Ohne Not dem Kapitalmarkt geschadet Kritischer Blick auf die neue Quartalsberichterstattung Seit diesem Jahr veröffentlichen Unternehmen ihre Quartalsberichte nach dem neuen TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz. Dieses bildet die rechtliche Grundlage dafür, nach der börsennotierte Unternehmen nicht länger aussagekräftige Quartalsberichte veröffentlichen müssen. Peter Thilo Hasler, Sphene Capital Stattdessen liegt es im Ermessen des Emittenten, welche Informationen die wesentlichen Geschäfte innerhalb des Berichtszeitraums korrekt und die Auswirkungen auf die Finanzlage des Unternehmens in ausreichendem Maße widerspiegeln. An die Stelle eines integrierten Quartalsabschlusses mit Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Segmentund Kapitalflussrechnung sollen in den Augen des Gesetzgebers wenige Eckdaten für die Entscheidung eines Anlegers ausreichend sein, sich an einem Unternehmen zu beteiligen oder nicht. Da hilft es wenig, wenn beispielsweise die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse für die im Prime Standard notierten Unternehmen weiterhin die Veröffentlichung von Quartalsberichten vorsieht und sich für diese Unternehmen somit keine wesentlichen Änderungen der Berichtspflichten ergeben. Für die aktuell 157 Unternehmen, die am General Standard notiert sind, sind die Auswirkungen dagegen erheblich: Für sie entfällt zukünftig die Pflicht zur Veröffentlichung von Q1- und Q3-Berichten. In puncto Finanztransparenz unterscheiden sie sich damit nicht mehr von Unternehmen des Entry Standards. Unternehmen veröffentlichen Finanzberichte, um ihren Aktionären ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten gemäß dem angelsächsischen Grundsatz des „true and fair view“ zu vermitteln. Neben dieser vergangenheitsorientierten Darstellung sollen Investoren auch über die vom Management erwarteten Entwicklungen im Unternehmen und in der Branche in Kenntnis gesetzt werden. Werden Finanzberichte wie bislang in einer halbwegs standardisierten Form veröffentlicht, können Finanzanalysten wie Investoren mit überschaubarem Aufwand zu einer fundierten Einschätzung der operativen Entwicklung des Unternehmens kommen. Keiner der beiden genannten Entscheidergruppen hatte denn auch einen Grund, sich über die bisherige Veröffentlichungspraxis zu beschweren. Dennoch wurde ohne Not ein Gesetz geändert, das für eine fundamentalanalytische Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen essentiell ist. Politiker, die behaupten, eine halbjährliche Berichtsfrequenz wäre doch völlig ausreichend, übersehen ein wichtiges Detail in der Veröffentlichungspraxis von Unternehmen: Da die überwältigende Mehrheit der Entry Standard-Emittenten die vorgegebenen Fristen bis zum letzten Tag ausreizt, erscheint der Halbjahresbericht am 30. September eines Jahres, der Jahresabschluss aber erst am 30. Juni des Folgejahres. Von diesen Unternehmen erfährt der Investor im Zweifel also über einen Zeitraum von neun Monaten NICHTS. Dies mag in Zeiten von Eisenbahnaktien noch akzeptabel gewesen sein, im Internetzeitalter trennen neun Monate mindestens zwei Generationen. Das Gesetz trägt daher den falschen Namen. In Wahrheit sollte es Intransparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz genannt werden. Natürlich wird kein Unternehmen daran gehindert, die Veröffentlichungspraxis wie bisher fortzuführen. Diejenigen, die sich dennoch für eine abgespeckte Variante entscheiden, sollten sich jedoch nicht wundern, wenn ihre bisherigen Aktionäre ebenfalls eine Entscheidung treffen: eine, die die Kapitalkosten des Unternehmens substantiell erhöht. Denn der Intransparenz-Abschlag auf die Aktien wird voraussichtlich erheblich sein. Der Autor: Peter Thilo Hasler gründete 2010 mit seiner Frau Susanne die Sphene Capital GmbH, wo er heute als Analyst tätig ist. Zuvor war er u.a. bei Blättchen & Partner und UniCredit. Seit 2014 ist Hasler Dozent an der FOM München und hält Vorlesungen zu den Themen Asset Management und Investor Relations. Er ist Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher u.a. zur Unternehmensbewertung sowie über Unternehmensanleihen. Der Beitrag erschien zuerst in der Juni-Ausgabe des GoingPublic Magazins Quelle: http://www.goingpublic.de/ohne-not-dem-kapitalmarkt-geschadet/
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