TTIP: Ihre Rechte werden auf dem
Altar des Profits geopfert
Raphaëlla D'AMICO, Form' Action André Renard
Ein Artikel der Online-Zeitschrift www.dautresreperes.be
TTIP steht für "Transatlantic Trade and Investment
Partnership"
Die europäische Union (EU) verhandelt seit Mai 2013 die transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft mit dem Ziel, den Handel der Güter und Dienstleistungen zwischen der EU
und den USA zu vereinfachen. Dieses Abkommen wird uns angepriesen als DAS Abkommen, welches
unsere Wirtschaft wieder ankurbeln soll, den Einfluss Europas in der Welt zu erhalten (gibt es den
noch...) sowie Arbeitsstellen und Wachstum in der gesamten EU zu schaffen.
Und mit welchen Maßnahmen?
Nämlich den folgenden:
- Den amerikanischen Markt für die europäischen Unternehmen öffnen;
-
Die administrativen Formalitäten vermindern, die auf unseren Unternehmen lasten beim
Export ihrer Produkte;
-
Neue Regeln festlegen, die dazu bestimmt sind, die Exporte und Investitionen jenseits des
Atlantiks zu erleichtern und sie gerechter zu gestalten;
Kurz, TTIP würde dazu beitragen die Kosten für unsere Unternehmen zu senken, neue Regeln
einzurichten die es erlauben jenseits des Atlantiks unter einfacheren und gerechteren Bedingungen
Handel zu treiben und zu investieren.
Das ist schön und gut, aber zu welchem Preis werden Sie mich fragen?
Denn wenn unsere Unternehmen nach drüben einfacher investieren und exportieren können,
werden die großen amerikanischen Konzerne ebenfalls in der EU investieren und ihre Produkte in die
EU exportieren können!
Und sofort...
- erfolgt eine Schwächung der europäischen Normen in verschiedenen Gebieten wie der
Nahrungsmittelsicherheit, der Rechte der arbeitenden Menschen, der Schutz der Umwelt;
-
erfolgt eine Zerschlagung der europäischen Gesetzgebung, die bereits sehr schwach ist was
die Zollrechte zwischen der EU und den USA betrifft;
-
können die großen amerikanischen Unternehmen Aktionen gegen unsere Regierungen in die
Wege leiten aufgrund eines Ja oder Nein;
-
wird es das Ende der europäischen Filmindustrie und anderer kreativer Industrien sein.
Wir dürfen die großen Unterschiede, die uns von den Vereinigten Staaten unterscheiden nicht durch
dieses bilaterale Freihandelsabkommen aus den Augen verlieren.
Für die Amerikaner kommt im Gegensatz zu den Europäern vor der Freiheit die Sicherheit, die NSA
unterliegt nicht der Kontrolle durch den Präsidenten und dem Kongress. Die Religion ist
vorherrschend, während es in Europa der Laizismus ist, was die Umwelt betrifft haben die USA das
Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert und im Bereich der Kultur haben sie die UNESCO-Konvention nicht
unterschrieben, ohne die großen Unstimmigkeiten zwischen der EU und den USA in Bezug auf den
Waffenhandel und die Todesstrafe zu vergessen.
Aber die europäische Union scheint sich an diesen Unterschieden nicht zu stören.
Dann stelle ich die Frage: was brächte der Liberalismus in Europa?
Denn zum heutigen Tag beweist nichts, dass die transatlantische Liberalisierung des Handels
Gewinne an Angebotseinsparungen nach sich zieht.
Nichts garantiert uns dass die Harmonisierung oder die gegenseitige Anerkennung der Normen
betreffend Nahrungsmittelsicherheit (Genetisch manipulierte Organsimen, chlorierte Hühner, Schutz
der persönlichen Daten), Schutz der Personen und der Umwelt nach oben erfolgt1.
Wie kann Europa mit den USA verhandeln über Bereiche, in denen es seine Einheit selber noch nicht
gefunden hat (Energie, Finanzen, Telekommunikation, Eisenbahn, digitale Industrie, Bewaffnung)?
Die USA, als wohlwollende Beschützer, zwingen ihren Alliierten ihre eigenen ethischen Normen auf
um auf deren Kosten daraus wirtschaftliche Gewinne und strategische politische Informationen zu
erzielen. Diese Unterschiede widerlegen die Zweckmäßigkeit und die Möglichkeit eines
"transatlantischen Binnenmarktes"1.
Es ist in der Folge gefährlich in diesem bilateralen Freihandelsabkommen nur ein weiteres
Abkommen zu sehen, denn langfristig besteht die Gefahr dass Europa in eine wirtschaftliche
Abhängigkeit zu den USA gerät.
Anderes beunruhigendes Element:
die Schiedsklausel Investoren gegen den Staat.
Der Widerstand gegen dieses Freihandelsabkommen hat 2015 nicht auf sich warten lassen.
Zahlreiche Demonstrationen haben in ganz Europa statt gefunden. Sie waren 250.000 am 12.
Oktober in den Straßen von Berlin um das Freihandelsabkommen anzuprangern. In Belgien gab es
drei Tage der Mobilisierung, mit Einkesselung des europäischen Gipfels am Donnerstag, 15. Oktober,
einen Tag mit Debatten am 16. und eine Demonstration am 17. Oktober, an der mehr als 5.000
Personen teilnahmen.
Eine Petition im Internet, die von der europäischen Kommission nicht anerkannt wird, hat bis heute
mehr als 3.000.000 Unterschriften gesammelt2.
Dieser Widerstand vereinigt zahlreiche unterschiedliche Gruppierungen und Vereinigungen, wie
Vereinigungen von Landwirten, von Verbrauchern, ökologischen und feministischen Bewegungen,
aber auch zahlreiche Bürger außerhalb organisierter Bewegungen, die sich nicht mit chlorierten
Hühnern in ihrem Teller wiederfinden wollen aufgrund von Interessen der Multinationalen.
In Belgien drückt eine einmalige Koalition von Organisationen der belgischen Zivilgesellschaft ihren
Widerstand gegen TTIP aus und fordert die Unterbrechung der Verhandlungen. Gewerkschaften,
Krankenkassen, Verbraucherschutzorganisationen, Nichtregierungsorganisationen des
Umweltschutzes und der internationalen Solidarität, ebenso frankophon wie flämisch, senden heute
eine unmissverständliche Nachricht: der Vertrag birgt zu zahlreiche Risiken für die Rechte der
Arbeitnehmer, die Gesundheitspflege und den Schutz der Verbraucher und der Umwelt im Verhältnis
zu den angekündigten wirtschaftlichen Gewinnen. Selbst Arbeitsplatzverlust könnte daraus
entstehen.
Der Einwand drückt sich auch unter der Form lokaler Mobilisierungen aus, um Gemeinden oder
Regionen als "TTIP-freie Zonen" zu erklären.
So haben sich mehrere Städte in Europa, darunter Lüttich, zu "TTIP-freien Städten" erklärt. Sie
befürchten dass das Abkommen konkrete und schädliche Einflüsse auf eine Reihe kommunaler
Materien haben könnte, wie Unterricht oder Kultur. "Ich habe den Eindruck, dass auf lange Sicht jede
Entscheidung der öffentlichen Hand, die wir sind, entgleiten wird" schätzt Willy Demeyer (PS),
Bürgermeister von Lüttich. "Lüttich alleine wird Europa nicht verändern, aber es ist wichtig sich gegen
TTIP zu wehren, denn die Gemeinden werden getroffen werden, zum Beispiel auf Ebene der
Ernährung in den Schulkantinen oder dem Gebrauch von Pestiziden" bestätigte Caroline Saal, EcoloBeraterin für die Stadt Lüttich3.
Da das Abkommen auf allen politischen Ebenen angewandt wird, muss man dann nicht befürchten
dass es nicht das Ziel ist neue Märkte zu erschließen, sondern bereits bestehende Märkte wie die
öffentlichen Dienste zu zerstören, um daraus private Märkte zu machen?
In Belgien haben bereits mehr als 40 Gemeinden einen Misstrauensantrag gegen TTIP unterzeichnet,
oft als Folge einer Bürgerinitiative. Die Website nottip.be (http://nottip.be) führt diese Gemeinden
auf, sowie jene die für einen Misstrauensantrag gegen dieses transatlantische Freihandelsabkommen
gestimmt haben, jene wo sich Widerstand bildet und endlich jene, wo der Gemeinderat sich gegen
TTIP ausgesprochen hat.
Anderes beunruhigendes Element: die Schiedsklausel Investoren gegen den Staat. Das Abkommen
sieht die Schaffung eines Schiedsgerichtes, unabhängig von jeder Rechtssprechung, vor. Das
Konkurrenzrecht geht vor Sozialrecht. Ein Staat kann keine Politik mehr zu Gunsten einer
benachteiligten Region beschließen, ohne dem amerikanischen Markt die gleichen Vorteile zu
gewähren. Was einer Bevorzugung der Investoren gleichkommt.
In Belgien haben bereits mehr als 40 Gemeinden einen
Misstrauensantrag gegen TTIP unterzeichnet.
In der gleichen Optik müsste dann ein Mitgliedsstaat ein übernationales Gremium um Erlaubnis
fragen Gesetze zu erlassen? Hat dieses Abkommen nicht als verstecktes Ziel die Möglichkeiten der
Regierungen, der Parlamente und der Völker Gesetze zu erlassen zu begrenzen?
"Dieses Modell einer Schiedsgerichtsbarkeit schafft ein Ungleichgewicht indem es den privaten
Investoren die Gelegenheit gibt die demokratisch gewählten Regierungspolitiker anzugreifen. Aber
was geschieht, wenn diese Investoren die sozialen und Umweltnormen nicht respektieren?" präzisiert
Philippe Van Muyler (FGTB) im Namen der belgischen gewerkschaftlichen Gemeinschaftsfront und
fügt hinzu: "Deshalb ist es fundamental wichtig starke soziale Klauseln vorzusehen, begleitet von
Mechanismen zur Verfolgung und Sanktionen im Falle dass die Normen der IAO nicht respektiert
werden. Dies ist umso notwendiger, wenn man vermeiden will dass die Arbeitnehmer noch stärker in
Konkurrenz gesetzt werden."
Im Angesicht dieser Befürchtungen und der zahlreicher Kritiken geraten die Verteidiger des TTIP in
Panik. Die traditionellen Parteien, die am Anfang dieses Abkommen bedingungslos unterstützt
haben, zögern jetzt.
Auf europäischer Ebene musste der Parlamentspräsident, der Sozialdemokrat Martin Schulz, die
Abstimmung im Juni in letzter Minute verschieben, um Zeit zu finden für einen Kompromiss zwischen
den christlich-sozialen, liberalen und sozial-demokratischen Gruppen, um eine Entscheidung zu
vermeiden, die den Vertrag noch ein bisschen mehr auflaufen ließe. All diese Einwände machen das
Vorankommen schwieriger.
Ursprünglich sollte der Vertrag im Januar 2016 abgeschlossen werden, aber die Kommission hat nun
mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sein wird vor Januar 2017. Die belgischen Arbeitgeber haben am
12. Oktober ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem sie fordern, dass auch die Stimme der
Verteidiger des Vertrages gehört würde. Der belgische Unternehmerverband (FEB) erinnert nicht nur
an seine Unterstützung für den Vertrag, sondern verlangt auch dass man die Verhandlungen bis zum
Ende durchführen soll. Befürchtungen der Kommissarin für den Handel, Cecilia Malström, die auch
Verhandlungsführerin ist und sich in der von ihr lancierten Kampagne wiederfinden. So hat sie am 15.
Oktober eine Anzeige in den belgischen Zeitungen veröffentlicht um den Vertrag zu verteidigen und
zu versichern, dass die Kritiken und Vorschläge berücksichtigt würden. Es geht offensichtlich darum
den Brand für das europäische Establishment zu löschen. Aber der Graben zwischen diesem und der
europäischen Bevölkerung scheint sich zu vertiefen2.
Wir zweifeln nicht daran dass unsere Fragen und Sorgen betreffend das TTIP legitim sind und es die
Pflicht unserer Verantwortlichen ist sie zu berücksichtigen und darauf zu antworten, um zu
garantieren dass die importierten Produkte unsere Normen betreffend Gesundheit, Sicherheit und
Umwelt respektieren.
Unter dem Vorwand eines "sozialen Europas", das sich der Welt und der Zukunft
zuwendet, opfern wir nicht das, wofür wir gekämpft haben, nämlich eine gesunde
Nahrung, eine bessere Umwelt, qualitativ hochwertige Produkte und ein anerkanntes
Know-how
Deshalb machen Sie es wie ich und sagen
NEIN zu TTIP!