W 035/2016 Bauunternehmer muss nicht "klüger"

WIRTSCHAFT UND RECHT
W 035/2016 vom 12.05.2016
Bauunternehmer muss nicht „klüger" als Sonderfachmann sein
Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat mit Urteil vom 17.04.2013 3 U 127/12; BGH, Beschluss vom 16.12.2015 - VII ZR 125/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen), wie folgt entschieden:
Soweit auf Seiten des Auftraggebers Sonderfachleute und Architekten eingeschaltet sind, ist ein Werkunternehmer nicht dazu
verpflichtet, deren Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen,
es sei denn, „ein Fehler springt ins Auge".
Ein öffentlicher Auftraggeber lässt für seine Studentenwohnheime Photovoltaikanlagen planen und errichten. Er schließt für diese Anlagen
langfristige Stromeinspeiseverträge ab. Es zeigt sich, dass die Photovoltaikanlagen aufgrund einer nicht vermeidbaren Verschattung nicht
die maximale Stromausbeute erzielen. Dies führt dazu, dass sich die
Investitionskosten nicht während der Laufzeit der Einspeiseverträge
amortisieren. Der öffentliche Auftraggeber verlangt von der Errichterfirma Schadensersatz in Höhe von zuletzt 2,6 Mio. Euro.
Die Klage wird abgewiesen, weil die Errichterfirma keine Pflicht zur Mitteilung von Bedenken verletzt habe. Auszugehen sei davon, dass es
grundsätzlich Sache des Bestellers sei, sich darüber klar zu werden,
welcher Erfolg durch einen Werkvertrag erreicht werden solle. Zwar sei
anerkannt, dass bei einem Werkvertrag Aufklärungs- und Beratungspflichten des Unternehmers bestehen, die diesen auch ohne ausdrückliche Abrede dazu verpflichteten, den Besteller auf das mit der Verwendung des Werks verbundene Risiko oder darüber aufzuklären, ob das
bestellte Werk für den vertraglich vorgesehenen Zweck tauglich sei und
den Bedürfnissen des Bestellers entspreche. Diese Pflicht sei aber
nicht uferlos. Da sie letztlich aus Treu und Glauben abgeleitet werde,
komme es darauf an, ob der Werkunternehmer über einen Wissensvorsprung in Bezug auf Risiken verfüge, die der Auftraggeber aufgrund
seiner eigenen Sach- und Fachkunde allein nicht zu erkennen oder
richtig einzuschätzen vermöge. Soweit auf Seiten des Bestellers Sonderfachleute und Architekten eingeschaltet seien, sei ein Werkunternehmer deshalb nicht verpflichtet, deren Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, es sei denn, „ein Fehler springt ins Auge".
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