"Gummihand-Illusion" kann durch Smartphones erzeugt werden

Psychologie aktuell: "Gummihand-Illusion" kann durch Smartphones erzeugt werden
12-05-16
"Gummihand-Illusion" kann durch Smartphones erzeugt werden
Der "Gummihand-Effekt" ist eine in der Psychologie bekannte Illusion. Dabei fühlt sich eine
Hand aus Gummi für die Versuchspersonen so an, als gehöre sie zum eigenen Körper.
Psychologen aus Münster, Leiden (Niederlande) und Regensburg zeigten nun erstmals, dass
Menschen im psychologischen Experiment auch ihre eigenen Smartphones in ihr körperliches
Ich integrierten. Das Ausmaß des Smartphone-Gebrauchs scheint eine wichtige Rolle zu
spielen.
© adimas - Fotolia.com
Es scheint der Fantasie entsprungen zu sein: Eine Hand aus Gummi fühlt sich so an, als gehöre sie
zum eigenen Körper. Was kaum vorstellbar klingt, ist eine in der Psychologie bekannte Illusion, die
sich mit einem geschickten Versuchsaufbau erzeugen lässt. Psychologen aus Deutschland und den
Niederlanden zeigten nun erstmals, dass Testpersonen auch ihre eigenen Smartphones in ihr
körperliches Ich integrieren. Ob ein Gegenstand als dem Körper zugehörig empfunden wird, hängt
also nicht nur davon ab, ob er eine ähnliche Form hat wie eine menschliche Hand. Auch das Ausmaß
des Gebrauchs dieses Gegenstandes scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Die Ergebnisse sind
aktuell im Fachmagazin "Psychological Research" veröffentlicht (online vorab).
"Dahinter steht die Frage, wie flexibel das Gehirn ist und ob der tägliche Umgang mit modernen
technischen Geräten langfristig zur Eingliederung solcher Geräte in das eigene Körperschema führt",
erklärt Privatdozent Dr. Roman Liepelt vom Institut für Psychologie der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Forscher aus Münster, Leiden (Niederlande) und
Regensburg adaptierten den Versuchsaufbau der "Gummihand-Illusion". Dabei legt die
Versuchsperson ihre linke Hand auf einen Tisch. Die eigene Hand wird abgeschirmt, sodass die
Person sie nicht sieht. Neben der verborgenen eigenen Hand platzierten die Forscher eine
Gummihand, das Smartphone (iPhone) der Versuchsperson, eine Computermaus oder einen
Smartphone-förmigen Holzklotz. Die eigene, nicht sichtbare Hand und das sichtbare künstliche Objekt
wurden dann für einige Minuten synchron oder asynchron (als Kontrollbedingung) mit einem Pinsel
gestreichelt. Dass die Versuchsperson zeitgleich fühlt, wie die eigene Hand gestreichelt wird und
sieht, wie das Objekt synchron berührt wird, erzeugt bei ihr das Gefühl, das Objekt gehöre zum
eigenen Körper beide Informationen verschmelzen dabei zu einer Wahrnehmung.
Um die Empfindungen der Testpersonen zu messen, setzten die Forscher einen Fragebogen ein.
Außerdem fragten sie einen weiteren zentralen Aspekt der Gummihand-Illusion ab: das Gefühl, die
nicht sichtbare eigene Hand verschiebe sich räumlich in Richtung der Gummi-Hand ("propriozeptiver
Drift"). Bei synchroner Stimulation empfanden die Versuchspersonen alle Objekte stärker als dem
eigenen Körper zugehörig. Mit anderen Worten: Der subjektiv gefühlte "Gummihand-Effekt" ließ sich
auch mit einem Smartphone, einer Computermaus und einem Smartphone-förmigen Holzklotz
erzeugen. Die scheinbare räumliche Verschiebung der eigenen nicht sichtbaren Hand hin zum
sichtbaren Objekt trat jedoch nur bei der Gummi-Hand und beim Smartphone auf, nicht aber bei der
Computer-Maus und beim Holzblock. Nur das eigene Smartphone erzeugte also eine ähnlich
vollständige Illusion wie die Gummihand.
Seite 1 von 2
Psychologie aktuell: "Gummihand-Illusion" kann durch Smartphones erzeugt werden
"Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass unser körperliches Selbst viel flexibler und plastischer ist, als
früher angenommen wurde", erklärt Roman Liepelt. "Denn ein Smartphone, das einer menschlichen
Hand ganz und gar nicht ähnlich sieht, erzeugte in unserem Versuch eine ähnlich starke Illusion wie
eine künstliche Hand. Vermutlich spielt dabei eine zentrale Rolle, dass die Versuchspersonen in der
Vergangenheit ausgiebige Erfahrungen damit hatten, das Smartphone zu kontrollieren." Entscheidend
sei die sogenannte multisensorische Integration. "Wir schauen täglich auf unser Smartphone und
fühlen gleichzeitig, wie wir es bedienen", sagt Bernhard Hommel von der Universität Leiden. "Eine
Kombination aus Fühlen, Sehen und vergangener Erfahrung sorgt wahrscheinlich dafür, dass wir
bestimmte Objekte in unser Körperschema integrieren." Wie weit die Flexibilität des körperlichen Ichs
geht, müsse in weiteren Studien überprüft werden, so die Forscher.
Originalpublikation:
Roman Liepelt, Thomas Dolk, Bernhard Hommel (2016): Self-perception beyond the body: the role of past agency. Psychological Research
First online: 07 April 2016; DOI: 10.1007/s00426-016-0766-1
https://idw-online.de/de/news651100
Seite 2 von 2