Werner Blum Was uns das Leben alles beschert Geschichten über das Leben und die Liebe 1 2 3 So spielt das Leben Geschichten über die Liebe Werner Blum Die Namen der Personen dieser Geschichten sowie deren Adressen wurden geändert. 4 Inalt Prolog ………………………..…………………….5 1. Die Sonne bringt es an den Tag ………..… 7 2. In guten wie in schlechten Zeten ………...67 3. Liebe sieht mit dem Herzen ……………....98 4. Zu jedem kommt einmal das Glück …….179 5. Es wird Zeit, sich zu besinnen …………..248 6. Wer Liebe gibt, wird Liebe finden ………287 7. Auch der Herbst hat noch warme Tage ..339 Epilog ..…………………… ……………………371 5 Liebe ist nicht das, was man erwartet zu bekommen sondern das, was man bereit ist, zu geben. KATHARINE HEPBURN Prolog Kürzlich fragte mich einen guter Freund: Glaubst du an das Schicksal? Schicksal fragte ich, ist das nicht der Teil von Religion, der es vielen erlaubt, die Verantwortung für ihr Leben auf einen anderen abzuschieben? Durch ein Gebet zu Gott glauben sie dann, dass alles Leid, das sie empfinden, von ihnen genommen wird? Nein, das ist nichts für mich. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ich mein Leben selbst bestimme und all das, was ich tue, auch zu verantworten habe. Das Wissen um die Konsquenzen, die mein Handeln mit sich bringt, wird mich stetig davor bewahren, verantwortungslos zu handeln. Da stelle ich mir wiederum die Frage, gehört zu deinem verantwortungsvollen Handeln auch, nicht nur das Glück und die Freude deiner Mitmenschen zu sehen, sondern auch ihr Leid und ihr Elend nicht aus den Augen zu verlieren? Wenn ich nicht als oberflächlich, oder gar als herzlos gelten will, gehört wohl das Eine wie das Andere dazu. Aber warum fragst du? Wenn du so lebst, glaubst du dann nicht, dass dein Leben ein Teil der Religion ist? Dass du eventuell für so manchen deiner Mitmenschen das Schicksal bist? Ich sah ihn verwundert an und schwieg. 6 Weißt du, sprach er weiter, nach deinem ersten Satz glaubte ich, dass für dich das Wort Religion keinerlei Bedeutung hat, aber jetzt glaube ich, erkennst du es selbst, dass Güte und Barmherzigkeit auch in deinem Leben eine nicht zu übersehende Rolle spielen. Also siehst du es und lebst es mit, das Schicksal der Menschen um dich herum. Ich sah ihn nun doch sehr nachdenklich an. Er lächelte und meinte: Soweit wie du vielleicht glaubst, ist dein Geist von Gottes Geist gar nicht entfernt. Oder? Viel Freude beim Lesen wünscht Euch Werner Blum 7 1. Die Sonne bringt es an den Tag Amadeus ist, was der Vorname, den ihm seine Eltern gaben, eigentlich nur noch unterstreicht, ein überaus positiv geprägter, ruhiger und den schönen Dingen zugetaner Mensch. Schon bei seiner Geburt prophezeite die Hebamme seiner Mutter, „das wird einmal ein sehr ausgeglichener junger Mann werden, der ihnen viel Freude machen wird. Leider dürfte aber auch sein offenes freundliches Wesen manchen Menschen dazu verleiten, ihn ausnutzen zu wollen“. Damals dachte Amadeus Mutter, nun ja, es wird sich zeigen, wie sich mein Junge einmal entwickelt, aber ich werde mir alle Mühe geben, dass ein aufrechter Mensch aus ihm wird. Schon während der Schulzeit zeigte sich, dass Amadeus dem Lesen, Schreiben und Zeichnen mehr abgewinnen konnte, als allen anderen Sachen, die es zu lernen galt. Seine große Liebe jedoch galt der Musik und dem Zeichnen. Er konnte stundenlang vor dem Radiogerät sitzen und der klassischen Musik lauschen. Erstaunlich war auch, welch gute Beobachtungsgabe er besaß, mit welcher Detailgenauigkeit er seine Umwelt und die in ihr lebenden Menschen zeichnete. Betrachtete man seine Bilder, konnte man, seine große Liebe zu den Menschen, sowie der Natur, die sie alle umgab, zu spüren. Eines Tages, bei einer Klassenfahrt, entdeckt er im Speisesaal des Hotels einen Flügel. Interessiert steuerte er darauf zu und setzte sich auf die davor stehende Klavierbank. Er klappe den Deckel des Flügels auf. 8 Mit großem Interesse betrachtete er eingehend die weißen und schwarzen Tasten und bemerkte den älteren Mann, der neben ihm stand erst, als dieser ihm Hand auf die Schulter legte und ihn fragte: „Kannst du spielen mein Junge?“ „Nein, aber ich würde es gerne versuchen.“ „Dann rutsche ein wenig zur Seite und ich zeige dir, wie es geht.“ „Was spielen sie denn?“ Der ältere Mann, der neben ihm Platz genommen hatte, lächelte ihn versonnen an und legte seine Hände auf die Tastatur. Als er eine kurze Einleitung zu spielen begann, drehte er sich zu Amadeus und meinte, „versuchen wir es mit Variationen zu dem Thema, alle meine Entchen.“ Amadeus lächelte zaghaft und fragte, „kann es auch etwas mit mehr Rhythmus sein?“ „Warte es ab“, antwortete der Mann und begann das Thema zu spielen. Sein Spiel veränderte sich mehrmals, sodass aus dem zu Beginn einfach gespielten Volkslied zum Ende hin eine richtig schön rockige Nummer wurde. Amadeus sah auf die Hände des Klavierspielers und verfolgte fasziniert die Geschwindigkeit, mit der dessen Finger über die Tastatur zu fliegen schienen und hierbei dem Instrument die schönsten Töne entlockten. Seine Augen strahlten vor Glück, und als das Spiel zu Ende war, fragte er, „darf ich es auch einmal versuchen?“ „Bitte gerne, glaubst du, dass du nach so kurzer Zeit schon erkannt hast, wie man dieses Instrument spielt?“ „Ich weiß es nicht, aber ich glaube, wenn ich es nicht 9 probiere, werde ich es nie erfahren.“ Amadeus legte zaghaft seine beiden Hände auf die Tastatur. Danach schloss er die Augen und begann zu spielen. Die Melodie, die er spielte, klang einschmeichelnd und unsagbar zärtlich. Der Mann neben ihm sah ihn erstaunt an und begann zu lächeln. Amadeus Finger trafen mit einer schlafwandlerischen Sicherheit immer den richtigen Ton. Langsam steigerte sich sein Spiel zu einem kleinen Kunstwerk, dessen Bann sich der neben ihm Sitzende nicht entziehen konnte. Auch er hatte seine Augen geschlossen. Der Speisesaal füllte sich nach und nach und die Menschen saßen still an den Tischen und lauschten ergriffen dem Spiel von Amadeus. Mit leisen Tönen endete sein Spiel und Amadeus öffnete wieder seine Augen. Nach einem Augenblick der Stille fingen alle Gäste an, zu applaudieren. Amadeus drehte sich erschrocken um. Der Mann neben ihm legte seine Hand wieder auf Amadeus Schulter und fragte: „Als du sagtest, du hast noch nie gespielt, da wolltest du mich wohl zum Besten halten?“ „Es war das erste Mal“, antwortete Amadeus und sah zu ihm auf. Der Mann schüttelte leicht den Kopf. „Deine Eltern sollten unter der Anleitung eines guten Lehrers deine Begabung für dieses Instrument fördern, denn ich denke, dass du das Talent hast, eines Tages ein großer Pianist zu werden.“ Als Amadeus wieder zu Hause war, sprach er mit seiner Mutter, erzählte ihr von seinem Spiel auf dem Flügel im Speisesaal des Hotels und äußerte den 10 Wunsch, Klavierstunden zu nehmen. Nachdem seine Mutter über Amadeus Wunsch, mit dessen Vater sprach, meinte der: „Wenn der Junge das lernen will, sollten wir ihn unterstützen.“ Also nahm Frau Wegener das Branchenverzeichnis zur Hand und suchte nach einem Klavierlehrer oder einer Lehrerin. Nach kurzem Suchen ergriff sie den Telefonhörer und wählte eine Nummer. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme. „Braun, was kann ich für sie tun?“ „Mein Name ist Wegener, sind sie die Klavierlehrerin?“ „Ja, möchten sie sich anmelden?“ Amadeus Mutter lächelte, „nein ich nicht, aber meinen Sohn!“ „Dürfte ich sie dann bitten, morgen bei mir vorbeizukommen Frau Wegener? Da können wir dann alles Weitere besprechen. Meine Adresse haben sie?“ „Ja die steht hier im Telefonbuch.“ „Wäre ihnen morgen, um 14.00 Uhr recht?“ „Ja, das wäre wunderbar, danke. „Also, dann sehe ich sie morgen, mit ihrem Sohn.“ Amadeus Mutter legte den Hörer auf und meinte, zu Amadeus gewandt, „morgen Nachmittag gehen wir zu einer Klavierlehrerin. Ist es auch wirklich dein Wunsch, Klavierspielen zu lernen?“ Amadeus nickte und mit einem glücklichen Lächeln umarmte er seine Mutter. Es war kurz vor 14.00 Uhr als sie vor dem Haus, in dem die Klavierlehrerin wohnte, ankamen. Frau Wegener läutete. Kurz darauf wurde der Türöffner betätigt und die beiden gingen durch einen kurzen Flur und da- 11 nach eine Treppe hoch in das erste Obergeschoss. An der Wohnungstür wurden sie schon erwartet. „So, du möchtest also Klavierspielen lernen?“ Frau Braun, eine sehr nette ältere Dame, begrüßte die beiden, sah Amadeus an, hielt dessen Hand noch fest und meinte zu ihm: „Na dann komm mal mit.“ Sie kamen in ein großes Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein Flügel. Frau Braun bot Amadeus Mutter an Platz zu nehmen und deutete auf einen Sessel, der in der Nähe ihres Schreibtisches stand. Dann wendete sie sich wieder ihrem künftigen Schüler zu und fragte: „Hast du schon einmal an einem Klavier gesessen?“ Amadeus nickt eifrig und sagte nicht ohne Stolz: „Ich habe sogar schon darauf gespielt.“ „So, so, na dann würde ich sagen, spiel uns doch bitte einmal vor, was du schon kannst.“ Ihre Erwartung diesbezüglich war, dass sie nun Hänschen klein im ein Finger System hören würde. Amadeus nahm auf der Klavierbank Platz, öffnete den Deckel der Klaviatur, legte seine Finger auf die Tasten und schloss seine Augen. Schon nach den ersten Tönen erhob sich Frau Braun von ihrem Stuhl, ging zum Flügel und beobachtete sehr interessiert Amadeus. Als er sein Spiel beendet hatte und sie ansah, schüttelte Frau Braun mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick den Kopf, sah ihn an und fragte lächelnd: „Seit wann spielst du schon?“ „Es ist heute das zweite Mal!“ Frau Braun blickte Amadeus Mutter fragend an. „Also, wir haben weder ein Klavier noch einen Flügel zu Hause und ich weiß eigentlich auch nur so viel, 12 dass bei der letzten Klassenfahrt im Speiseraum des Hotels, in dem sie übernachteten, ein Flügel stand. Ein älterer Herr, der dort wohl für die Tischmusik zuständig ist, fragte meinen Sohn, ob er einmal versuchen wolle zu spielen. Was ich weiter erfuhr, mein Sohn soll sehr schön gespielt haben. Zuhause hat er dann den Wunsch geäußert, das Klavierspielen richtig zu erlernen.“ Frau Braun wandte sich Amadeus zu. „Was hast du uns da vorgespielt?“ „Oh, die Melodie fiel mir gerade so ein und ich dachte, sie könnte ihnen vielleicht gefallen.“ „Das war also rein improvisiert?“ Amadeus sah sie mit einem fragenden Blick an. „Die Melodie ergab sich, während du spieltest wie von selbst?“ Amadeus nickte. „Ich bin sehr erstaunt über das, was ich gerade miterleben durfte und ich glaube, einen begabteren Schüler als dich, werde ich wohl in meinem Leben nicht mehr bekommen. Ich werde dir alles beibringen, was ich kann. Aber dann“, sie wandte sich Amadeus Mutter zu, „sie sollten ihn, wenn er dies möchte, Musik studieren lassen. Ich glaube, ihr Sohn ist musikalisch hochbegabt.“ Amadeus freute sich, dass er zwei Mal in der Woche zu Frau Braun und seinem geliebten Flügel durfte. Er lernte das Notenlesen und Frau Braun brachte ihm die großen Komponisten näher. Der Wissensdurst, den er zeigte, war sehr groß und sein Spiel am Flügel machte innerhalb kurzer Zeit so enorme Fortschritte, dass Frau Braun total erstaunt war. Schon sehr bald begann 13 Amadeus mit Hilfe seiner Übungsklaviatur, die ihm Frau Braun gegeben hatte, dass er auch zu Hause üben konnte, eigene Stücke zu komponieren. Eines Tages, Amadeus spielte am Ende seiner Übungsstunde Frau Braun wieder einmal eine seiner Kompositionen vor, läutete es an der Tür. Nachdem sie geöffnet hatte, betrat Frau Braun mit einem Mädchen im Alter von Amadeus wieder den Raum. „Lass dich nicht unterbrechen mein Lieber, spiele bitte weiter. Das ist nur Antonia die Schülerin, die nach deinem Unterricht dran ist.“ Zu Antonia gewandt meinte sie, „setz dich bitte und höre zu.“ Amadeus sah das Mädchen an und sein Herz begann höher zu schlagen. Etwas verunsichert durch die verschiedensten Gefühle die über ihn kamen, wurde sein Spiel leicht holprig. Frau Braun lächelte und meinte: „Du kannst dich nur auf eine Sache konzentrieren, also stellt sich nun die Frage, möchtest du spielen oder dich lieber mit Antonia unterhalten?“ Amadeus errötete leicht und etwas stotternd antwortete er: „Erst spielen.“ Antonia, die auf ihrem Stuhl saß, lächelte verlegen, sah Amadeus interessiert an und beobachtete seine Hände, die über die Tastatur des Flügels glitten. Die Melodie, die sie hörte, ließ sie nach kurzer Zeit die Augen schließen und schien sie zu entführen. Als das Stück zu Ende war, fragte sie: „Von wem ist dieses Stück, es ist sehr schön.“ Amadeus errötete und antwortete leise. „Das ist von mir.“ Antonia sah zu Frau Braun, die lächelnd nickte. 14 „So möchte ich auch einmal spielen können“, meinte darauf Antonia. „Ich denke aber, so gut werde ich wohl nicht werden.“ „Seit wann spielst du denn schon?“ Fragte Amadeus. „Ich komme schon seit etwa einem Jahr und fünf Monaten hier her“, antwortete sie. „Darf ich zuhören, wenn du jetzt spielst?“ Antonia sah ihn an und meinte: „Ja, wenn du möchtest. Allerdings so gut wie du bin ich bei Weitem nicht.“ Also wechselten sie ihre Plätze, und Frau Braun stellte sich neben Antonia an den Flügel. Sie brachte eine Partitur mit, die sie auf den Notenständer des Flügels legte, und schlug dann die erste Seite auf. Antonia lockerte ihre Finger, legte sie auf die Klaviatur und begann zu spielen. Amadeus hörte zwar ihr Spiel, auch die kleinen Unregelmäßigkeiten ihres Anschlags, aber seine Gedanken gingen in eine ganz andere Richtung. Sie heißt Antonia, sie sieht einfach toll aus. Ob sie mit mir ein Eis essen geht, wenn die Stunde vorbei ist? Was mache ich, wenn sie nein sagt? Wann soll ich sie fragen? Tausend Gedanken gingen durch seinen Kopf. Dieses Gefühl in mir, das mich so gefangen hält, ist das Liebe? Er war so in Gedanken, dass er nicht bemerkte, dass Frau Braun, nachdem Antonias Spiel geendet hatte, eine Frage an ihn stellte. Erst das laute „Hallo, Amadeus ich rede mit dir“, holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. „Oh, - ja, - wie war doch gleich die Frage?“ Antonia sah in sein verdutztes Gesicht und lächelte ihn an. „Wie war ihr Spiel“, fragte Frau Braun, „was würdest du sagen?“ „Also, - ja, - an einigen Stellen ein etwas unsauber An - 15 schlag, aber im Allgemeinen gut“, antwortete Amadeus. „Ja, ja, ich verstehe schon, für heute wollen wir es gut sein lassen. Du spielst heute etwas unkonzentriert Antonia und du mein Lieber bist wohl auch nicht gerade bei der Sache. Na dann seht mal zu, dass ihr in die Gänge kommt, oder wollt ihr noch ein bisschen länger dableiben?“ Sie lächelte wissend und die beiden wurden leicht rot. Antonia sowie Amadeus erhoben sich, verabschiedeten sich von Frau Braun und gingen. Auf der Treppe berührte er sanft Antonias Arm. Als sie sich ihm zuwandte, fragte er schüchtern: „Darf ich dich zu einem Eis einladen?“ „Gerne“, antwortete sie. Als dann in der Eisdiele das Eis vor ihnen stand, kam auch langsam ein Gespräch in die Gänge. Antonia eröffnete es mit der Frage, „wie lange spielst du schon?“ „Oh es ist jetzt schon fast ein Jahr.“ „Du machst auch eigene Kompositionen? Das Stück, das du gespielt hast, als ich kam, das war sehr schön.“ „Ach das“, Amadeus lächelte verlegen, „es fiel mir so ein, als ich übte, da habe ich es aufgeschrieben. Ich habe noch mehr davon, möchtest du meine Aufzeichnungen einmal haben? Ich gebe sie dir gerne.“ „Ja das wäre schön. Sind alle Stücke so gut wie das vorhin?“ „Das musst du schon selbst herausfinden. Ich bin für eine Bewertung wohl zu sehr voreingenommen denke ich - oder“? Beide lachten. Mit diesem Tag begann eine zarte Liebe zwischen den beiden, und als Amadeus später Antonia 16 nach Hause gebracht hatte, verabschiedete diese sich von ihm mit einem zarten Kuss auf die Wange. Er stand noch eine ganze Weile vor ihrem Haus und hing seine Gedanken nach, sehr romantischen Gedanken, bei denen er versonnen lächelte. Fortan sahen sie sich regelmäßig, gingen ins Kino oder zum Tanzen in die Disco. Sie führten viele Gespräche über die Musik und vor allem über die kleinen Werke, die Amadeus ihr immer wieder zusteckte, wenn er sich nach einem schönen Nachmittag oder Abend von ihr verabschiedete. Wenn sie beisammen waren, schien die Zeit oft still zu stehen und beide waren so glücklich, da sie sich sicher waren, ihre große Liebe gefunden zu haben. Die Jahre vor seinem Abitur waren wohl die schönsten Jahre in Amadeus Leben. Die Liebe zu Antonia und die Zärtlichkeit, die sie ihm entgegenbrachte, machten Amadeus zum glücklichsten Menschen der Welt. Wöchentlich ging er weiterhin zwei Mal zum Klavierunterricht. Für seine Lehrerin waren es die Stunden in der Woche, die sie genießen konnte und auf die sie sich stets sehr freute. Immer dann, wenn Amadeus kam und am Flügel Platz nahm, begann für sie die Zeit der Entspannung und des Genusses. Oft brachte er ihr seine eigenen Kompositionen mit, die er größtenteils für Antonia komponiert hatte und nach der Übungsstunde spielte er diese Frau Braun vor, die dann mit geschlossenen Augen in ihrem Schreibtischsessel saß und andächtig seinem Spiel lauschte. Es war kurz vor den Abi - Prüfungen, als nach dem Un- 17 terricht Frau Brehm, Amadeus fragte: „Du hast doch jetzt bald deine Abschlussprüfungen“, fragte ihn Frau Braun eines Tages, „Was möchtest du danach machen?“ Amadeus sah sie an und meinte: „Eigentlich würde ich gerne Musik studieren, was meinen sie?“ Frau Braun lächelte ihn an. „Das würde ich dir auch raten, denn dein Talent solltest du weiterentwickeln. Ich glaube, dass du in absehbarer Zeit vielen Menschen eine große Freude mit deiner Musik bereiten wirst.“ Also forderte sie von der Musikhochschule in Mannheim die Unterlagen für die Aufnahmeprüfung an. Nach einigen Wochen kamen die Bewerbungsunterlagen für das Wintersemester. Amadeus meldete sich zum Studium Klavier und klassische Musik, mit den Fächern Grundkenntnisse des Klavierbaus Musikgeschichte, Geschichte der Instrumente, Akustik und Instrumentenkunde an. Antonia entschloss sich, nach dem Abi Jura zu studieren und bewarb sich an der juristischen Fakultät Augsburg, an der sie auch angenommen wurde. Anfänglich telefonierten die beiden sehr oft miteinander. Sie besuchten sich sogar gegenseitig. Nach zwei Jahren wechselte Antonia auf die Uni Berlin. Zur gleichen Zeit bewarb sich Amadeus an der Musikhochschule in München. In den Wirren ihrer Umzüge verloren sich beide aus den Augen. Amadeus versuchte lange Zeit, Antonias Adresse herauszubekommen. Da Antonia jedoch drei Mal innerhalb kurzer Zeit umgezogen war, verlor sich ihre Spur. Für Antonia war der Umzug von Amadeus in 18 den Wirren ihrer eigenen Umzüge untergegangen und so verlor auch sie den Kontakt zu ihm. Beide stürzten sich in ihr Studium und so ging Jahr um Jahr dahin. Amadeus Studium näherte sich dem Ende. Seine Lehrer waren voll des Lobes über seine Leistungen und meinten, wenn er so weiter arbeite, würde ein ganz großer Pianist aus ihm. Sein Professor verschaffte ihm seinen ersten öffentlichen Auftritt im Rahmen einer Benefizveranstaltung zugunsten der Krebsforschung. Amadeus spielte Werke von Mozart, Chopin und Schuhmann. Das Publikum war begeistert und in der Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Der erste Auftritt des Jungen Pianisten Herrn Amadeus Wegener ist wohl der große Lichtblick dieses Abends gewesen. Er verzauberte sein Publikum am Flügel mit den Werken der großen Komponisten, wie auch seinen eigenen Kompositionen, die er nach mehrmaligen stehenden Ovationen der begeisterten Zuhörer und deren Bitte um eine weitere Zugabe zu Gehör brachte. Dank dieses jungen Mannes kann man diesen Abend als eines der großen Ereignisse dieses Jahres bezeichnen. Es bleibt zu hoffen, dass wir in absehbarer Zeit noch vieles von diesem jungen Mann hören werden. Einige Tage danach meldete sich ein Mann bei Amadeus und fragte an, ob er ihn managen dürfe. Man einigte sich und ließ einen Vertrag aufsetzen, der von beiden unterschrieben wurde. An jenem Tag begann die Kariere des Amadeus Wegener zu einem der größten Pianisten Deutschlands. Auf seiner Konzerttournee kam er in Städte wie Stuttgart, Heidelberg, Mannheim, Essen, Dortmund, Ham- 19 burg und Berlin. Wo er auch auftrat, liebte das Publikum ihn und seine Musik. Auch das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam. Nach kurzer Zeit war er ein begehrter Gast in verschiedenen Musiksendungen und Talkshows. Er wusste nicht nur am Klavier zu brillieren. Bei den Gesprächen mit den jeweiligen Moderatoren und Moderatorinnen zeigte sich, dass er zu vielen Themen eine durchaus kritische Meinung vertrat und diese auch mit guten Argumenten begründete. Auch in den hitzigsten Diskussionen blieb er stets sachlich, ließ aber auch gelegentlich einen durchaus liebenswerten Mutterwitz erkennen, der ihm die Herzen der Zuhörer zufliegen ließ. „Was sind ihre nächsten Pläne“, fragte ihn die Moderatorin einer Talkshow. „Als Nächstes werde ich eine Tournee durch Frankreich machen und anschließend geht es nach Österreich, Ungarn und das ist noch nicht ganz sicher auch nach Russland“, antwortete er. „Dann sind sie bis nächstes Jahr ausgebucht. Wann dürfen wir sie dann wieder hier in Deutschland hören?“ „Oh, um Genaueres zu erfahren, müssten sie meinen Manager fragen. Ich glaube im März des kommenden Jahres sind wir wieder in Hamburg, um eine neue CD aufzunehmen. Wenn ich mich recht erinnere, geht es dann nochmals nach Mannheim und anschließend nach Stuttgart.“ „Da haben sie ja ein großes Pensum vor sich.“ „Ja, aber ich freue mich sehr darauf.“ „Nun, ich glaube im Namen ihres begeisterten Publikums zu sprechen, wenn ich sage, dass wir uns schon jetzt auf ein Wiedersehen freuen. Natürlich kann ich sie 20 nun nicht so einfach wieder gehen lassen, daher die Frage: Würden sie uns noch etwas von ihren eigenen Kompositionen zu Gehör bringen?“ „Gerne“, antwortete er charmant lächelnd, „da sie ja den Flügel schon so schön aufgestellt haben, kann ich sie und die Zuschauer ja schlecht enttäuschen.“ „Was werden sie uns zu Gehör bringen?“ „Die Sehnsucht der Liebe. Ich hoffe, eine gute Wahl getroffen zu haben.“ Er lächelte und unter dem einsetzenden Beifall der Studiogäste begab er sich zum Flügel. Es war seine Lieblingskomposition, die er spielte. Sie begann mit leisen Tönen, verspielt fröhlich und steigerte sich langsam. Man fühlte anfangs die Sehnsucht und das Suchen nach Liebe und Leidenschaft, gegen Ende dann, die Traurigkeit und die Verlorenheit nach der Erkenntnis, das Gesuchte nicht gefunden zu haben. Nachdem der letzte Ton verklungen war, herrschte noch ein Augenblick absolute Stille im Raum. Dann aber erhoben sich die Gäste im Studio, applaudierten und wollten noch weitere Kompositionen von ihm hören. „Leider muss ich sie enttäuschen“, sagte die Moderatorin, nachdem sie sich wieder Gehör verschaffen konnte. „Alle denjenigen, die mehr hören wollen, kann ich ihnen sagen, es gibt eine CD mit dem Titel „Liebe, Freude und Leid“, auf der unter anderem auch der eben gehörte Titel zu finden ist. Wir bedanken uns sehr, dass sie heute bei uns zu Gast waren“, wandte sie sich wieder an Amadeus. „Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns vielleicht im nächsten Jahr in einer meiner Sendungen wieder treffen würden.“ „Ich komme gerne wieder, wenn sie mich einladen“, 21 antwortete Amadeus lächelnd.“ „Worauf ich ihnen jetzt schon mein Wort geben kann, denn auch ich bin ein großer Fan von Ihnen“, antwortete die Moderatorin. Es war in Mannheim, Amadeus hatte zwei anstrengende Jahre mit Tourneen hinter sich. Der Abend war angenehm mild. Die Hitze des Tages war etwas gewichen und Amadeus hatte sich entschlossen, an eben diesem Abend ein chinesisches Lokal aufzusuchen. Chinesisches Essen gehörte zu den wenigen Leidenschaften von Amadeus. Er suchte sich einen schönen Tisch aus, der etwas versteckt hinter einem Blumenarrangement stand und setzte sich. Kurz darauf erschien die Bedienung und fragte nach seinen Wünschen. „Einmal die Pekingente und einen warmen Pflaumenwein bitte.“ Die Bedienung ging zum Tresen. Kurz darauf erschien eine junge Frau an seinem Tisch. „Entschuldigen sie, wenn ich sie so einfach anspreche, aber sie sind doch der bekannte Pianist Amadeus Wegener?“ „Ja“-! Amadeus sah die junge Frau an und mit einem gewinnenden Lächeln sagte er „ja, der bin ich und was kann ich für sie tun?“ „Oh ich wollte sie um ein Autogramm bitten“, antwortete sie ihm und lächelte ihn an.“ Amadeus war von der jungen Frau sehr entzückt und fragte: „Darf ich sie zum Essen einladen, alleine schmeckt es nur halb so gut? Oder sind sie in Begleitung ihres Mannes hier?“ „Oh“, sie lächelte wieder, „ich bin nicht verheiratet und 22 einen Freund, der auf mich wartet, gibt es auch nicht.“ „Also darf ich hoffen, dass sie meine Einladung annehmen werden?“ „Mit Vergnügen, es ist mir eine Ehre, mit ihnen Speisen zu dürfen.“ Bevor sie Platz nahm, reichte sie Amadeus mit den Worten, „mein Name ist Ricarda Brehm“ ihre Hand und meinte noch, „damit sie wissen, mit wem sie ihr Essen teilen.“ Sie lachten beide und im Laufe des Abends entwickelte sich ein sehr schönes Gespräch zwischen ihnen. Je länger sie miteinander redeten, umso mehr erkannte Amadeus, dass er sich in diese junge Dame verlieben könnte. Nach dem Essen, als sie vor dem Lokal standen, fragte er, ob er sie mit dem Auto nach Hause bringen könne. Ricarda nahm dankend an und stieg in den Wagen, nachdem ihr Amadeus die Tür geöffnet hatte. An dem Haus, in dem sie wohnte angekommen, hielt er ihr die Wagentür auf, um sie aussteigen zu lassen. „Ich bedanke mich für diesen schönen Abend, den ich mit ihnen verbringen durfte“, sagte er und küsste ihr dabei charmant die Hand. „Es würde mich freuen, wenn wir das einmal wiederholen könnten.“ „Auch ich habe diesen Abend in ihrer Gesellschaft sehr genossen“, antwortete Ricarda, „auf ein Widersehen mit ihnen würde auch ich mich sehr freuen.“ „Wie wäre es am Sonntag gegen 16.00 Uhr? Wir könnten im Dorint Hotel unseren Nachmittagskaffee nehmen?“ „Das wäre nett.“ „Ich werde Sie um 16.00 Uhr am Sonntag hier abholen, 23 wäre Ihnen das recht?“ „Ich freue mich darauf.“ Sie reichte ihm zum Abschied ihre Hand, auf die er einen zarten Kuss hauchte, und ging die Treppe zum Eingang des Hauses hinauf. Als sie sich nach dem Öffnen der Tür noch einmal umdrehte, winkte er ihr zu und rief: „Ich freue mich auf Sonntag!“ „Ich auch“, antwortete sie noch und schon schloss sich die Haustür hinter ihr. Im darauf folgenden Jahr begleitete Ricarda, Amadeus auf seiner Tournee quer durch Deutschland. Die Presse meldete: Nach einem wunderbaren Konzert glänzten Frau Ricarda Brehm und Herr Amadeus Wegener auf einem Empfang des Bürgermeisters von Berlin. Mit ihrem Charme begeisterte die Freundin des Pianisten alle Anwesenden. Auf die Fragen eines Reporters, ob man bald mit einer Verlobung oder gar Heirat rechnen könne, antwortete Frau Ricarda Brehm mit einem gewinnenden Lächeln. „Aber meine Herren, wo denken sie hin, wollen sie uns um die wunderschöne zärtliche Zeit des einander kennen Lernens bringen und gleich zu einem Ehepaar machen? Es wäre doch schrecklich, auf alle diese schönen Stunden mit sehnsüchtigem Herzklopfen zu verzichten. Lassen sie uns die Zeit des Verliebens auskosten. Wenn wir uns eines Tages entscheiden sollten zu heiraten, das verspreche ich ihnen, werden sie die Ersten sein, die es erfahren.“ Die Reporter lachten und beteuerten, man wolle sie natürlich nicht bedrängen. Alle waren hingerissen von ihrem Charme. Als Amadeus am nächsten Morgen in der Zeitung las, 24 was Ricarda den Reportern gegenüber gesagt hatte, lachte er sie an und meinte, „du hast sie ganz schön mit deinem Charme um den Finger gewickelt. Ich danke dir für die geschickten Worte, die du gefunden hast. Sie halten uns für das Traumpaar des Jahres, aber wir kennen uns ja eigentlich erst etwas mehr als ein Jahr.“ Sie drehte sich nach ihm um. „Aber sie bemerken schon, dass ich dich sehr liebe.“ „Ich dich ja auch, aber mit einer Heirat sollten wir doch noch etwas warten, oder?“ Sie bemerkte wohl, dass er noch nicht bereit war, ihr einen Antrag zu machen, lächelte und sagte mit einem leichten Unterton des Bedauerns: „Du hast recht, aber schön wäre es schon, mit dir verheiratet zu sein.“ Der Tag, an dem Rosel und ich Amadeus kennenlernten, war der Geburtstag von Fred, dem Mann einer von Rosels Schulfreundinnen. Fred wiederum war ein Schulfreund von Amadeus. Auch nach ihrem Abitur waren die beiden immer in Verbindung geblieben. Freds Vater ist der Chef einer Autohauskette, die Niederlassungen in Neustadt, Germersheim, Mannheim und Ludwigshafen hatte. Anlässlich Freds 35sigsten Geburtstags hatte sein Vater, als besondere Überraschung für seinen Sohn, Amadeus mit seiner Begleiterin eingeladen. Die Überraschung war gelungen, Fred und Amadeus fielen sich in die Arme und lachten. „Es freut mich, dass du kommen konntest. Wie lange haben wir uns jetzt schon nicht mehr gesehen?“ „Das ist nun schon über 4 Jahre her, aber dafür haben wir sehr oft miteinander telefoniert mein Alter.“ Amadeus packte Fred an den Schultern und sah ihm in 25 die Augen, „was habe ich da gehört, du hast vor einem Jahr geheiratet?“ „Hetti“, rief Fred und drehte sich um, „wo bist du, ich möchte dich meinem besten Freund vorstellen.“ „Komme gleich“, kam die Antwort von etwas weiter hinten in dem großen Saal. „Bin schon unterwegs zu dir.“ „Das ist Hetti meine liebe Frau“, sagte Fred zu Amadeus. Sich Hetti zuwendend fuhr er fort, „das Liebling ist mein bester Freund Amadeus Wegener.“ Hetti streckte Amadeus die Hand zur Begrüßung entgegen, und zu ihrem Mann Fred meinte sie: „Lieber Schatz das hätte ich jetzt nicht gewusst, wenn du es nicht gesagt hättest. Schließlich war ich ja auch nur in drei seiner Konzerte.“ Amadeus begrüßte Hetti und küsste ihre Hand. „Ich hoffe, die Konzerte haben ihnen gefallen“, fragte er lächelnd, nachdem er Hettis Hand wieder freigab. „Oh ja, sehr sogar und ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass sie heute bei uns sind.“ „Nun ja, nachdem ihr Schwiegervater mir mitgeteilt hatte, wie sehr sie Musik lieben, konnte ich nicht anders. Schließlich wollte er, wenn ich zusagen würde, sogar noch einen Flügel in den Saal schaffen lassen, nur um scherzustellen, dass ich ihnen etwas vorspielen kann. Wie hätte ich da noch nein sagen können.“ Sie lachten beide. „Es freut mich sehr, dass sie gekommen sind.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, antwortete Amadeus und deutete eine kleine Verbeugung an. „Darf ich ihnen meine Lebensgefährtin vorstellen? Das ist Ricarda Brehm. Ricarda, das ist mein bester Freund schon seit der Schulzeit und das ist seine Frau Hetti.“ 26 „Es freut mich, sie kennenzulernen.“ Sie reichten sich zur Begrüßung die Hände. Hetti entschuldigte sich, sie müsse leider noch kurz in die Küche, um bei den letzten Vorbereitungen am Büfett zu helfen. Als sie dort erschien, meinte Rosel, die sich angeboten hatte ihr etwas zu helfen, „habe ich richtig gehört Amadeus Wegener ist ein Freund deines Mannes? Der Amadeus Wegener?“ „Ja, wusstest du das nicht?“ Sie lachte, „ich habe von seinem Kommen erst erfahren, als mein Schwiegervater mir sagte, dass er ihn zu Freds Geburtstag eingeladen hat.“ „Das ist der Wahnsinn! Ich hoffe doch, er wird auch etwas spielen?“ „Nun ich denke schon, denn für mich haben sie den Flügel im Saal nicht hingestellt.“ „Ist er alleine gekommen?“, fragte Rosel. „Nein er hat seine Lebensgefährtin mitgebracht. Die Blondine da drüben, die gerade in unsere Richtung sieht.“ Rosel sah in die Richtung, in die Hetti deutete, wandte sich ihr kurz darauf wieder zu und fragte mit ernstem Gesicht. „Diese Schlange ist seine Freundin?“ Hetti sah Rosel ernst an. Noch bevor Hetti etwas sagen konnte, fuhr Rosel fort, „das ist doch diese Ricarda, die Bernhard in den Selbstmord getrieben hat!“ Hetti sah sie sehr erstaunt an und fragte, „von was redest du da?“ „Bernhard Kühn, Bauunternehmen Kühn, der Sohn! Seine Schwester Eva war mit uns in der gleichen Klasse, erinnerst du dich?“ 27 Hetti sah Rosel nachdenklich an. „Ich erinnere mich es war doch Evas Bruder, der damals um ein Haar die Firma ihres Vaters an die Wand gefahren hatte?“ Fragte sie nun mit ernstem Gesicht. „Ja“, antwortete darauf Rosel, „und das ist dieses Weibsstück, das ihn ausgenutzt hat! Als herauskam, dass Bernhard kein Geld mehr hatte, hat sie ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.“ Hetti sah Rosel erstaunt an. „Also das musst du mir genauer erzählen, aber jetzt ist nicht die Zeit dazu. Können wir uns am Montagmorgen in Ludwigshafen im Kaffee Laul treffen?“ „Ja, wir sprechen uns später noch genau ab, bevor wir gehen“, antwortete ihr Rosi darauf. „Jetzt wird es Zeit, das Büfett zu eröffnen. Dein Schwiegervater hält schon die Geburtstagsrede.“ Es wurde ein herrliches Fest, dessen Höhepunkt Amadeus am Flügel mit Melodien aus seiner neuesten CD setzte. Tags darauf konnte man in der Presse lesen: Als Gäste, auf der Geburtstagsparty des Juniorchefs vom Autohaus Peters, waren unter anderem auch Herr Amadeus Wegener sowie seine Lebensgefährtin Ricarda Brehm zu sehen. Wie Frau Brehm unsere Reporterin wissen ließ, suchen sie und Herr Wegener ein Haus in Bad Dürkheim möglichst in Wald Nähe mit einer schönen Sicht auf die Rheinebene. Auf die Frage, ob sie sich schon etwas angesehen hätten, antworteten beide, „ja zwei Objekte kämen infrage, aber wir haben uns noch nicht entschieden.“ Nun angesichts dessen, dass sie in Bad Dürkheim ein Haus kaufen 28 möchten, besteht die Möglichkeit, dass sie und Herr Wegener in absehbarer Zeit heiraten werden, fragte unsere Reporterin. Frau Brehm antwortete darauf verschmitzt lächelnd, „wer weiß.“ Rosel ihrerseits hatte einen Tag nach der Geburtstagsfeier mit Eva Kühn telefoniert und sie um ein Gespräch gebeten. Eva bestätigte ihr anhand des Fotos in der Tageszeitung, dass Ricarda Brehm die Frau war, die ihrem Bruder zum Verhängnis wurde. Während ihres Gesprächs meinte Eva, „jemand sollte diesen Herrn Wegener vor dieser eiskalten und geldgierigen Frau warnen, sonst steht der wohl eines Tages da, ohne etwas zu besitzen.“ Sie reichte Rosel einen Ordner. „Hier, das sind alle Unterlagen, Presseberichte sowie meine eigenen Notizen bis hin zu meiner Übernahme unserer Firma. Ich bitte dich nur, es hier zu lesen. Danach weißt du, was diese Frau meinem Bruder und mir angetan hat.“ Je mehr Rosel las umso mehr war sie davon überzeugt, dass Fred seinen Freund vor der Frau warnen sollte. Diese Frau war nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und um ihrer Ziele zu erreichen kannte sie offenbar keinerlei Skrupel. Drei Tage später traf sich Hetti mit Rosel im Kaffee Laul. „Und“, fragte Hetti, „du hast mit Eva Kühn gesprochen?“ „Ja und was ich da erfahren habe, ist unglaublich. Also, Bernhard lernte diese Ricarda kennen, als sie ihm auf dem Parkplatz vor dem Dürkheimer Fass beim Ausparken gegen seinen Wagen fuhr. Dass dies ein 29 Zufall war, das bezweifelt Eva. Du weißt ja selbst, was für ein Schwerenöter Bernhard war. Wen wundert es, dass sich die beiden sehr rasch näher kamen. Eva meinte, sie hatte den Eindruck, dass ihr Bruder diesem Weib regelrecht verfallen war. Er erfüllte ihr jeden Wunsch. Sie waren stetige Gäste auf jeder angesagten Party und verspielten eine Menge Geld im Spielkasino. Er kaufte ihr Schmuck und Kleider und die beiden führten ein Leben wie die Fürsten. Im Laufe dieser Zeit kümmerte er sich immer weniger um die Firma. Was aber schlimmer war, um sich diesen Lebensstiel mit dieser Ricarda leisten zu können, unterschlug er letztlich Firmengelder. Nach einem neuerlichen Kreditantrag bei seiner Hausbank unterhielt sich der Filialleiter mit dem Prokuristen Bernhards, mit dem dieser gut befreundet war. Als der daraufhin die Kreditunterlagen überprüfte, stellte er fest, dass die Firma bereits erhebliche Schwierigkeiten hatte, ihren laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Des Weiteren fiel ihm bei der Überprüfung der Kontoauszüge auf, dass bereits mehrere Kredite aufgenommen wurden, die in den Büchern nicht auftauchten. Das Schlimmste jedoch war, dass die Villa, deren eine Hälfte Bernhard, die andere seiner Schwester gehörte, mit einer Hypothek in einer Höhe von 300.000 DM belastet war. Die Unterschrift seiner Schwester auf dem Hypothekenantrag hatte Bernhard gefälscht. Es stand also nicht gut um die Firma. Diese war nach dem Tod des Vaters, wie auch die Villa, zu gleichen Teilen an Eva und Bernhard gegangen. Bernhard führte die Geschäfte und Eva blieb als stille Teilhaberin im Hintergrund. Der Prokurist sprach nun Bernhard darauf 30 an, zu welchem Zweck die Kredite benötigt wurden und weshalb sie nicht in den Büchern erschienen. Es handle sich hier immerhin größten Teils um Firmengelder. Nach der harschen Antwort Bernhards, dass ihn das nichts anginge und dies wohl seine persönliche Angelegenheit sei, bat der Prokurist um einen Termin bei Eva. Anfänglich glaubte Eva noch, sie könne das mit ihrem Bruder klären. Als sie ihn darauf ansprach, schrie er sie an, sie möge sich um ihre Angelegenheiten kümmern. Geschäftliche Dinge seien schließlich seine Sache und gingen sie nichts an. Dies sei einzig seine Angelegenheit. Nachdem Eva ihn dann auf die Hypothek auf ihrem Elternhaus ansprach, meinte er nur, was er mit seiner Hälfte des Hauses mache, ginge sie genauso wenig an. Letztendlich handle es sich um sein Erbe. Auf ihren Einwand, dass er eine Urkundenfälschung begangen habe, indem er ihre Unterschrift nachmachte, schrie er sie an: „Dann verklag mich doch.“ Danach rannte er aus dem Zimmer. Eva traf sich daraufhin erneut mit dem Prokuristen um ihm von dem Gespräch mit ihrem Bruder zu berichten. Daraufhin riet dieser ihr, notfalls per Gerichtsbeschluss, Einsicht in die Bücher und alle von ihrem Bruder getätigten Bankgeschäfte, die er im Namen der Firma vollzogen habe, einzufordern. „Wissen sie Frau Kühn, ich denke, dass ich noch gar keinen Überblick über den wahren Stand der Dinge habe, aber ich bin mir sicher, dass die Firma keinen weiteren Kredit mehr tragen kann, ohne Schaden zu nehmen. Mitunter könnte das Schlimmste geschehen und die Firma wäre ruiniert“, äußerte er Eva gegenüber seine Bedenken. 31 Also suchte Eva ihren Anwalt auf, der ihr den Rat gab, ihrem Bruder die Vollmacht zur alleinigen Führung der Firmengeschäfte mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Nachdem dann die Prüfung der Bücher sowie der Firmenkonten abgeschlossen war, wurde deutlich, dass ein Betrag von 800.000 DM fehlte. Nach der Sichtung der Bankverbindlichkeiten teilte der Prokurist Eva mit, dass es mit der Firma schlecht stand, aber es noch nicht zu spät wäre. Es sei erforderlich, dass sie die Geschäfte übernehme und ihr Bruder als Geschäftsführer zurücktrete. Da nun Bernhard feststellte, dass er ohne Evas Zustimmung keinerlei Entscheidungen mehr treffen konnte, weigerte er sich, die Firma je wieder zu betreten und forderte Eva auf, ihm sein Erbteil auszuzahlen. Als Eva dies verweigerte, drohte er, sein Recht vor Gericht einzuklagen. Nach einem Gesprächstermin mit ihren Anwälten einigten sich Bernhard und seine Schwester außergerichtlich darauf, dass Bernhard mit sofortiger Wirkung aus der Firma ausschied. Nachdem sich auch bis zu Ricarda herumgesprochen hatte, dass Bernhards finanzielle Lage nicht gerade rosig war, empfing sie ihn mit den Worten: „Wir werden uns leider trennen müssen, denn du kannst es dir nicht mehr leisten, mich zu unterhalten. Es war eine schöne Zeit mit dir aber alles Schöne hat einmal ein Ende.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen, verschwand sie. Bernhard, der noch ein letztes Mal versuchen wollte sie umzustimmen, musste feststellen, dass Ricarda ohne eine neue Adresse zu hinterlassen, aus seiner Eigentums- 32 wohnung ausgezogen war. Den Schmuck und all die schönen Kleider, die er ihr gekauft hatte, hatte sie natürlich mitgenommen. Selbst sein Bankkonto, auf das sie Zugriff hatte und auf dem noch etwas mehr als 20.000 DM waren, räumte sie leer. Bernhard zog sich ganz in seine Wohnung zurück. Er trank sehr viel, aber auch der Alkohol konnte ihn Ricarda nicht vergessen lassen. Eines Abends stieg er in seinen Wagen und fuhr in Richtung Ludwigshafen. An einer Baustelle durchbrach er die Absperrung und prallte mit ca. 180 km/h frontal auf eine Straßenwalze. Der Arzt des Rettungswagens äußerte nach seiner Untersuchung, dass Bernhard sofort tot gewesen sein musste. Bei der Durchsuchung von Bernhards Wohnung fand die Polizei einen Abschiedsbrief, der an seine Schwester gerichtet war. Liebe Eva! Es tut mir unendlich leid, all das was ich dir angetan habe. Für mich habe ich nun erkannt, dass ich so nicht mehr leben will und kann. Meine Überzeugung, mit Ricarda die Frau meines Lebens gefunden zu haben, die mich liebt und mit der ich mein Leben verbringen will war ein Trugschluss. Zu spät habe ich erkannt, Sie hat nur das Geld geliebt, das wir mit vollen Händen ausgaben. Immer im Mittelpunkt stehen, bekannt sein, beneidet werden von all den anderen Frauen, das war ihr einziges Lebensziel. Als ich ihr das nicht mehr bieten konnte, hat sie mich eiskalt verlassen. Letztlich musste ich erkennen, ich mein geordnetes Leben für einen geltungssüchtigen Menschen ruiniert. 33 Ich hoffe sehr, dass du die Firma, die uns unser Vater hinterlassen hat, retten kannst und unsere Arbeiter nicht ihren Job verlieren. Bitte verzeihe mir, was ich getan habe und auch das, was ich jetzt tun werde, ich kann nicht anders. Es grüßt dich ein letztes Mal. Dein Bruder Bernhard Hetti saß vor ihrem Kaffee und schüttelte den Kopf. „Das gibt es doch nicht, wie kann ein Mensch so berechnend sein? Diese Ricarda das ist ja ein Früchtchen! Ich glaube, wenn ich Fred diese Story erzähle, den haut es aus den Schuhen. Ob er das überhaupt glaubt, wenn ich ihm das erzähle?“ „Nun das wirst du wissen, wenn du es ihm gesagt hast. Sollte er an dem, was du ihm erzählst zweifeln, ich denke Eva Kühn wird ihm so wie mir bestimmt den Ordner mit all ihren Unterlagen zur Einsicht geben. Dann kann er alles selbst schwarz auf weiß nachlesen.“ Hetti schüttelte den Kopf. „Das ist ein starkes Stück. Ich denke das muss Fred wirklich Amadeus sagen. Man kann doch einen Menschen nicht in sein Unglück laufen lassen, oder?“ „Das denke ich auch“, antwortete Rosel. Als Fred an diesem Abend nach Hause kam, berichtete ihm Hetti, was sie erfahren hatte. Fred hörte sich alles an, und als sie ihn fragte, „was wirst du jetzt tun“, antwortete er: „Ich muss nachdenken, ich weiß es noch nicht. Lass 34 mir noch etwas Zeit. Amadeus ist ja noch die nächsten beiden Wochen hier und mit seinem Hauskauf beschäftigt. Du hast zwar Recht, einfach nichts sagen, das wäre wahrscheinlich verkehrt, aber wie bringt man einem Freund eine solche Nachricht bei? - Wenn ich mich dazu entschlossen habe, sage ich dir Bescheid.“ Hetti lächelte ihn verständnisvoll an. „Es ist nicht einfach, aber du wirst das Richtige tun, das weiß ich.“ Zärtlich küsste sie ihn und ging in die Küche, um sein Abendessen zuzubereiten. Amadeus hatte sich, auf sanftes Drängen Ricardas hin, für den Kauf eines sehr schönen Hauses oberhalb des Bad Dürkheimer Vororts Seebach, in unmittelbarer Waldrandlage entschieden. Das Haus hatte sieben Zimmer Küche und zwei Bäder. Eine große Terrasse, die zum Garten ging, rundete das Ganze ab. Da Amadeus damit beschäftigt war, seine neue CD aufzunehmen, überließ er das Renovieren und Einrichten ihres neuen Heims voll und ganz Ricarda. Eines muss man Ricarda lassen, Geschmack hatte sie. Allerdings dieser Geschmack war auch nicht billig. Als alle Renovierungsarbeiten abgeschlossen und alle Möbel, sowie Teppiche und sonstige Dekorationsgegenstände an ihrem Platz standen, hatte Ricarda für Renovierung und Einrichtung fast so viel ausgegeben, wie das Haus gekostet hatte. Sie präsentierte nun freudestrahlend Amadeus ihr Werk, der an sich zunächst, durchaus sehr angetan davon war. Nachdem er jedoch den Preis erfuhr, musste er leicht schlucken. „Es ist sehr schön wie du das alles eingerichtet hast Liebling, aber, das muss ich schon sagen, es ist auch schön teuer.“ 35 „Aber wir wollen uns doch wohlfühlen in unseren vier Wänden“, warf Ricarda ein. „Amadeus lächelte sie an und meinte, „ja, ist schon richtig, was du sagst. Es gefällt mir ja auch, sehr sogar.“ Zur Einweihung des Hauses gaben sie eine Party, zu der recht viel Prominenz geladen war. Auch Hetti und Fred waren unter den Gästen. Als Amadeus und Fred sich unterhielten, meinte Fred, „mein lieber Freund das sieht alles sehr edel aus, aber das hatte bestimmt auch seinen Preis.“ „Ja“, antwortete Amadeus. „Ich hätte es durchaus gerne einige Nummern kleiner gehalten aber, da ich das alles Ricarda überlassen habe, darf ich mich wohl jetzt nicht beschweren.“ „Ricarda hat das alles eingerichtet?“ Amadeus bemerkte den leisen Unterton. „Ist da etwas, was du mir sagen möchtest?“ Fred sah ihn ernst an. „Ich habe da etwas in Erfahrung gebracht, habe es erst nicht glauben wollen, bin daher der Sachen auf den Grund gegangen und habe alles nochmals überprüft. Es betrifft Ricarda!“ „Ja und?“ „Können wir einmal in Ruhe darüber reden, Hetti meint du solltest das wissen.“ „Gut dann rede.“ „Könnten wir uns nicht irgendwo treffen, um ungestört darüber zu reden?“ Amadeus sah ihn nachdenklich an. „Gut, du bist mein bester Freund und ich erinnere mich, dass du keiner bist, der einfach irgendwelche 36 Dinge über andere spricht, wenn er nicht genau weiß, von was er redet. Treffen wir uns also morgen um 11.00 Uhr im Restaurant des Spielkasinos. Ich habe da mit meinem Manager einen Termin. Ich soll im Kursaal an drei Abenden der nächsten Woche ein Konzert geben.“ „Also, dann bis morgen Mittag.“ Fred betrat das Restaurant des Spielkasinos, sah Amadeus, der schon an einem Tisch saß, ging zu ihm und nahm ihm gegenüber Platz. Nachdem sie sich begrüßt und etwas zu trinken bestellt hatten, fragte Amadeus. „Nun mein Freund, was ist es das ich wissen sollte?“ Fred sah Amadeus ernst an bevor er zu berichten begann. „Eva Kühn, eine Schulfreundin von Hetti hatte einen Bruder, der, bevor er Selbstmord beging, mit deiner Ricarda etwas mehr als zwei Jahre liiert war.“ „So, und was ist daran nicht in Ordnung“, fragte Amadeus. „Es sind die Umstände, die zu seinem Tod führten! Ich erzähle dir am besten die Geschichte von Anfang an.“ Also erzählte er, wie sich Bernhard und Ricarda kennenlernten und alles, was danach geschah. Amadeus hörte ruhig zu und man konnte sehen, dass er sehr nachdenklich wurde. Als Fred geendet hatte, fragte er: „Du sagst, du hast das alles überprüft?“ „Ja, ich war selbst noch einmal bei Eva Kühn und sie hat mir die ganzen Unterlagen, die sie aufbewahrt zu lesen gegeben.“ „Das kann ich nicht glauben Fred, so gierig ist Ricarda nicht!“ Fred sah Amadeus an und meinte, „wenn du möchtest, 37 kannst du es selbst nochmals überprüfen. Verstehe mich bitte nicht falsch, ich spreche hier nur mit dir, weil mich Hetti darum gebeten hat und glaubt, dass ich dir das sagen sollte. Sie ist der Meinung, dass du das wissen solltest. Es kann ja sein, dass sich Ricarda seit damals geändert hat, - was aber, wenn nicht?“ Amadeus sah ihn lange an, bevor er fragte.“ Du bist also der Meinung es wäre besser, wenn ich mich von ihr trenne?“ „Das habe ich nicht gesagt. Ich möchte eigentlich nur, dass du etwas aufpasst. Du hast dir einen Namen gemacht und bist nicht gerade arm, verdienst sehr gut, besitzt nun ein sehr nobles Haus und ich denke, dass du dir das alles erhalten möchtest. Mein Vater würde jetzt zu dir sagen: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Vertrauen sollte man nur jemandem, der sich dieses Vertrauen auch verdient hat.“ „Also, es ist schon richtig, dass Ricarda nicht die Sparsamste ist. Es ist auch so, sie liebt teure Kleider, teuren Schmuck und bei der Renovierung und Einrichtung des Hauses hat sie schon etwas viel Geld ausgegeben. Sie ist auch stets darauf bedacht, immer im Mittelpunkt zu stehen. Das weiß ich und welche Knöpfe sie bei mir drücken muss, um ihren Kopf durchzusetzen oder mich, einfach gesagt, um den Finger zu wickeln, das weiß sie auch. Aber diese Eiseskälte, die du ihr unterstellst, ich weiß nicht, das kann ich nicht glauben.“ „Ich möchte dir nichts einreden. Ich bitte dich nur, ein Auge auf alles zu haben und ich hoffe, dass dieses Gespräch nicht unsere Freundschaft belastet.“ Amadeus sah Fred an und schüttelte den Kopf. „Mach 38 dir darüber keine Gedanken. Wäre ich an deiner Stelle und hätte derart, eindeutige Beweise gesehen, in solch einem Fall, da bin ich mir sicher, hätte ich auch mit dir darüber gesprochen. Ich werde mich etwas mehr um meine Angelegenheiten kümmern, und nicht mehr alles auf Ricarda abwälzen. Dann müsste ich, sollte es irgendwelche Unregelmäßigkeiten geben, diese finden und somit auch erkennen, wenn etwas getan wurde, das nicht meine Zustimmung findet.“ Circa vier Wochen später. Ricarda war auf der Bank und wollte am Automaten Geld abheben. Als sie ihren Pin eingegeben hatte, erschien auf dem Display: Ihre Karte wurde gesperrt! Ricarda ging zum Bankschalter und beschwerte sich bei der Kassiererin. Diese nahm die Karte, überprüfte per Computer die Eintragungen für Zugangsberechtigung, wandte sich wieder Ricarda zu und sagte: „Es ist richtig, ihre Karte wurde vom Kontoinhaber gesperrt. Darf ich sie an unseren Filialleiter verweisen, er wird ihnen alle ihr diesbezüglichen Fragen beantworten und die Angelegenheit klären.“ „Ich bitte darum“, antwortete daraufhin Ricarda. Kurze Zeit später wurde sie in das Büro des Filialleiters gebeten. „Guten Morgen Frau Brehm“, begrüßte dieser sie. „Bitte nehmen sie Platz. Der Filialleiter deutete auf einen Sessel der vor seinem Schreibtisch stand. Als beide Platz genommen hatten, legte er die Kontenkarte vor Ricarda und sagte: Zu meinem Bedauern, muss ihnen mitteilen, dass ihr Lebensgefährte Herr Amadeus Wegener, ihre Scheckkarte gestern Nachmittag sperren 39 ließ und ihnen zusätzlich die Zugriffsberechtigung auf seine Konten entzogen hat.“ „Was, das kann doch nicht wahr sein, das ist ja unerhört!“ „Ich kann ihnen leider nichts anderes sagen. Wie sie erkennen können“, er legte die Kundenkarte so, dass Ricarda diese einsehen konnte, „hier“, er deutete auf eine Stelle der Karte, „sind besagte Einträge mit der Unterschrift von Herrn Wegener.“ Mit hochrotem Kopf stürmte Ricarda aus dem Büro und verließ die Bank. Zurück zu Hause ging sie im Wohnraum zur Hausbar und schenkte sich einen Cognac ein. „Das ist doch nicht möglich“, sprach sie zu sich selbst, „diese Blamage, mich vor diesem Erbsenzähler von Bänker derart bloß zu stellen. Was soll das?“ Sie hatte nicht bemerkt, dass Amadeus auch im Raum war und in einem der hochlehnigen Sessel der Sitzgruppe saß. „Nun das kann ich dir erklären meine Liebe“, hörte sie plötzlich seine Stimme. Erschrocken drehte sie sich um, „du bist hier, ich dachte du hättest im Studio zu tun.“ Noch bevor Amadeus antworten konnte, fuhr sie fort. „Was soll das heißen, dass du meine Scheckkarte und unser Konto gesperrt hast?“ „Nun meine Liebe, das ist es, was ich mit dir besprechen muss.“ Sie schritt zur Sitzgruppe und ließ sich ihm gegenüber auf einen Sessel nieder. „Zunächst liebe Ricarda möchte ich noch etwas richtigstellen. Es handelt sich nicht um unser, sondern um mein Konto. Wie du an den vor dir liegenden Unterla- 40 gen ersehen kannst,“ er deutete auf einen Schnellhefter der auf dem Tisch lag, „habe ich mir von der Bank eine Zusammenstellung aller Aktivitäten ausdrucken lassen. Diese Aufstellung beginnt mit dem Tag, als ich dir Zugriff auf mein Konto gewährte.“ „Und was soll das, fragte sie schnippisch.“ „Nun bei der Durchsicht ergaben sich doch einige Unregelmäßigkeiten, die der Klärung bedürfen.“ „Willst du sagen, ich hätte das Geld verschwenderisch ausgegeben? Du warst über alles informiert, und ein Haus renovieren und einrichten, das ist nun mal nicht billig! Ich finde es demütigend, dass du mich hier verhörst, als hätte ich weiß Gott was verbrochen. Das habe ich nicht verdient, dass du so mit mir umgehst. Ich bin auch nicht gewillt, mir von dir Vorwürfe machen zu lassen.“ Sie stand auf und wollte den Raum verlassen. „Du wirst hierbleiben“, sagte Amadeus etwas lauter, „denn, wenn du jetzt gehst, dann werde ich Anzeige wegen Diebstahls gegen dich erstatten!“ „Was!“ Sie fuhr herum und gebärdete sich wie eine Furie. „Jetzt reicht es mir“, schrie sie ihn an, „was glaubst du wohl, wer du bist du überheblicher Klavierklimperer. Ich werde der Presse einmal erzählen, was ich von dir halte und ihnen auch noch so einige Kleinigkeiten unserer Zweisamkeit preisgeben.“ „Was wirst du ihnen erzählen? Dass du meine Gutmütigkeit ausgenutzt, Geld unterschlagen, gelogen und betrogen hast nur um deine Gier nach Geltung und Reichtum zu befriedigen? Wirst du ihnen auch erklären, wie du meinen Vorgänger ausgenommen hast, ihn zur Urkundenfälschung angestiftet und letztlich da- 41 durch, dass du ihn verlassen hast, als du ihn ruiniert hattest, auch in den Tod triebst?“ Sie wurde kreidebleich. Amadeus erhob sich aus seinem Sessel. „Du wirst jetzt deine Koffer packen und ich gebe dir den guten Rat, nicht mehr mitzunehmen, als das, was du besessen hast, als wir zusammengezogen sind. Dann wirst du die Schlüssel auf den Tisch in der Diele legen und mein Haus verlassen. Das Geld, das du unterschlagen hast, befindet sich in spätestens zwei Wochen wieder auf meinem Konto, sonst, das verspreche ich dir, wirst du mich kennenlernen auf eine höchst unangenehme Art und Weise.“ Sie warf ihm den Schlüssel entgegen, lachte höhnisch und sagte: „Geld, das ich unterschlagen haben soll, das muss man mir erst nachweisen. Wenn du glaubst, dass du das kannst, dann verklage mich doch.“ Sie stürmte aus dem Zimmer und kurze Zeit später verließ sie mit den Worten, „das wirst du noch einmal bereuen das schwöre ich dir“, das Haus. Amadeus setzte sich wieder in seinem Sessel und schüttelte den Kopf. Das darf doch wohl nicht wahr sein dachte er. Wie konnte ich nur auf so eine Person hereinfallen? Nun ja, gut, dass mich Fred angesprochen und mir die Augen geöffnet hat. Einige Tage später. Amadeus griff zum Telefon und wählte die Nummer des Rechtsanwalts, den ihm sein Manager empfohlen hatte. „Kanzlei Rechtsanwälte Gerber und Partner. Was kann ich für sie tun?“, meldete sich die Empfangsdame. 42 „Guten Tag, mein Name ist Wegener. Könnte ich bitte Herrn Gerber sprechen?“ „Oh Herr Wegener, einen Moment bitte, ich verbinde.“ Es knackte in der Leitung. „Gerber! Herr Wegener was kann ich für sie tun?“ „Ich habe ihnen doch die Unterlagen in Sachen meiner Lebensgefährtin Ricarda Brehm zukommen lassen. Nun sie bestreitet energisch, die Unterschlagung und glaubt, dass man ihr nichts nachweisen kann.“ „Na ja, wenn es die Dame wissen will, dann werde ich jetzt sofort, in ihrem Namen Strafantrag wegen Diebstahls stellen. Zudem stelle ich den Antrag, besagtes Konto der Dame, auf das sie monatlich das unterschlagene Geld von ihrem Konto überwiesen hat, mit sofortiger Wirkung zu sperren. Herr Wegener wären sie damit einverstanden, dass ich ihre Unterlagen meiner Kollegin übergebe, denn ich stecke zurzeit in einem Fall, in dem es um Patentrechte geht, was eigentlich mein Spezialgebiet ist.“ „Können Sie ihre Kollegin empfehlen?“, fragte Amadeus. „Da können sie sicher sein Herr Wegener. Sonst hätte ich ihr nicht nach relativ kurzer Zeit die Partnerschaft angeboten.“ „Also gut, ich verlasse mich auf ihr Wort.“ „Sie wird sich umgehend mit ihnen in Verbindung setzen. Ich werde auch veranlassen, dass das soeben Besprochene sofort von Frau Wilde erledigt wird.“ „Vielen Dank, ich erwarte also Frau Wildes Anruf, auf Wiederhören Herr Gerber.“ Amadeus legte auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Soviel zu dem, was ich einmal als mein Glück 43 angesehen habe, dachte er. Es ist schon traurig. Ein Mensch, der so das Vertrauen missbraucht, das man ihm entgegenbringt, der muss lernen, dass das, was er sich da vorgenommen hat, nicht so einfach geht, wie er sich das denkt. Es war Samstag 9.00 Uhr, als das Telefon läutete. Amadeus nahm den Hörer und nannte seinen Namen. „Guten Morgen Herr Wegener hier ist die Kanzlei Gerber, Müller am Apparat. Herr Wegener ich soll einen Termin mit ihnen und Frau Wilde festmachen. Wann hätten sie Zeit, zu uns zu kommen?“ „Einen Moment ich hole meinen Kalender!“ Als er an seinem Schreibtisch saß und der Kalender vor ihm lag, meinte er: „Dienstagmorgen 10.30 Uhr wäre das angenehm?“ „Ginge vielleicht 11.45 Uhr? Frau Wilde hat noch einen Termin bei Gericht und kann frühesten 11.30 Uhr wieder hier sein.“ „Ja das ist möglich, ich werde da sein.“ „Vielen Dank Herr Wegener ich werde sie gleich eintragen. Also dann, bis Dienstag und noch ein schönes Wochenende für sie.“ „Danke ebenfalls“ entgegnete Amadeus und legte auf. Als er nach dem Frühstück die Zeitung aufschlug, da sprang ihn die fette Überschrift eines Berichtes förmlich an: „Traumpaar hat sich getrennt? “ Wie wir gestern Abend in Erfahrung brachten, hat sich Herr Amadeus Wegener von seiner langjährigen Lebensgefährtin getrennt. Als unsere Reporterin Frau Ricarda Brehm nach den Gründen für diese überraschende Trennung fragte, äußerte diese ihr gegenüber nur, dass sie bezüglich dieses Gerüchts zurzeit keinen 44 Kommentar abgeben wolle. Auf die erneute Frage unserer Reporterin, ob sie sich wirklich getrennt haben, antwortete sie, „auch dazu kein Kommentar.“ Wir werden versuchen, Herrn Wegener zu erreichen, um zu klären, was an diesem Gerücht dran ist. Als sein Manager Amadeus aufsuchte, musste er sich durch ein Heer von Reportern kämpfen, die das Haus regelrecht belagerten. Auf das Gerücht angesprochen, äußerte er nur, dass er nichts wisse und wenn man ihn denn zum Haus durchlassen würde, so wolle er mit Herrn Wegener sprechen, um Klarheit zu bekommen. Als man ihn dennoch weiter mit Fragen bedrängte, antwortete er: „Ich möchte sie bitten, die Privatsphäre von Herrn Wegener zu respektieren und das Grundstück nicht zu betreten. Ich denke Herr Wegener wird je nach Lage der Dinge frühestens am Montag eine Erklärung abgeben. Bitte gedulden sie sich so lange, und im Voraus besten Dank für ihr Verständnis.“ Als er Amadeus im Wohnzimmer gegenüberstand, schüttelte der lächelnd den Kopf und meinte: „Sie ist clever, setzt den ersten Punkt und möchte wohl, dass ich dazu Stellung nehme, um zu erfahren, was als Nächstes auf sie zukommt.“ „Du wirst dich doch nicht provozieren lassen, oder?“ Fragte daraufhin sein Manager. „Nein, nein keine Sorge, den Gefallen tue ich ihr nicht. Ganz gleich, was sie auch unternimmt, ich werde keinerlei Erklärung abgeben, nicht bevor meine Anwältin ihr mitgeteilt hat, was auf sie zukommt, wenn sie sich weiter weigert, das unterschlagene Geld zurückzugeben.“ Er hatte noch nicht ausgesprochen, als sein Telefon 45 läutete. Sein Manager nahm ab und meldete sich. „Hier bei Wegener.“ „Hier Frau Wilde von der Kanzlei Gerber und Partner. „Sie möchten bestimmt mit Herrn Wegener sprechen?“ „Wenn dies möglich wäre? „Einen Moment bitte.“ Er reichte den Hörer an Amadeus. „Es ist deine Rechtsanwältin.“ Amadeus griff den Hörer, „ja hier Wegener!“ „Ich habe gerade die Zeitung gelesen Herr Wegener, haben sie schon mit einem der Reporter gesprochen?“ „Nein und ich habe dies auch nicht vor. Ich möchte mich zunächst mit ihnen beraten.“ „Das ist sehr gut, bitte reagieren sie auf keinerlei Fragen der Presse. Ich denke die Gegenseite wartet nur darauf, dass sie sich zu einer Unbedachtheit hinreißen lassen, um uns so in die Defensive zu drängen.“ „Keine Bange Frau Wilde über meine Lippen kommt kein Wort. Wir sehen uns wie mit ihrer Sekretärin abgesprochen am Dienstag um 11.45 Uhr.“ „Ja ganz recht und ich freue mich darauf, also bis dann und noch ein schönes Wochenende für sie.“ „Eine nette Stimme hat die Dame“, bemerkte der Manager. „Kennst du sie näher?“ „Nein, ich habe eben das erste Mal mit ihr gesprochen. Zuvor war ich direkt bei Herrn Gerber.“ „Scheint ihr Handwerk zu verstehen.“ „Wie meinst du das“, fragte Amadeus. „Na ja, sie hat das in der Zeitung gelesen und sich, so kann man sagen, umgehend mit dir in Verbindung gesetzt, um dich zu informieren, wie du am besten damit umgehen sollst. Ich finde das gut.“ „Ja du hast recht, ich glaube es stimmt schon, das was 46 Herr Gerber mir gesagt hat. Er meinte sie sei eine sehr gute Anwältin.“ „Nun am Dienstag siehst du sie ja persönlich. Bin gespannt, wie das weitergeht, wenn es Ricarda wirklich zu einer Klage vor Gericht kommen lässt.“ „Gerber ist davon überzeugt, dass wir gewinnen, was für Ricarda wohl kein gutes Ende nehmen würde.“ „So ich muss jetzt wieder los, um das Studio für die letzten Aufnahmen zu deiner neuen CD zu buchen. Ich melde mich dann wieder.“ Er verabschiedete sich und ging. Dienstagmorgen, kurz vor 11.30 Uhr traf Amadeus in der Kanzlei ein. Die Sekretärin begrüßte ihn, führte ihn in das Arbeitszimmer von Frau Wilde und bat ihn patz zu nehmen. „Darf ich ihnen eine Erfrischung reichen, oder möchten sie lieber eine Tasse Kaffee“, fragte sie. „Kaffee wäre gut“, antwortete Amadeus. Nach kurzer Zeit kam sie mit einer Tasse Kaffee zurück und reichte sie Amadeus, der sich bedankte. Er hatte gerade einen Schluck genommen, als Frau Wilde den Raum betrat. Amadeus stellte die Tasse auf den Tisch neben sich und sah sie erstaunt an. Als Frau Wilde lächelte, meinte er fragend, „Antonia, bist du es oder irre ich mich?“ Sie kam lachend auf ihn zu und umarmte ihn. „Ja so sehen wir uns also wieder nach so vielen Jahren. Aus dir ist ein großer Pianist geworden, wie es dir die gute Frau Braun vorhergesagt hat. Ich habe dich schon zweimal auf der Bühne gesehen, einfach göttlich.“ „Warum hast du dich nicht gemeldet?“ 47 „Ich habe gelesen, dass du eine Lebensgefährtin hast, und wusste nicht so recht, ob ich mich melden sollte.“ „Aber ich hätte mich gefreut! Als wir uns damals aus den Augen verloren haben, das war schon schade. Ich habe dich sehr vermisst. Nachdem ich dann mit meiner Ausbildung fertig war und meine ersten großen Konzerte gab, ja, da lernte ich Ricarda kennen und was daraus wurde, das hast du gerade vor dir liegen. Und wie ist es dir ergangen, erzähle?“ „Was hältst du davon, wenn wir erst deinen Fall durchgehen und anschließend gemeinsam Essen. Dann könnten wir uns in aller Ruhe erzählen, wie es uns in den letzten Jahren ergangen ist?“ „Gute Idee, das machen wir.“ Antonia bat ihn, Platz zu nehmen. Als sie sich gegenübersaßen, atmete Antonia tief durch und widmete sich der Akte. „Also“, begann sie, „mein Kollege hat schon eine Sperrung des Kontos der Dame beantragt. Die Anzeige wegen Unterschlagung sowie der Schriftsatz an den Anwalt der Gegenpartei gingen auch schon raus. Ich hatte gedacht, dass sich die Gegenseite bis heute schon melden würde, um vielleicht ein Gespräch zu suchen aber bis jetzt hat sich noch nichts getan.“ Die Tür des Büros wurde geöffnet und Frau Müller kam herein. „Hier ist ein Brief von der Kanzlei Brunner für sie abgegeben worden Frau Wilde, ich sollte ihn doch gleich bringen.“ „Ja danke.“ Frau Müller ging wieder. „Das ist der Anwalt der Gegenseite“, erklärte sie Amadeus, - „sehen wir einmal, was er schreibt.“ 48 Sie las das Schreiben laut vor. Nachdem sie geendet hatte, sah sie Amadeus an und sagte: „Das war ja klar, dass diese Ricarda alles abstreiten würde.“ „Das ist doch die Höhe!“ Amadeus war sehr wütend. Er las den Brief, den ihm Antonia gereicht hatte. „Sie behauptet hier allen Ernstes, dass sie bei mir gearbeitet hat. Die 3.000 DM, die sie jeden Monat auf ihr Konto buchen ließ, seien ihr Gehalt?“ „Hattest du einen Arbeitsvertrag mit ihr abgeschlossen?“ „Nein, wir lebten zusammen sonst nichts. Gut, sie hatte Zugriff auf mein Konto und kümmerte sich um anfallende Rechnungen. Das hat sie mir angeboten. Es sei doch selbstverständlich, dass sie mich etwas entlaste und ich mich nicht um alles kümmern müsse erklärte sie es mir.“ Antonia lächelte ihn an, legte beruhigend ihre Hand auf die seine. „Der Anwalt will ein Gespräch, in der Hoffnung, dass er für seine Mandantin noch etwas retten kann. Was meinst du, sollen wir uns darauf einlassen?“ „Wie denkst du darüber?“ „Nun ja, es kann nicht schaden, wenn wir wissen, welche Strategie die Gegenseite verfolgt, falls es letztlich vor Gericht gehen sollte.“ „Also machen wir es, bin gespannt, was dabei herauskommt.“ „Gut ich werde morgen früh der Gegenseite antworten und für den kommenden Freitag um 16.00 Uhr hier in der Kanzlei einen Termin vereinbaren.“ Amadeus nickte, „ja das ist gut, am Freitag bin ich wieder von Hamburg zurück.“ „So, das war das Wichtigste und jetzt habe ich 49 Hunger.“ Sie lächelte Amadeus an. „Also gehen wir essen“, antwortete der und erhob sich. Als sie auf dem Weg nach unten waren, fragte er, „kennst du ein gutes Lokal in der Gegend?“ „Das kommt darauf an, antwortete sie.“ „Auf was?“ „Ob du gerne chinesisch isst.“ „Chinesisch? Ich bin süchtig danach“, antwortete er. Nachdem sie im Lokal saßen und ihre Bestellung von der Bedienung aufgenommen war, nahm Amadeus, Antonias Hand. „Also erzähl, wie war das damals, als du nach Berlin gegangen bist?“ „Ja also, nachdem ich in Berlin ankam, fand ich nicht gleich die richtige Wohngelegenheit. In den WGs, in die ich zuerst zog, fühlte ich mich nicht wohl, also suchte ich mir eine kleine Wohnung für mich alleine. Ich fand auch eine nette zwei Zimmerwohnung im Haus einer älteren Dame.“ Sie lächelte etwas und meinte, „du musst sie dir vorstellen, sie war so wie Frau Braun. Eine sehr nette ältere Frau. Sie hatte eine Tochter, die mit ihrem Mann in Portugal lebte. Als ich bei ihr eingezogen war, hatte ich schon nach kurzer Zeit das Gefühl, ich wäre bei meiner Oma zu Hause. Sie hat mir sehr geholfen, meinen Haushalt in Ordnung zu halten. Sie sagte immer zu mir: Kümmere du dich ausschließlich um dein Studium. Wenn du einmal Rechtsanwältin bist und ich dich brauchen sollte, dann hoffe ich, dass du mir so helfen wirst, wie ich dir heute helfe. Es war eine schöne Zeit. Mein Studium habe ich gut hinter mich gebracht und nach den Prüfungen fand ich eine Stelle in einer Kanzlei. Diese Kanzlei gehörte dem 50 Vater meines Mannes.“ Amadeus ließ ihre Hand, die er die ganze Zeit in der seinen hielt, los. „Du bist verheiratet?“ „Ich war es“, sagte sie mit einem traurigen Blick. Mein Mann ist leider gestorben.“ „Was ist passiert?“ „Als er von einem Mandanten kommend, auf dem Weg zu seinem Auto war, hat ihn ein betrunkener Autofahrer überfahren.“ Amadeus ergriff wieder ihre Hand und drückte sie sanft. „Ja damals fasste ich den Entschluss wieder zurück nach Mannheim zu gehen. Ich bewarb mich bei der Kanzlei Gerber. Heute bin ich einer der Partner.“ Die Bedienung hatte mittlerweile das bestellte Essen gebracht. Antonia lächelte Amadeus an als sie meinte: „So jetzt essen wir, sonst wird es kalt und danach bist du dran mit dem Erzählen.“ Nachdem die Kellnerin die Gedecke abgeräumt hatte, brachte sie den bestellen Kaffee und fragte, ob beide noch einen Wunsch hätten. „Nein danke“, antworteten sie. „So und wie war das nun bei dir damals“, fragte Antonia. „Ich ging ja nach München“, begann Amadeus, „es war eine schöne Zeit und ich hatte das Glück, einen wirklich guten Lehrer und Freund zu finden, der mir viele Möglichkeiten eröffnete und mich sehr unterstützte. Er war es auch, der mir mein erstes Konzert vermittelte und mich in vielen Fragen beriet., Als sich mein Manager vorstellte, war er dabei und er war auch wesentlich 51 an dem Vertrag beteiligt, den ich mit diesem abschloss. Danach begann meine Kariere mit Konzerten, Fernsehauftritten, CDs wurden aufgenommen und mittlerweile bin ich wohl schon um die halbe Welt gereist.“ „Komponierst du auch noch?“ „Ja, einiges davon habe ich auf zwei CDs herausgebracht und die laufen eigentlich sehr gut.“ „Du hast es zu etwas gebracht, wie es die gute Frau Braun vorhergesagt hat“, sagte Antonia und lächelte ihn an. „Das ist schön und ich glaube du machst mit deiner Musik vielen Menschen eine große Freude.“ Er lächelte, „na ja es ist auch für mich eine Freude zu wissen, dass meine Musik viele Menschen glücklich macht. Tja, und dann kam irgendwann Ricarda. Ich gestehe, ich war schon sehr von ihr angetan, und ich habe mich schon gefreut, als sie mir einige lästige Dinge abnahm. Leider habe ich nicht bemerkt, dass es ihr eigentlich nur darum ging, im Mittelpunkt zu stehen. Ich denke, dass sie der Meinung war, ich würde sie letztlich doch nicht heiraten und eines Tages vielleicht sogar verlassen. Da dachte sie wohl, dass sie für diesen Tag vorsorgen müsse, um nicht leer auszugehen. Nun ja, mittlerweile hat sich auf ihrem Konto ja eine stattliche Summe angesammelt, die sie Monat für Monat, in all den Jahren seit wir zusammen sind unterschlagen hat. So und jetzt endet das Ganze vor Gericht und du bist meine Anwältin. Wer hätte das gedacht?“ Er lächelte und drückte zärtlich ihre Hand. Nach einer kurzen Pause sah er sie ernst an. „Darf ich dich etwas Privates fragen?“ 52 „Ja, was möchtest du wissen?“ „Gibt es wieder einen Mann an deiner Seite?“ „Nein, ich bin seit dem Tod von Thomas, meinem Mann, alleine geblieben.“ „Wäre es dir peinlich, wenn ich dir sagen würde, dass ich dich sehr gern habe?“ Sie sah ihn lange an, bevor sie mit einem Lächeln antwortete. „Nein, im Gegenteil, es würde mich sehr freuen, wenn wir uns wieder näherkommen würden. Wenn ich eine Bitte äußern dürfte, können wir damit warten, bis dein Prozess hinter uns liegt, denn ich glaube, ich kann mich sonst nicht so konzentrieren, wie es unbedingt erforderlich ist.“ Amadeus strahlte sie glücklich lächelnd an und sagte darauf: „Frau Rechtsanwältin in dieser Sache stehe ich voll hinter ihnen.“ Die Aussprache zwischen Ricarda mit ihrem Anwalt, sowie Amadeus mit seiner Anwältin brachte nichts. Ricardas Anwalt machte darauf aufmerksam, dass Amadeus mit seiner Mandantin über Jahre in einem eheähnlichen Verhältnis lebte. Innerhalb dieser Zeit habe seine Mandantin seinen Haushalt geführt, ihn auf seinen Reisen begleitet und repräsentative Aufgaben übernommen und somit einen wesentlichen Anteil am Erfolg von Amadeus geleistet. Insofern sei auch die monatliche Überweißung auf das Konto seiner Mandantin gerechtfertigt, da es sich hierbei um das ihr zustehende Gehalt handle. Die Unterstellung ihres Mandanten, dass meine Mandantin eine Unterschlagung begangen haben soll, weißen wir energisch zurück. 53 Antonia fragte: „Da ihre Mandantin in einem Arbeitsverhältnis mit meinem Mandanten steht, kann sie uns doch bestimmt ihren Arbeitsvertrag vorlegen.“ „Es handelt sich hierbei um einen mündlichen Vertrag der beiden Parteien“, antwortete Ricardas Anwalt. „In diesem Fall, können sie uns doch zumindest einen Zeugen benennen, der diese Absprache zwischen ihrer Mandantin und Herrn Wegener bezeugen kann?“ fragte nun Antonia. Dies, werte Kollegin, war eine rein private Absprache zwischen Frau Brehm und ihrem Mandanten, antwortete darauf Ricardas Anwalt. „Nun Herr Kollege, es stellt sich für mich so dar, dass ihre Mandantin der Auffassung ist, sie sei berechtigt gewesen, sich am Konto meines Mandanten bedienen zu dürfen. Oder sehe ich das falsch?“ „Dass sie das falsch sehen, liebe Kollegin denke ich durchaus, jedoch geht es uns nicht hauptsächlich darum, die ganze Angelegenheit öffentlich vor Gericht zu klären. Wenn ihr Mandant bereit ist, meiner Mandantin für ihre Tätigkeit bei ihm, sowie für das Eheversprechen, das er ihr gegeben hat, eine Abfindung in angemessener Höhe zu zahlen, so könnte man die Angelegenheit ganz einfach außergerichtlich regeln.“ Amadeus schlug auf den Tisch. „Wie bitte, ich soll dir die Ehe versprochen haben?“, sagte er etwas lauter zu Ricarda. „Ja“, schrie sie ihn darauf an, „mehrmals sogar.“ Als Amadeus tief Luft holte, um ihr darauf die passende Antwort zu geben, bemerkte er Antonias Hand, auf der seinen, die leicht zudrückte. Daraufhin schwieg er und sah sie nur verständnislos an. Antonia ihrerseits 54 wandte sich nun an den Anwalt der Gegenseite. „Herr Kollege ich denke, dass sie diese Forderungen vor Gericht vertreten müssen. Unsere Anklage bezüglich Unterschlagung, sowie die Forderung die unterschlagene Summe sofort auf das Konto meines Mandanten zurück zu überwiesen, bleibt bestehen.“ „Ich denke hiermit ist dieses Gespräch beendet,“ sagte Ricardas Anwalt. Er sah seine Mandantin an. Beide erhoben sich und verließen ohne ein weiteres Wort den Raum. Einen Tag nach dem Treffen der Anwälte konnte man in der Presse folgenden Artikel lesen. Wie wir nun aus sicherer Quelle erfahren haben, hat sich das Traumpaar Ricarda Brehm und Amadeus Wegener doch getrennt. Frau Brehm hat uns gegenüber geäußert, dass die Trennung leider nicht ganz problemlos vonstattengehe, da sich Herr Wegener weigere, die getroffenen Absprachen einer bestehenden Trennungsvereinbarung einzuhalten. Daher sehe sie sich leider genötigt, die Angelegenheit von einem Gericht klären zu lassen. Unsere Bemühungen um eine Stellungnahme Herrn Wegeners waren bis zum Redaktionsschluss leider erfolglos. Als Amadeus die Zeitung gelesen hatte, rief er Antonia an. „Hast du die Zeitung gelesen?“ fragte er sie entrüstet. Jetzt stellt mich diese Person so hin, als wäre ich der, der sie betrogen hätte. Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Antonia ließ ihn ausreden und fragte dann. „Diese Trennungsvereinbarung wo ist die?“ „Die gibt es überhaupt nicht, das hat sie erfunden!“ „Nicht aufregen, mit diesem Manöver will sie dich nur 55 aus der Reserve locken. Gehst du auf diese Äußerungen ein, dann wird gleich vermutet, aha da ist also doch nicht alles so klar, hier hat wohl jemand eine Leiche im Keller. Bleib bitte ruhig, lass sie einfach reden. In 14 Tagen ist der Gerichtstermin. Herr Gerber würde jetzt sagen: Immer schön die Ruhe bewahren, erst nach der Schlacht werden die Toten gezählt. Sie kann mit ihrem Anwalt noch so ausgeklügelt vorgehen, eins sollte sie jedoch bedenken, ein altes Sprichwort sagt: Ist es auch noch so fein gesponnen, die Sonne bringt es an den Tag. Also, lass dich davon nicht beeindrucken und lass sie nur machen. Unsere Stunde kommt bald.“ „Deine Ruhe möchte ich haben“, antwortete er ihr. „Ich vertraue aber darauf, dass du weißt, was du tust.“ Am Tag des Gerichtstermins trafen sich Antonia und Amadeus vor dem Gebäude. „Wie fühlst du dich?“ Antonia sah ihn an und lächelte. Amadeus verzog etwas das Gesicht, „na ja so ganz glücklich bin ich nicht. Aber du bist ja bei mir, das bessert meine Laune doch schon erheblich.“ „Ja, wenn das so ist, dann lass uns das Problem mal angehen. Sie stiegen die Eingangstreppe des Gerichtsgebäudes empor und gingen in den Verhandlungssaal. Ricarda und ihr Anwalt waren bereits da. „Na Frau Kollegin“, fragte Ricardas Anwalt, „haben sie unser Angebot noch einmal überdacht. Der Prozess, der ihren Mandanten nicht gerade in einem guten Licht zeigen würde, ließe sich immer noch vermeiden.“ „Machen sie sich um meinen Mandanten keine Sorgen 56 Herr Kollege. Ich weiß allerdings nicht, ob ihre Mandantin ihnen alle Fakten gegeben hat, um diesen Prozess zu gewinnen.“ „Das wird sich zeigen liebe Kollegin, das wird sich zeigen“, antwortete er und setzte sich neben Ricarda. Der Richter betrat den Verhandlungssaal und bat die Anwesenden Platz zu nehmen. „Meine Damen und Herrn von der Presse“, sagte er dann, „darf ich sie bitten, das Fotografieren einzustellen und sich gebührend zu verhalten.“ Danach griff er nach seinen Unterlagen und eröffnete das Verfahren. „Die Anklage hat das Wort. Bitte Frau Rechtsanwältin Wilde!“ Im Namen meines Mandanten, Herrn Amadeus Wegener, klage ich seine ehemalige Lebensgefährtin, Frau Ricarda Brehm an, monatlich, über die Dauer von 3 Jahren und 6 Monaten, eine Unterschlagung in einer Höhe von insgesamt 126.000 DM zu Lasten meines Mandant begangen zu haben.“ Der Richter wandte sich an die Gegenpartei. „Ihr Antrag Herr Verteidiger?“ „Hohes Gericht, wir bitten um eine Abweisung der Klage, da es sich bei dem angeblich unterschlagenen Geld um das Gehalt meiner Mandantin handelt, die zur Zeit in einem Arbeitsverhältnis bei Herrn Wegener stand.“ „Frau Rechtsanwältin trifft dies zu“, fragte daraufhin der Richter. „Nein Herr Richter dies trifft nicht zu. Wenn Frau Ricarda Brehm in einem Arbeitsverhältnis zu meinem Mandanten stand oder steht, wie sie behauptet, dann kann sie doch bestimmt ihren Arbeitsvertrag dem Ge- 57 richt vorlegen.“ Der Richter wandte sich der Gegenpartei zu. „Dies ist uns leider nicht möglich Herr Richter, da es sich hier um einen mündlichen Vertrag des Klägers mit meiner Mandantin handelt.“ Antwortete darauf Ricardas Anwalt. Stimmt das Herr Wegener?“, fragte nun der Richter Amadeus. „Haben sie die Angeklagte angestellt, um Ihre Angelegenheiten zu regeln?“ „Nein das stimmt nicht Herr Richter!“ Jetzt meldete sich Antonia zu Wort. „Wenn Frau Brehm bei ihrer Aussage bleibt, dass es zwischen ihr und meinem Mandanten eine mündlichen Vereinbarung gab Herr Richter, dann kann uns die Gegenseite doch bestimmt einen Auszug aus den Steuerunterlagen der von der Klägerin angegebenen Beschäftigungsjahre vorlegen!“ „Herr Rechtsanwalt können sie besagte Auszüge aus den Steuerunterlagen Ihrer Mandantin vorlegen?“, fragte der Richter. Ricarda und ihr Anwalt berieten sich kurz. „Herr Richter wir bitten um eine Vertagung, um uns um die Beibringung besagter Unterlagen zu bemühen“, sagte nun der Anwalt. „Herr Richter“, meldete sich nun Antonia zu Wort, „bevor sie vertagen, hätten wir gerne noch die Behauptung der Gegenseite vom Tisch, dass mein Mandant Frau Ricarda Brehm die Ehe versprochen haben soll.“ Der Richter wandte sich nun wieder Ricarda zu. „Frau Brehm wie war das nun mit dem Eheversprechen?“ „Herr Wegener hat mehrmals um meine Hand angehalten, sodass ich letztlich in eine Heirat einwilligte. Seit 58 unserem Streit wegen dieser angeblichen Unterschlagung jedoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass er mich nur noch loswerden will, da er mich wohl niemals heiraten wollte.“ „Nun Frau Brehm, ihre Aussage erscheint mir ein wenig unlogisch“, antwortete ihr darauf der Richter. „Sie sagen, erst machte er Ihnen mehrmals einen Heiratsantrag den sie immer wieder ablehnten und als er sich dann von ihnen trennt, behaupten sie, er habe ihnen die Ehe versprochen. Irgendwie erscheint mir das Ganze doch nicht ganz plausibel.“ Antonia erhob sich und fragte: „Gestatten sie mir eine Frage an die Beklagte Herr Richter?“ „Bitte Frau Rechtsanwältin!“ „Können sie uns erklären Frau Brehm, wieso sie, zwei Tage bevor ihnen mein Mandant ihre hier zur Verhandlung stehende Unterschlagung nachwies, der Presse gegenüber äußerten, ich zitiere wörtlich: Nein eine Heirat kommt für uns zurzeit noch nicht infrage, da die Tourneeverpflichtungen von Amadeus dies zeitlich nicht zulassen. Aber ich verspreche ihnen, wenn Amadeus mir einen Antrag macht und wir den Tag unserer Verlobung festlegen, so werden wir ihnen dies bekannt geben. Wie gesagt diese Angaben gegenüber der Presse machten sie zwei Tage bevor mein Mandant ihre Machenschaften aufdeckte, sie daraufhin bat sein Haus zu verlassen und jeglichen Kontakt mit ihnen abgebrochen hat.“ Mit hochrotem Kopf schrie Ricarda sie an, „das ist eine Lüge das habe ich nie gesagt.“ Antonia hielt besagte Tageszeitung hoch. 59 „Und wie erklären sie sich dann, dass dies hier in der Ausgabe dieser Tageszeitung steht?“ „Dürfte ich bitte die Zeitung einmal haben“, fragte der Richter. Antonia ging zum Richterpult und reichte sie ihm. „Nun Frau Brehm es steht hier, schwarz auf weiß! Sollten sie das weiterhin abstreiten, werden wir den Reporter sowie den Fotografen, der das Bild von ihnen und besagtem Reporter geschossen hat, vorladen müssen. Also wollen sie weiter behaupten, dass das nicht stimmt, was hier steht?“ Nach einem kurzen Gespräch mit ihrem Anwalt gab sie kleinlaut zu, dass der Bericht wohl doch so stimme. „Also entspricht es demnach auch nicht der Wahrheit, dass ihnen Herr Wegener die Ehe versprochen hat?“ „Wir wollten eigentlich schon heiraten aber Amadeus war noch nicht bereit dazu“. „Ich darf das also so werten, sie hätten ihn gerne geheiratet, aber er“, der Richter deutete auf Amadeus, „war noch nicht bereit für die Ehe mit ihnen. Das mit dem Eheversprechen stimmt also nicht?“ „Ja“, antwortete Ricarda sehr leise. „So Frau Anwältin, haben sie noch etwas vorzubringen oder können wir vertagen, damit die Gegenseite die geforderten Unterlagen beibringen kann“, wandte sich der Richter wieder an Antonia. „Eine Kleinigkeit hätte ich da noch Herr Richter.“ „Ja, das wäre?“ Wir haben unserer Klageschrift eine Liste beigefügt, in der Schmuckstücke aufgeführt sind, welche die Gegenseite bei der Trennung nicht zurückgegeben hat. Wir bitten nochmals um die Herausgabe, da wir gel- 60 tend machen, dass diese von der Angeklagten, nach Lage der Dinge, in betrügerischer Absicht erschlichen wurden. Mein Mandant streitet nicht ab, dass er zurzeit als er diese Geschenke Frau Brehm gemacht hat, der Meinung war, sie beide würden eines Tages einmal eine eheliche Bindung eingehen. Dies ist jedoch, nach den Machenschaften von Frau Brehm, aus der Sicht meines Mandanten wohl als völlig ausgeschlossen anzusehen.“ Der Richter hatte die Liste in der Hand. „Herr Anwalt ich nehme an, diese Liste liegt ihnen auch vor?“ „Ja Herr Richter.“ „Angesichts des Standes der Verhandlung Frau Anwältin, kann ich über ihren Antrag erst entscheiden, wenn nachgewiesen ist, ob sich die Gegenseite der Unterschlagung schuldig gemacht hat. Sollte sich dies bewahrheiten, muss ich unterstellen, dass aufgrund dessen ein schwerer Vertrauensbruch, seitens der Beklagten ihrem Mandanten gegenüber vorliegt und dadurch die Trennung des Paares unausweichlich war. Damit wäre es ungerecht, dem Kläger gegenüber, könnte sich die Beklagte hier trotz schwerer nachgewiesener Verfehlungen, bereichern. Gibt es sonst noch ein Antrag ihrerseits, oder haben sie noch einen Antrag Herr Rechtsanwalt?“ „Nein Herr Richter“, antworteten beide Parteien. Der Richter erhob sich. „Es ergeht folgender Beschluss: Der Prozess wird vertagt auf Donnerstag den 18. 09. dieses Jahres, um es der Gegenseite zu ermöglichen fehlende Unterlagen zu beschaffen. Wir sehen uns wieder an besagtem Termin um 10.45 Uhr in diesem Saal.“ 61 Als Amadeus und Antonia danach auf dem Flur des Gerichtes standen, fragte er sie: „Es ist doch eigentlich gut gelaufen für uns, oder?“ „Ja das kann man so sagen. Wenn Frau Brehm nun am Donnerstag keinen Nachweis erbringen kann, dass das von ihr angeblich verdiente Geld auch rechtlich versteuert ist, dann bekommt sie noch zusätzlich ein Problem.“ „Wie soll ich das verstehen?“ Nun, da ihr angebliches Gehalt, dann weder versteuert ist noch irgendwelche Sozialabgaben entrichtet wurden, sie es sich auch noch selbst überwiesen hat und auf keiner der Überweißungen eine Unterschrift von dir ist, dann wird es schwer für sie, wenn sie weiter behaupten sollte, es sei ihr Gehalt. Denn ich werde ihr dann erklären, dass in diesem Fall das Gericht sogar verpflichtet ist, umgehend das Finanzamt zu informieren, da es sich hier eindeutig um eine Steuerhinterziehung ihrerseits handelt.“ Amadeus sah Antonia erstaunt an. „Und was bedeutet das für sie?“ „Falls der Richter der Argumentation der Gegenseite folgen sollte, wird Frau Brehm dennoch von diesem Geld nicht viel haben, wenn sie davon überhaupt etwas sehen wird. Die Wahrscheinlichkeit einer Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung ist dann auch noch nicht vom Tisch.“ „Da bleibt eigentlich in ihrem Interesse nur zu hoffen, dass sie zur Vernunft kommt, oder?“ „Das meine ich auch. Sei es, wie es sei, am Donnerstag werden wir erfahren, wie sie sich entschieden hat.“ Am Donnerstag trafen sich alle wieder im Gerichtssaal. 62 Als der Richter Platz genommen hatte, fragte er: „Nun Herr Rechtsanwalt, konnte ihre Mandantin die gewünschten Unterlagen beschaffen?“ Der Anwalt erhob sich. „Herr Richter meine Mandantin möchte eine Aussage in eigener Sache machen.“ „Gut, - also Frau Brehm sie haben das Wort. Ricarda erhob sich. „Ich möchte aussagen, dass das Geld auf dem Konto nicht mein Gehalt ist. Ich habe es angespart für unsere Hochzeitsreise, wenn Herr Wegener und ich geheiratet hätten.“ „Und sie haben es auf ein Konto eingezahlt, das nur auf ihren Namen lautet“, fragte der Richter. „Ja ich weiß, das war nicht richtig von mir, aber es sollte doch eine Überraschung sein Herr Richter.“ „Nun ja“, der Richter konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, „eine Überraschung wurde es ja, wenn auch nicht so, wie sie es sich gedacht haben. Ich nehme an, dass bereits die besagte Summe inklusive Zinsen auf das Konto des Klägers zurück überwiesen wurde?“ „Noch nicht aber ich werde es spätestens morgen Früh überweisen.“ „Dann wäre noch diese Liste mit dem Schmuck“, sagte der Richter und hob besagte Liste in die Höhe. „Möchten sie sich hierzu auch äußern Angeklagte?“ „Den Schmuck habe ich bereits hier Herr Richter“, antwortete Ricarda. „Dann treten sie doch bitte einmal vor und geben sie mir alles.“ Ricarda ging zum Richtertisch und legte alle Schmuckstücke vor den Richter. Dieser verglich alles mit der ihm vorliegenden Liste, hob dann den Kopf und meinte zu Amadeus: „So wie ich es sehe, sind alle Stücke da. Nach der Ver- 63 handlung wird ihnen alles übergeben. Sonst noch irgendwelche Anträge?“ Beide Seiten verneinten. Die Anwälte hielten nun noch ihre Plädoyers. Danach erhob sich der Richter. „Ich werde mich nun kurz zurückziehen und komme anschließend zur Urteilsverkündung.“ Nach wenigen Minuten kam der Richter zurück. Er schlug seine Akte auf und sprach: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Die Angeklagte hat sich im Sinne der Anklage einer versuchten Unterschlagung schuldig gemacht. Aufgrund dessen ist sie zu einer Haftstrafe von 6 Monaten auf Bewährung zu verurteilen. Zu den Bewährungsauflagen: Die Verurteilte hat die unterschlagene Summe in Höhe von DM 126.000 innerhalb von drei Tagen auf das Konto des Klägers zu überweißen. Wurde das Geld nach 3 Tagen nicht überwiesen, hat dies zur Folge, dass die Bewährung wiederrufen wird und die Beklagte in Haft zu nehmen ist. Zur Begründung des Urteils: Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Beklagte zum Zwecke der Bereicherung, heimlich, monatlich die Summe von 3.000 DM über den Zeitraum von 3 Jahren und 6 Monaten auf ein eigens von ihr eröffnetes Konto überwiesen hat. Der Aussage der Beklagten, sie hätte dieses Geld für eine eventuelle Hochzeitsreise zurückgelegt, kann das Gericht nicht folgen, da dies nach den nachvollziehbaren Aussagen der klagenden Partei, die dieses Gericht als plausibel ansieht, als unrealistisch anzusehen ist. 64 Zugunsten der Angeklagten wird angenommen, dass sie, im wirklich letzten Moment noch den Entschluss fasste, ihre Aussage zu ändern und das Gericht ihren Ausführungen zwar nicht bedenkenlos folgt, aber doch den Ansatz von Bedauern zu erkennen glaubt. Also, Frau Angeklagte, sie sind hier noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, falls sie sich an die Vorgaben halten und das Geld wieder zurücküberweißen. Möchten sie abschließend noch etwas sagen Frau Brehm, sie haben das letzte Wort?“ Ricarda erhob sich. „Ich bedauere, was geschehen ist und werde alles Erforderliche tun, damit sie die Bewährung nicht widerrufen Herr Richter.“ „Damit wäre das erfolgte Urteil, falls keine der Parteien Rechtsmittel einlegt, rechtskräftig und die Verhandlung somit geschlossen.“ Bereits zwei Tage später wurde das Geld auf Amadeus Konto zurücküberwiesen. Der Schmuck wurde ihm bereits nach der Verhandlung übergeben. Amadeus unterrichtete Antonia davon, dass das Geld wieder auf seinem Konto sei und lud sie bei dieser Gelegenheit zum Essen ein. Beide saßen sich in einem kleinen italienischen Restaurant gegenüber. Der Tisch stand etwas verdeckt durch einen Blumenkasten mit einer schönen üppigen Grünpflanze im hinteren Teil des Lokals. Nach dem sie bestellt hatten, nahm Amadeus zärtlich ihre Hand und fragte sie. „Bist du schon wieder bereit für eine neue Beziehung?“ Sie sah in lächelnd an. „Darf ich daraus schließen, dass du an mir interessiert bist“, fragte sie und ihr Lächeln verstärkte sich? 65 „Mehr als das, ich habe mich in den letzten Tagen erneut in dich verliebt. Wenn ich mir sicher wäre, dass es nicht zu früh für dich ist, so würde ich dir sogar heute schon einen Heiratsantrag machen.“ Antonia ergriff seine Hand auf dem Tisch und drückte diese zärtlich. „Wollen wir uns nicht ein bisschen Zeit lassen. Es könnte ja sein, dass wir uns eventuell im Laufe der Jahre ein paar Angewohnheiten zugelegt haben, von denen der andere noch nicht so recht weiß, ob er mit diesen zurechtkommen kann.“ Sie lächelte sah ihn offen an und nach einer kurzen Pause sprach sie weiter. „Weißt du, ich mag dich wirklich sehr. Ich würde es aber gerne langsam angehen, obwohl ich glaube, dass ich dich am Ende heiraten werde, wenn du mich wirklich fragen wirst.“ Amadeus küsste zärtlich ihre Hand. „Na ja“, sagte er, „da werde ich mich in Geduld üben müssen. Ich will dir aber gleich sagen, es fällt mir jetzt schon sehr schwer.“ Antonia erhob sich von ihrem Stuhl, beugte sich über den Tisch, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Als sie sich wieder gesetzt hatte, meinte sie mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen: „Wenn du weiter so liebevoll zu mir bist, werde ich dich auch einmal mit mir nach Hause nehmen.“ „Und was erwartet mich dort“, fragte er verschmitzt. „Nun das wirst du sehen, wenn wir da sind, aber eins kann ich dir jetzt schon versprechen. Du kommst in das Reich der Überraschungen und ich glaube nicht, dass du hinterher wieder in dein eigenes Zuhause willst.“ Beide lächelten und machten sich über das Essen her, 66 das die Bedienung gebracht hatte. Man sah ihnen an, wie glücklich sie waren. Nach einem Jahr konnte man in der Presse lesen: Auf der Pressekonferenz nach einem gelungenen Konzert im Rosengarten Mannheim verriet uns der gefeierte Pianist Amadeus Wegener, in Begleitung seiner Lebensgefährtin Frau Antonia Wilde, dass sich beide Ende des Jahres das Jawort geben würden. Auf die Frage, ob es eine große Hochzeit geben wird, ließ uns Frau Wilde wissen, dass man nur im kleinen Kreise mit engen Freunden feiern werde. Auf unsere Anfrage, ob wir ein schönes Hochzeitsfoto vor dem Standesamt oder der Kirche machen dürfen, sagte sie lächelnd, „da müssen sie Amadeus fragen.“ „Hetti, du weißt schon, dass in einer halben Stunde die Trauung beginnt?“ Hetti kam aus dem Bad und lächelte Fred an. Sie hauchte ihm einen Kuss auf den Mund und sagte: „Von mir aus können wir. Glaubst du, dass du den hohen Anforderungen an einen Trauzeugen gewachsen bist? Hoffentlich hast du auch die Ringe. Nicht, dass du am Altar stehst und kannst sie nicht finden. In diesem Fall glaube ich würde dich Amadeus, oder Antonia erwürgen mein Schatz. Das gilt es zu vermeiden, denn ich bin noch nicht alt genug, um jetzt schon Witwe zu werden.“ Beide lachten und Fred meinte nur, „du bist mir eine, aber trotz allem bin ich froh, dich gefunden zu haben.“ Er nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich. Sie sah ihn immer noch lächelnd an und meinte leise: „Auch ich habe großes Glück, dass es dich gibt und ich liebe 67 dich sehr.“ Sie hakte sich bei ihm unter und sie gingen zu ihrem Auto. Es war eine schöne Hochzeit. Auch die Presse kam zu ihrem Recht und durfte nach der Trauung vor der Kirche ihre Fotos machen. Am nächsten Tag konnte man in der Presse lesen: Gestern heirateten im Kreise von Familie und engsten Freunden der Pianist Amadeus Wegener und Frau Antonia Wilde. Unser Foto zeigt das strahlende Brautpaar beim Verlassen der Kirche. Die Redaktion wünscht ihnen ein glückliches liebevolles Leben und, dass alle ihre Wünsche in Erfüllung gehen mögen. 2. In guten wie in schlechten Zeiten „Alfred? - Wo bist du denn Alfred, wenn du nicht bald aus dem Bad kommst, ist dein Frühstückskaffee kalt.“ Birgit Probst, von ihrem Mann zärtlich Biggilein genannt, erhob sich vom Frühstückstisch und begab sich auf den Weg ins erste Obergeschoss ihres Hauses, Richtung Bad. Als sie die Badezimmertür öffnete, stand ihr Mann vor dem Spiegel und starrte geistesabwesend sein Spiegelbild an. Sie legte sanft ihre Hand auf seinen Arm, daraufhin schien Alfred zu neuem Leben zu erwachen. „Ich bin gleich fertig Biggilein. Kannst du der Bedienung Bescheid geben, dass ich heute nur ein Brötchen 68 mit Butter und ein weiches Ei möchte.“ „Aber Alfred?“ Sie wollte ihm erklären, dass sie zu Hause sind, als er sie schon unterbrach. „Biggilein, wenn wir nachher zum Strand wollen, dann kann ich jetzt kein üppiges Frühstück zu mir nehmen. Du weißt doch, mit vollem Bauch soll man nicht gleich ins Wasser.“ Sie lächelte ihn an, „gut, du hast recht mein Schatz, bist du fertig für das Frühstück?“ Er küsste sie zärtlich auf den Mund, nahm sie, wie früher als sie noch frisch verliebt waren, bei der Hand und ging mit ihr die Treppe hinunter ins Esszimmer. Als er am Esszimmertisch saß, schaute er sich verwundert um. „Wo sind wir denn hier Biggilein?“ „In unserem Haus Alfred, zuhause in unserem Haus.“ Er sah sich weiter um, lachte plötzlich und meinte, „wo sonst, - wo sollten wir auch sonst sein?“ Biggi ergriff zärtlich seine Hand und ganz sanft fragte sie: „Wo warst du denn gerade?“ Sein Blick wurde etwas traurig, als er ihr erklärte, „auf unserer Hochzeitsreise in Spanien, weißt du noch damals?“ Er stand auf und ging um den Esstisch, nahm ihre Hand und küsste sie. Biggi, die ebenfalls aufgestanden war, umarmte ihn und flüsterte ihm zärtlich ins Ohr: „Alfred, ich liebe dich immer noch so sehr wie damals.“ Er sah in ihr zärtlich lächelndes Gesicht und fragte mit traurigem Blick: „Ich war wieder in der Vergangenheit? Ich glaube es wird langsam immer schwerer, damals und jetzt zu unterscheiden.“ Biggi küsste ihn. „Hab keine Angst, ich werde auf dich 69 aufpassen, du bist doch mein Mann, den ich über alles liebe.“ Er hielt sie immer noch umfasst und lächelte sie glücklich an. „Wenn wir jetzt nicht Kaffee trinken, dann wird er kalt“, erinnerte sie ihn an das Frühstück. Alfred küsste sie nochmals zärtlich, löste die Umarmung und ging zurück zu seinem Stuhl. „Guten Appetit Biggilein“, wünschte er und setzte sich. Er nahm das Messer zur Hand und teilte ein Brötchen, bestrich es mit Marmelade und verzehrte es mit großem Genuss. Biggi saß ihm gegenüber, lächelte versonnen und schenkte ihm Kaffee nach, als er seine leere Tasse auf den Unterteller stellte. „Was machen wir denn heute nach dem Frühstück“, fragte er, nachdem er das letzte Stückchen Brötchen gegessen hatte. „Erst werden wir die Betten frisch beziehen und danach gehen wir Einkaufen“, antwortete sie, erhob sich vom Frühstückstisch und räumte das Geschirr in die Spülmaschine. „Du hilfst mir doch beim Betten beziehen?“ „Ja sicher“, antwortete er und ging hinter ihr die Treppe hoch in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Als Biggi die Laken und Bettbezüge aus dem Schrank genommen hatte, legte sie diese auf die Sitzbank, die vor dem Doppelbett stand. Sie drehte sich um und wollte auf seiner Seite anfangen die Bettbezüge auszuwechseln, als Alfred sie in den Arm nahm und zärtlich küsste. „Können wir das etwas später machen“, flüsterte er ihr nach dem Kuss zärtlich ins Ohr. Er tastete bereits nach dem Reisverschluss ihres Kleides 70 und begann diesen langsam nach unten zu ziehen. „Alfred, was hast du vor? Doch nicht etwa das, was ich gerade denke?“ Fragte sie lächelnd. „Was denkst du denn“, fragte er, als ihr Kleid mit leisem Rascheln auf den Fußboden glitt. „Oh, ich,“ ein Kuss verschloss ihren Mund. Als er diesen wieder freigab und zärtlich ihren Hals küsste meinte sie, „ich glaube, dass ich genau das Richtige denke.“ Alfred ließ sich auf das Bett nieder und zog sie zu sich. Als sie auf ihm lag, fragte er ganz zaghaft. „Ich möchte mit dir kuscheln, möchtest du auch?“ Sie lächelte ihn wieder an und meinte nur, „so? Ich noch fast angezogen und du noch ganz?“ Beide standen lachend auf und entledigten sich ihrer Kleider. Als er hinter ihr lag, fuhr er mit seinen Fingerspitzen zärtlich die Linie ihres Rückgrades nach bis zu den Rundungen ihres Pos. „Weißt du noch damals in meiner kleinen Wohnung ganz oben unter dem Dach, als wir das erste Mal beisammen waren?“ „Oh ja, wie sollte ich das vergessen? Es war eine so schöne Zeit.“ „Heute kann ich es dir sagen Biggilein, ich war unglaublich aufgeregt und hatte auch ein bisschen Angst vor dem ersten Mal.“ Sie drehte sich langsam zu ihm um. Als sie ihn liebevoll geküsst hatte, sagte sie zärtlich: „Nicht nur du mein Liebling, nicht nur du. Ich wusste zwar, was geschehen würde, theoretisch wohlgemerkt, aber wie schön es sein würde, das wusste ich noch nicht.“ Er lächelte sie glücklich an. 71 „Ich hatte solche Angst, etwas verkehrt zu machen, oder dir wehzutun, dass ich mich gar nicht getraute, einfach so zur Sache zu kommen.“ „Das war richtig so!“ Biggi sah ihn liebevoll an. „Wenn ich daran denke, in unserer ganzen Ehe waren alle diese gemeinsamen Stunden unserer Liebe immer wieder geprägt von dieser Zärtlichkeit, mit der du mich gestreichelt hast und wir gegenseitig unsere Körper erkundeten. Es war und ist für mich immer wieder wie ein Blick in den Himmel, wenn wir uns vereint hatten, anschließend eng umschlungen zusammenliegen und dieses herrliche Gefühl ganz langsam wieder abklingt. Wie empfindest du es. Ist es für dich auch immer wieder so schön?“ Er küsste ihren Hals und seine Lippen waren auf dem Weg zu ihren kleinen Brüsten, die er so sehr liebte. Kurz bevor er diese erreichte, hielt Biggi seinen Kopf fest. „Ich rede mit dir“, sagte sie und ihre Stimme klang zärtlich tadelnd. Alfred lachte, sein Gesicht erschien wieder vor dem ihren und ein inniger Kuss verschloss ihre Lippen. Nach dem Kuss streichelte er zart ihre Wangen. „Wenn ich daran zurückdenke, war ich mir damals eigentlich nicht sicher, ob ich mich richtig verhalten hatte. Ich war zu Beginn unserer Liebe sehr oft der Meinung, dass du mir mehr gegeben hast als ich dir. Als ich jedoch bemerkte, wie sehr du meine Berührungen genossen hast, und wie schön es ist, sich langsam bis zum Höhepunkt der Liebe zu bewegen, da waren diese Bedenken vorüber. Es ist für mich jedes Mal wieder so reizvoll und unsagbar schön wie beim ersten Mal.“ Seine Lippen machten sich wieder auf den Weg in 72 Richtung ihrer Brüste und von da aus, nach einer kurzen Rast, weiter in Richtung ihres Bauchnabels. Liebevoll strich sie über seinen Kopf und gab sich ganz seinen zärtlichen Küssen hin. Erschöpft lagen sie nebeneinander, ihr Kopf ruhte auf seinem Bauch, strich er zärtlich durch ihr Haar und sagte leise: „Wie lange werden wir das noch genießen können?“ „Wie meinst du das, Alfred?“ „Du weißt, was der Arzt gesagt hat! Ich habe Angst vor dem, was da mit mir geschieht. Ich bemerke doch selbst, dass ich manche Sachen durcheinanderbringe. Manchmal vergesse ich Dinge, die ich fünf Minuten zuvor noch gehört habe. Was wird aus mir, wenn es schlimmer wird und ich weiß es, es wird schlimmer werden.“ Sie erhob sich leicht, kniete sich über ihn und setzte sich langsam auf seinen Bauch. Er betrachtete ihren Körper und dachte, sie ist immer noch so schön und zart wie bei unserem ersten Mal. Langsam kam ihr Kopf auf ihn zu und ihre Lippen verschlossen seinen Mund. Sie küsste ihn leidenschaftlich. Er zog ihren Körper zu sich, bis sie ausgestreckt auf dem seinen lag. Als sich ihre Lippen trennten, sagte Biggi leise: „Wir wollen es genießen, solange wie es nur irgend geht. Ich weiß, dass diese Krankheit dich verändern wird. Wir können das mit der Hilfe der Medikamente etwas aufhalten, leider nicht für immer, aber ich verspreche dir, ich lasse dich damit nicht alleine. Du sollst wissen, dass ich immer für dich da bin.“ Sie lächelte verschmitzt, als sie weitersprach. 73 „Auch wenn du mich wie früher mitten in der Nacht mit zärtlichen Küssen an Stellen meines Körpers weckst, von denen ich aus gewissen Gründen jetzt nicht sprechen möchte.“ „Warum denn? Fürchtest du dich davor?“ fragte er schon wieder lächelnd. Sie rollte sich neben ihm zusammen und meinte leicht schmunzelnd, „du bist jetzt in einem Alter, da darf man einen Mann nicht zu stark fordern. Er könnte es eventuell nicht überleben.“ Als er sich an sie kuschelte und ihre Bürste zärtlich in seinen Händen hielt, flüsterte sie ihm zu. „Ich habe auch Angst, denn ich werde einmal das Liebste verlieren, das mich die wundervolle Zeit meines Lebens begleitet hat. Ich versuche dies aber zu Zeiten wie diesen, an denen wir uns ganz nah sind und uns all unsere Liebe geben, zu vergessen. Ich hoffe genau wie du, dass uns diese Zeiten noch lange erhalten bleiben, und ich dich immer wieder in meinen Armen halten kann, so glücklich, wie wir jetzt sind.“ Er küsste wieder ihren Nacken und sagte zärtlich, „ich hoffe, dass wir noch viel Zeit haben, ich wünsche es mir so sehr.“ Nach geraumer Zeit fragte er sie, „möchtest du zuerst ins Bad?“ Biggi drehte sich zu ihm um. Bevor sie antworten konnte, meinte er, „oder Duschen wir zusammen?“ Sie lächelte und fragte, „so mit allem Drum und Dran? Mit gegenseitigem Einseifen und Abduschen?“ „Als schönen Ausklang des Ganzen, das wäre wundervoll.“ Er sah sie verliebt an, worauf sie meinte, „also gut, aber nur weil du es bist, mit einem Anderen würde 74 ich das nicht machen.“ Lachend stieg sie im Bett über ihn, und er sah ihr nach, bis sie aus der Tür war. Kurze Zeit darauf trat er zu ihr in die Dusche. Biggi hatte das Wasser schon auf eine angenehme Temperatur geregelt. In der einen Hand hatte sie die Duschgel Flasche, in ihren anderen einen großen Naturschwamm. „Es ist doch gut, dass du bei der Renovierung des Bades darauf bestanden hast, eine so große Dusche einzubauen. Ich hätte nie gedacht, dass es mir, wenn wir nun auch im gesetzten Alter sind, immer wieder so viel Spaß machen würde, mit dir zusammen zu duschen mein Liebling.“ Biggi hatte ihre Arme erhoben und wusch ihr Haar. Auf ihrer Nase war ein Klecks Schaum, der sich dahin verirrt hatte. Alfred stand an der Seite neben ihr und sah sie verträumt an. Sie ist so wunderschön, in diesen zarten Körper würde ich mich immer wieder verlieben. Womit habe ich dieses große Glück, mit ihr leben zu dürfen, nur verdient. Seine Gedanken schweiften ab in eine Zeit, die fast 40 Jahre zurücklag. Es war die Zeit, in der er und Birgit sich das erste Mal sahen. „Darf ich um diesen Tanz bitten.“ Alfred verneigte sich höflich vor der jungen Dame, so wie er es in der Tanzstunde gelernt hatte. „Es tut mir sehr leid“, antwortete ihm die junge Dame, „aber ich kann leider nicht tanzen.“ „Wenn sie auf der Tanzfläche stehen“, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln, „werden sie erkennen, dass es fast von alleine geht. Man gibt sich einfach dem Rhythmus hin und macht jeweils einen kleinen 75 Schritt nach rechts und dann wieder einen nach links. Wie sie sehen, halten sich die Paare ziemlich eng umschlungen. Das ist sehr wichtig, denn so, kann keiner der beiden hinfallen.“ Sie sah ihn an und lachte laut. „So hat mir, das muss ich ehrlich gestehen, noch keiner das Tanzen zu einer Bluesnummer erklärt. Wenn ich das früher gewusst hätte, ich glaube, ich hätte mich nicht so lange geniert und es schon eher gewagt.“ Sie erhob sich von ihrem Stuhl und reichte ihm die Hand. Als sie auf der Tanzfläche, eng aneinander geschmiegt, sich im Takt der Musik bewegten, stellte er sich ihr vor. „Mein Name ist Alfred Probst und so schlecht, wie sie mir weißmachen wollten, tanzen sie nicht.“ „Ich heiße Birgit Reich“, antwortete sie darauf, „aber ich bin es nicht.“ Er verstand nicht sofort ihr Wortspiel und sah sie daher etwas verwundert an. „Ich meine reich“, ergänzte sie lächelnd. „Oh ja“, lachte er, als der Groschen gefallen war, „ich stand wohl etwas auf der Leitung.“ Sie lachten beide. „Sind sie alleine hier?“ „Nein mit einer Freundin. Sie muss hier irgendwo auf der Tanzfläche sein.“ Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie gar nicht bemerkt hatten, dass bereits ein neues Lied gespielt wurde. Da es auch ein langsames Stück war, änderte sich an ihren Bewegungen eigentlich nichts. „Es ist sehr schön mit ihnen zu tanzen, dürfte ich noch etwas länger bei ihnen bleiben“, fragte Alfred, nach- 76 dem dieser Tanz vorüber war. „Setzen sie sich doch zu mir, ich würde mich sehr freuen“, antwortete sie ihm. Galant führte er sie zu ihrem Platz und mit der Aussage, „ich komme gleich wieder, ich hole nur schnell mein Getränk“, ging er zu seinem Platz zurück. Als er kurze Zeit danach neben ihr saß, kamen sie wieder ins Gespräch. Er erzählte ihr, dass er gerade seine Ausbildung abgeschlossen hatte, zurzeit noch bei seinen Eltern wohne, aber auf der Suche nach einer eigenen Wohnung sei. Sie berichtete von ihrer Lehre als Verkäuferin, die sie in etwa einem halben Jahr, wenn sie denn ihre Prüfung besteht, beenden würde. Je länger sie miteinander sprachen, umso mehr hatte Alfred das Gefühl, mit diesem Mädchen, das so wunderbar lachen konnte und dabei den Kopf leicht in den Nacken warf, könnte er sein ganzes Leben verbringen. Als er dann noch in ihre strahlenden blauen Augen sah, hatte er das Gefühl, in zwei tiefe Seen zu blicken, in denen er sich verlieren könnte. Im Stillen hoffte er, dass er sie näher kennenlernen dürfte und sie für sich gewinnen wird. Auch Birgit bemerkte, dass der junge Mann neben ihr ganz anders war, als jene, die sie bisher kennengelernt hatte. Irgendetwas an ihm faszinierte sie, ohne, dass sie jetzt erklären konnte, was es war. Er ist offen und das, was er sagt, ist nicht übertrieben. Er hat ein Ziel vor Augen und er möchte auf eigenen Füßen stehen. „Was hast du denn vor, fragte sie ihn, „wenn du deine eigene Wohnung hast.“ „Oh“, er lächelte ihr zu, „zunächst werde ich mir eine nette Freundin suchen, die mir dabei hilft, diese Woh- 77 nung einzurichten.“ „Dafür könnte ich mich schon interessieren“, meinte sie wie nebenbei, „und dann?“ Alfred sah sie lange an, bevor er weitersprach. „Nächstes Jahr werde ich mich an der Meisterschule anmelden und in drei Jahren hoffentlich meinen Meisterbrief bekommen. Aber jetzt noch mal zurück. Du würdest mir helfen beim Einrichten?“ „Na ja schon, jedoch, da wäre allerdings eine Kleinigkeit, die ich noch gerne wüsste.“ „Und das wäre“, fragte er und sah sie erwartungsvoll an. „Hast du schon eine Freundin gefunden?“ Er lächelte und meinte, „noch nicht! Das heißt, ich habe sie noch nicht gefragt, ob sie mit mir befreundet sein möchte, aber wenn meine Wohnung eingerichtet ist, werde ich das wohl tun.“ Sie sah ihn etwas enttäuscht an. Er lächelte und sagte, „vielleicht habe ich Glück und sie bleibt bei mir, wenn wir mit dem Einrichten fertig sind.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie zärtlich, worauf sie leicht errötend antwortete: „Na ja, wir werden sehen.“ „Alfred wolltest du mich nicht einseifen?“ Alfred reagierte nicht, da ergriff Biggi seine Hand. Als sie ihn berührte, sah er sie geistesabwesend an und lächelte zaghaft. „Wie? - ach ja, einseifen, ja natürlich.“ Er nahm das Duschgel und begann ihren Rücken einzuseifen. „Weißt du noch, damals, als wir uns das erste Mal sahen in dieser Disco.“ Fragte er sie. „Oh ja,“ sie drehte sich zu ihm um und begann seinen Ende der Leseprobe von: Band 3 - So spielt das Leben - Geschichten über die Liebe Werner Blum Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://epub.li/1R0c9vH
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