Praxis BZB Mai 16 33 BLZK Das schwächste Glied? Abbildung: Quintessenz Verlags-GmbH Dr. Renouard, Franck/Charrier, Jean-Gabriel: Das schwächste Glied? Erfolgreiches Fehlermanagement: Was Ärzte von Piloten lernen können, 2015, Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, 208 Seiten, 2 Abbildungen, Preis: 24,80 Euro, ISBN 978-3-86867-307-4 Dieses Buch sollte jeden Zahnarzt interessieren, weil die beiden Autoren – der Zahnarzt Dr. Franck Renouard und der Pilot und Fluglehrer Jean-Gabriel Charrier – anhand von Erfahrungen aus der Luftfahrt eine neue Sichtweise auf das Fehlermanagement in der Zahnmedizin eröffnen. Menschliche Faktoren Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung begegnen dem Zahnarzt meist nur als Pflichten, die von außen auferlegt sind. Das vorliegende Buch wählt einen anderen Weg und zielt auf die menschlichen Faktoren im Fehlermanagement, wie sie bereits seit Langem in der Flugbranche analysiert werden. Dazu gehört Mut, zeigt es doch, dass menschliches Handeln keineswegs unfehlbar ist. Es zeigt aber auch die Fähigkeit, gemachte Fehler zu analysieren, für die Zukunft zu vermeiden und diese Erfahrungen an Dritte weiterzugeben. „Rund 80 Prozent aller Flugzeugunglücke gehen auf Pilotenfehler zurück. Wenn du also die Piloten feuerst, bist du mehr als drei Viertel aller Unglücke los!“ Mit diesem Witz im Vorwort beschreibt Jacques Rosay, Chef-Testpilot von Airbus, das Dilemma in der Luftfahrt. Tatsächlich erfolgen aber alle sicheren Flüge dank des Piloten. Menschliche Präsenz ist notwendig, aber menschlicher Input, so Rosay weiter, werde auch immer anfällig für Fehler bleiben. Die Welt der (Zahn-)Medizin beleuchtet die Fehlersuche zumeist von der technischen Warte aus. Dabei werden der menschliche Aspekt und der Einfluss von Stress auf den Handelnden oft vernachlässigt. In seinem Prolog schildert Dr. Franck Renouard, ehemaliger Präsident der European Association for Osseointegration (EAO) und Autor vieler zahnmedizinischer Fachbeiträge, ausführlich einen Fehler, der ihm als jungem Zahnarzt in der oralen Chirurgie widerfahren ist. 1987 entfernte er einer neunjährigen Patientin die falschen Weisheitszahnkeime. Im Überweisungsbrief des Kieferorthopäden hatte Renouard eine Zusatzbemerkung überlesen und in der Folge einen falschen Zahnkeim extrahiert. Anhand mehrerer Beispiele erörtern die Autoren die provokante Frage, warum die medizinische Welt noch immer skeptisch gegenüber dem Thema „Menschliche Faktoren“ ist. Renouard und Charrier ziehen den Vergleich zu Flugzeugpiloten, die durchaus bereit seien anzuerkennen, dass ihnen Fehler unterlaufen können. Sie müssen Checklisten abarbeiten und offen für Bedenken von Crewmitgliedern gegenüber bestimmten Entscheidungen des „Chefs“ sein. Zwischen Effizienz und Qualität Die Schlüsselstelle im Buch ist der Hinweis auf das ETTO-Prinzip nach Prof. Dr. Erik Hollnagel, einem international anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet der Flugsicherheit. Er beschrieb 2009 in seinem Buch „Das ETTO-Prinzip“ die Wahl des Menschen im alltäglichen Leben zwischen Effizienz (profitability) und Qualität (quality) anhand einer bestimmten Anzahl von Flugzeugunglücken. Es sei kaum möglich, zugleich effizient und „qualitätsvoll“ zu agieren. Der Widerspruch zwischen „Safety first“ und „Produktivität an erster Stelle“ wird von beiden Autoren klar formuliert: Die absolute Sicherheit gibt es nicht. In sieben Punkten definieren Renouard und Charrier den Faktor Stress und was man darüber wissen sollte. „Situationsbewusstsein, die Fähigkeit zum Vorhersehen, das Konzept ,was, wenn‘, der Gebrauch von Checklisten – all das trägt dazu bei, Stresslevel auf einem akzeptablem Maß zu halten“, heißt es dazu im Buch. Daneben geben die beiden Autoren Hinweise, wie man den Umgang mit Risiko und Gefahr erlernen kann. Ein weiteres Kapitel beinhaltet Checklisten für die Fehlervermeidung. Dabei versuchen die Autoren, eine Brücke zwischen Luftfahrt und Medizin zu schlagen. Renouard beantwortet die Frage, ob das gesamte, in der Luftfahrt erreichte Wissen auch in der Zahnmedizin umgesetzt werden könnte. „Das schwächste Glied?“ wird sicherlich nicht das letzte Buch zum Themenkomplex Fehlermanagement und menschlicher Faktor sein. Es schiebt ein Thema an, das gerade in der (Zahn-)Medizin lange vernachlässigt wurde. Christian Berger Präsident der BLZK
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