4090589 Dienstag, 17. Mai 2016 KULTUR IN KARLSRUHE . Ausgabe Nr. 112 – Seite 30 Strahlendes Gotteslob Jubiläumskonzert der Karlsruher Stadtkirche Anlässlich des 200. Jahrestages der Einweihung der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe am Pfingstsonntag 1816 boten der Bachchor Karlsruhe und die Camerata 2000 ein anregendes Programm mit unbekannten Psalmvertonungen, die in Bezug zur Fächerstadt stehen. Konzipiert wurde es von dem Musikwissenschaftler Joachim Draheim und von Christian Markus Raiser, dem Kantor der Stadtkirche und Leiter des Bachchores, der auch das Konzert „Ich danke dem Herrn vom ganzen Herzen... – Psalmen aus Karlsruhe“ leiten sollte. Krankheitsbedingt musste für ihn der aus der Fächerstadt stammende renommierte Tenor und künstlerische Leiter des Anton-Webern-Chores Freiburg Bernhard Gärtner das vielseitige Konzert mit Werken von Franz Danzi, Friedrich Ernst Fesca und Franz Liszt übernehmen. Danzi (1763 bis 1826) war Hofkapellmeister in Karlsruhe, Fesca (1789 bis 1826) Konzertmeister der Hofkapelle, während der fast nie zu hörende „13. Psalm“ für Tenor solo, gemischten Chor und Orchester von Liszt in seiner Endfassung 1864 in der Fächerstadt uraufgeführt wurde. Danzi, von dem neben seinem „128ste Psalm“ für Chor und Orchester und der Kantate „Preis Gottes“ auch eine bislang ungedruckte Ouvertüre zu dem Trauerspiel „Viola“ von Gärt- Unbekannte Psalmvertonungen ner und der mit dramatischen Nachdruck musizierenden Camerata 2000 aufgeführt wurde, zeigt sich als Komponist des Übergangs zwischen dem von ihm verehrten Mozart und der klangfarblich in seinem Werk schon präsenten frühen Romantik. Die stimmlich ebenso bewegliche wie ausdrucksstarke Sopranistin Julia Sophie Wagner und der flexible Tenor Lothar Odinius zeigten nicht nur hier ihre Qualitäten. Friedrich Ernst Fescas Vertonungen des 103. und die des 9. Psalms fanden im ebenso ausgewogen wie ausdrucksstark singenden Bachchor, wie bei den Solisten (neben Wagner und Odinius auch die Sopranistin Andrea Chudak, Regina Grönegreß, Alt, und dem Bass Matthias Horn) engagierte Interpreten, die die Tradition des 18. Jahrhunderts mit musikalischen Mitteln der Frühromantik weiterführenden Kompositionen lebendig gestalteten. Nicht nur der gut fokussierte lyrische, mit genügend dramatischem Nachdruck agierende Tenor Lothar Odinius bewies im orchestral wuchtig angegangenen „13 Psalm“ Liszts seine Stärke. Die insgesamt ausgewogen musizierende Camerata 2000 ebenso wie der Bachchor zeigten sich unter Gärtners umsichtiger Leitung den beachtlichen Anforderungen mehr als gewachsen, was man auch bei einem Mitschnitt des Jubiläumskonzertes, der bei CPO erscheinen soll, wird nachvollziehen können. sws Entspannung mit Pathos Die Band Nunuk kam bei ihrem Gastspiel im Kohi gut an ZEITRÄUBER: Dass der Graue Herr von der Zeitsparkasse es auf mehr als die Sekunden des Friseurs Fusi abgesehen hat, ahnt dieser hier noch nicht. Foto: pr Jenseits des Zeitdrucks Ausverkaufte „Momo“-Premiere im Studentenhaus Eines Tages war sie einfach da. So beFusi steckt in einer Sinnkrise. „Wenn ginnt die Geschichte um Momo (überich tot bin, wäre es, als hätte es mich nie zeugend gespielt von Stephanie Schugegeben!“ Kaum hat der verzweifelte mann), die Tag für Tag von ihren FreunFriseur das ausgesprochen, erscheint die den in der Ruine des Amphitheaters begeisterhafte Gestalt eines Grauen Herrn sucht wird, weil niemand so gut zuhören von der Zeitsparkasse, um ihm ein Ankann wie sie. Das Idyll wird jedoch bald gebot zu machen: „Wir wissen, dass sie durch die gierigen Grauen Herren (beein Zeitkonto eröffnen wollen – denn alsonders überzeugend wahnsinnig: Sanles, was sie brauchen, ist Zeit.“ Sogleich dra Junginger) gestört, die die inneren beginnt er dem Hilfesuchenden vorzuZeitblumen der Menschen vergiften, um rechnen, wie viel Zeit er in seinen 42 Lesich rauchend von deren Blättern zu erbensjahren vergeudet hat. Eine gesparte nähren. Ihre KosStunde ergebe tüme sind dabei schließlich 3 600 5400 Sekunden lang ebenso eindrucksSekunden. Er solle voll wie schauerkünftig an Tätigdie Zeit vergessen lich, wenn elektrokeiten wie Lesen, nische Zeitzigarren Singen oder Famiim Dunkeln giftig-blau aufleuchten. lienbesuchen sparen, um sein Vermögen Nach und nach geraten Momos Freunde anzuhäufen und ein neues Mitglied in in die Fänge der Grauen Herren, um der stetig wachsenden Gemeinschaft der nach Effizienz und Erfolg zu streben. Zeitsparer zu werden. Als sie Hilfe bei Meister Hora sucht, Rund 5 400 Sekunden lang die Zeit verwird klar, dass alle Zeit, die Menschen gessen und im Theater der Hektik des einsparen, verloren ist. „Denn Zeit ist „to go“-Alltags entfliehen, mal keinen Leben. Und das Leben wohnt im HerBlick auf Uhr oder Mobiltelefon riskiezen.“ So beginnt Momo um ihre Freunde ren – das taten die Theaterbegeisterten zu kämpfen. Horas Schildkröte Kassiobei der ausverkauften Premiere von peia steht ihr zur Seite – köstlich der „Momo“ im Festsaal des Studentenhautrockene Humor von Janet Do in der ses. Nach dem 1973 erschienenen RoRolle des gemütlichen Reptils: Wie man man von Michael Ende zeigte das Uniim Fall einer Belagerung durch Graue theater seine Interpretation, die den Herren reagiert? Erst mal frühstücken! Stoff aus den Kinderschuhen in erwachDas Stück ist ein Plädoyer, die physisenere, weit größere Treter steckt, die kalische Messbarkeit der Zeit gelegentwie angegossen passen. Unter der Regie lich zu vergessen und sich bewusst zu von Katharina Pliester und Viktoria werden, dass eine einzige Stunde wie Knotz ist ein Stück lebendige Literatur eine ganze Ewigkeit oder wie ein einzientstanden, das mit der Zeit geht und ger Moment erscheinen kann. Es kommt die Geschichte mit sanften Modernisiedarauf an, was man in dieser Stunde errungen spielerisch ins Heute befördert. lebt. Elisa Walker Dabei hat das Stück alles zu bieten, um einen kurzweiligen Abend zu gestalten: Termine Konflikte, Märchen, Realitätsverlust Weitere Aufführungen: 20. und 21. Mai, und Verzweiflung. Was geboten wird, ist 20 Uhr, 22. Mai, 18 Uhr im Festsaal des keine leichte Kost, sondern regt zum Studentenhauses, Adenauerring 7. Überdenken an: Was ist Zeit wert? i Künstlergespräch mit Elger Esser Gäste aus Portugal morgen im Jubez Elger Esser ist in diesem Jahr der Oskar-Schlemmer-Staatspreisträger des Landes Baden-Württemberg. Die mit dieser Ehrung verbundene Ausstellung ist derzeit in der Kunsthalle Karlsruhe zu sehen. Dort findet morgen, 18. Mai, um 19 Uhr ein Künstlergespräch statt zwischen Esser und Hubertus von Amelunxen. Es moderiert die Direktorin der Kunsthalle, Pia Müller-Tamm. BNN Das portugiesische Duo Dead Combo, tritt morgen ab 20.30 Uhr im Jubez, Kronenplatz 1, auf. Ihren Musikstil nennen der Gitarrist Tó Trips und der Multiinstrumentalist Pedro V. Gonçalvez Dark Fado. Er wird beschrieben als Mischung aus „Alternative, Americana, Neil-Young-Gitarren und traditionellem Fado“. Die Dead Combo wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. BNN Alkohol und Leidenschaft, unter diesen motivischen Leitlinien stand ein ungewöhnlicher Chansonabend des Badischen Staatstheaters in der Reihe „Kammerkonzert extra“, für den Tom Waits’ „The Piano Has Been Drinking“ das nahezu perfekte Auftakt-Motto bildete. Im gut besuchten Kleinen Haus schlugen die Schauspielerin Florentine Krafft, die Mezzosopranistin Kristina Stanek vom Karlsruher Musiktheater, der brillante Soloklarinettist der Staatskapelle Daniel Bollinger sowie als Gast der Pianist, Akkordeonist und Manchmal kommt man ins Kohi schon ein paar Minuten nach dem offiziellen Beginn nicht mehr rein und dann wieder ist die Band auch eine halbe Stunde nach dem terminierten Beginn immer noch nicht auf der Bühne. Na schön, verbuchen wir’s unter kreativer Einlasspolitik. Damit ist auch das Deppenattribut „-philosophie“ vermieden. Zugegeben, „-politik“ macht es nicht besser, aber um die Philosophie wird sich gleich Nunuk kümmern. Sobald sie angekommen sind. Und ankommen tut Nunuk mit einem, so sagt es Frontfrau Jenny Thiele, „Song zum Ankommen“. Der heißt „Tearin’ Down Walls“ und ist tatsächlich ein doppeltes Ankommen: Er eröffnet das nette Konzert von Nunuk und kommt beim Publikum an. Eine Mischung aus beim Folk geborgten Harmonien und Melodien füllt das Kohi. Dass Jenny Thiele dabei oft zur Gitarre greift und so zupft und singt, wie man am Lagerfeuer halt gerne zupft, passt gut ins Bild. So weit, so banal. Interessant wird es, wenn der Rest der Band dazu kommt. Das sind der Schlagzeuger und Perkussionist Julius Oppermann und die beiden Synthesizerspielerinnen Irene Novoa und Lucia Fumero aus Spanien. Die Antike Tragödien haben zwar auch uns Heutigen einiges zu sagen – die Umsetzung auf der Bühne will freilich nicht jedem gelingen. Umso beachtlicher wie der Regisseur Jan Philipp Gloger „Die Troerinnen“ von Euripides inszeniert hat. Das Werk, in dem es um die Frauen der besiegten Trojaner geht, ist heute um 20 Uhr im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters zu sehen. Besonders eindrucksvoll: Annette Büschelberger als mit aller Wucht des Elends gepeinigte Hekabe. MH Briten bieten freien Eintritt Das Lace Market Theatre aus Nottingham gastiert derzeit in Karlsruhe. Bei zwei Vorstellungen gibt es freien Eintritt: heute um 11 Uhr „A Midsummer Night’s Dream“ bei den „Käuzen“ und morgen, ebenfalls um 11 Uhr, „Benefactors“ im Jakobus Theater. Die übrigen Vorstellungen sind nicht gratis. BNN Die haben es einfach drauf Jazzclub-Konzert im Tempel: Die Band Cobody bot alte Songs in neuen Tönen In Kooperation mit dem Jazzclub fand jetzt im Tempel ein Konzert mit der Band Cobody statt, das von Anfang bis zum Ende einfach nur Spaß machte. Wer Cobody ist? Dahinter verbergen sich drei verdienstvolle musikalische Hochleistungskräfte der Metropol-Region: Den Gitarristen und Sänger Kosho kennt man seit 14 Jahren von den „Söhnen Mannheims“, den Organisten Jo Bartmes etwa von „DePhazz“ und den Drummer Erwin Ditzner von „Mardi Gras bb“ oder „Sanfte Liebe“. Aber immer wieder fielen die drei auch bei anderen Bands und Musikern auf, wie Zelia Fonseca, Bill Summers, Alexander von Schlippenbach oder Jon Sass. Dass sie einfach hervorragende Musiker sind, zeigt sich jetzt bei dem Trio Cobody, zu dem sie sich vor einigen Jahren entschlossen haben und das letzten Monat mit „Undercover“ seine erste CD herausgebracht hat, auf der es unter anderem sieben Cover-Songs verarbeitet hat. Doch deswegen ist Cobody keine einfache Cover-Band. Denn erstens schreiben sie auffallend gute eigene Songs und zweitens wird aus den Fremdsongs wirklich etwas Neues. Wann hat man zuletzt etwa eine Cover-Version von „Whipping Post“ der Allman Brothers gehört? Wahrscheinlich 1984 von Frank Zappa. Cobodys Version jedenfalls ist erfrischend anders und funky. „White Room“ von Cream wird sehr schön an- Berlin, Paris, Wien Ungewöhnlicher Chansonabend im Staatstheater Sänger Andreas Bittl einen unterhaltsam-nachdenklichen Bogen von Berlin nach Paris und Wien, von Brecht/Weil zu Gilbert Bécaud und der Piaf zu Georg Kreisler und Ferdinand Raimund („Der Bauer als Millionär“). Florentine Krafft sang den „Barbara Song“ aus der „Dreigroschenoper“ mit sorgen mit zwar sehr reduzierten aber dafür umso markanteren Sounds für ein elektronisches Fundament, das sich ziemlich heftig in den Ohren festsetzt. Dabei findet alles eher leise statt. Die Musik von Nunuk ist kein Partyburner, aber auch nichts, für eine lange, nächtliche Autobahnfahrt, wie man irgendwo lesen kann. Denn der Sound ist viel zu hypnotisch. Nach einigen Minuten musikalischer Tiefenentspannung mit Nunuk ist die Gefahr zu groß, die Straßenverkehrsordnung für einen unverbindlichen Vorschlag zu halten. Mitunter wird diese Tiefenentspannung etwas arg pathetisch und unfreiwillig komisch. Wenn Thiele den Song „The Fighter“ all jenen widmet, die für „das Gute“ kämpfen, um im anschließenden „Philosophenfrühstück“ (wie gesagt, um die Philosophie kümmert sich Nunuk) zu verkünden, die Freiheit nur in Häppchen verteilt verdauen zu können, dann muss man schon grinsen. Nein, Nunuk meint nichts ironisch, und die Metaphernlast ihrer Texte ist schon sehr deutsch. Trotzdem ist die Musik von einigem Wiedererkennungswert. Und ’ne gute Stunde Pathos? Kann man auch mal aushalten. Überzeugender Applaus, zwei Zugaben. Jens Wehn treffender Distanz wie sie ebenso atmosphärisch stimmige Texte Ernest Hemingways über das Paris der 1920er Jahre las. Wenn sie wie bei „La Vie en rose“ oder „Non, je ne regrette rien“der Piaf das Opernhafte ihres Singens zurücknahm, konnte Kristina Stanek am meisten überzeugen, ihren farbenrei- MACHEN EINFACH SPASS: Jo Bartmes, Kosho und Erwin Ditzner (von links), die zusammen das Trio Cobody bilden. Foto: Bastian gejazzt und „Riders On The Storm“ von den Doors war eh immer schon ein Jazzsong, doch das Trio kitzelt daraus noch ein bisschen mehr Swing heraus. Auch die Beatles haben es den dreien angetan. Kein Wunder, bei der Masse an guten Songs. „Norwegian Wood“ swingt fröhlich-spacig vor sich hin. Die fabelhafte Komposition „Dear Prudence“ kennt kaum einer, und auch der schöne chen Mezzo leuchten lassen. Die Brücke von instrumental interpretierten französischen Chansons zu KlezmerKlängen schlug Daniel Bollinger mit leicht verschatteter Melancholie und zupackender Musizierlust. Andreas Bittl moderierte den Abend ebenso souverän wie er als Pianist und Akkordeonist überzeugte. Als wahrer Vortragsvirtuose begeisterte er zudem mit Wiener Liedern bei diesem Konzert, bei dem sich das Vergnügen der Akteure an ihrem Auftritt schnell auf das Publikum übertrug. sws Satzgesang vom Ende von „I Want You“ wird wunderbar zelebriert. Auffallende Eigenkompositionen sind „Belmondo“ oder „One Two Free“, in dem auch Koshos hervorragende Singstimme auffällt. In „Scratch“ grooven sie sich zur Zugabe in einen lässigen Psychedelic-Funk hinein. Die haben es einfach drauf, die Jungs. Das muss man ihnen lassen! Peter Bastian Junge Talente im Campus Nord „Hauchdünne Alleskönner – Maßgeschneiderte Polymer-Dünnfilme aus dem Molekülbaukasten“ lautet das Thema des wissenschaftlichen Vortrags in der Reihe „Junge Talente“ am 19. Mai um 16.30 Uhr auf dem Campus Nord. Es referiert Manuel Tsotsalas. Das musikalische Programm bestreiten Wolfgang Meyer, Kolja Meyer und Xiayi Jiang unter dem Motto „Die virtuose Klarinette“ mit Werken von Gioacchino Rossini, Antonín Dvořák und anderen. BNN
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