Fetale Alkoholspektrum-Störungen

Frühe Hilfe für entwicklungsgestörte und behinderte Kinder Leipzig e.V.
„Über Leben“ mit FASD
Dr.Heike Hoff-Emden, SPZ Leipzig Frühe Hilfe e.V.
Frühe Hilfe für entwicklungsgestörte und behinderte Kinder Leipzig e.V.
Agenda
• Was ist das Problem
• Wie häufig ist das Problem
• Wie erkenne ich FASD
• Was können wir tun
• Wer macht was
• Was macht das Fachzentrum
• Wie geht es weiter
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
Frühe Hilfe für entwicklungsgestörte und behinderte Kinder Leipzig e.V.
Fetale Alkoholspektrum-Störungen
Sie sind lieb, sie sind süß, aber auch distanzlos,
zerstörerisch, aggressiv, nicht zu bändigen, locken in
uns alle Mutterinstinkte hervor… und treiben uns
manchmal an den Rand der Verzweiflung“.
Was soll bloß aus ihnen werden, werden sie jemals
erwachsen, das heißt, können wir sie allein leben
lassen...? Ich habe eine Odyssee hinter mir und
wünsche mir endlich einen Arzt, der weiß, was mit
meinem Kind los ist und was FASD bedeutet
(Zitat einer Pflegemutter)
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
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Fetale Alkoholspektrum-Störungen
Stellenbeschreibung Pflegemutter
Arbeitszeit:
24 / 7 / 365-366
Verdienst:
1,57€ / Stunde
Persönliche Voraussetzungen / Kenntnisse:
Marathonläufer, Kickboxer, Selbstverteidigung, 20-Kämpfer
Qualifikation:
Medizin
Abschluss in : Heilpädagogik, Lehramt, Sozialpädagogik, Traumapädagogik, Sozialrecht
Strukturelle Voraussetzungen:
„Wildgehege“, Leidenschaft, Chaos und Frustrationstoleranz, Humor, Flexibilität
Das schafft keiner allein = ein Netzwerk ist nötig
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
FASD Ausgangssituation
FASD
Familie
Ausnahmezustand
Stress
Diagnose
(Schock)
Probleme
Lösungsansätze
Ursprungsfamilie,
Besuchskontakte Pro und Kontra =Spannung,
gerichtliche Auseinandersetzung,
Retraumatisierung,
Gestaltung der Besuchskontakte,
Schuld und Ängste,
Trennungsängste Stress,
beschützen , Identität,
Platz in der neuen Familie, Verteufelung oder
Idealisierung der leiblichen Familie,
Sozialer Aufstieg um 2-3 Stufen
Namensänderung,
Regelung der Besuchskontakte, Aussetzen der Besuchskontakte bei
Kindeswohlgefährdung,
Begleitete Umgänge,
Verfahrenspfleger einsetzen,
Nähe- Distanz-Regulation zur Vorgeschichte,
Soziales Umfeld differenziert informieren,
leibliche Mutter – Erklärungsmodell durch Krankheit
Nichtwissen um FASD
Unverständnis der Umwelt
Trauma Wut Dissoziation
Inselwissen
Wutanfälle, Hilflosigkeit, Überforderung,
Gefühl betrogen zu sein,
wenig Unterstützung,
„Beschuss“ von allen Seiten
Notfallpläne aufstellen
Elterngruppen,
Elternseminare,
Notfallausweis
Sozialrechtliche Beratung
Hilfen nach §35a KJHG und SGB XII, Hilfen nach SGB XI
Netzwerk nutzen, Austausch mit anderen Betroffenen
Selbsthilfe, Auszeiten
Wutanfälle „analysieren“, Selbstmanagement
Odyssee bis zur Diagnose, wenig erfahrene
Diagnostiker, Nichtakzeptanz durch Behörden
Krankheitsverarbeitung
(Phasen:
1. Schock-Verleugnung
2. Aggression
3. Depression
4. Verhandeln
5. Akzeptanz)
FASD-Zentren
Behördenbroschüre
Aufklärung von Fachleuten durch FASD-Community
(Berufsgruppe für Berufsgruppe)= Multiplikatoren
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Fetale Alkoholspektrum-Störungen
74% aller Kinder sind laut
Fremdanamnese misshandelt
und/oder
missbraucht worden !
(physisch, psychisch und emotional)
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S3-Diagnostik Leitlinie FAS
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Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
• Alkoholkonsum heißt nicht Sucht bzw.
Alkoholkrank bzw. Alkoholiker!!!
• Achtung Beikonsum bei Polytox
• Frauen aus der Mittel und Oberschicht
trinken häufiger Alkohol in der
Schwangerschaft
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
19 jähriger Jugendlicher mit fetalem Alkoholsyndrom FAS
ICF-CY
Gesundheitsproblem / ICD-10
Fetales Alkoholsyndrom
Hyperaktive Störung des Sozialverhaltens
Chronische posttraumatische Belastungsstörung
Körperfunktionen u. Strukturen
• globale mentale Funktionen........3
• Spezifische mentale Funktionen...3
Umweltbezogene Faktoren
• nicht relevant
Aktivitäten
• Elementares Lernen ..3
• Wissensanwendung ..3
• Gemeinschaftsleben..3
• Kommunikation......... 3
Kontextfaktoren
Förderfaktoren : Adoptivmutter+3,
Barrieren
:
Q.86.0
F90.1
F43.9
Teilhabe (Partizipation)
• Allgm. Aufgaben u. Anforderungen.4
• Selbstversorgung...........................3
• Häusliches Leben.......................... 4
• Allgm. interpersonelle Aktivitäten... 3
• Schulbildung................................ ..3
Personenbezogene Faktoren:
• Ursprungsfamilie ...4
• Freunde.................3
• Peergroup..............4
ICF = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
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Fetale Alkoholspektrum-Störungen
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Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
Leichte Intelligenzminderung
Posttraumatische Belastungsstörung
Schlafstörung
Umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten
Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
Einfache Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung
Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
Primäre Enuresis
Enkopresis
Kopfschmerzsymptomatik
Organische Persönlichkeitsstörung
Gedächtnisstörung auf hirnorganischer Grundlage
F90
F92
F70
F43.1
G47.9
F81
F82
F83
F92
F90.0
F94
F98
F98.1
G44.8
F 07.9
F06.08
In der Adoleszenz und im Erwachsenenalter sind darüber hinaus Depressionen sowie Suchterkrankungen
häufige Komorbiditäten und spielt Kriminalität eine erhebliche Rolle.
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FASD und Teilhabe
Mangelnde
Selbstregulation
Langsame
Verarbeitungsgeschwindigkeit
Gedächtnisprobleme
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Impulsivität
Aufmerksamkeitsdefizite
Verwirrung /
Frustration
. . . . . . . . . . . . . . . .
Arithmetische
Schwäche
Desorientierung
in Zeit und
Raum
Schwaches
Abstraktionsvermögen
Mangelndes
Urteilsvermögen
geringes
Selbstwertgefühl
Perseveration
Probleme mit
Selbstreflektion
Fühlt sich
als Looser
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
Fühlt sich
ungeliebt /
allein
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Therapieprinzipien
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Ressourcen u. Defizite nach neuropsychologischer Diagnostik
Weniger ist mehr
Etablierung stabiler Alltagsroutinen
Stressreduktion für alle
Auspowern
Nutzen von Inselbegabungen
Achtsamkeit für alle
Social skills
Sozialrecht ausschöpfen
Die richtige Schule finden= Nicht die höchste Bildungsstufe =immer
niedriger als der IQ vorgibt
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Therapiesäulen
Beruf /
Beschäftigung
Wohnen
Seminare für Kids
Unterstützung Bezugsperson
Sozialrechtliche Maßnahmen
Medikation
Psychotherapie
Schule
Entwicklungsförderung
Alter
5
10
18
FASD und Adoleszenz
Aufgaben der Pubertät
FASD Realität
Mögliche Folgen
Körperliche Stigmata, Kleinwuchs
Selbstwertproblematik, Rückzug, Depression,
Sucht, Auseinandersetzung mit der
Behinderung ist tabuisiert
Soziale Entwicklung
Psychoemotionale Unreife (wirken "kindlicher"),
fehlendes Abstraktionsvermögen
soziales Regelverständnis wenig ausgeprägt,
"Verführbarkeit" für regelwidriges Verhalten u.
kriminelle Handlungen
Intellektuelle Entwicklung
Teilleistungsschwäche, Lernbehinderung,
geistige Behinderung, geringe
"Stressresistenz, Störung der
Gedächtnisfunktion versus guter
verbaler Fähigkeiten
Autonomieentwicklung
Handlungs-Planungsstruktur erheblich
eingeschränkt
keine Selbstorganisation, starke
Außenregulation nötig, können nicht
selbständig leben
Sexuelle Entwicklung
Impulskontrollstörung
"Ungebremstes sexuelles verhalten", Opfer
oder Täter von Missbrauch
Berufswahl
wenig Vorausschau, Antriebslosigkeit,
keine realistische Selbstreflexion
Anerkennung in Peergroup
Probleme in Nähe/Distanzregulation
Körperliche Entwicklung / Attraktivität
können nicht aus Erfahrungen lernen,
Überforderung, Deckeneffekt, ??
Lernverweigerung, Blender, Party-Talker
scheitern an den Anforderungen der normalen
Arbeitswelt
schließen sich Randgruppen an oder Isolation,
"Computersucht"
FASD als „Lebens-Werk“
FASD
Probleme
Balanceakt (Über-/Unter-)fördern
Fördern
Akzeptanz
Sicherheit
Dialog
Lösungsansätze
Passgenaue Therapie
Realitätsprüfung bzgl. Schule und Beruf
FASD als Gesamt(kunst)werk
Was ist mit mir los, ich „ticke“ anders, soziale Einbindung und Unterstützung
ich habe keine Schuld, dass mein Kind Krankheitsverarbeitung für Kids/ Seminare für Kids =
so ist
permanenter Prozess, andere FASD Kids kennenlernen,
Selbsthilfegruppe, Elternvernetzung, Supervision,
professionell geführte Elterngruppen
Schlafstörung,
unerkannte Traumata,
Verbleib
Fokussierte Therapie, Schlafstörung abklären
Social scills, Verbleib in der Pflegefamilie über die
Volljährigkeit hinaus, Schutz vor Retraumatisierung,
Finden späterer Wohnform u. Beschäftigung,
Wissen um (ungesteuerte) Sexualität,
Loslassen mit Begrenzung.
Medikation
Wer versteht den Dialog ?
Vernetzung, Multiplikator finden,
Verbündete suchen
Ansprüche durchsetzen
Infomaterial und Fortbildung
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Was können wir gemeinsam tun ?
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Fetale Alkoholspektrum-Störungen
Das Dilemma der Begutachtung
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Die Behinderung ist nicht sofort sichtbar
•
“gepflegtes Äußeres“
•
„gutes Benehmen“ in der Öffentlichkeit
•
Mitunter gute Einzelleistungen im verbalen Bereich „Partytalker“
•
Inselwissen, kreative Höchstleistungen
•
Störungen der Exekutivfunktionen werden als Verhaltensauffälligkeiten und
Motivationsmangel fehlinterpretiert
•
Intellektuelle Fähigkeiten werden durch emotionale Unreife zusätzlich „gemindert“
•
Trotz guter Förderung keine Alltagstruktur
•
Mühevoll erreichte „Regelschulabschlüsse“ verhindern Wege in die berufliche Reha
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
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Der Supergau Schule
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Stimmungsschwankungen
können ihr Verhalten in bestimmten Situationen nicht anpassen
naiv/leichtgläubig/verleitbar
oft motivationslos
antriebsarm
Nähe-Distanz
eingeschränkte Mimik
emotionale Ausbrüche, z.B. Wut, explosiv, zerstörerisch
übermütig
Aber auch sozial, fürsorglich, Inselwissen, emotional unreif
Heterogenes schwankendes Leistungsbild
Adoptiv /Pflegeeltern extrem engagiert
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Wichtigste Ressourcen
sind ein stabiles
Bezugssystem und
frühe Diagnose!
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
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Netzwerk für FASD-Betroffene
Betreutes
Wohnen
Justiz
Suchtberatung
„FASDDeutschland“
Pflegeeltern /
Vormünder /
Betreuer
Kita, Schule,
Berufsausbildung
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
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Was sollten wir alle gemeinsam mit den bzw. für die Betroffenen tun ????
 Angst und Stressreduktion für alle Beteiligten
 Selbstfürsorge
 Langfristige gemeinsame Pläne zur „Übergabe“
 Notfallpläne
 Auseinandersetzung mit der Behinderung und Gespräch/Prozess mit den
Betroffenen, Sucht als besondere Gefahr (Anfälligkeit) ansprechen
 „Eins geht nur“ ( Schutz vor Überforderung)

Etablierung stabiler Alltagsroutinen, Verbesserung der Teilhabe

„Das einzig Konitinuierliche ist das Diskontinuierliche“
Dr. Heike Hoff-Emden - SPZ Frühe Hilfe Leipzig
FASD Casemanagement
Probleme der Teilhabe an Maßnahmen
• Häufige Unpünktlichkeit; ohne Betreuung können Termine meist nicht
eingehalten werden.
• Menschen mit FASD reagieren häufig impulsiv, sind rasch ermüdbar,
in komplexen Situationen schnell überfordert und können dabei ‚ausrasten’
oder ‚erstarrt’ passiv sein.
• Oft zeigen sie nur geringe Empathie-Fähigkeit und/ oder ‚klebrig’
distanzloses Verhalten.
•
Es bestehen häufig Teilleistungsstörungen (v.a. im Rechnen).
• Die motorischen Fähigkeiten sind teilweise eingeschränkt.
• Da sie nicht vorausschauend denken können, begeben sie sich
möglicherweise in gefährliche Situationen und können ihre eigene
Leistungsfähigkeit nicht einschätzen.
FASD Casemanagement
Sozialmedizinische Vorschläge und Tätigkeitsprofil:
 Reha-Beratung ist bei allen Menschen mit FASD erforderlich auch
ohne Förderschulbesuch.
 Eine berufliche Einstufung sollte aufgrund der leistungsmindernden hirnorganischen Erkrankung möglichst immer eine ‚Stufe’ niedriger vorgenommen werden als der Schulabschluss zulässt.
 Spezifische Berufsbildungswerke mit viel psychischer Stabilisierung und
flexibler Stundenhandhabung sollten bevorzugt werden.
 Langzeitpraktika könnten eine gute Möglichkeit der Erprobung darstellen.
 Die Entwicklung von Arbeitsplätzen unterhalb von 6 Stunden täglich
sowie eine hohe Fehlzeitentoleranz sind empfehlenswert.
 Oft ist eine 1:1 Betreuung bei einem Menschen mit FASD anfangs notwendig.
 Kleingruppenarbeit; kein Zeitdruck, „Übersetzung“ der Aufgabenstellung, Einüben stabiler Alltagsroutinen und automatisierter Abläufe sind dabei wichtig.
Erfahrungen aus der
„Community“
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Guidelines anwenden
Multiplikatoren ausbilden
Netzwerk bilden mit Marathonqualitäten
Früherkennung
Selbsthilfe
Informationen an künftige Pflege und
Adoptiveltern vor Aufnahme
• Selbsthilfe/ Multiprofessionelle Unterstützung
• Akzeptanz als lebenslange Behinderung