2 Das Finanzkapital Seite 38 Seite 4 Schwerpunkt Austeritätspolitik und Verteilung Der Übergang von der Konjunktur- zur Austeritätspolitik erfolgte besonders drastisch in der krisengeschüttel- Schwerpunkt Finanzmarkt-Kapitalismus ten europäischen Peripherie. Die dort implementierte Das Finanzsystem hat sich gewandelt. Über das enorm angewachsene Volumen des gehandelten Kapitals verfügen neue Akteure wie Hedge Fonds, Investment banken und Rating-Agenturen. Sie operieren auf der Reformagenda zielte nicht nur auf die öffentlichen Haushalte, sondern auch auf die Arbeitsmärkte und Sozialsysteme. Wie lassen sich – in einer Zwischenbilanz – die bisherigen Ergebnisse interpretieren? Grundlage veränderter Entscheidungskriterien und transformieren dadurch die Funktionsweise des Kapitalismus insgesamt. Seite 48 Schwerpunkt Die Legitimation des politischen Systems in der Krise Über Kosten und Nutzen der Sozialpolitik wird schon seit längerem gestritten. Dass sie auch eine wichtige Seite 26 Legitimationsquelle politischer Herrschaft darstellt, wird leicht übersehen. Im dem Maße, wie die Finanz- Schwerpunkt Krisengewinner Deutschland?! und Staatsschuldenkrise sich zu einer Krise des Wohl- Im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit standen nun zu bröckeln, mit möglicherweise weitreichenden bisher die (zukünftigen) Kosten der Finanz- und Eurokrise, Folgen für Politik und Gesellschaft. vor allem für die sog. Gläubigerländer. Doch tatsächlich sind der deutsche Fiskus und damit indirekt auch die deutschen Steuerzahler durch die Krise entlastet worden. Wie lässt sich dieser Zusammenhang erklären? fahrtsstaats auswächst, scheint diese Legitimation Das Finanzkapital 3 Das Finanzkapital Klaus Dörre und Hans Rackwitz Finanzmarkt-Kapitalismus – Entstehung, Dynamik, Krisenpotentiale 4 Geraldine Dany und Reint Gropp Deutschland, ein Krisengewinner?! Seite 18 Wie der deutsche Staatshaushalt von der Griechenlandkrise profitiert26 Interview Führt der Bedeutungsgewinn der Finanzmärkte zu mehr sozialer Ungleichheit? Und wie wirkt sich die Finanzkrise dabei aus? Ein Gespräch mit Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschafts forschung (DIW) und wirtschaftspolitischer Berater der Bundesregierung. Christoph Hermann Löst der Markt alle Probleme? Arbeits- und verteilungspolitische Implikationen der Austeritäts- und Strukturpolitik38 Laura Seelkopf und Frank Nullmeier Sozialpolitik und Legitimation in Zeiten ökonomischer Krisen48 Interview mit Marcel Fratzscher Wege in die Ungleichheit – und wieder heraus?18 Pro & Contra Seite 56 Silke Tober Die Europäische Zentralbank tut gut daran, die Inflation schnellstmöglich zu erhöhen57 Pro & Contra Geldpolitik der EZB Michael Wohlgemuth Die EZB ist ins Zentrum des europäischen Krisenmanage ments gerückt. Dabei ist ihre Rolle auch unter Ökonomen sehr umstritten. Die EZB in der Sackgasse63 Forum Balasundaram Krisanthan und Tim Engartner Der politische Kern in der politisch-ökonomischen Bildung68 Rezensionen Bücher zum Thema 76 Seite 68 Forum Schulfach „Wirtschaft“ Sollen ökonomische Zusammenhänge in der Schule in einem Fach „Wirtschaft“ unterrichtet werden oder interdisziplinär? Was spricht für die zweite Option? Das streitbare Buch80 Bücher für den Politikunterricht82 Literaturtipps 86 Impressum88 EDITORIAL Dieser Perspektivenwechsel kommt nicht ganz überraschend. Schon in den 1990er Jahren hatte der Historiker Eric Hobsbawm in seiner Studie „Das Zeitalter der Extreme“ prognostiziert, dass das 21. Jahrhundert durch die Wiederkehr harter Verteilungskämpfe gekennzeichnet sein werde; und nicht wenige Sozialwissenschaftler begannen, sich entweder mit der „Underclass“, der Prekarität und den vielfältigen Phänomenen der sozialen Exklusion oder aber – dies allerdings in weitaus geringerem Maße – mit der Anhäufung und Konzentration von Reichtum, Vermögen und Macht zu beschäftigen. Im Zuge der Finanz-, Schulden- und Eurokrise hat sich diese Diskussion verallgemeinert. Hiervon zeugt eine ganze Reihe von Untersuchungen: etwa eine OECD-Studie von 2011 „Divided we stand – why inequality keeps rising“, ILO-Berichte zu Ungleichheiten in der Arbeitswelt, Publikationen der Europäischen Kommission zu ungleichen Lebenslagen und gesteigerten Armutsrisiken oder Thomas Pikettys Analyse der zunehmenden Vermögens- und Einkommenskonzentration. Im Anschluss an den Oxfam-Bericht „An economy for the 1 %“ und die Veröffentlichung der sog. „Panama Papers“ hat sich die öffentliche Debatte weiter zugespitzt. beleuchtet die Zusammenhänge, die Die vorliegende Ausgabe von zwischen der Finanzmarktentwicklung, den Krisenprozessen und der sozialen Ungleichheit bestehen. Gibt es strukturelle Ursachen der zunehmenden Ungleichheit? Wie wirken sich die Krise und das Krisenmanagement verteilungspolitisch aus? Wer trägt die Kosten? Gibt es neben den Krisenverlierern auch Krisengewinner? Welche wirtschaftlichen und sozialen Effekte sind mit den politischen Strategien, nicht zuletzt mit der Geldpolitik der EZB oder der Austeritätspolitik, verbunden? Wie könnten politische Alternativen aussehen? Und verändern sich im Verlauf der Krise die politischen Machtverhältnisse und Muster einer – wohlfahrtsstaatlich gestützten – Legitimation von Herrschaft? Hans-Jürgen Bieling © Oliver Plätzer Als Rudolf Hilferding im Jahr 1910 vom „Finanzkapital“ sprach, hatte er eine ausgeprägte Machtkonzentration von Bank- und Industriekapital unter Führung des Finanzkapitals vor Augen. Für ihn war damit eine effektive Organisation der ökonomischen Prozesse verbunden, die günstige Voraussetzungen schuf, um die Eigentumsverhältnisse zu verändern und den Kapitalismus zu überwinden. Die heutige Rede vom Finanzkapital oder vom Finanzmarkt-Kapitalismus verdichtet sich in einer anderen Zeitdiagnose. In deren Zentrum steht nicht der „organisierte Kapitalismus“, sondern ein wettbewerbsorientiertes, globalisiertes und krisenanfälliges Wirtschaftssystem, das vielfältige Unsicherheiten und Ungleichheiten generiert. Neuer Glanz oder drohendes Unheil über der Frankfurter Bankenskyline?
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