32 Werkstoffe| Technische Rundschau Nr. 4/2008 Mit mehr Möglichkeiten schneller ans Ziel Mit dem Selective Laser Melting, einem Rapid Prototyping-Verfahren, können sowohl Prototypen als auch Kleinserien werkzeuglos produziert werden. Und das innerhalb weniger Tage. Das Institut für Rapid Product Development (RPD) in St. Gallen hat nun den Einsatzbereich des Verfahrens drastisch erweitert. Adriaan Spierings Stefan Buob Anfang der 90er Jahre kam mit dem Selective Laser Sintering (SLS) ein generatives Herstellungsverfahren auf den Markt. Fabriziert werden damit auch heute noch Bauteile aus Kunststoff (DuraForm). Das Materialspektrum wurde jedoch in der Zwischenzeit wesentlich erweitert, so dass heute auch hochtemperaturstabile (DuraForm HAST) und flexible (DuraForm Flex) Kunststoffe verarbeitbar sind. Auch wenn nach dem SLSVerfahren hergestellte Bauteile mittlerweile sehr hohe Qualitätskriterien erfüllen, haben sie oft Auf der neuen Anlage M2 können heute auch Titan- und Aluminiumlegierungen im SLM-Verfahren verarbeitet werden. (Bild: Concept Laser) den Nachteil, nicht aus den später vorgesehenen Serienwerkstoffen zu bestehen. Selective Laser Melting schliesst eine Lücke Für Versuche unter Echtbelas tungen eignen sich oft metallische Prototypen oder Serienteile besser. Und hier setzt das Selectve Laser Melting-Verfahren (SLM) an. Damit können auch komplexe Bauteile aus metallischen Pulverwerkstoffen schichtweise aufgebaut werden. Durch abscannen der beispielsweise 30 µm dicken Pulverschicht-Querschnittsfläche mit einem Laser wird das Metallpulver geschmolzen und verbindet sich mit der darunter liegenden, bereits mit der vorherigen Schicht verschmolzenen Querschnittsfläche. Mit dem SLM-Verfahren werden heute standardmässig Bauteile aus schweissbarem Edelstahl 1.4404, 1.4542 oder 1.4034 hergestellt. Verarbeitbar sind aber auch Werkzeugstähle (1.2709 oder 1.2344) was beispielsweise die Anfertigung von Formeinsätzen für den Kunststoff-Spritzguss mit komplexesten Kühlkanälen ermöglicht. Und in Zukunft werden diesem Verfahren auch CoCr-Legierungen oder INCONEL zugänglich sein. Am Institut für Rapid Product Development (RPD) in St. Gallen wird das SLM-Verfahren zurzeit dahin gehend ausgebaut, dass neben neuen Stahlsorten auch Ti- tan- und Aluminium-Legierungen unter optimalen Bedingungen verarbeitet werden können, was dank einer neu installierten Anlage der Concept Laser GmbH möglich wird. Für den SLM-Prozess werden zudem laufend neue Werkstoffe nach kundenspezifischen Anforderungen entwickelt. Ein strategisches Ziel ist die Entwicklung von Verbundwerkstoffe mit sehr hoher Härte, die das Herstellen von Funktionsteilen ermöglichen, die konventionell (spanabhebend) gar nicht gefertigt werden können. Bekannte Bauteil eigenschaften Die mechanischen Eigenschaften von Bauteilen, die mit dem SLMVerfahren hergestellt wurden, liegen typischerweise innerhalb von Werten, wie sie aus einem Stahlschlüssel entnommen werden können. Dafür ist insbesondere die fast zu 100 Prozent erreichbare Materialdichte (typisch sind ungefähr 99 Prozent) verantwortlich. Kleinste Poren können allerdings nicht ganz vermieden werden. Wie gross ihre Auswirkungen insbesondere auf die dynamischen Materialeigenschaften sind, ist derzeit Gegenstand eines grösseren Forschungsprojekts am RPD. Ausserdem kann auch die Korngrössenverteilung einen erheblichen Einfluss auf die Materialeigenschaften und damit auf die Bauteilqualität haben. Prozessbedingt ist die Oberflächenqualität von SLM-Werkstücken Werkstoffe | Technische Rundschau Nr. 4/2008 33 Geben Sie sich nicht mit weniger zufrieden! Die Distrelec Produktvielfalt. Extremer Leichtbau wird mit tragfähigen internen Gitterstrukturen anstelle von festigkeitsbedingten Materialanhäufungen möglich. (Bild: RPD) nicht mit spanend hergestellten Teilen vergleichbar, weil eine minimale Oberflächenrauhigkeit in Kauf genommen werden muss. Funktionsflächen, die hohen masslichen oder rauheitlichen Anforderungen genügen müssen, können jedoch konventionell nachbearbeitet werden. Die typische Genauigkeit von SLM-Bauteilen liegt in Bereich von ±0,03 mm. In der Regel werden Werkstücke mit 0,05 mm Aufmass hergestellt, was problemlos eine Nacharbeit ermöglicht. Der generative Bauprozess kann durch die Berücksichtigung von SLM-spezifischen Design-Kriterien bereits im Entwicklungsstadium stark unterstützt werden. Meis tens schränken solche Kriterien die Funktionstüchtigkeit der Bauteile nicht ein, so dass die Vorteile des generativen Verfahrens richtig zum Tragen kommen. Das Anwendungsspek trum wir immer weiter Generative Produktionsverfahren wie das SLM drängen sich insbesondere dort auf, wo innerhalb kurzer Zeit Prototypen oder Sie verdienen das Beste! • 600 namhafte Hersteller • Spezialist für Kleinmengen • 24-Stunden-Lieferservice • Kein Kleinmengenzuschlag • Jetzt Katalog kostenlos bestellen! www.distrelec.ch 34 Werkstoffe| Technische Rundschau Nr. 4/2008 Spezialimplantat für die Hüfte Die Trochanter-Brace ist ein Spezialimplantat zur Refixation des Trochanter major, eines Knochenvorsprungs im Bereich des Hüftgelenks am Oberschenkelknochen. Hier setzen die Muskeln an, die den Oberschenkelknochen abspreizen und das Becken im Einbeinstand stabilisieren. Dadurch wir ein harmonisches und hinkfreies Gehen ermöglicht. Wichtig ist dieses Implantat insbesondere für Patienten, die eine Hüftprothesen-Operation durchführen lassen, denn im Rahmen dieser Operation kann der Trochanter major gelegentlich abreissen. In speziellen Fällen muss er sogar planmässig abgetrennt werden, um eine Wechseloperation an der Prothese durchführen zu können. Will man die normale Funktion der Hüftmuskulatur erhalten, muss der Trochanter major in jedem Fall wieder fixiert werden. Bis heute beträgt die Rate der Fälle, in denen der Trochanter major nach Abriss oder Abtrennung nicht oder nur unvollständig zusammen heilt bis zu 35 Prozent. Ein unvollständiges Anheilen kann jedoch zu einem lebenslangen Hinken, zu lokalen Schmerzen oder zu immer wiederkehrenden Luxationen der Hüftprothese führen. Angefangen mit dem Design über die Festigkeitsstudien bis zur Produktion wurde jetzt am Institut für Rapid Product Development in enger Zusammenarbeit mit den beiden Fachärzten Dr. K.U. Lorenz und Dr. H. Durst ein neuartiger Trochanter-Brace entwickelt. Diese Trochenterplatte wird helfen, ein altbekanntes Problem besser zu behandeln. Erst die Anwendung der SLM-Technologie hat die Entwicklung dieser Trochanterplatte soweit ermöglicht, dass die Idee einer neuen Behandlungsmethode in ein ausgefeiltes neues Implantat umgesetzt werden konnte. Insbesondere die sehr schnelle Produktion eines seriennahen Prototypen in Stahl, welcher an Kadavern implantiert und biomechanisch getes tet werden konnte, hat wesentlich zum Erfolg beigetragen. Die Trochanterplatte wird im ersten Halbjahr 2008 im Rahmen einer klinischen Studie eingesetzt werden können. Kleinserien aus metallischen Werkstoffen benötigt werden. Neben den bekannten metallspezifischen Eigenschaften können vor allem die folgenden zusätzlichen Vorteile ins Feld geführt werden: – Eine hohe Geometriefreiheit erlaubt die Herstellung komplexester Strukturen, welche oft konventionell gar nicht gefertigt werden können. Das erlaubt beispielsweise einen extremen Leichtbau indem innerhalb des Werkstücks anstelle von festigkeitsbedingten Materialanhäufungen tragfähige Gitterstrukturen eingesetzt werden können. – Mit der zur Verfügung stehenden Produktionsfläche von 250 x 250 mm können bei nicht allzu grossen Teilen auch kleine bis mittlere Serien von Werkstücken werkzeuglos innerhalb weniger Arbeitstage hergestellt werden. Dank der hervorragenden Materialeigenschaften können so hergestellte Werkstücke direkt als Funktionsteile eingesetzt werden. Die eingesparten Werkzeugkosten amortisieren die etwas höheren Preise für SLMTeile schnell. Zudem können jederzeit praktisch kostenlos geometrischen Änderungen vorgenommen werden. – Vor allem für medizinaltechnische Anwendungen, beispielsweise für patientenspezifische Implantate, werden häufig viele ähnliche jedoch nicht identische Bauteile benötigt. Hier bietet sich das SLM-Verfahren als ideale Lösung geradezu an. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das SLM-Verfahren dank der Einsatzmöglichkeit von metallischen Standardwerkstoffen praktisch in allen Branchen, vom Maschinen- über den Werkzeugbau bis zur Medizinaltechnik, für Einzelteile und Kleinserien eine wirtschaftliche Technologie ist. Stossrichtungen des RPD Das RPD wird in der SLM-Technologie auch weiterhin gezielte sowie anwenderorientierte Forschung und Entwicklung betreiben. Beispielsweise ist die Entwicklung einer ganzen Reihe von neuen, teilweise auch kundenspezifischen, Werkstoffen für den SLM-Prozess vorgesehen. Zudem werden Verbesserungen in der Prozessführung sowie Qualitätsfragen ein wichtiges Thema bleiben. Das RPD bietet jedoch am Markt auch Dienstleistungen an. Prototypen oder kleine bis mittelgrosse Serien von Bauteilen aus metallischen Werkstoffen können innerhalb von drei bis vier Arbeitstagen gebaut werden. Ein aktuelles Beispiel ist die Produktion von „Serienteilen“ in einer wöchentlichen Losgrösse um die 50 Stück, von denen jedes eine leicht andere Geo metrie aufweist. www.fhsg.ch/rpd
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