Predigt zur Ausstellung „Transformation“ von

Predigt zur Ausstellung „Transformation“ von Bettina Winkelmann und
Nurith Myrjam Lumer-Klabbers am 8.5.2016
Hauptpastor Peter Krogull, Sankt Petri Kirche Kopenhagen
Transformation.
Geht es nach dem Fremdwörterduden, dann bedeutet „Transformation“ so
viel wie Umwandlung, Umformung, Umgestaltung, Übertragung.
Warum die beiden Künstlerinnen diesen Titel für Ihre Werke gewählt haben
und was das mit ihrem eigenen geschichtlichen Erbe zu tun hat, werden sie,
werdet ihr uns, liebe Bettina, liebe Nurrith, gleich nach dem Gottesdienst
noch selber erläutern. Ich jedenfalls finde, dass dieser Titel und eure Bilder
auch sehr gut zu diesem Wochenende passt, an dem wir hier in Kopenhagen
die „himmelske dage“ die „Himmlischen Tage“ gefeiert haben. Da war
Transformation, da war Umwandlung hier in unserer Stadt zu spüren.
Eine besondere Stimmung bei den Open-air-Gottesdiensten und Konzerten,
ein besonderer Geist bei den Podiumsdiskussionen und auch sonst,
wenn man an den verschiedenen kirchlichen Angeboten hier in der City
vorbeiflaniert ist. Ein wenig so, wie wir es in Deutschland von den
evangelischen Kirchentagen her kennen, wo man auch eine besonders
zugewandte, eine besonders aufmerksame, eine besonders geistliche
Atmosphäre erleben kann.
Eine besondere Stimmung, die hier in unserer Stadt ja vielleicht auch etwas
mit dem Feiertag zu tun hatte, den wir am Donnerstag begangen haben und
der bei der Namensgebung des Kopenhagener Kirchentages Pate stand:
Christi Himmelfahrt, das Fest, das man mit Fug und Recht als das Fest der
Transformation bezeichnen kann. Denn in dieser Geschichte, die wir gerade
bei der Lesung gehört haben, wird so einiges umgewandelt und umgeformt.
Zuerst einmal denkt man da natürlich an Jesus. Sein Aufenthaltsort wird
umgewandelt. Er fährt gen Himmel, um dort den Platz an der Seite seines
himmlischen Vaters einzunehmen. Doch mindestens genauso spannend sind
die Transformationen, die auf der Erde bei seinen Jüngern geschehen:
Zuerst wird ihr Verstehen verwandelt.
Jesus erklärt ihnen noch vor seiner Himmelfahrt die heilige Schrift und auf
einmal ist die Bibel für die Jünger kein Buch mit sieben Siegeln mehr.
Sie begreifen plötzlich, warum der Gerechte leiden musste. Sie verstehen
nun, was die Kreuzigung mit der Auferstehung zu tun hatte.
Doch noch nicht nur der Verstand der Jünger wird verwandelt. Auch ihre
Gemüter werden von Jesus umgeformt. Seine Worte öffnen ihre
verschlossenen Herzen.
Die Trauer über den bevorstehenden Abschied von Jesus weicht der
Gewissheit, dass Jesus sie nicht alleine auf dieser Erde zurücklässt.
Er verspricht ihnen seinen Geist, den Geist Gottes, der auch der Geist des
Vaters ist. Vater – Sohn – Heiliger Geist. Jemand hat das mal beschrieben als
die drei verschiedenen Aggregatzustände Gottes, wie Wasser, das auch Eis
und Dampf werden kann und doch immer Waser bleibt. Gott, der damit
selbst seinem Wesen nach lebendige Transformation ist. Eine Einsicht, die
die Herzen der Jünger verwandelt und sie mit großer Freude nach
Jerusalem zurückkehren lässt.
Mit dieser Geschichte im Hinterkopf kann ich gar nicht anders, als in den
Bildern unserer Ausstellung etwas von der Transformation der Jünger
wiederzuerkennen. Ich denke an das Transparente und das Durchscheinende
dieser auf Plexi-Glas gemalten Bilder.
Wo Menschen vom Gott berührt und verwandelt werden, scheint etwas
durch sie durch, ein Licht, ein Charisma, nennen wir es ruhig den Geist
Gottes. Menschen öffnen sich und es wird im wahrsten Sinne des Wortes
transparent, woran sie glauben.
Dieser Aspekt der Bilder und unserer Geschichte erinnert uns einmal mehr
daran, aus unserem Glaube kein Geheimnis zu machen.
Der Glaube an Jesus Christus ist kein privates Mysterium, das sich Zuhause
im dunklen Kämmerlein abspielt. Unser Glaube, mit all seinen Ecken und
Kanten, will ans Licht. Nicht, weil wir als Christen alle Antworten auf alle
Fragen hätten, nein, sondern weil wir dieser Welt eine andere Perspektive
schulden. Eine neue Sichtweise, bei der einmal nicht das Recht des
Stärkeren gilt und nicht Geld und Macht das letzte Wort haben.
Von daher war es gut, dass die Kirche hier in Kopenhagen in den letzten
Tagen auf die Straße gegangen ist und das Gespräch mit den Menschen
gesucht hat, nicht nur über Geistliches, sondern auch über alle möglichen
gesellschaftlichen Fragen. Und es war gut, dass sie die Menschen dabei
nicht nur angepredigt und unterhalten hat, sondern dass sie dabei auch
hingehört hat: auf das, was Menschen bewegt, auf die Fragen, die sie
haben. Das genaue Hinhören lernen: vielleicht die wichtigste
Transformation, die unsere Kirche noch vor sich hat.
Bettinas und Nuriths Bilder erinnern mich aber auch noch eine wichtige
persönliche Transformation. Ich liebe es, dass die Menschen auf euren
Werken so etwas Angedeutetes, Skizzenhaftes haben. Manchmal sind nur
die Umrisse zu erkennen. Je nachdem, wie das Licht auf die Bilder fällt,
verändern sich die Figuren. Mich erinnert das an einen Satz aus der Bibel,
aus dem 1. Johannesbrief: „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir
sein werden.“ Wir Menschen haben immer etwas Fragmentarisches. Wir sind
noch nicht fertig und nie am Ende unserer Weisheit. Glauben zum Beispiel
ist ein lebenslanges Lernen, ein Gewiss-sein-dürfen, aber auch ein Fragen
und Zweifeln müssen. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ sagt ein Mensch
in der Bibel.
Gott verdammt uns nicht für unsere Fragen und Zweifel, im Gegenteil.
Durch diese fragmentarischen Figuren und Skizzen leuchtet sein Licht.
Mit unseren Ecken und Kanten sind wir seine geliebten Kinder. Eine gute
Erinnerung gegen alle Ganzheits- und Perfektionszwänge, unter denen wir
oft stehen. Auch gegen religiöse Ganzheitszwänge, bei denen ich manchmal
den Eindruck habe, als müsse Glaube immer auch etwas Erhebendes haben,
immer auch hohe und himmlische Gefühle vermitteln. Gottseidank tut er
das manchmal, unser Glaube, doch etwas anderes ist entscheidend: nicht
der Blick nach oben zu den himmlischen Gefühlen, sondern der Blick auf
unser Leben und die Welt mit ihren Herausforderungen soll im Mittelpunkt
unseres Glaubens stehen.
Daran erinnern an Himmelfahrt ausgerechnet die Engel, die in der
Apostelgeschichte die in den Himmel starrenden Jünger anfahren und ihnen
sagen: !Was starrt ihr da nach oben? Kümmert euch um euren Auftrag,
kümmert euch um diese Welt!“ Tröstlich, dass auch die ersten Jünger Jesu
daran erinnert werden mussten. Auch sie waren keine himmlischen
Heiligen.
So, wie wir sind und glauben, sind wir Gottes geliebte Kinder. Wir haben die
Möglichkeit, mitten im Leben umzukehren und etwas Neues anzufangen.
Wir haben die Fähigkeit, einander zu stützen und zu stärken, wie es die
Menschen auf einigen Bildern es hier tun.
Niemand von uns ist je fertig und am Ende. Gott ist mit niemandem jemals
fertig und am Ende. Wir sind immer in der Umwandlung, immer in der
Transformation.
Amen.