Medieninformation, Mai 2016
Wiener Synagogen. Ein Memory.
18. Mai bis 17. November 2016, Museum Judenplatz
Das Jüdische Museum Wien präsentiert ab 18. Mai 2016 im Museum Judenplatz „Wiener
Synagogen. Ein Memory“. Vor 1938 gab es in Wien fast einhundert Synagogen und Bethäuser. Sie
alle wurden – mit Ausnahme des Stadttempels in der Seitenstettengasse – im Zuge des
Novemberpogroms, den von den Nazis zynisch „Reichskristallnacht“ genannten
Gewaltausbrüchen gegen die Wiener Jüdinnen und Juden, zerstört. In fast jedem Wiener Bezirk
standen damals eine große Synagoge - in der Leopoldstadt sogar fünf - und mehrere Bethäuser,
heute ist jede Spur davon verwischt.
Die Synagogen entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem Kaiser Franz Joseph I. den
Juden die Gründung einer Gemeinde gewährte und damit auch den Bau von im Stadtbild
sichtbaren Gotteshäusern gestattete, was zuvor über Jahrhunderte nicht möglich war. Die großen
Wiener Synagogen bestachen mit ihrer beeindruckenden stilistischen Vielfalt. Die Ausstellung
„Wiener Synagogen. Ein Memory“ bietet die Möglichkeit, die zerstörten Wiener Synagogen virtuell
wieder zu besuchen. In Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Bob Martens von der Technischen
Universität Wien und dem Architekten Herbert Peter zeigt das Jüdische Museum Wien innovative
virtuelle Rekonstruktionen, Modelle und viele Ansichten dieser ausgelöschten Wiener
Sakralbauten, die heute zumeist durch Wohnbauten ersetzt sind. Die Ausstellung erlaubt den
BesucherInnen damit einen Blick auf das Wien vor 1938 und rückt die zerstörten Synagogen mit
ihren räumlichen Wirkungen und städtebaulichen Dimensionen wieder ins Bewusstsein.
Zur Geschichte der Wiener Synagogen
Seit mehr als 800 Jahren sind Synagogen in Wien urkundlich belegt. Fundstücke, die einen großen
Teil der permanenten Ausstellung im Museum Judenplatz ausmachen, bezeugen, dass es schon
im Mittelalter eine lebendige jüdische Gemeinde in Wien gab. Diese wurde 1420/21 gewaltsam
aufgelöst und deren Synagoge abgetragen, ihre Steine für einen Neubau der Wiener Universität
verwendet. Die Fundamente der mittelalterlichen Synagoge sind heute im Museum Judenplatz zu
besichtigen. Erst wieder um 1600 konnte eine neue jüdische Gemeinde entstehen, die 1625 in das
Getto im Unteren Werd ziehen musste. Hier, hinter den Gettomauern entstanden drei Synagogen,
die auch von außen als solche erkennbar sein durften. Als die Juden bereits 1670 wieder
vertrieben wurden, wurde die Synagoge in eine Kirche umgebaut. Nach dem Namenspatron des
Kaisers, der die Juden vertrieben hatte, wurde sie Leopoldskirche genannt. Erst 1810, fast dreißig
Jahre nach dem Toleranzpatent, konnten die Wiener Juden in der heutigen Seitenstettengasse im
so genannten Dempfingerhof ein Bethaus errichten, das allerdings bald zu klein sein sollte. Dem
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Bau des an derselben Stelle geplanten und sich noch heute dort befindlichen Stadttempels
stimmte Kaiser Franz I. nur unter der Bedingung zu, dass das Gotteshaus nicht von außen als
solches erkennbar wäre. Auch als Kaiser Franz Joseph I. den Juden 1852 endlich die Gründung
einer jüdischen Gemeinde erlaubte und damit Synagogen auch eine entsprechende Fassade
haben durften, musste sich der Platz im Wiener Stadtbild erst erkämpft werden. Die christliche
Wiener Mehrheitsgesellschaft wollte durch die Synagogen keine optische Konkurrenz zu den
katholischen Kirchen in der Stadt. Mit dem Staatsgrundgesetz 1867 und der Bewegungs- und
Aufenthaltsfreiheit erreichten immer mehr jüdische Zuwanderer die Haupt- und Residenzstadt. Der
Bedarf an Gotteshäusern wuchs stetig. Nach Plänen des Stararchitekten Ludwig Förster entstand
zwischen 1854 und 1858 die Zentralsynagoge in der heutigen Tempelgasse mit heute
unvorstellbaren 2240 Sitz- und 1500 Stehplätzen. Kontinuierlich entstanden nun Synagogen und
Bethäuser – von repräsentativen Bauten über ganz schlichte Gebäude bis hin zu kaum sichtbaren
Räumlichkeiten in verschiedenen Wiener Bezirken. Die teilweise berühmten ausführenden
Architekten ermöglichten eine große stilistische Vielfalt: Wilhelm Stiassny, Hugo von Wiedenfeld,
Ludwig Tischler, Andreas Streit, Johann Schäffer, Max Fleischer, Jakob Gartner, Ignaz N. Reiser
sind nur einige der Namen von Architekten, die maßgeblich an der Errichtung der sakralen
Gebäude in Wien beteiligt waren. Die Wiener Architekten waren auch in Böhmen, Mähren und
Ungarn in viele Synagogenprojekte involviert. In nur einer Nacht waren die Wiener Synagogen
Geschichte – vom 9. auf den 10. November 1938 setzten die Nazis die Synagogen in Brand und
machten diese damit dem Erdboden gleich.
Virtuelle Rekonstruktion und Gegenwart
Während die Wiener Synagogen aus dem Stadtbild gelöscht wurden, blieben die Planunterlagen,
mit denen die Architekten ihre Projekte einreichten zum Großteil erhalten. Die Einreichpläne
dienten als Basis eines Projekts, an dem Bob Martens, Professor an der Technischen Universität
Wien, und Architekt Herbert Peter nun seit über fünfzehn Jahren arbeiten. Ziel ihrer Unternehmung
ist es, die zerstörten Synagogen in Wien, in den österreichischen Bundesländern und in der
ehemaligen k. u. k.-Monarchie wieder virtuell begehbar zu machen. Unterstützt wurden sie bei
ihrem Rekonstruktions-Projekt von ihren DiplomstudentInnen.
Zahlreichen Ansichtskarten, zeitgenössischen Darstellungen, Pläne, Modelle, Dokumentationen
wie das Brandbuch der Wiener Feuerwehr vom November 1938 und insbesondere die virtuellen,
computergestützten Rekonstruktionen, dienen dazu, sich die räumliche Wirkung dieser zerstörten
Wiener Bauwerke vorzustellen. Die zerstörten Synagogen werden in Form eines
dreidimensionalen Computermodells nachgebaut. Das virtuelle Rekonstruieren ist durchaus mit
archäologischen Tätigkeiten vergleichbar: Auch hier ist jedes neue Rekonstruktionsprojekt eine
neue Suche nach einer unerfüllbaren Vollständigkeit von Informationen in Plänen, Fotografien,
Skizzen und sonstigen Dokumenten. Computergestützte Darstellungsformen können die zerstörten
Wiener Synagogen nicht wiederherstellen. Sie können jedoch helfen, sich ausgelöschte Gebäude
und Räume in ihren Dimensionen und in ihrer einstigen Wirkung vorzustellen.
Auf den meisten Grundstücken, an denen einst Synagogen standen, befinden sich heute vor allem
Gemeinde- und Genossenschaftsbauten der 1950er und 1960er Jahre. Auf den ersten Blick
erinnert nichts an die eindrucksvollen Sakralbauten – lediglich kleine Gedenktafeln weisen an fast
allen Standorten auf die düstere Geschichte hin. Einzig der Wiener Stadttempel ist bis heute
erhalten geblieben, was er vermutlich nur der Tatsache verdankt, dass ein Brand dieser Synagoge
ein großes Feuer im Zentrum von Wien verursacht hätte. Der Stadttempel ist nach wie vor
spiritueller Mittelpunkt der Wiener jüdischen Gemeinde.
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Zu der von Danielle Spera und Werner Hanak-Lettner gemeinsam mit dem Architektenteam Bob
Martens und Herbert Peter kuratierten Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog (ISBN-Nr.
978-3-99300-266-4) im Metroverlag zum Preis von € 24, der ab sofort im Museum und im
Buchhandel erhältlich ist. Außerdem gibt es ein Memo zur Ausstellung zum Preis von € 12, das im
Museum erhältlich ist. Zum Kombipreis erhalten Sie Katalog und Memo um € 30. Die Ausstellung
„Wiener Synagogen. Ein Memory“ ist von 18. Mai bis 17. November 2016 im Museum Judenplatz,
einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Das Museum in 1010 Wien, Judenplatz 8, ist von
Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, Fr 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der zweite Standort im
Palais Eskeles, 1010 Wien, Dorotheergasse 11, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Weitere Informationen unter www.jmw.at oder unter [email protected].
Rückfragehinweis
Medienbüro des Jüdischen Museums Wien
Alfred Stalzer, Mediensprecher
Tel.: +43-1-505 31 00
Mobil: +43-664-506 49 00
E-Mail: [email protected]
Foto- und Pressematerial zu den aktuellen Ausstellungen finden Sie auf der Homepage des
Medienbüros unter: www.stalzerundpartner.com unter Service/Downloads. Einblick in die
laufenden Ausstellungen und Veranstaltungen erhalten Sie über YouTube unter
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