Schwester Magdalena Winghofer, Mainz Zuspruch am Morgen in hr2-kultur, Donnerstag, 19.5.2016 Keine Trostpflästerchen Neulich hat mir jemand geschrieben, dass er um einen lieben Menschen trauert. Lange bin ich dann dagesessen und habe überlegt, was ich jetzt wie schreiben kann. Ich wollte gerne ausdrücken, dass es mir leid tut, dass ich mitfühle – aber ich finde es schwer, die richtigen Worte dafür zu finden. Worte, die nicht nach Trostpflästerchen klingen. Kein billiger Trost nach dem Motto „Das geht schon vorbei“ oder „Es wird alles wieder gut“. Bevor ich nur Floskeln schreibe, will ich lieber schweigen. Zu sehr weiß ich aus eigener Erfahrung: Wenn es mir wirklich schlecht geht, macht billiger Trost die Sache eher noch schlimmer. Dann habe ich das Gefühl, der andere versteht mich nicht oder interessiert sich nicht wirklich für mich. Aber genau das ist es ja, wonach ich mich in solchen Situationen sehne: Dass sich jemand für mich interessiert. Dass jemand sieht, wie es mir geht, und nicht gleichgültig ist. Dass mich jemand versteht. Ich sehne mich nach echtem Trost. Echten Trost zu schenken aber ist schwer. Paulus nennt das in seinen Briefen gar ein Charisma, eine besondere Gabe: wirklich trösten können. Und die Tradition der Kirche bezeichnet den Heiligen Geist als „Tröster“. Ich finde: Ein schönes Gottesbild – aber vielleicht auch ein ungewohntes. Trost hat viel mit Nähe zu tun. Nicht immer empfinde ich Gott so nahe. Darum war ich überrascht, wie oft die Bibel „Trost“ mit Gott verbindet: Viel öfter als ich erwartet hatte wird da beschrieben, wie Gott den Menschen tröstet. Die schönste Stelle ist vielleicht im Buch Jesaja. Da sagt Gott: „Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, so tröste ich euch.“ Gott sieht, wie mir zumute ist und womit ich zu kämpfen habe. Er weiß, was mir das Leben und manchmal er selbst zumuten. Und es lässt ihn nicht unberührt. Er hat Mitleid und will mich trösten. Gottes Trost ist kein billiger Trost. Der billige Trost läuft vor dem Schmerz davon oder beschönigt ihn. Gott beschönigt nicht. Er hält mit mir aus. Er kann schweigen, wenn es nichts mehr zu sagen gibt. In Jesus hat Gott gezeigt, wie ernst es ihm mit seinem Trost ist. Wie sehr er sich solidarisiert mit unserem Leid, wie er es mitträgt und mit aushält. Er ist nicht geflohen, als es eng wurde. Er hat ausgehalten, bis zum bitteren Ende. Zu wissen, dass Gott mich nicht vertröstet, sondern mit mir aushält – manchmal ist mir schon das ein großer Trost. Und manchmal schenkt er mir diesen Trost durch Menschen, die mit mir aushalten. Und wenn ich dann selbst wieder einmal andere trösten möchte, wenn ich dasitze und nach Worten suche – dann bitte ich den Geist Gottes, den Tröster, dass er mir seine Kraft gibt. Dass Menschen durch mich spüren können, dass Gott sie nicht vergessen hat. Sondern sie sieht. Und mitleidet. Und mit ihnen aushält. Dass er sie trösten will, wie eine Mutter ihr Kind. Zum Nachhören als Podcast http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=22644
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