Besprechung des Chefs des Bundeskanzleramtes mit der Chefin und den Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder am 12. Mai 2016 Beschlussvorschlag Bund (Stand: 11. Mai 2016) TOP 3 Umsetzung Energiewende Der Chef des Bundeskanzleramtes und die Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder empfehlen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder folgenden Beschluss: 1. Deutschland ist auf gutem Weg bei der Umsetzung der Energiewende. Die grundlegende Reform des EEG 2014 war ein wichtiger Schritt, die Kostendynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu durchbrechen und die Planbarkeit für alle Akteure zu erhöhen. Mit der PV-Freiflächenausschreibungsverordnung haben wir erfolgreich ein Pilotverfahren zur wettbewerblichen Ausschreibung der finanziellen Förderung von PV-Freiflächenanlagen durchgeführt. Damit konnten mehr Effizienz und Kosteneinsparungen bei der Förderung von PV-Freiflächenanlagen erreicht werden. 2. Mit dem EEG 2016 wollen wir nun die Förderung der erneuerbaren Energien weitgehend auf Ausschreibungen umstellen. Mehr Wettbewerb, eine effektive Steuerung der Mengen, die Synchronisation mit dem Netzausbau und die Begrenzung der Kosten sind zentrale Anliegen für eine optimale Systemintegration der erneuerbaren Energien und eine wirtschaftlich vernünftige Weiterentwicklung unseres Energieversorgungssystems. 1 3. Bund und Länder bekräftigen ihre Entschlossenheit, den im EEG 2014 gemeinsam vereinbarten Ausbaukorridor von 40 bis 45 Prozent-Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2025 einzuhalten. Damit gewährleisten wir einen verlässlichen Wachstumspfad für die erneuerbaren Energien und schaffen Planungssicherheit für alle Akteure. 4. Mit dem EEG 2016 werden diese Ziele umgesetzt. So wie das Strommarktgesetz den Markt fit für die Erneuerbaren macht, sollen die erneuerbaren Energien fit für den Markt werden. Mit der Umstellung von der gesetzlich festgelegten Vergütung auf die Ausschreibung stellen sich die erneuerbaren Energien erstmals dem Wettbewerb. Die Politik entscheidet in Zukunft nicht mehr über den Preis, sondern über die Zubaumenge. Die Vergütung, die für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb erforderlich ist, wird über wettbewerbliche Ausschreibungen ermittelt. Ausgeschrieben wird die „gleitende Marktprämie“. 5. Wir führen Ausschreibungen für alle großen PV-Anlagen, für Windenergieanlagen an Land und auf See sowie für Biomasseanlagen ein. Künftig werden damit rund 80 Prozent der Strommenge aus Neuanlagen ausgeschrieben. [Kleine Anlagen bis 1 Megawatt (MW) werden von den Ausschreibungen aus- genommen. Damit vermeiden wir unnötige Bürokratie für kleine Projekte und erhalten die Akteursvielfalt]. 6. Mit dem EEG 2014 haben wir einen Ausbaukorridor verbindlich festgelegt. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch soll im Jahr 2025 40 bis 45 Prozent betragen. Diesen Korridor werden wir einhalten. Dies erreichen wir, indem wir für die einzelnen Technologien die Ausschreibungsmengen festlegen. Damit kann in der Summe technologieübergreifend eine effektive Mengensteuerung erfolgen. Um auch in der Übergangszeit, bis die Ausschreibungen greifen, die derzeit hohe Ausbaudynamik bei Wind an Land wieder auf den Ausbaupfad zurückzuführen, wird für die Übergangszeit der Jahre 2017 und 2018 (Festvergütung) die Vergütung im ersten Quartal des Jahres 2017 einmalig um 7,5 Prozent ab- 2 gesenkt. In den folgenden Quartalen bis zum Wirksamwerden der Ausschreibungen bleibt es bei der vom Zubau abhängigen Degression („atmender Deckel“) des EEG 2014. 7. Das Ausschreibungsdesign wird wie folgt festgelegt: 7.1 Photovoltaik Bei PV werden [ …] MW pro Jahr ausgeschrieben. Das bisherige Ausschreibungsvolumen für Freiflächen umfasste 400 MW. Mit dem neuen Ausschreibungsvolumen werden auch jenseits der Freiflächen andere große Anlagen z. B. auf großen Dächern oder auf Mülldeponien in die Ausschreibung einbezogen. Damit stellen sich künftig alle großen PV-Anlagen in einem gemeinsamen Verfahren und unter gleichen Bedingungen dem Wettbewerb. Die Flächenkulisse für PV-Freiflächenanlagen wird gegenüber der PilotAusschreibung nicht verändert. Ergänzend werden die Länder ermächtigt, in benachteiligten Gebieten die Nutzung von Ackerflächen und Grünflächen weitergehend zuzulassen (Länderöffnungsklausel). Kleinere PV-Anlagen (unter …) beziehen wir nicht in die Ausschreibungen ein. Neben dem Erhalt der Akteursvielfalt spricht hierfür auch, dass in diesem Segment die Eigenversorgung eine herausragende Rolle für die Wirtschaftlichkeit spielt. Die unterschiedlichen Anteile der Eigenversorgung würden zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Ausschreibungen führen. Für PV-Anlagen unter 1 MW-Leistung erfolgt die Mengensteuerung – wie derzeit – über den „atmenden Deckel“. Dies bedeutet, je nach Über- oder Unterschreitung des Ausbaukorridors wird die Vergütung für PV-Anlagen unter 1 MW gesenkt oder angehoben. Da der Ausbau in diesem Segment in den letzten Jahren rückläufig war, wird der „atmende Deckel“ künftig 3 schneller auf niedrigere Ausbauzahlen reagieren, und eine Mindestvergütung bleibt gewährleistet. Im Interesse der Marktintegration werden in der Festvergütung keine neuen PV-Anlagen mehr gefördert, wenn insgesamt 52 GW PV-Anlagen installiert sind (52 GW-Deckel). 7.2 Biomasse Auch für Biomasse wird bereits 2017 die erste Ausschreibungsrunde durchgeführt. [ BMWi: An der Ausschreibung können neue Anlagen teilnehmen. / Bayern: An der Ausschreibung können neue und Bestandsanlagen teilnehmen. Hiermit erhalten auch effiziente Bestandsanlagen eine Anschlussperspektive. ] Damit auch mittelständische Anlagen an den Ausschreibungen teilnehmen können, senken wir hier die Teilnahmeschwelle auf 150 kW ab. In dem Zeitraum bis 2024 läuft für insgesamt ungefähr 700 MW Biomasseanlagen (Biogas und feste Biomasse ohne Altholz) die bisherige Förderung aus. Das Ausschreibungsvolumen für die Ausschreibungsrunden 2017 – 2022 wird daher auf insgesamt [ … ] festgesetzt. An den Ausschreibungen können auch Anlagen für feste Biomasse teilnehmen. Ausgenommen werden jedoch wegen der ordnungsrechtlichen Verwertungspflicht Altholzanlagen sowie Schwarzlaugeanlagen. In die Gesetzesbegründung wird ein Berichtsauftrag aufgenommen. In dem Bericht, der bis 2018 zu erstellen und dem Bundestag vorzulegen ist, sollen die ökonomischen und ökologischen Fragen der Verwertung von Altholz und Restholz bewertet werden. Die Ausschreibungsmengen für die Ausschreibungen ab 2023 werden wir mit der nächsten EEG-Novelle festlegen. Um die Förderung auf effiziente Anlagen zu fokussieren und die Kosten wirksam zu begrenzen, wird in den Ausschreibungen ein ambitionierter Höchstwert festgelegt, der von keinem Bieter überschritten werden darf. 4 7.3 Windenergie an Land Bei Wind an Land werden […] MW pro Jahr (brutto) ausgeschrieben. An der Ausschreibung können alle Anlagen teilnehmen, die bereits immissionsschutzrechtlich genehmigt sind. Dies sichert einen fairen Wettbewerb und eine hohe Realisierungsrate. Eine Ausnahme lassen wir für lokal verankerte Bürgerenergiegesellschaften zu: Diese Gesellschaften sollen die Möglichkeit haben, bereits vor dieser Genehmigung bei den Ausschreibungen mitzubieten. Hierdurch wird verhindert, dass sie keine zu hohen Kosten für die Vorentwicklung tragen müssen, wenn sie keinen Zuschlag in einer Auktion erhalten. Mit dieser Möglichkeit für lokal verankerte Bürgerenergiegesellschaften stärken wir die Akteursvielfalt und die Akzeptanz der Energiewende vor Ort. Die Förderung von Windenergieanlagen an Land wird von dem bisherigen zweistufigen Referenzertragsmodell auf ein einstufiges Modell umgestellt. Dies schafft vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in den Ausschreibungen, da alle Anlagen dieselben Finanzierungsbedingungen haben. Das neue Referenzertragsmodell dient zugleich dem Ziel, einen bundesweiten Zubau zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund orientieren sich die Ausschreibungsbedingungen im unteren Bereich an einem Standort mit 70 Prozent-Windertrag.1 Damit wird eine bessere regionale Verteilung der Windenergieanlagen erreicht. 7.4 Windenergie auf See Bei Wind auf See sieht das EEG 2014 ein Ausbauziel von 6,5 GW für das Jahr 2020 und von 15 GW für das Jahr 2030 vor. Das Ziel für 2020 wird voraussichtlich um bis zu 1,2 GW überschritten. Wir wollen einen kontinuierlichen Ausbaupfad und werden daher die Ausschreibungsmengen Bei dem Referenzertragsmodell werden in den Ausschreibungen alle Windenergieanlagen vergleichbar gemacht, damit sie dieselben Wettbewerbsbedingungen haben. Gegenüber dem Normstandard 100 Prozent wird der unterschiedliche Windertrag durch Zu- und Abschläge ausgeglichen. Dies gilt für alle Anlagen mit einer Standortqualität von mindestens 70 bis höchstens 150 Prozent Windertrag. 1 5 gleichmäßig auf die Jahre 2021 bis 2030 verteilen und eine jährliche Ausschreibungsmenge von 730 MW festlegen, um am Ende des Zeitraums die 15 GW zu erreichen. Der Systemwechsel zu Ausschreibungen erfolgt wegen der langen Planungs- und Vorlaufzeiten bei Offshore zweistufig: Für eine Übergangsphase (2021-2024) schreiben wir unter allen Projekten aus, die in der Planung bereits weit vorangeschritten sind. Ab 2025 werden die Flächen für die Windenergie auf See staatlich voruntersucht. Die geeigneten Flächen werden dann zentral ausgeschrieben. Dies bietet für alle Akteure gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen und ermöglicht ein effizientes Zusammenspiel mit dem Netzausbau. Denn es verhindert, dass teure Netzanbindungen auf Vorrat gebaut werden. Hierfür schafft der Bund die personellen Voraussetzungen beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. 7.5 Akteursvielfalt Die Akteursvielfalt soll auch bei der Umstellung auf Ausschreibungen erhalten werden. Hierfür sorgen z.B. die Bagatellgrenze von […] sowie die erleichterten Zulassungsbedingungen für Wind an Land. 8. Verzahnung von Erneuerbaren-Ausbau und Netzausbau Neben der Umstellung der Förderung auf Ausschreibungen wird mit dem EEG 2016 das Ziel verfolgt, den Ausbau der erneuerbaren Energien besser mit dem Ausbau der Stromnetze zu verzahnen. Wegen der bestehenden Engpässe im Übertragungsnetz werden derzeit vor allem in Norddeutschland in steigendem Umfang Windenergieanlagen abgeregelt. Volkswirtschaftlich ist es sinnvoller, diese Windstrommengen nicht abzuregeln, sondern zu nutzen. [Daher werden wir noch in dieser Legislaturperiode ein Instrument zur Nutzung dieser Strommengen als zuschaltbare Lasten im 6 Umfang von bis zu maximal 2 GW einführen. Dies trägt auch zur Netzentlastung bei.] [Soweit es überregional weiterhin zu erheblichen Netzengpässen kommt, soll in der Netzengpassregion vorübergehend der Ausbau der Windenergie an Land begrenzt werden: Aufbauend auf der Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber für die Netzreserve wird ein Netzengpassgebiet im Übertragungsnetz definiert, bei dem zu erwarten ist, dass in den nächsten 3 – 5 Jahren in erheblichem Umfang die Stromerzeugung aus Windenergieanlagen abgeregelt werden muss. Dieser Vorschlag der ÜNB wird von der Bundesnetzagentur geprüft und durch Rechtsverordnung festgelegt. Das Netzengpassgebiet wird unter Berücksichtigung der Fortschritte bei Planung und Bau der Stromnetze alle zwei Jahre evaluiert und ggf. angepasst. In dem Netzengpassgebiet wird die Zubaumenge für Wind an Land mengenmäßig begrenzt: Für das Netzengpassgebiet wird eine Höchstmenge festgelegt, die maximal in den Ausschreibungen bezuschlagt werden darf. Diese Höchstmenge beträgt 50 Prozent des durchschnittlichen Zubaus in dem Netzengpassgebiet in den letzten drei Jahren.] [ BMWi: Da hierdurch der Zubau in den Netzengpassgebieten verringert wird, bleibt die Entschädigungsregelung für das Einspeisemanagement unverändert. ] 9. Wasserkraft: Da nur eine begrenzte Zahl von Wasserkraftanlagen für Neubau oder Erweiterung zu erwarten ist und folglich ein Wettbewerb im Rahmen der Ausschreibung nicht zu erwarten ist, bleibt die Wasserkraft in der Festvergütung. 10. Geothermie: Auch Geothermie bleibt in der Festvergütung. Da sich die Realisierung der Geothermie-Projekte verzögert hat, wird die jährliche Degression für die Stromerzeugung aus tiefer Geothermie von derzeit 5 Prozent ab 2018 um 2 Jahre verschoben. 7 11. Negative Preise sind einerseits ein wichtiges Preissignal, um bei hoher Stromerzeugung und geringer Nachfrage Flexibilitätsoptionen auf der Erzeugungsund Nachfrageseite anzureizen. Andererseits ist es schwer zu vermitteln, dass bei negativen Preisen gefördert wird. Vor diesem Hintergrund soll bei negativen Preisen von 6 Stunden und mehr die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht vergütet werden. Dabei stellen wir ausschließlich auf die Preissituation am Vortageshandel ab; negative Preise am untertätigen Handel werden nicht berücksichtigt. 12. Die Reform der Besonderen Ausgleichsregelung durch das EEG 2014 hat sich bewährt und wird daher beibehalten. Sie hat einerseits dafür gesorgt, dass stromkostenintensive Produktion am Standort Deutschland erhalten bleibt, andererseits hat die Reform bewirkt, die EEG-Umlage zu stabilisieren. An den Schwellenwerten der Besonderen Ausgleichsregelung kann es jedoch vorkommen, dass ein Unternehmen durch Effizienzmaßnahmen unter die Schwelle für die Stromkostenintensität sinkt. Die Besondere Ausgleichsregelung wird daher um eine Bestimmung ergänzt, die verhindert, dass Unternehmen, die in den letzten Jahren Energieeffizienzmaßnahmen durchgeführt haben, allein aus diesem Grund ihre Begünstigung verlieren. Im Übrigen bleibt die Besondere Ausgleichsregelung unverändert, um das mit der EEG-Novelle 2014 verfolgte Ziel der Kostenstabilisierung nicht zu gefährden. Diese Regelungen im EEG 2016 stellen sicher, dass die verschiedenen Elemente so ineinander greifen, dass ein wirtschaftlich vernünftiger Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt und eine optimale Systemintegration gelingt. 8
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