Die Zwei-Kilometer-Bohne - Deutsches Jagd Lexikon

N e u e s B ü c h s e n ka l i b e r 9 , 5 x 7 0 E x t e n d e d L o n g Ra n g e ( E L R )
Die Zwei-Kilometer-Bohne
Das Kürzel ELR steht für Extended Long Range (erweiterte Langdistanz) und im Schießwesen sind damit Entfernungen von über 1.000 Metern gemeint. Die brandneue, deutsche Patrone 9,5x70 ELR von Michael G. Uekötter soll auch noch auf der Zwei-Kilometer-Distanz zuverlässig treffen – mit mehr Energie als eine .44 Magnum an der Mündung vorzuweisen hat.
m sportlichen, internationalen Long Range
Metier ist mit 1.000 Yards (914 Meter)
das Ende der Fahnenstange erreicht, was
wiederum den Umkehrschluß zuläßt, daß die
neue 9,5x70 ELR in erster Linie für den militärischen Scharfschützeneinsatz mit hoher Erstschußtrefferwahrscheinlichkeit auf Maximaldistanzen konzipiert wurde. Im Sport finden
selbst auf den 1.000 Yards Maximalentfernungen relativ kleine Kaliber wie beispielsweise
I
Gesetz ein Mindestkaliber von 9,5 mm
(.375") für die Bejagung von Großwild vorgeschrieben ist, kam die ansonsten bestens
geeignete .338 Lapua Magnum in Originalausführung dennoch nicht in Frage. Somit
war die Idee geboren, ohne sonstige Änderungen der originalen Hülsenkonfigurationen
die .338 LM mit einem Geschoßdiameter von
8,61 mm durch einfaches Aufweiten auf das
9,5 mm Kaliber zu konvertieren. Von der Fir-
Leistung der 9,5x70 mit dem 330 grs „MIG“ Geschoss(gerundete Werte)
Entf. 200 M 400 M 600 M 800 M 1000 M 1200 M 1400 M 1600 M 1800 M 2000 M
m/s 805
743
684
627
573
523
476
433
395
363
Joule 6931
5903
5000
4207
3514
2924
2423
2004
1670
1409
Als wichtigster und entscheidender Faktor für eine ELR Patrone gilt, das die Geschwindigkeit auf 2000 Meter immer noch
deutlich im Überschallbereich liegt.
ma Triebel Waffenwerkzeuge aus Kaufbeuren
wurden Patronenlagerreibahlen beschafft
und bei der DEVA Messungen mit Testläufen
durchgeführt. Seit dieser Zeit existiert eine
kleine aber begeisterte Gemeinde von Verwendern der Wildcatpatrone 9,5x70.
Teamarbeit der Spezialisten
Der britische Büchsenmacher Pete Lincoln, dessen moderne "Roedale Precision"
Repetiergewehre nach Kundenwunsch schon
mehrfach in caliber vorgestellt wurden, ging
im Vorjahr eine Zusammenarbeit mit Michael
G. Uekötter ein, der beispielsweise auch mit
seiner Schöpfung namens 7,62 UKM für Aufsehen gesorgt hat. Auch diese .300 Magnum
die 6,5 mm Creedmoor oder 6 mm XC (siehe
caliber 3/2010 und 5/2010) Verwendung, die
auch bei langen Serien den Schützen mit einem nur moderaten Rückstoß belasten.
100 caliber 7-8/2010
Ballistisches Fabelwesen
So fabelhaft das Leistungsvermögen der
9,5x70 ELR auch klingen mag, nach Auskünften ihres Erfinders und laut den Informationen der Datenblätter des künftigen Produzenten wird die Topschußleistung bei hoher
Energie auf der 2 km Distanz zuverlässig und
reproduzierbar erreicht. Dabei ist die Long
Range Patrone in ihrer Entstehungsgeschichte zunächst nur ein "Abfallprodukt". Denn
der engagierte Ballistiker und Wiederlade-Experte Michael G. Uekötter riet einem Jäger
auf der Suche nach einer starken Jagdpatrone
unterhalb des Leistungsniveaus seiner gewohnten .416 Rigby zur .338 Lapua Magnum.
Dieser Ratschlag seinerseits erfolgte in erster
Linie auch deshalb, weil die gesuchte Patrone
den identischen Stoßbodendurchmesser der
.416 Rigby aufweisen sollte, um eine Kaliberkonvertierung der Mauser 66 Repetierbüchse
nur durch den Wechsel des Laufes realisieren
zu können. Weil, wie mehrfach in unserer
PDM (Patrone des Monats)-Serie geschildert,
aber in einigen afrikanischen Ländern per
caliber-Kontakt
Weitere Informationen erhält man bei:
Roedale Precision, Jahnstraße 23, 49205 Hasbergen
Telefon: +49-(0)5405-606520, Fax: +49-(0)5405606530, www.roedale.de, [email protected]
Weittragende Konsequenzen (von links): Standardpatrone .308 Winchester zum Größenvergleich.
Die 9,5x70 ELR auf Basis der .338 LM-Hülse ist eine imposante Erscheinung. Hier zu sehen mit den
überlangen 330 Grains VLD Massivgeschossen aus amerikanischer und deutscher Fertigung. Die
zweite Version ist mit dem weitaus gedrungener wirkenden und 50 Grains schwereren Sierra Matchking bestückt, ein klassisches Mantelgeschoß mit Bleikern.
caliber-Tip für Fabrikpatronen in 9,5x70
Geschoß
HerstellerBezeichnung
v2
E2
Bemerkung
330 grs MIG MUN TEC
870 8093 J ELR Laborierung
350 grs SMK MUN TEC
850 8193 J Longrange Match
v2 (Geschoßgeschwindigkeit in m/s)-Angaben aus 28’’/ 711 mm-Lauflänge.
MIG = Made In Germany = ein aus dem Vollen gedrehtes Massivgeschoß.
SMK = Sierra Match King. ELR = Extendet Long Range
Patrone der Superlative basiert auf der finnischen .338 LM und beschleunigt .308er Matchgeschosse im Gewichtsbereich von 180 bis
190 Grains auf rund 950 m/s (Handladung mit Norma MPR Pulver, Federal 215 Match Zündhütchen aus 27,5" Lauf). Die Patrone sieht in
Design und Form wie eine Maxiversion einer 6 mm PPC aus und soll
absolute Spitzenpräzision im echten Long Range Bereich auch über
1.000 Meter bringen. Auch in der jungen Kooperation war man auf der
Suche nach dem Ideal eines ELR-Kalibers und wiederum war der Ausgangspunkt der Überlegungen zunächst die verdienter Maßen etablierte, militärische Long Range Patrone .338 LM. Doch im Rahmen des
Projekts befaßte man sich auch mit den Schattenseiten des Kalibers,
denn letzten Endes ist die .338 LM im Verhältnis Hülsenvolumen zu Geschoßgewicht nicht wirklich ausgewogen, weil das Volumen für das
standardmäßige 250 Grains (16,2 Gramm)-Projektil schon etwas zu
groß, für ein hinsichtlich des BC-Wertes günstigeres 300-Grains-Geschoß aber wiederum zu klein ist. Diese Tatsache führte wiederum im
Jahr 2001 in den USA zur Entstehung der militärischen Long Range Patrone .408 CheyTac, die wir im Heimatland aus dem originalen Cheyenne Tactical M-200 Scharfschützengewehr erproben konnten (siehe
caliber 7-8/2005). Das Kaliber .408 CheyTac auf Basis der gigantischen .505 Gibbs und mit einem Geschoßdurchmesser von 10,4 mm
verlangt aber auch nach einem riesigen Zylinderverschlußsystem. Im
Rahmen der Entwicklungsarbeiten der .408 CheyTac experimentierte
man auch mit dem Kaliber .375" und ließ sich von Sierra ein spezielles
350 Grains Matchking Geschoß fertigen, wobei es bis dato kein Matchking Projektil oberhalb des .338"er Diameters gab. Nachdem man bei
CheyTac die Versuche mit der .375"er Version zugunsten der .408
CheyTac abgeschlossen hatte, gelangten erhebliche Restmengen dieser
speziellen .375 Sierra Matchking Geschosse auf den Markt. Weil man
bei Roedale Precision hinsichtlich der Systemgröße eines Präzisionsgewehres im Standardbereich bleiben wollte, war die Idee schnell geboren, die militärische ELR-Version der 9,5x70 mit diesen Projektilen
zu bestücken. Nach eingehenden Versuchen zeigte sich allerdings, daß
die 350 Grains Geschoßgewicht ein klein wenig zu viel des Guten sind
und so wechselte man auf die speziellen 330 Grains Very Low Drag
(VLD) Long Range Massivprojektile des kleinen US Herstellers Lehigh
Bullets in Quakertown, Pennsylvania. Hierbei handelt es sich um aus
dem Vollen gedrehte und oberflächenbeschichtete Geschoße aus der
so genannten "Eccobrass" Messinglegierung, welche die Läufe nicht so
extrem verschmieren soll. Doch auch in Deutschland fand man in
Werner Minkenberg, der den wenigen .50 BMG Schützen in unseren
Landen ein Begriff ist, einen geeigneten Geschoßlieferanten, der das
nahezu identische .375 MIG (Made in Germany) Messingmassivprojektil produziert. Im Vergleich zum klassischen 250 Grains Geschoß
der .338 Lapua Magnum mit einem BC-Wert von .675 besitzt das 330
Grains schwere .375 MIG Geschoß der 9,5x70 ELR einen BC-Wert von
.941 – was in der Welt der Long Range Ballistik einem Quantensprung
gleichkommt. Als man das Kaliber auf der IWA 2010 vorstellte, war die
CIP Zulassung noch nicht erfolgt, was sich aber zum Zeitpunkt der Erscheinung dieses Heftes höchstwahrscheinlich bereits erledigt haben
dürfte. Die brandneue 9,5x70 ELR soll unter Verwendung von Hülsen
des deutschen Qualitätsherstellers Horneber neben den Versionen mit
den 330 Grains VLD Geschossen auch mit Jagdgeschossen von dem
deutschen Kleinserienhersteller MUN-TECH produziert werden, der
übrigens jetzt schon die Brenneke Jagdmunition fertigt. Redding Matrizensätze sowie Komponenten dürften auch über Roedale Precision zu
beziehen sein.
Text und Foto: Hermann Jansen
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