Martin Niemöller (1892-1984) – Widerstand im NS - VVN-BdA

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Versammelte
wir stehen hier an einem Platz, unbemerkt von der Öffentlichkeit, der Martin Niemöller Platz
genannt wurde. Das ist natürlich kein Zufall. Aber wer ist Martin Niemöller und warum
versammeln wir uns hier?
Lassen Sie mich also ein paar Verbindungslinien ziehen zwischen diesem Mann und dem 8. Mai, an
dem endlich das nationalsozialistische Regime niedergerungen wurde, von den Alliierten. Wir, das
deutsche Volk damals, hat sich nicht selbst befreit, sondern es musste befreit werden. Deswegen ist
der 8. Mai auch kein offizieller Nationalfeiertag und der Münsteraner Stadtrat hatte offensichtlich
heute überhaupt kein Problem damit, stattdessen zum fröhlichen Shoppen einzuladen und den
Handel und Kommerz Münsters zu feiern. Ich bin überzeugt davon, dass den Verantwortlichen vom
Stadtmarketing der 8. Mai überhaupt kein relevantes geschichtsträchtiges Datum war; also die bloße
Ignoranz?
Wir aber sind heute mit voller Absicht eben nicht bei Karstadt, sondern hier.
M.N. ist 1892 in Lippstadt geboren, als Sohn eines ev. Pfarrers. Als die Familie nach WuppertalElberfeld umzieht, lernt er das Elend des Industrieproletariats im Ruhrgebiet kennen. Er schreibt in
seinen Erinnerungen, dass der über einem Webstuhl eingestickte Spruch „Was würde Jesus dazu
sagen?“ für ihn zur Lebensfrage wurde, allerdings erst viel später.
M.N. macht Abitur und wird im 1. Weltkrieg zum gefürchteten U-Bootkommandant. Die Briten
nennen ihn den „Schrecken von Malta“.
Danach passiert etwas Eigenartiges: er fängt nämlich an Theologie zu studieren und zwar in
Münster, 1920 kämpft er aktiv gegen die Arbeiter im Ruhrkampf, 1929 ist er Vertreter der ev.
Kirche im Stadtrat.
Halten wir fest: Er ist stramm rechts, deutsch-national eingestellt, wählt konsequent NSDAP, setzt
sich gleichwohl für die sozialen Belange seiner Leute in der Gemeinde ein.
1931 geht er nach Berlin, in die vornehme Gemeinde Berlin-Dahlem und erst hier beginnt seine
Umkehr, die Wende zum Pfarrer im Widerstand gegen das NS-Regime, der sich den Mächtigen
entgegenstellt, ein überzeugter Antimilitarist. 1933 protestiert er gegen den Arierparagraphen bzw.
dessen Anwendung in der ev. Kirche; ihm ist klar, dass man sich organisieren, sich
zusammenschließen muss mit Gleichgesinnten, er gründet den Pfarrernotbund, 1934 die
Bekennende Kirche.
Wir wissen letztlich nicht, wie es zu diesem Gesinnungswandel gekommen ist: als M.N. 1937 von
der Gestapo verhaftet wird, laufen gegen ihn 40 Gerichtsverfahren. Vor dem berüchtigten
Volksgerichtshof wird er frei gesprochen, die Sensation. Auf persönlichen Befehl Hitlers wird er
noch vom Gericht verschleppt, erst ins KZ Sachsenhausen, dann nach Dachau. M.N. überlebte das
Grauen und kommt 1945 frei. Martin N. stirbt 1984
Nach diesen Erfahrungen wird Martin Niemöller zum profiliertesten Antimilitaristen der jungen
Bundesrepublik; er wird immer wieder zum Vorsitzenden der ev. Kiche gewählt, gleichzeitig aber
auch aus Ämtern entfernt, ist unbeliebt und unbequem.
Er war kein Antikommunist, was in dieser Zeit etwas heißen will; er hat keine Berührungsängste, er
sucht den Dialog mit Israelis und mit Palästinensern; 1954 wird er zum Präsidenten der Deutschen
Friedensgesellschaft gewählt, begleitet die Ostermärsche gegen die Wiederaufrüstung der BRD, ist
Kriegsdienstgegner, stellt sich gegen atomare Bewaffnung, ist eine führende Persönlichkeit der
Friedensbewegung in den 80 er Jahren gegen die NATO.
Wir stehen hier um uns zu fragen, was wir von Martin Niemöller lernen können.Sein Lebenswerk
auf heute zu übertragen, heißt sich zu fragen: „Was würde Jesus dazu sagen?“: Zu Afghanistan, Irak,
Syrien, zu Jugoslawien ...
Keine von den Antworten, die M.N. sich auf die obige Frage gegeben hat, ist heute obsolet, ganz im
Gegenteil. Wir leben immer noch in einer der Welt der Kriege, der Kriegsverbrechen, der
Militarisierung, der Gewöhnung an den Militarismus in der Gesellschaft. Auch, wenn das alles
andere Formen annimmt, die Kriege vielleicht andere Gründe haben.
Sagen wir also nein zu Kriegseinsätzen mit Hilfe deutscher Soldaten;
Sagen wir also nein auch zur logistischen Unterstützung von Natoeinsätzen durch die Bundeswehr,
denn Krieg beginnt hier.
Sagen wir nein zu Militarisierung der Gesellschaft,
wenn Zapfenstreiche öffentlich für die Bundeswehr werben
wenn die Bundeswehr in die Schulen geht und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen,
Militärdienst als Event präsentiert.
Wenn Soldatengottesdienste in Uniform vom Bischof bei uns im Dom abgehalten werden mit
offensiver Unterstützung der Kath. Studentengemeinde, so geplant für den 21. Juni.
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch.“ Wehret den Anfängen“ so haben wir mal gesagt.
Aber wie meinte neulich in einem Interview die Überlebende von Auschwitz Ester Bejarano: Wir
sind doch schon mittendrin!
Martin Niemöller als Person geht uns voran: er gab nie auf; er hielt an seiner Überzeugung fest;
Mainstream war ihm egal; politische Karriere war ihm egal; er war ein gläubiger Mensch, er war
von Jesu Botschaft beseelt, dass das Leben aller Menschen heilig ist. Mit diesem Glauben stand er
Seite an Seite mit allen Menschen, die diese Einstellung aktiv und glaubwürdig vertraten.
Ich möchte mit einem Zitat von Martin Niemöller aus einer Rede 1962 schließen, die er anlässlich
des 15. Jahrestags der Gründung der VVN gehalten hat:
Für eine Weile mag sich das Leid hinter einem Vorhang verbergen; aber – es ist da, es bleibt; und
ein kleiner Windstoß weht den Vorhang hinweg, und das große Erschrecken von einst wird plötzlich
wieder drohend gegenwärtig. So drohend, so gegenwärtig, dass wir fragen, ob denn das Vergangene
wirklich vergangen sei; oder ob wir nicht die Aufgabe, die uns damals wurde, das Vermächtnis, das
uns die Toten hinterließen, noch immer erst zu erfüllen haben, damit wir ihres Leides und ihres
Opfers im Frieden und mit einem beruhigten Gewissen gedenken können?!“
Lüften wir also immer wieder den Vorhang, hinter dem vergangenes und gegenwärtiges Leid durch
Krieg und Militarismus verborgen werden soll: Wir sind mittendrin – Krieg beginnt hier !!
Barbara Imholz für das Institut für Theologie und Politik (ITP), Münster