessu rúmi. nie hat geworden geschlafen in diesem Bett.dat ‘In diesem Bett ist nie geschalfen worden.’ c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik a. at der bliver danset that expl is danced ‘that there is dancing’ b. at der danses that expl dance.pres.pass ‘that there is dancing.’ • Im Deutschen ist ein expletives Subjekt ausgeschlossen: (124) * weil es noch getanzt wurde 146/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Passiv Passiv Promotion des primären und sekundären Objekts Promotion des primären und sekundären Objekts Primäres und sekundäres Objekt im Dt. und Engl. Primäres und sekundäres Objekt im Dt. und Engl. • Deutsch und Englisch erlauben nur die Promotion eines Objekts • Englisch: nur ein Objekt kann zum Subjekt werden: (125) 147/185 a. weil der Mann dem Jungen den Ball schenkt b. weil dem Jungen der Ball geschenkt wurde c. * weil der Junge den Ball geschenkt wurde (126) a. because the man gave the boy the ball b. because the boy was given the ball c. * because the ball was given the boy • Effekt kann jedoch durch Verwendung eines anderen Valenzmusters oder get-Passiv erreicht werden. (127) c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 148/185 a. because the man gave the ball to the boy b. because the ball was given to the boy c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 149/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Promotion des primären und sekundären Objekts Promotion des primären und sekundären Objekts Primäres und sekundäres Objekt im Dänischen Primäres und sekundäres Objekt im Isländischen • Im Dänischen können beide Objekte zum Subjekt werden: • Zaenen, Maling & Thráinsson (1985, S. 460): (128) Das Dativobjekt kann zu schrägem Subjekt werden: a. fordi manden giver drengen bolden because man.def gives boy.def ball.def ‘because the man gives the boy the ball’ (130) Konunginum voru gefnar ambáttir. [Si Aux King.dat wurden gegeben.f.pl Sklavinnen.nom.f.pl ‘Dem König wurden Sklavinnen gegeben.’ b. fordi drengen bliver givet bolden because boy.def is given ball.def ‘because the boy is given the ball’ i V O] i V O] Das Akkusativobjekt bekommt dann Nominativ. • Oder das Akkusativobjekt wird zum Subjekt: c. fordi bolden bliver givet drengen because ball.def is given boy.def ‘because the ball is given to the boy’ • Aber das Dänische unterscheidet sich von Sprachen wie Moro (Ackerman et al., 2013) dadurch, dass die Objekte klar unterscieden werden. Zum Beispiel ist ihre Reihenfolge fest: (131) Ambáttin var gefin konunginum. sklavin.nom.sg wurde gegeben.f.sg König.dat ‘Die Sklavin wurde dem König gegeben.’ [Si Aux • Nebenbemerkung: Verb kongruiert immer mit Nominativ. (129) * fordi manden giver bolden drengen c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 150/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 151/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Designated Argument Reduction Designated Argument Reduction Designated Argument Reduction Designated Argument Reduction • Haider (1986a); Heinz & Matiasek (1994); Müller (2003b): • Partizipbildungsregel: designated argument (da) das Subjekt transitiver und unergativischer Verben. • da value unakkusativischer Verben ist die leere Liste. • Passiv = LR, die die da-Liste von der Argumentstruktur des Eingabeverbs bzw. -stamms abzieht. (132) arg-st da a. tanzen (dance): h 1 NP[str ]i h1 i b. lesen (read): h 1 NP[str ], NP[str ]i h1 i (133) Lexikonregel für dieBildung des Partizips (vorläufig): stem verb word head → 7 da 1 arg-st 2 arg-st 1 ⊕ 2 • Das designierte Argument wird blockiert. c. schenken (give as a present): h 1 NP[str ], NP[ldat], NP[str ]i h 1 i d. helfen (help): h 1 NP[str ], NP[ldat]i c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik h1 i 152/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 153/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Designated Argument Reduction Designated Argument Reduction Designated Argument Reduction Englisch • arg-st-Liste des Partizips ist entweder leer oder beginnt mit dem Objekt der • Englisch: kein Dativ, struktureller Kasus für erstes Objekt, lexikalischer Aktivform: (134) arg-st a. getanzt (danced, unerg): b. gelesen (read, trans): c. geschenkt (given, ditrans): d. geholfen (helped, unerg): (136) hi NP[str ] NP[ldat], NP[str ] NP[ldat] • Das erste Element der arg-st-Liste mit strukturellem Kasus bekommt arg-st b. dance (unerg): NP[str ] NP[str ], NP[str ] c. read (trans): d. give (ditrans): NP[str ], NP[str ], NP[lacc] NP[str ], NP[str ] e. help (trans): • Deutsch kann zweites Objekt (Akkusativ) zum Subjekt machen, Nominativ: Englisch das erste (das Objekt, das näher am Verb steht, OV vs. VO): (135) Der Aufsatz wurde gelesen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Akkusativ für zweites Objekt von give (137) 154/185 Syntax im Vergleich a. dass dem Jungen der Ball gegeben wurde b. because the boy was given the ball c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Syntax im Vergleich Passiv Passiv Designated Argument Reduction Primäre und sekundäre Objekte Englisch Promotion von primären und sekundären Objekten • Englisch: kein Dativ, struktureller Kasus für erstes Objekt, lexikalischer • Dänisch ist wie Englisch: kein Dativ, Akkusativ für zweites Objekt von give (138) erlaubt aber die Promotion beider Objekte von ditransitiven Verben: arg-st b. dance (unerg): NP[str ] NP[str ], NP[str ] c. read (trans): d. give (ditrans): NP[str ], NP[str ], NP[lacc] NP[str ], NP[str ] e. help (trans): (140) a. b. c. d. aber Englisch ein persönliches: • Persönliches Passiv: Promotion eines Objekts mit strukturellem Kasus. a. weil ihm geholfen wurde b. because he was helped c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik arg-st danse (dance, unerg): NP[str ] NP[str ], NP[str ] læse (read, trans): NP[str ], NP[str ], NP[str ] give (give, ditrans): hjælpe (help, trans): NP[str ], NP[str ] Dänisch hat zwei Objekte mit strukturellem Kasus, Deutsch und Englisch nur eins. • Deutsch hat ein unpersönliches Passiv für helfen, (139) 155/185 156/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 157/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Primäre und sekundäre Objekte Unpersönliches Passiv Verallgemeinerte Lexikonregel Unpersönliches Passiv • Alt: • Deutsch, Isländisch: Subjekt nicht obligatorisch Dänisch: Einführung eines Expletivums bei der Abbildung von arg-st auf spr/comps. • Englisch und Dänisch bilden die erste NP/VP/CP auf spr ab und die restlichen Argumente auf comps und Dänisch fügt ein Expletivum ein, wenn es keine anderen Elemente gibt, die als Subjekt fungieren könnten. (141) Lexikonregel für dieBildung des Partizips (vorläufig): stem verb word head 7→ da 1 arg-st 2 arg-st 1 ⊕ 2 Erstes Argument unterdrückt, zweites ist jetzt das erste. 3 zur Verfügung, die entweder der Liste 2 entspricht oder falls 2 zwei NPen mit strukturellem Kasus enthält, zusätzlich auch noch eine Liste in der die Reihenfolge der beiden NPen vertauscht ist, d. h., die zweite NP mit strukturellem Kasus wird an erste Stelle gestellt. • promote stellt die Liste (143) a. b. (142) Passiv-Lexikonregel für Dänisch, Deutsch, Englisch, Isländisch: stem verb word head → 7 ∧ promote( 2 , 3 ) da 1 arg-st 3 arg-st 1 ⊕ 2 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik arg-st c. d. 158/185 Syntax im Vergleich spr NPexpl danset/-s (unerg): hi NP[str ]j NP[str ]j læst/-s (trans): givet/-s (ditrans): NP[str ]j , NP[str ]k NP[str ]j NP[str ]k , NP[str ]j NP[str ]k NP[str ]j hjulpet/-s (trans): NP[str ]j comps hi hi NP[str ]k NP[str ]j hi c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 159/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Isländisch: Schräge Subjekte Isländisch: Schräge Subjekte Isländisch Isländisch: Schräge Subjekte und Doppelobjektkonstruktionen • Kasusverteilung wie im Deutschen: • erste NP wird zum Subjekt, auch NPen mit lexikalischem Kasus (144) (Wechsler, 1995, S. 147–148) arg-st b. dance (unerg): NP[str ] NP[str ], NP[str ] c. read (trans): d. give (ditrans): NP[str ], NP[ldat], NP[str ] NP[str ], NP[ldat] e. help (trans): (145) a. danced (unerg): hi NP[str ]j b. read (trans): c. given (ditrans): NP[ldat]j , NP[str ]k NP[str ]k , NP[ldat]j d. helped (trans): NP[ldat]j • Unpersönliches Passiv mit tanzen gleich, aber helfen bildet kein unpersönliches Passiv sondern ein persönliches. • geben erlaubt zwei Varianten: Dativ wird zu schrägem Subjekt, Akkusativ wird zum Subjekt. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik arg-st 160/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik spr comps hi NP[str ]j NP[ldat]j NP[str ]k NP[ldat]j hi hi NP[str ]k NP[ldat]j hi 161/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Das analytische Passiv (Hilfsverb) Das morphologische Passiv Das Hilfsverb Das morphologische Passiv • Das Passivhilfsverb ist für alle behandelten Sprachen ähnlich: • Lexikonregel funktioniert auch für das morphologische Passiv. Es wird einfach ein -s angehängt. (146) Passivhilfsverb für Dänisch, Deutsch, Englisch: + * vform ppp da h XPref i arg-st 1 ⊕ 2 ⊕ spr 1 comps 2 • da-Wert schließt unakkusatische Verben und Wetterverben aus • Deutsch bildet Verbalkomplex: Argumente des Partizips ( 1 and 2 ) werden vom Passivhilfsverb angezogen (Hinrichs & Nakazawa, 1989). • Verbalkomplexschema erlaubt ungesättigte Nicht-Kopftochter. • Funktioniert auch für Sprachen, die keine Verbalkomplexe bilden: 2 ist dann die leere Liste. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 162/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 163/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Perfekt Perfekt Perfekt Analyse als komplexes Prädikat für Dänisch und Englisch? • Deutsch: Nur ein Partizip für Passiv und Perfekt (Haider, 1986a). • Bei einer Analyse mit Argumentdeblockierung müsste man Struktur in (148a–b) • Das designated argument wird blockiert, ist aber im Lexikonelement enthalten • Perfekthilfsverb deblockiert es. (148) (147) a. Der Aufsatz wurde gelesen. b. Er hat den Aufsatz gelesen. * vform ppp + da 1 arg-st 1 ⊕ 2 ⊕ 3 ⊕ spr 2 comps 3 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik annhemen: a. b. c. d. He [has given] the book to Mary. The book [was given] to Mary. He has [given the book to Mary]. The book was [given to Mary]. Sonst wüssten wir zu spät vom deblockierten Subjekt, denn das Partizip würde ja nur – wie in (148d) eine PP verlangen. 164/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 165/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Perfekt Das Fernpassiv Problem: (Partial) Fronting Das Fernpassiv • Meurers (1999b) hat einen Trick gefunden, wie man die Kasuszuweisung in • Höhle (1978, S. 175–176): in bestimmten Kontexten Objekte von zu-Infinitiven (149) analysieren kann: (149) im Nominativ. Die folgenden Sätze sind Beispiele für das sogenannte Fernpassiv: a. Gelesen wurde der Aufsatz schon oft. b. Der Aufsatz gelesen wurde schon oft. c. Den Aufsatz gelesen hat er schon oft. (151) a. daß er auch von mir zu überreden versucht wurde20 b. weil der Wagen oft zu reparieren versucht wurde • Das funktioniert aber nicht für Dänisch/Englisch, denn hier haben wir nicht nur Kasus- sondern auch Positionsunterschiede: (150) a. The book should have been given to Mary and [given to Mary] it was. b. He wanted to give the book to Mary and [given the book to Mary] he has. Wenn sich keine ausgeklügelten Mechanismen für die Unterspezifikation verschiedener Mappings finden lassen, müssen wir wohl zwei verschiedene Partizipformen annehmen. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 20 Oppenrieder, 1991, S. 212. 166/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 167/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Das Fernpassiv Das Fernpassiv Das Fernpassiv Beispiele mit beginnen, vergessen und wagen Akkusativobjekte eingebetteter Verben können im Passiv zum Nominativ werden: Wurmbrand (2003b): (152) a. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß in der Bundesrepublik, wo ein Mittelweg zu gehen versucht wird, die Situation der Neuen Musik allgemein und die Stellung der Komponistinnen im besonderen noch recht unbefriedigend ist.21 (153) a. der zweite Entwurf wurde zu bauen begonnen,24 b. Noch ist es nicht so lange her, da ertönten gerade aus dem Thurgau jeweils die lautesten Töne, wenn im Wallis oder am Genfersee im Umfeld einer Schuldenpolitik mit den unglaublichsten Tricks der sportliche Abstieg zu verhindern versucht wurde.22 c. Die Auf- und Absteigenden erzeugen ungewollt einen Ton, der bewusst nicht als lästig zu eliminieren versucht wird, sondern zum Eigenklang des Hauses gehören soll, so wünschen es sich die Architekten.23 (155) a. NUR Leere, oder doch noch Hoffnung, weil aus Nichts wieder Gefühle entstehen, die so vorher nicht mal zu träumen gewagt wurden?27 b. Dem Voodoozauber einer Verwünschung oder die gefaßte Entscheidung zu einer Trennung, die bis dato noch nicht auszusprechen gewagt wurden28 24 http://www.waclawek.com/projekte/john/johnlang.html, 28.07.2003. 25 http://www.rlp- irma.de/Dateien/Jahresabschluss2002.pdf, 28.07.2003. 26 http://www.iitslips.de/news.html, 28.07.2003. 27 http://www.ultimaquest.de/weisheiten kapitel1.htm, 28.07.2003. 28 http://www.wedding- no9.de/adventskalender/advent23 shawn colvin.html, 28.07.2003. 21 Mannheimer Morgen, 26.09.1989, Feuilleton; Ist’s gut, so unter sich zu bleiben? 22 St. Galler Tagblatt, 09.02.1999, Ressort: TB-RSP; HCT und das Prinzip Hoffnung. 23 Züricher Tagesanzeiger, 01.11.1997, S. 61. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik (154) a. Anordnungen, die zu stornieren vergessen wurden25 b. Aufträge [. . . ], die zu drucken vergessen worden sind26 168/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 169/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Das Fernpassiv Das Fernpassiv Fernpassiv und Verbalkomplexbildung (I) Fernpassiv und Verbalkomplexbildung (II) • Objekt eines Verbs, das unter ein Passivpartizip eingebettet ist, • Erklärung: Fernpassiv = Passivierung des Prädikatskomplexes wird zum Subjekt des Satzes: (156) (158) weil der Wagen oft [[zu reparieren versucht] wurde] a. weil er den Wagen oft zu reparieren versucht hat b. weil der Wagen oft zu reparieren versucht wurde • In (159a,c) liegen keine Verbalkomplexe vor. (159) • Fernpassiv nur bei Verbalkomplexbildung möglich: (157) a. weil oft versucht wurde, den Wagen zu reparieren b. * weil oft versucht wurde, der Wagen zu reparieren c. Den Wagen zu reparieren wurde oft versucht d. * Der Wagen zu reparieren wurde oft versucht a. weil oft versucht wurde, den Wagen zu reparieren b. * weil oft versucht wurde, der Wagen zu reparieren c. Den Wagen zu reparieren wurde oft versucht d. * Der Wagen zu reparieren wurde oft versucht Objekt von zu reparieren ist Teil der VP → bekommt Akkusativ Die Passive in (159a,c) sind unpersönliche Passive. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 170/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 171/185 Syntax im Vergleich Passiv Passiv Das Fernpassiv Das Fernpassiv V[vform fin, comps 1 ] Fernpassiv mit Objektkontrollverben • Fernpassiv auch mit Objektkontrollverben möglich: 3 V[vform ppp, subj 1 , comps hi] V[vform fin, comps 1 ⊕ h 3 (160) i] a. Keine Zeitung wird ihr zu lesen erlaubt.29 b. Der Erfolg wurde uns nicht auszukosten erlaubt.30 • Passiv der Konstruktion ohne Verbalkomplex ist ein unpersönliches Passiv: 2 V[vform inf , V[vform ppp, subj 1 , subj h NP[str ] i, comps h 2 i ] comps 1 h NP[str ] i ] zu reparieren versucht (161) Uns wurde erlaubt, den Erfolg auszukosten. • Generalisierung: In Passivkonstruktionen, in denen ein Verbalkomplex unter das Passivhilfsverb eingebettet ist, wird das Subjekt unterdrückt und von den verbleibenden Argumenten wird das erste Argument mit strukturellem Kasus zum Subjekt und bekommt Nominativ. wurde • versuchen zieht Argumente von reparieren an: arg-st-Wert h NP[str ], NP[str ], V[inf ] i • Passiv-LR unterdrückt erstes Argument: versucht hat arg-st-Wert h NP[str ], V[inf ] i • zu reparieren versucht: arg-st-Wert h NP[str ] i und zu reparieren versucht wurde auch c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 29 Stefan Zweig. Marie Antoinette. Leipzig: Insel-Verlag. 1932, S. 515, zitiert nach Bech, 1955, S. 309. Siehe Askedal (1988, S. 13). 30 Haider, 1986b, S. 110. 172/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 173/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Passiv Passiv Das Fernpassiv Das Fernpassiv Fernpassiv mit Objektkontrollverben Complex Passives (162) Keine Zeitung wird ihr zu lesen erlaubt.31 • Complex Passives: erlauben: h NP[str ]i , NP[ldat]j i ⊕ 1 ⊕ h V[comps 1 ] i zu lesen erlauben: h NP[str ]i , NP[ldat]j , NP[str ]k , V[comps h NP[str ]k i] i zu lesen erlaubt wird: h NP[ldat]j , NP[str ]k , V[comps h NP[str ]k i ] i Erste NP mit strukturellem Kasus ist Subjekt. (163) at Bilen blev forsøgt repareret that car.def was tried repaired ‘that an attempt was made to repair the car’ • Raising in passive only. • forsøgt (‘to try’) does not even take a participle in the active: (164) at Peter har forsøgt at reparere bilen that Peter has tried to repair car.def ‘that Peter tried to repair the car’ b. * at Peter har forsøgt repareret bilen that Peter has tried repaired car.def a. 31 Stefan Zweig. Marie Antoinette. Leipzig: Insel-Verlag. 1932, S. 515, zitiert nach Bech, 1955, S. 309. Siehe Askedal (1988, S. 13). c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 174/185 Syntax im Vergleich c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik Strukturen der germanischen Sprachen Passiv Syntax im Vergleich Übungsaufgaben Zusammenfassung Zusammenfassung Übungsaufgaben • account for the Danish, Englisch and German passive 1. Welche der NPen in den folgenden Sätzen haben strukturellen, welche lexikalischen Kasus? • LRs for morphological and analytical passives • first element on the arg-st-Liste is suppressed (165) • promote promotes any NP with structural case • languages differ in cases and the lexical/structural distinction • expletive is inserted in the arg-st mapping in Danish. • SVO languages seem to require different items for the perfect/passive participles, but analysis for German can be maintained. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 175/185 176/185 a. b. c. d. e. f. Der Junge lacht. Mich friert. Er zerstört das Auto. Das dauert ein ganzes Jahr. Er hat nur einen Tag dafür gebraucht. Er denkt an den morgigen Tag. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 177/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Sätze mit Komplementierer Sätze mit Komplementierer Deutsch: Komplementierer + Verbletzt, ohne Inversion Englisch: Komplementierer + SVO CP CP V′ NP[nom] VP NP[nom] NP[acc] V ihn kennt dass niemand S C S C that c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 178/185 Syntax im Vergleich nobody V NP[acc] knows him c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 179/185 Syntax im Vergleich Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Sätze mit Komplementierer Positionionale Expletiva Jiddisch: Komplementierer + V2 Positionale Expletiva CP C • Deutsch, Dänisch, Jiddish, . . . erlauben Expletiva vor dem finiten Verb: S Adv (167) S/Adv V h S//V i V S//V/Adv V′//V/Adv NP V//V VP/Adv VP V az haynti dass heute hotk hat Es ritten drei Reiter zum Tor hinaus. Max Max k Adv/Adv NP geleyent dos bukh gelesen das Buch i (166) Ikh meyn az haynt hot Max geleyent dos bukh.32 ich denke dass heute hat Max gelesen das Buch ‘Ich denke, dass Max heute das Buch gelesen hat.’ 32 Diesing, 1990, p. 58. c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 180/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 181/185 Syntax im Vergleich Syntax im Vergleich Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Interrogativnebensätze Interrogativnebensätze Deutsch: w + SOV Danish: w-Subjekt + Expl + VO S S NP[snom] S/NP[snom] NP[snom] S/NP NP[lnom] V′ NP/NP NP[sacc] VP/NP[snom] V′ /NP[snom] V V wer NP[snom]/NP[snom] das Buch liest hvem wer c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 182/185 Syntax im Vergleich det expl læser liest bogen Buch.def c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 183/185 Syntax im Vergleich Eingebettete Sätze Eingebettete Sätze Interrogativnebensätze Interrogativnebensätze Jiddish: w-Subjekt + V2 mit Expletivum im VF Expletiva im Deutschen und Jiddischen • Diese können nicht im Mittelfeld stehen: S (168) S/NP[snom] NP[snom] NP[lnom] S/NP[snom]/NP[lnom] V hS//Vi V • Aber: S//V/NP[snom]/NP[lnom] (169) * Esi glaube ich, dass VP//V/NP[snom] NP[lnom]/NP[lnom] leyentk liest j k c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik i i noch drei Männer arbeiten. • Voranstellung von Expletivpronomina über Satzgrenzen muss ohnehin ausgeschlossen werden: NP[sacc] (170) * Esi glaube ich, dass V//V NP[snom]/NP[snom] esj expl a. Es arbeiten noch drei Männer. b. * dass es noch drei Männer arbeiten • Beschränkung, die verlangt, dass diese Elemente extrahiert sein müssen. V′ //V veri wer NP[sacc] i regnet. bogen Buch.def 184/185 c Stefan Müller 2016, FU Berlin, Philosophie und Geisteswissenschaften, Deutsche Grammatik 185/185 Strukturen der germanischen Sprachen Strukturen der germanischen Sprachen Literatur Ackerman, Farrell, Robert Malouf & John Moore. 2013. Symmetric objects in moro. In Stefan Müller (ed.), Proceedings of the 20th International Conference on Head-Driven Phrase Structure Grammar, Freie Universität Berlin, Stanford, CA: CSLI Publications. Askedal, John Ole. 1988. Über den Infinitiv als Subjekt im Deutschen. Zeitschrift für Germanistische Linguistik 16. 1–25. Bech, Gunnar. 1955. Studien über das deutsche Verbum infinitum (Linguistische Arbeiten 139). Tübingen: Max Niemeyer Verlag. 2. unveränderte Auflage1983. Beneš, Eduard. 1971. Die Besetzung der ersten Position im deutschen Aussagesatz. 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