TU Dresden, Fakultät Architektur Prof. Dr. Hans-Georg Lippert Vorlesung Baugeschichte (Hauptstudium) Winter 2009/10 Die Stadt Venedig 12. Vorlesung Traum und Realität (II) Venedig im italienischen Nationalstaat (seit 1866) Historische Daten: • • • • • • • • • • • 1815-1866: Venedig unter österreichischer Oberhoheit (Königreich LombardoVenetien). Parallel dazu schrittweise "Wieder-Entstehung" (Risorgimento) eines italienischen Nationalstaates unter Führung des Fürstenhauses Savoyen (Königreich Sardinien-Piemont) 1866: Niederlage Österreichs im Krieg gegen Preußen (Schlacht bei Königgrätz). Venedig wird durch Volksabstimmung Teil des neuen, mit Preußen verbündeten Königreichs Italien (König Vittorio Emanuele II. von Savoyen) und Hauptstadt einer Provinz. Ansiedlung von Industrie (Dorsoduro und Giudecca) und Ausbau des Lido zum luxuriösen Seebad. 1895: Einrichtung der Kunst-Biennale in den Giardini Pubblici (Öffentliche Gärten) im Osten der Stadt 1915: Kriegsschäden durch österreichisches Bombardement 1932: Einrichtung der (heute jährlichen) Filmfestspiele auf dem Lido Nach 1945: Groß angelegte Industrialisierung des Festlandes um Marghera und Mestre; Modernisierung des Hochseehafens. Abwanderung großer Bevölkerungsteile in die Vororte. Einwohnerzahl sinkt von 130 000 (1950) auf 52 000 (2008), dazu kommen heute ca. 20 000 Studenten (viele mit Wohnung auf dem Festland) und täglich ca. 32 000 Touristen (= 12 Mio. jährlich) 1970: Venedig wird Hauptstadt der Region Veneto. Ab 1980: Wiederaufleben des 1815 abgeschafften Karnevals Ab 1988: Sondergesetze zur Rettung der in ihrer Bausubstanz zunehmend gefährdeten Stadt (Probleme: Absenkung des Lagunenbodens durch Entnahme von Grundwasser, Anstieg des Meeresspiegels, immer häufiger auftretendes Hochwasser, Schäden durch Schiffsverkehr usw.) 1994: Gründung einer Venedig-Gesellschaft zur Sanierung der Lagune 2003: Grundsteinlegung für das Projekt MOSE (Modello Sperimentale Elettromeccanico) zur Hochwasser-Sicherung der Stadt durch bewegliche Barrieren an den Lagunen-Einfahrten. Bauten (ausgewählte Beispiele): Verkehr, Infrastruktur und Geschäftsbauten: • • • • • • • • • • • 1812-1815: Anlage der Via Eugenia (heute Via G. Garibaldi) durch Zuschüttung eines Kanals 1867-1871: Durchbruch der Via Vittorio Emmanuele (heute Strada Nuova) 1873-1906: Durchbruch der Calle Larga XXII. Marzo 1874-1876: Anlage des Campo Manin anstelle der Pfarrkirche San Paterniano 1964-1971: Cassa di Risparmio am Campo Manin (Angelo Scattolin, Pier Luigi Nervi) 1854: Ponte dell'Accademia als Eisenbrücke (1933 Abbruch und Ersatz durch ein bis heute bestehendes hölzernes Provisorium) 1932: Ponte degli Scalzi (Eugenio Miozzi) 2008: Ponte della Costituzione (Santiago Calatrava) 1930-1933: Straßendamm zum Festland 1931-1934: Autorimessa Communale (Städtisches Parkhaus) an der Piazzale Roma (Eugenio Miozzi) 1952-1955: Neuer Bahnhof (Paolo Perilli) Industrie: • 1897-1920: Molino Stucky (Ernst Wüllekopp) Tourismus: • • • 1854: Entwurf zu einem Hotelkomplex am Bacino di San Marco (Ludovico Cadorin) 1898-1908: Grand Hotel Excelsior am Lido (Giovanni Sardi) 1905-1909: Grand Hotel des Bains am Lido (Francesco Marsich) Die Suche nach dem Venezianischen: • • • • • • 1902: Einsturz des Campanile von San Marco. Bis 1905 Wiederaufbau com'era e dov'era ("wie er war und wo er war") 1932-1934: Städtische Feuerwache am Rio Ca' Foscari (Brenno del Giudice) 1951: Entwurf zu einem Studentenwohnheim am Canal Grande (Frank Lloyd Wright) 1957-1958: Ausstellungsraum für Olivetti an der Piazza San Marco (Carlo Scarpa) 1961-1963: Fondazione Querini-Stampalia (Carlo Scarpa) 1966-1972: Architekturfakultät der Universität Venedig, Eingang am Campo dei Tolentini (Carlo Scarpa) • • • 1979-1986: Insel Mazzorbo, Sozialwohnungsbau (Giancarlo de Carlo u. Partner) 1980-1986: Giudecca, Sozialwohnungsbau des Istituto Autonomo Case Popolari IACP (Gino Valle u. Partner) 2000-2002: Giudecca, Neubebauung des ehemaligen Junghans-Areals (Cino Zucchi u. Partner) Spezielle Literatur: • • SERGIO LOS: Carlo Scarpa, Köln 1993. SERGIO LOS: Carlo Scarpa 1906-1978. Ein Poet der Architektur, Köln 2009 (Ein Band aus der preiswerten Architekten-Reihe des Verlags Taschen. Der Autor ist ehemaliger Mitarbeiter Scarpas, dadurch neigen seine Texte ein wenig zu unkritischer Heldenverehrung). Quellen im Internet: • • www.savevenice.org (Seite einer weltweit operierenden, privat finanzierten NGO zur Rettung der Bausubstanz Venedigs) Informationen zu den Projekten von Giancarlo de Carlo, Gino Valle und Cino Zucchi auf archinform.net und minoa.eu
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